Ich würde es weniger hart formulieren: Ein historischer Kern, der danach ("Rezeption") unabsichtlich oder absichtlich "gestaltet" wurde. - Mir hat mal ein Theologe einiger dieser (in diesem Fall: inner-kirchlicher) Fälle aufgezeigt: Frühe "kirchliche" Eingriffe, bei denen sinnentstellend verändert wurde - ein echtes Problem auch in der kirchlichen Theologie. - Da ist übrigens die HKM sehr hilfreich, aber nicht hilfreich genug, weil diese Eingriffe schon sehr früh auftraten (weiss leider nicht mehr, welche es konkret waren).Pluto hat geschrieben:Aus meiner Sicht hat die Bibel einen wahren historischen Kern, um den herum eine "Netz" von Legenden und Mythen gewoben wurde.
Das wäre dann der auto-suggestive oder manipulative Moment dabei - ja, das ist ebenfalls dabei. - Und wenn wir schon dabei sind: Allein die Übertragung hebräischen Gedankenguts ins Griechische ist bereits eine eminente Einflussnahme - ich habe das bei meiner Lektüre der Buber-Übersetzung gemerkt, die in einem hebräischen Denk-Duktus überträgt, der meiner Ansicht nach - wie man an den anderen Übersetzungen sieht - semantische Schwingungen mit sich bringt, die man sonst nicht spürt.Pluto hat geschrieben:Soweit ich es verstehe, ist Rezeption eine Annahme (Setzung) wie es sein könnte.
Insofern glaube ich, dass es bereits eine "Fälschung" ist, wenn Paulus in Griechisch schreibt: "Logos" ist etwas ganz anderes als "Memra", das der Übersetzung zugrunde liegt - von "Am Anfang war das WORT (=logos")" ganz zu schweigen. - Allein über diese Doppel-Übersetzung geht eminent viel verloren - DAS ist HKM (oder wäre es).
Das sind die Bibel-Texte doch auch: "Ich, Textverfasser, verstehe das, was über Jesus erzählt wird, SO". - Ob er den NT-Paradigmen-Wechsel kapiert hat oder nicht. - Jetzt will ich die Burschen nicht schlechter machen als sie sind - aber sie schreiben halt nicht ein Autograph ab, sondern verfassen etwas nach ihrem Verständnis.Pluto hat geschrieben:Erkennst du darin nicht den ursprünglichen Fehler? Es ist eine private Interpretation die ohne Begründung in den Raum gestellt wurde.
Eigentlich kann das die HKM schon, wenn die deren dafür zuständigen Wissenschaftler auch literarisch, also geistig, lesen können - und solche Leute gibt es sicherlich auch (da bin ich aber nicht tief genug in der Szene drin). - Das Problem: In der Öffentlichkeit erscheinen nur die Marktschreier, zu denen sich auf der anderen Seite jetzt Berger hinzugesellt hat. - Es ist keine wissenschaftliche Auseinandersetzung, sondern ein Kulturkampf.Pluto hat geschrieben:Und wer bestimmt, was der Gesamtkontext ist?
Genau da ist es so.Pluto hat geschrieben:Das mag in der Rezeption so sein, aber in der HKM nicht.
Ausdrücklich nein. - Wenn es um archäologische Dinge oder aus den Geschichtswissenschaften vorliegende neutrale Quellen geht, natürlich JA. - Aber nicht in der Textarbeit. - Da wird die eigene Kalibrierung als "Realität" gesetzt - das ist doch genau das Problem. (Ich habe Dich so verstanden, dass Du mit "Realität" das meinst, was man vorfände, wenn man sich 2000 Jahre zurück-beamen ließe und das Geschehen life beobachten könnte)Pluto hat geschrieben:In der HKM wird jede Erkenntnis mit der Realität verglichen.
