Parusieverzögerung III

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sven23
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#1321 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 11:05

closs hat geschrieben: Der Satz gilt also auch umgekehrt: Conzelmanns, Kubitzas, Lüdemanns kühner Umgang hätte auch keinen Bestand vor dem Forum christlicher Theologie. - Die Modelle beider Seiten sind einfach zu unterschiedlich.
Richtig, wobei nur ersteres Anspruch auf wissenschaftliche Methodik erheben kann.

closs hat geschrieben: Er hat es ja vor vielen Jahrzehnten erkannt und beide zusammengeführt. - Egal, was passiert: Die HKM wird fester Bestandteil innerhalb der christlichen Theologie bleiben.
Das meint vielleicht Ratzinger, daß er sie zusammengführt hat. De Facto ist es nicht so. Hier kämen mal die clossschen Setzungen zum Einsatz. Wenn Ratzinger setzt, daß Jesus sich grundsätzlich nicht geeirrt haben kann, weil er ja der leibliche Sohn Gottes der göttlich inspirierten Evangelien ist, dann hat das nichts mehr mit Wissenschaft zu tun, weil die geforderte Ergebnisoffenheit außer Kraft gesetzt ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#1322 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 11:36

sven23 hat geschrieben:wobei nur ersteres Anspruch auf wissenschaftliche Methodik erheben kann.
Hahaha - wie oft soll man Dir noch aufzeigen, dass das falsch ist? - BEIDE arbeiten wissenschaftlich. - Dein Wissenschaftsbegriff ist uralt.

sven23 hat geschrieben:Wenn Ratzinger setzt, daß Jesus sich grundsätzlich nicht geeirrt haben kann
... dann darf er nicht wissenschaftlich versuchen nachzuweisen, dass er sich nicht geirrt hat. - Das tut er auch nicht.

Die sogenannten "Ergebnisoffenheit" ist eh nicht universal - konkret an einem anderen Beispiel gezeigt:
Wenn man aufgrund weltanschaulicher Prämissen oder Wahl der Methodik nur das als relevant ansehen kann, was intersubjektiv vermittelbar ist, muss man ausschließen, dass Materie Folge von Geist ist.

Dadurch wird über die Hintertür eine universale "ERgebnisoffenheit" vereitelt - was kein Wunder ist: Denn Ergebnisoffenheit gilt immer nur innerhalb des zugrundegelegten Denk-Systems. - Insofern ist Ratzinger genauso glaubens-abhängig wie Kubitza.

Unsere Zeit ist jedoch geistig derart einseitig betoniert, dass dieser Gedanke meistens nicht verstanden wird.

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sven23
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#1323 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 11:44

closs hat geschrieben:Hahaha - wie oft soll man Dir noch aufzeigen, dass das falsch ist? - BEIDE arbeiten wissenschaftlich. - Dein Wissenschaftsbegriff ist uralt.
Wo hast du aufgezeigt, daß wissenschaftliches Arbeites ohne Ergebnisoffenheit möglich ist. Träumst du? :lol:
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Halman
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#1324 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Halman » Sa 29. Aug 2015, 11:48

Gerade frage ich, was "kanonische Exegese" eigentlich genau ist. Dass sich ein "Kanon" herauskristallierte, der von Priestern, Schriftgelehrten und Aposteln im Zusammenhang betrachtet wurde, lässt sich m. E. schwerlich leugnen.
In der Zeitschrift der Katholischen Akademie in Bayern äußerte ich auch Prof. Dr. Erich Zenger zur Debatte um das Jesus-Buch von Benedikt XVI.
Zitat von Zenger:
Ein pointiert bibeltheologisches Buch

