Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Philosophisches zum Nachdenken
closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#561 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von closs » Mi 6. Mär 2019, 23:55

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 22:33
Philosophisches Konstrukt.
Das hört man oft von philosophisch wenig interessierten Menschen.

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 22:33
Damit gibst ja lediglich den Sachen, die du wahrnimmst, einen neuen Namen.
Klar - Wirklichkeit = "meine" Wahrnehmung.

Allerdings: Der Naturalismus macht nicht viel Anderes, wenn er sagt, dass alles wahrnehmbar/naturwissenschaftlich erreichbar sei, was Wirklichkeit ist.

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 22:33
Also ebenfalls ein philosophisches Konstrukt, aufbauend auf deinen beiden persönlichen Prämissen, etwas müsse unabhängig von dir der Fall sein und es müsse etwas anderes sein als deine Wahrnehmung.
In Deinem Wortgebrauch ist ALLES ein "philosophisches Konstrukt". - Und richtig: Es gibt persönliche Prämissen/hermeneutische Vorannahmen - aber die gibt es IMMER. - Auch die Annahme, Wirklichkeit sei nur das, was wissenschaftlich erreichbar ist, ist eine "persönliche Prämisse".

Deshalb reden wir hier doch nicht darüber, was "Wirklichkeit" IST (als gäbe es darauf nur EINE richtige Antwort), sondern wie man "Wirklichkeit" definiert.

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 22:33
Dir geht es darum, dass alle Leute dir zustimmen, dass etwas "unabhängig von dir der Fall" sei.
So einfach ist es nicht. - Erstmal brauchen wir semantische Klarstellung, was mit W. eigentlich gemeint sein soll. - Damit kommt natürlich auch MEINE Definition rein, die ich für richtig halte (ich finde es wirklich lächerlich, W. DANACH zu definieren, ob man als Mensch es auf die Reihe bringt, sie zu erkennen. Damit meine ich NICHT die Version von Lena, die "W." mit ihrem Erleben der Welt gleichsetzt, da Lena nie beanspruchen würde, mit ihrer Definition ALLE "Wirklichkeit" abzudecken - nein, ich meine damit diejenigen, die glauben, dass ALLES, was der Fall ist, wahrnehmungs-mäßig/wissenschaftlich erreichbar wäre und dies "Wirklichkeit" sei).

Auf ganz anderer Ebene kommen mir dann sehr wohl Zweifel an meiner Definition, wenn man QM-Ergebnisse (Entität/Wirklichkeit ENTSTEHT durch Wahrnehmung) miteinbezieht. - Aber das darf keine Ausrede sein, eine Stufe niedriger zu meinen, dass ALLES, was der Fall ist, wahrnehmungs-mäßig/wissenschaftlich erreichbar wäre und dies "Wirklichkeit" sei.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#562 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Pluto » Do 7. Mär 2019, 09:16

closs hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 15:44
Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 13:02
Ich sagte (1) und meine das auch. Trotzdem ist die Wirklichkeit IMMER beobachtbar.
Das widerspricht sich aber.
Ja und...?

closs hat geschrieben:Etwas kann nicht unabhängig vom Menschen sein und gleichzeitig davon abhängen, dass der Mensch es beobachten kann.
Die Wirklichkeit hängt nicht von einem Beobachter ab, aber sie ist beobachtbar/messbar.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 13:02
Nenne mir und begründe ein Beispiel, wo das nicht so ist.
Das kommt drauf an, wie man Wirklichkeit definiert. - Wenn man Wirklichkeit so definiert, dass sie immer beobachtbar ist, kann es rein definitorisch/logisch nicht sein, dass es Fälle gibt, bei denen Wirklichkeit NICHT definierbar ist.
Du kannst also keine Beispiele nennen?

closs hat geschrieben:Definiert man wie "1) W. = was der Fall ist, egal ob wir es wahrnehmungsmäßig/wissenschaftlich untersuchen (können)", kann es Wirklichkeit geben, die nicht wissenschaftlich nachweisbar ist.
Doch. Wirklichkeit ist IMMER messbar. Auch hier hätte ich gern ein Beispiel, wo das nicht so ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#563 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von closs » Do 7. Mär 2019, 09:32

Pluto hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 09:16
Die Wirklichkeit hängt nicht von einem Beobachter ab, aber sie ist beobachtbar/messbar.
Könnte ja sein - aber das ist ein vollkommen willkürliche Behauptung - ein Glaubensentscheid.