Das macht die HKM im Fall "Bibel" doch auch nur scheinbar - deshalb mein Wort "simulieren". - Sie überträgt ein bewährtes Muster aus literarischen Bereichen, in denen es ein Autograph gibt, auf die Bibel-Texte, zu denen es KEIN Autograph (seitens Jesus) gibt.Pluto hat geschrieben:Anstatt sich von den Tatsachen leiten zu lassen und ergebnisoffen zu forschen
Wenn ich Anton richtig verstanden haben, arbeitet sogar die Wissenschaft deduktiv, indem das gewählte Modell der Maßstab ist (bis es falsifiziert wird). - Der Unterschied ist eher, dass eine Falsifizierung des HKM-Modells einfacher wäre (aber auch noch schwer genug) als die Falsifizierung eines gesetzten Glaubens-Inhalts. - Aber darunter in der wissenschaftlichen Alltagsarbeit sind die Unterschiede nicht so groß.Pluto hat geschrieben:legt die Rezeption a priori das Ziel fest,
Die wurden schon logisch und fundamental-theologisch hinterfragt, dass sie überhaupt Dogmen werden können. - Nachdem die Kirchenleute immer sehr helle Köpfe hatten, darfst Du davon ausgehen, dass das theoretische Fundament wasserdicht ist. - Wenn ich etwas hinterfragen würde, wäre es die Menge der Dogmen - davon abgesehen kann ich nur mit kräftiger Übersetzung (in mir selbst) einige Dogmen befürworten. - Hinwiederum ist die RKK die einzige Einrichtung, die ein in sich konsistente Fundamental-Theologie hat - die protestantischen Theologien haben dies nach meiner bisherigen Kenntnis nicht.Pluto hat geschrieben:An den Kernaussagen (Dogmen) hält man fest, anstatt sie zu hinterfragen.
Also betrachte Dogmen in erster Linie als zusammengefasste Lehr- und Weisheits-Sätze, hinter denen manchmal Jahrhunderte an theologischen Diskussionen stehen.
Das sind in der Tat für mich nachvollziehbare Topics - wobei jedes davon von Heeren von Theologen bearbeitet wurde, weil's halt dann doch nicht so einfach ist. - GAAAAANZ grob:Pluto hat geschrieben:Es sind die Kernaussagen, wie die jungfräuliche Geburt, die körperliche Auferstehung eines Toten, die Himmelfahrt, die Pentekost-Geschichte und v.a.m. an denen man sich festkrallt.
* Jungfräuliche Geburt = Jesus ist nicht ein besonderer Mensch, sondern hat einen unmittelbar göttlichen Elternteil.
* Körperliche Auferstehung = Geistleib, als Offenbarung dargestellt mit Leib (damit die, denen es offenbart wird, es überhaupt sehen können). - Aber dieser Leib geht nichts aufs Klo oder hat Bauchschmerzen, etc. - er steht für die geistige Ich-Identität nach dem Tod (im Gegensatz etwa zum Buddhismus)
* Himmelfahrt = Offenbarung für den geistigen Inhalt "Das Ich geht kann direkt in die göttliche Endstation kommen"
* Pfingsten = der Mensch bekommt die Gabe, Dinge geistig zu verstehen ("erfüllt mit dem HG")
* etc.
Wie gesagt: Das ist arg andeutungsweise, soll aber zeigen, dass da schon was dahintersteckt.
Wenn Du mich vor 30 Jahren gefragt hättest, hätte ich gesagt "Nee - das sieht doch jeder". - Heute wird mir klar, dass es NICHT jeder sieht. - Vielleicht ist das so wie in jedem "Fach" - es gibt Mathematik-Verstehen und Mathematik-Neanderthaler - in geistiger Sicht scheint sich mir unsere Epoche in geistigen Dingen Richtung Neanderthaler zu entwickeln. - Und wenn sich die Zeiten wieder ändern, dreht es sich wieder (da muss nur mal eine echte Katastrophe ausbrechen und es kann sehr schnell gehen).Pluto hat geschrieben:Glaubst du wirklich, du hättest eine diese besondere Gabe, die uns Ungläubigen fehlt?
In Bezug auf die HKM geschieht das Umgekehrte: Da will er anderen die Augen öffnen.Pluto hat geschrieben:Er kann nicht anders als die Augen vor den Unstimmigkeiten verschließen.
Formal ja, inhaltlich nein - es sei denn, der Agnostiker ist ein dezidiert geistiger Mensch. - Wetten, dass ein Buddhist, der die Bibel noch nie gelesen hat, diese auf Anhieb besser verstehen würde als eine Ansammlung agnostischer Wissenschaftler?Pluto hat geschrieben:Das bekräftigt nur meine Behauptung, dass man es den Zweiflern (Agnostikern) überlassen sollte, die Bibel auszulegen.