Davon bin ich schlichtweg beeindruckt: Der Papst liebt die Bibel und lebt mit der Bibel. Und dieser Papst liest und erklärt die Bibel auf hohem bibelwissenschaftlichen Niveau (wenngleich mit sehr begrenzter Wahrnehmung der neueren Fachliteratur). Mich fasziniert, dass die Bibel und das Studium der Bibel beim späten Ratzinger konsequent "das Fundament" und "die Seele" seiner Theologie geworden sind.
Unter dem Abschnitt "Enttäuschung über die historisch-kritische Exegese" führt er aus, dass die historisch-kritische Exegese nach dem Zweiten Vatikanum zunächst einen "Bibelfrühling" auslöste, über denn sich jedoch "ein frostiger, winterlicher Reif der Enttäuschung gelegt" hatte. (Ich denke besonders Klaus Berger ist Repräsentant dieser Enttäuschung.)
Zitat von Zenger:
... Viele Bibelwissenschaftler präsentieren die Bibel nur als Dokumente der altorientalischen und der hellenistisch-römischen Religions- und Sozialgeschichte, aber nicht auch als formatives und normatives Lebensbuch des heutigen Christentums. Diese Relevanz der Bibel überlassen viele Exegeten der Dogmatik oder der Praktischen Theologie.

Unter dem Abschnitt "Ein zugespitztes Buch" führt er aus:
Zitat von Zenger:
... Als sehr persönliches Buch ist es ein einseitiges und zugespitztes Buch. Was für alle Jesus-Bücher gilt, gilt auch hier (selbst wenn der Autor dem widersprechen würde): Das jeweilige Jesusbild ist (fast) immer das höchstpersönliche, subjektive und einseitige Bild ihrer Autoren. Dieses Jesus-Buch ist ein großartiges Glaubenszeugnis eines theologischen Denkers. Aber ich vermisse in ihm die Leidenschaft, die von den unsäglichen Leiden und konkreten Nöten der Menschen, von ihren berechtigten Zweifeln, ja vom Ernst ihres Nicht-Glauben-Könnens erschüttert ist. Ich will es sehr pathetisch formulieren: Dieses Jesus-Buch ist nicht in der Arena des Leids, sondern im Gelehrtenzimmer geschrieben. Es ist ein spektakulär vollkommenes Gottesbuch, aber seine Botschaft ist mir insgesamt zu wenig geerdet. ...

Für unsere Diskussion scheint mir besonders wichtig zu sein, was Zenger unter den Abschnitt "Das hermeneutische und methodische Programm" feststellt:
Kein ernst zu nehmender Bibelwissenschaftler würde heute noch ein Leben Jesu schreiben wollen. Eine Biographie oder ein Psychogramm Jesu von Nazareth scheitert zunächst an der Spärlichkeit der Quellen. Als primäre Quellen hätten wir dafür die Evangelien und als sekundäre Quellen Hinweise bei Tacitus, Sueton und vielleicht bei Flavius Josephus. Das eigentliche Problem sind aber die Evangelien selbst, die keine historischen Berichte über die Vita Jesu sein wollen. Sie sind stark geprägt vom nachösterlichen Glauben, den sie bezeugen und verkünden. Und sie haben eine komplizierte, vielschichtige Entstehungsgeschichte. Andererseits wissen wir heute ziemlich viel über die Zeit und den Raum, in denen Jesus gelebt hat. Deshalb gibt es exzellente historisch-kritische Arbeiten, die Jesus als eine Gestalt des Judentums und die Jesusbewegung als eine innerjüdische Erneuerungsbewegung erforschen. Die historisch-kritischen Jesusbücher von Martin Ebner und Gerd Theißen sind alles andere als glaubenszersetzend, aber sie wollen und können nicht das in Jesus offenbar gewordene Gottesgeheimnis erreichen, das die biblischen Texte bezeugen und um das es Benedikt XVI. in seinem Jesus-Buch geht.

@closs
Für dürfte insbesondere der Abschnitt "Ein ambitioniertes Gegenprogramm zur historisch-kritischen Jesus-Forschung" interessant sein.
Anschließend erläutert er die drei hermeneutischen Optionen des Papstest. Einleitend stellt er fest:
Zitat von Zenger:
Die Hermeneutik, mit der Benedikt XVI. die biblischen Texte liest, ist von drei Optionen bestimmt, die ich in meiner Terminologie synchrone, kanonische und rezeptionsästhetische Lektüre bezeichnen würde.

Abschließend noch ein Link zu Fussnoten des Buches Bund und die Tora (evtl. ist es erfordelich bis Setie 51 im Buch-Link zur Fussnote zu scrollen).
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1325 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 11:55

sven23 hat geschrieben:Wo hast du aufgezeigt, daß wissenschaftliches Arbeites ohne Ergebnisoffenheit möglich ist.
Es wurde mehrfach aufgezeigt, dass Ergebnisoffenheit nur innerhalb von Modellen möglich ist, die selber auf Prämissen basieren. - Wir müssen unterscheiden zwischen Modell-ERgebnisoffenheit und universaler Ergebnisoffenheit.