Pluto hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 09:16
Du kannst also keine Beispiele nennen?
Das geht logisch nicht. - Im Grunde sagst Du: "Sage mir unter der Voraussetzung, dass jegliche Wirklichkeit beobachtbar/messbar ist, wo das NICHT der Fall ist". - Das ist logischer Unfug.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#564 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Pluto » Do 7. Mär 2019, 09:34

closs hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 23:55
JackSparrow hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 22:33
Dir geht es darum, dass alle Leute dir zustimmen, dass etwas "unabhängig von dir der Fall" sei.
So einfach ist es nicht. - Erstmal brauchen wir semantische Klarstellung, was mit W. eigentlich gemeint sein soll. - Damit kommt natürlich auch MEINE Definition rein, die ich für richtig halte (ich finde es wirklich lächerlich, W. DANACH zu definieren, ob man als Mensch es auf die Reihe bringt, sie zu erkennen. Damit meine ich NICHT die Version von Lena, die "W." mit ihrem Erleben der Welt gleichsetzt, da Lena nie beanspruchen würde, mit ihrer Definition ALLE "Wirklichkeit" abzudecken - nein, ich meine damit diejenigen, die glauben, dass ALLES, was der Fall ist, wahrnehmungs-mäßig/wissenschaftlich erreichbar wäre und dies "Wirklichkeit" sei).
Was Wirklichkeit ist, hatten wir schon...

Mit dem Begriff Wirklichkeit wird all das beschrieben, was der Fall ist. - [Wikipedia]

Und... prinzipiell ist diese Wirklichkeit (was der Fall ist) wissenschaftlich erreichbar (beobachtbar/messbar)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#565 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Pluto » Do 7. Mär 2019, 09:37

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 09:32
Pluto hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 09:16
Die Wirklichkeit hängt nicht von einem Beobachter ab, aber sie ist beobachtbar/messbar.
Könnte ja sein - aber das ist ein vollkommen willkürliche Behauptung - ein Glaubensentscheid.
Nein. Auch das ist Wirklichkeit.
Aber genau aus diesem Grund, bat ich dich mir Beispiele zu nennen, wo das nicht so ist.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 09:16
Du kannst also keine Beispiele nennen?
Das geht logisch nicht. - Im Grunde sagst Du: "Sage mir unter der Voraussetzung, dass jegliche Wirklichkeit beobachtbar/messbar ist, wo das NICHT der Fall ist". - Das ist logischer Unfug.
Nein. Es ist eine einfache Frage, die du nicht beantworten kannst.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#566 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von closs » Do 7. Mär 2019, 10:26

Pluto hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 09:34
Mit dem Begriff Wirklichkeit wird all das beschrieben, was der Fall ist. - [Wikipedia]
Das ist auch meine Definition.

Pluto hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 09:34
Und... prinzipiell ist diese Wirklichkeit (was der Fall ist) wissenschaftlich erreichbar (beobachtbar/messbar)
Das ist eine Glaubens-Behauptung.

Pluto hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 09:37
Aber genau aus diesem Grund, bat ich dich mir Beispiele zu nennen, wo das nicht so ist.
Und da war meine Antwort: Das geht logisch nicht. - Im Grunde sagst Du: "Sage mir unter der Voraussetzung, dass jegliche Wirklichkeit beobachtbar/messbar ist, wo das NICHT der Fall ist". - Das ist logischer Unfug. - Es geht hier nicht um Weltanschauung, sondern um Logik.

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#567 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Janina » Do 7. Mär 2019, 11:58

closs hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 23:55
Der Naturalismus macht nicht viel Anderes, wenn er sagt, dass alles wahrnehmbar/naturwissenschaftlich erreichbar sei, was Wirklichkeit ist.
Andersrum: Was messbar ist, ist wirklich.
Was wirklich ist, aber nicht messbar, das betrifft uns nicht, bis wir eine Messmöglichkeit entwickelt haben.

