
Ziel dieses Threads ist es, diese Frage zu klären.Thaddäus hat geschrieben:Nein, ich habe auch ganz vergessen, wo du den wann verlinkt hast.Halman hat geschrieben: Hast Du dich mit Zengers Ausführungen zur kanonischen Exegese beschäftigt? Ich hatte sie verlinkt.
Aber um die Sache abzukürzen:
Stimmt es denn nicht, dass die kanonische Exegese den aktuellen Bestand an (katholischen) Glaubensüberzeugungen voraussetzt, damit man den Kanon überhaupt theologisch sachgerecht verstehen und intepretieren kann?
Im folgenden führt Thaddäus, wie die kanonische Exegese einzustufen ist, wenn dem so ist.
Glücklicherweise. Nun ist zu klären, ob die kanonische Exegese mit obiger Beschreibung wirklich zutreffend beschrieben wurde. Um dies zu erörtern, werde ich mich auf Quellen zu dieser Form der Exegese beziehen, im wesendlichen auf den Exegeten Prof. E. Zenger.Thaddäus hat geschrieben:Wenn dem nämlich so ist, dann setzt diese Exegese als ein Prämisse bereits voraus, was historisch-kritische Analyse erst einmal bestätigen muss.
Diese Art der Theologie wurde umfassend im Mittelalter betrieben. Sie widerspricht aber dem grundsätzlichen Ziel wissenschaftlicher Arbeit: denn die soll überhaupt erst plausibel und wahrscheinloch machen, was wir (halbwegs) gesichert wissen können. Wenn die Berechtrigung von Glaubensinhalten ohenehin als wahr vorausgesetzt wird, dann muss man sie nicht mehr wissenschaftlich prüfen. Will man sie aber wissenschaftlich prüfen, dann müssen sich die Glaubensinhalte nach den mehr oder weniger gesicherten Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeit richten (und das Mehr-oder Weniger macht die Spielräume aus, in denen man sich bewegen kann). Wenn man wissen will, ob Quecksilber schädlich oder Kaugummi unschädlich ist, dann muss man sie chemisch und medizinisch untersuchen. Setzt man aber bereits voraus, dass sie unschädlich sind, dann erübrigt sich jede weitere Untersuchung.
Die kanonische Exegese ist in dieser Hinsicht zutiefst unwissenschaftlich. Und allein deshalb hat sie keinerlei Chance, sich an den Universitäten durchzusetzen. Denn es gibt kein zurück ins Mittelalter ...![]()
So wie ich dies bei aller Bescheidenheit verstehe, geht man gem. der kanonischen Hermeneutik von der Prämisse aus, dass der Bibelkanon im Gesamtkontext zu interpretieren ist. Meiner Meinung nach lässt sich die historisch-kritische Methode durchaus durch den kanonischen Zugang ergänzen.
Ich halte es für extrem unwahrschienlich, dass die Bibelschreiber ohne Kenntnis der älteren biblischen Schriften ihre Texte verfassten. In Qumran wurde ganz selbstverständlich mit den biblischen Schriften des Tanach gearbeitet. Es gibt Bezüge in den Psalmen auf die Torah, hunderte von Bezugnamen im NT auf das AT, Parallelen zwischen der Buchrolle der Könige und der Chronik Esras. Daraus folgere ich: Die Schriften wurden schon in der Antike im Zusammenhang rezipiert.
Diesbezüglich empfehle ich die PDF-Dokumente von Zenger.
Hier einen kanonischen Zusammenhang zwischen den esranischen Schiften und Mose zu leugnen, würde bedeuten, die esranischen Torah-Bezüge zu negieren. In 2Kön wird sogar vom Fund der Torah im Tempel berichtet, der dort als sehr bedeutsam geschildert wird.Zitat von Prof. Erich Zenger:
Esra/Neh setzen die Tora des Mose als normative Größe voraus
Prof. Erich Zenger schrieb über die Hermeneutik:Zitat von Prof. Erich Zenger:
2. Joschija nimmt 622 das Dtn als Basis zur Selbstverpflichtung (2Kön 22f): Tora wird im Tempel gefunden (Erzählgefüge Dtn-2Kön  es handelt sich um das Dtn, d.h. kleine Vorstufe zu Dtn 5-28, ohne narrative Elemente, keine Sozialgesetze aber Segen-Fluch). Verpflichtung Josijas = Dtn wird zur Bundesurkunde und Staatsgrundgesetz.