Nimm mal den Kritischen Rationalismus: Er sagt, dass nur das relevant ist, was falsifizierbar ist - eine gute Grundlage. - Aber: Er kann somit nur innerhalb dessen ergebnisoffen sein, was falsifizierbar ist. - Somit ist er NICHT ergebnisoffen in Bezug auf "das, was der Fall ist/sein kann", aber nicht falsifizierbar ist.

Nun kann man postulieren, dass nichts der Fall sein könne, was nicht falsifizierbar ist - aber dann ist man komplett in der Welt der Dogmatik. - Was ziehst Du vor? - Methoden-beschränkte Ergebnisoffenheit oder Dogmatik? - Mehr Auswahl wirst Du nicht haben.

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sven23
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#1326 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 12:09

closs hat geschrieben:Es wurde mehrfach aufgezeigt, dass Ergebnisoffenheit nur innerhalb von Modellen möglich ist, die selber auf Prämissen basieren. - Wir müssen unterscheiden zwischen Modell-ERgebnisoffenheit und universaler Ergebnisoffenheit.
Dann mal ganz konkret gefragt:
Auf welchem Modell basiert Ratzingers Dogma, daß Jesus sich nicht geirrt haben kann? Und wo bleibt da die Ergebnisoffenheit?
Merkste was?
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#1327 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 12:18

sven23 hat geschrieben:Auf welchem Modell basiert Ratzingers Dogma
Die Frage ist wirklich falsch gestellt. - Das Dogma ist nicht Folge eines wissenschaftlichen Modells, sondern Glaubens-Dogma auf vielfältiger Basis. - Die Wissenschaft kommt erst dann ins Spiel, wenn man dieses Dogma methodisch untersucht. Innerhalb dieses Rahmens arbeitet die Wissenschaft ergebnisoffen.

Spiegelverkehrt und allerdings verdeckt macht das der Atheismus ganz genauso - dort heißt es: "Da Gott nicht intersubjektiv beweisbar ist, untersuchen wir so, als gäbe es ihn nicht". - Dementsprechend wird die Bibel mit einem Modell wissenschaftlich untersucht, als gäbe es keinen Gott.

In der Naturwissenschaft ist das sehr sinnvoll ("Methodischer Atheismus") - in der Theologie ist es mindestens nicht der einzige Weg (um es arg zurückhaltend zu formulieren). - Wie auch immer: Innerhalb dieses Rahmens arbeitet die Wissenschaft ergebnisoffen.

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sven23
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#1328 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 12:44

closs hat geschrieben:. - Wie auch immer: Innerhalb dieses Rahmens arbeitet die Wissenschaft ergebnisoffen.
Die Wissenschaft schon, aber nicht Ratzinger und Co.

closs hat geschrieben: Die Wissenschaft kommt erst dann ins Spiel, wenn man dieses Dogma methodisch untersucht.
Wie will man Glaubens-Dogmen methodisch untersuchen? Sie entziehen sich jeder Untersuchung
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#1329 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 12:57

sven23 hat geschrieben:Die Wissenschaft schon, aber nicht Ratzinger und Co.
Doch. :lol:

sven23 hat geschrieben:Wie will man Glaubens-Dogmen methodisch untersuchen?
OK - da habe ich mich wahrscheinlich falsch ausgedrückt. - Richtiger wäre wohl: Die Wissenschaft untersucht ergebnisoffen im Rahmen modell-definierter Prämissen (ob man diese nun Dogma oder Setzung oder sonstwie nennt, ist egal). - Vielleicht kann es ja jemand besser ausdrücken - die Chancen stehen gut.

Hemul
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#1330 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Hemul » Sa 29. Aug 2015, 13:54

Ich möchte nur höflichst daran erinnern, dass auch der 3.Parusiethread bereits wieder mit 333 Seiten wichtiger Neuigkeiten gefüllt ist. Thread Nr. 2 wurde aber schon nach 101 Seiten getrennt. Bin sehr gespannt wer hier den längeren Atem hat. :Smiley popcorn:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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