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 10:26
Das geht logisch nicht. - Im Grunde sagst Du: "Sage mir unter der Voraussetzung, dass jegliche Wirklichkeit beobachtbar/messbar ist, wo das NICHT der Fall ist". - Das ist logischer Unfug. - Es geht hier nicht um Weltanschauung, sondern um Logik.
Aber die Logik ist beschränkt. Das ist der Grund, sich mit Aussagen über Wirklichkeit, die nicht messbar ist, zurück zu halten. Aus der QM haben wir gelernt, dass wir uns auf die Logik, die auf unserer Alltagsanschauung beruht, nicht verlassen können. Wenn wir uns auf die Mathematik verlassen, die uns dabei im Gegensatz zur Anschauung NICHT im Stich lässt, kommt die zwingende Nichtaussage über Nichtgemessenes raus.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#568 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von closs » Do 7. Mär 2019, 14:53

Janina hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 11:58
Was messbar ist, ist wirklich.
Wenn es positiv messbar ist ("Hier ist ETWAS"), würde ich hier mit radikal-skeptizistischen Abstrichen zustimmen. - Wenn etwas negativ messbar ist ("Hier ist etwas NICHT"), wäre ich vorsichtig.

Janina hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 11:58
Was wirklich ist, aber nicht messbar, das betrifft uns nicht, bis wir eine Messmöglichkeit entwickelt haben.
1) Die Gravitation gab es nicht, bis bis wir dazu eine Messmöglichkeit entwickelt hatten?
2) Kurzwellige Strahlung gab es nicht, bis bis wir dazu eine Messmöglichkeit entwickelt hatten?
3) Gott ist momentan nicht messbar und betrifft uns deshalb momentan nicht? - Selbst wenn er nicht nur Vorstellung, sondern Entität ist, was Du als Christin eigentlich glauben müsstest.

Janina hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 11:58
Wenn wir uns auf die Mathematik verlassen, die uns dabei im Gegensatz zur Anschauung NICHT im Stich lässt, kommt die zwingende Nichtaussage über Nichtgemessenes raus.
Das gilt aber nur, wenn man Vorannahmen prinzipiell als falsifizierbar definiert. - Das kann man - es ist aber in der (traditionellen) Philosophie/Theologie nicht üblich - zur Erinnerung:

"Spekulation (von lateinisch speculari = beobachten) ist eine philosophische Denkweise zu Erkenntnissen zu gelangen, indem man über die herkömmliche empirische oder praktische Erfahrung hinausgeht und sich auf das Wesen der Dinge und ihre ersten Prinzipien richtet"

"Speculatio" stand in spirituell orientierten Zeiten über dem, was man heute "Wissenschaft" nennen würde. - Dass es heute anders ist, macht nichts - aber es sollte klarmachen, dass man mit Wissenschaft nicht alles abdecken kann. Wie es mit Mathematik ist, müsste man nachdenken - Frage: Was passiert, wenn man Mathematik (in diesem Kontext) mit nicht-falsifizierbaren Vorannahmen belästigt?

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#569 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Janina » Do 7. Mär 2019, 15:38

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 14:53
Janina hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 11:58
Was messbar ist, ist wirklich.
Wenn es positiv messbar ist ("Hier ist ETWAS"), würde ich hier mit radikal-skeptizistischen Abstrichen zustimmen. - Wenn etwas negativ messbar ist ("Hier ist etwas NICHT"), wäre ich vorsichtig.
Vorsicht ist richtig, aber es gibt auch sichere Negativmessungen. Widerlegte Wirkung z.B.

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 14:53
Janina hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 11:58
Was wirklich ist, aber nicht messbar, das betrifft uns nicht, bis wir eine Messmöglichkeit entwickelt haben.
1) Die Gravitation gab es nicht, bis bis wir dazu eine Messmöglichkeit entwickelt hatten?
Richtig. Bei uns kam das zwar nie vor, bei dunkler Materie aber schon.