Darin vermag ich nichts unwissenschaftliches zu entdecken.5. Jüdisch-christliche Bibelhermeneutik.
5.1. Keine systematische Einheit, sondern dramatischer Zusammenhang
Die Polyphonie des Ersten Testaments ist von seinen "Arrangeuren" gewollt.
Die komplexe und kontrastive Gestalt des Tanach / Ersten Testaments ist zum größten Teil ausdrücklich gewollt. Daß und wie die Töne, Motive und Melodien, ja sogar die einzelnen Sätze dieser polyphonen Sinphonie miteinander streiten und sich gegenseitig ins Wort fallen, sich ergänzen und bestätigen, sich wiedersprechen - das ist kein Makel und keine Unvollkommenheit dieses Opus, sondern seine intendierte Klanggestalt, die man hören und von der man sich geradezu berauschen lassen muß, wenn man sie als Kunstwerk, aber auch als Gotteszeugnis erleben will.
5.2. Der spannungsreiche Dialog der beiden Teile der einen christlichen Bibel
Läßt man beide Testamente als Rivalinnen im Streit um die Gotteswahrheit zu, kann aus ihrer Korrelation eine neue, produktive Lektüre der einen, zweigeteilten Bibel hervorgehen, die keines der beiden allein und in sich selbst ermöglichen würde. Das erste Testament kann seine Rolle als Herausforderin, Rivalin und Kommentatorin des Neuen Testaments natürlich nur dann spielen, wenn man ihm sein Eigenwort mit Eigenwert beläßt. Die Differenzen müssen auch gelten gelassen werden.
5.3. Hermeneutik der kanonischen Dialogizität
Intertextuell erkennbare Bezüge der erst- und neutestamentlichen Texte werden in einen offenen "kanonischen" Dialog gebracht. Den ersttestamentlichen Prätexten wird aber dabei auch ihr Eigenleben gelassen.
Die hermeneutische Systematik des Tanach stellt Zenger folgendermaßen dar:
Prof. Erich Zenger war m. W. einer der bedeutensten Exegeten und Alttestamentler seiner Zeit. Damit will ich nicht zum Ausdruck bringen, dass ich in allem seiner Exegese folge, meine bescheidene Perspektive ist natürlich verschieden von der fachlichen Sicht Zengers, doch vermag ich in Zengers Dokumenten den Wert der kanonischen Exegese durchaus zu erkennen.Zitat von Prof. Erich Zenger:
2. Die hermeneutische Systematik des Tanach
2.1. Programmatische Schlußtexte (Epiloge/Kolophone) der drei Teile
a) Dtn 34,10-12 ist Schlußtext der gesamten Tora: ("Niemals wieder ist in Israel ein Prophet aufgestanden wie Mose...")
• die Mosetora ist unüberbietbare und ewig gültige Offenbarung und Lebensweisung
• Hauptaufgabe "der Propheten" - Auslegung der Tora;
• Exodus wird in Unvergleichbarkeitsdimension aufgenommen und ist ein Gründungsgeschehen
b) Mal 3,22-24 ist (geschichteter) Schluß des gesamten Prophetenkorpus: ("Gedenket der Tora des Mose...")
• Prophetie - Aktualisierung der Tora
• Tora ist JHWH-Tora
• Tora ist gebündelt in Dtn (Ausdruck "Gesetz und Rechtsvorscgriften")
• Elija ist Schüler des Mose par excellence, weil er JHWH gehört hat. Er wurde in Himmel entrückt und kann deswegen wiederkommen, um Israel zur familiären Tora-Lerngemeinschaft zu machen;
• Bei der Tora-Auslegung der Propheten geht es um die Beziehung Gott - Israel - Land;
• Prophetie legt die Tora in eschatologisches aus, im Hinblick auf den "Tag JHWHs".
Ich gehe davon aus, dass die Bibelschreiber gläubige Juden waren, für die die bereits bestehenden Schriften natürlich höchst bedeutsam waren, insbesondere die Torah.
Die Schreiber des NT leiteten ihren "Weg" ganz selbstverständlich aus dem Tanach her.