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 14:53
2) Kurzwellige Strahlung gab es nicht, bis bis wir dazu eine Messmöglichkeit entwickelt hatten?
Richtig. Der erste Sonnenbrand war damit der erste Nachweis.

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 14:53
3) Gott ist momentan nicht messbar
Stimmt. Aber da hapert es bereits an einer einheitlichen Beschreibung.

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 14:53
Selbst wenn er nicht nur Vorstellung, sondern Entität ist, was Du als Christin eigentlich glauben müsstest.
Natürlich. Aber ich müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein, darüber eine Veröffentlichung einzureichen.

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 14:53
Janina hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 11:58
Wenn wir uns auf die Mathematik verlassen, die uns dabei im Gegensatz zur Anschauung NICHT im Stich lässt, kommt die zwingende Nichtaussage über Nichtgemessenes raus.
Das gilt aber nur, wenn man Vorannahmen prinzipiell als falsifizierbar definiert.
Das ist sowieso selbstverständlich. Aber der Grundsatz über nicht Nachgewiesenes nichts zu sagen gilt grundsätzlich.

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 14:53
"Spekulation (von lateinisch speculari = beobachten) ist eine philosophische Denkweise zu Erkenntnissen zu gelangen
Sorry, damit betreibst du Orwellsche Umdeutung des Begriffs Erkenntnis.

closs hat geschrieben:
Do 7. Mär 2019, 14:53
Was passiert, wenn man Mathematik (in diesem Kontext) mit nicht-falsifizierbaren Vorannahmen belästigt?
Das übliche. Shit in, shit out.

Claymore
Beiträge: 812
Registriert: Fr 5. Okt 2018, 13:34

#570 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Claymore » Do 7. Mär 2019, 15:43

closs hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 21:28
Claymore hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 19:21
Der menschliche Geist/die menschliche Wahrnehmung kann nicht unterscheiden, ob die katholische Lehre wahr ist <diese Aussage ist aus meiner Sicht logisch nicht widerlegbar und somit vernünftig>
Irgendwas stimmt da nicht. - Richtig wäre wahrscheinlich: Der menschliche Geist/die menschliche Wahrnehmung kann nicht unterscheiden, ob Gott Entität oder nur Vorstellung ist und somit ob die katholische Lehre wahr oder falsch ist ist <diese Aussage ist aus meiner Sicht logisch nicht widerlegbar und somit vernünftig - wobei da noch was fehlt>.

Was irgendwie nicht stimmt, ist folgendes: Meine Aussage thematisiert das Motiv "Wir können zwischen Vorstellung und 'echt' nicht unterscheiden, weil es aus subjektiver Sicht keinen Unterschied gibt". - Bei Deinem Ansatz könnte man auch sagen: "Der menschliche Geist/die menschliche Wahrnehmung kann nicht unterscheiden, ob Sellerie besser schmeckt als Feldsalat". - Mit anderen Worten: Dein Beispiel bezieht sich auf eine Frage innerhalb einer Version, egal welche es ist. - Konkreter: Dein Beispiel gilt sowohl für den Fall, dass die Welt 'echt' ist, als auch für den Fall, dass sie Vorstellung ist - während mein Beispiel auf die Gegenüberstellung BEIDER Versionen abhebt.

Davon abgesehen: Wenn Du bei Deinem Beispiel bleibst, bleibt auch die Frage, was das soll? - Dann das, was Du anführst, ist millionenfach variierbar. -

Der menschliche Geist/die menschliche Wahrnehmung kann nicht unterscheiden, ob Blondinen des Teufels sind.
Trotzdem GLAUBE ich daran, dass sie des Teufels sind - nachweisen kann man es ja nicht.
WEIL ich daran glaube, ist das ein "Glaubensentscheid", dem sich alle meine weiteren Urteile unterwerfen.
Somit ist es einer, der widerspricht, zu bestrafen.

Der menschliche Geist/die menschliche Wahrnehmung kann nicht unterscheiden, ob Parlaments-Abgeordnete des Teufels sind.
Trotzdem GLAUBE ich daran, dass sie des Teufels sind - nachweisen kann man es ja nicht.
WEIL ich daran glaube, ist das ein "Glaubensentscheid", dem sich alle meine weiteren Urteile unterwerfen.
Somit ist es einer, der widerspricht, zu bestrafen.

Mit anderen Worten: Du steigst schon wieder bei Ebene 3 ein. - Es klingt ähnlich, ist aber etwas anderes.
Da eierst du aber ganz schön herum. Die Frage ist doch nicht ob es sich unterscheidet, sondern ob es sich so unterscheidet, dass damit die Analogie (d.h. die reductio ad absurdum) fehlschlägt. Und genau letzteres hast du nicht gezeigt.

Du brauchst eine Meta-Theorie nach der gewisse ‘Intoleranz’ bzgl. ‘Ablehnung von Glaubensentscheiden durch andere Menschen’ – also wie unserer ‘äußere Welt existiert’-Fundamentalismus – in Ordnung ist.

Alles andere endet bei Mad Max Anarchie oder dabei, dass wir Schizophrene in der Akutphase frei herumlaufen lassen.

Die Meta-Theorie lieferst du aber nicht. Und lapidar auf den kategorischen Imperativ zu verweisen ist gar nichts. Null. Überhaupt nichts. Außer ein Ablenkungsmanöver.

Oder du sagst halt wie ein normaler Mensch, dass ‘Glaubensentscheid’ oder ‘Vorannahme’ in Bezug auf unsere Überzeugung, die äußere Welt existiere, einfach nicht passt.
Claymore hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 19:21
Stephen E. Toulmin
Wenn ich recht verstehe, meint Toulmin mit " ‘Logical considerations are no more than formal considerations’, that is, they are considerations having to do with the preliminary formalities of argument-stating, and not with the actual merits of any argument or proposition" exakt das, was ich die ganze Zeit bezeichne als "Logik ist nicht Inhalt, sondern Instrument für unterschiedliche hermeneutische Vorannahmen".

Und das genau macht doch Descartes (und ich auch): Man stellt BEWUSST fest, dass das erste, was man mitkriegt, die eigene Wahrnehmung ist, und fragt, was diese Wahrnehmung kann und was nicht - und da ist es logisch nun wirklich unausweichlich, dass die Wahrnehmung (incl. Wissenschaft) nicht entscheiden kann, was sie kann und was sie nicht kann - siehe Münchhausen, der sich mit eigener Hand an den Haaren aus dem Sumpf ziehen kann. - Descartes geht also vom Subjekt aus - das kann man als Modell/Vorannahme bezeichnen.

Der Naturalismus geht vom Objekt aus - das kann man ebenfalls als Modell/Vorannahme bezeichnen. Hier muss aber der naturalismus (& Co) eine Frage beantworten, die Descartes nicht beantworten muss: "Wie wollt Ihr als Subjekt vom Objekt ausgehen, wenn Ihr mit Eurer Wahrnehmung gar nicht wissen könnt, ob es das Objekt als Entität gibt?". - Die Antwort darauf ist (verschärfte Vorannahme): "Wir definieren Wissenschaft als so was Ähnliches wie 'Objekt'" - "es ISt halt so", wie einige hier im Thread gelegentlich sagen. - Und dann baut man darauf seine Logik auf.

Mit anderen Worten: Toulmin hat recht mit seinem von mir aus Deinem Zitat wiederholten Satz - aber was hilft es ihm? - Es hilft ihm nichts, weil er ja EBENFALLS einen universalistischen Ansatz (gegen den er kämpft!) wählen muss - selbst wenn dieser "Kasuistik" hieße. - Und Kasuistik heißt nun mal AUCH: "Ich steige erst bei Ebene 3, evt. 2 ein".

NB: Ich habe Toulmin bisher NICHT gelesen. - Verstehst Du ihn ähnlich wie ich? - Wie auch immer: Toulmin scheint nichts zu Fragen auf Ebene 1 beitragen zu können - ihm geht es anscheinend um"actual merits of any argument or proposition".
Toulmin meint, dass logisch nicht widerlegbar noch lange nicht heißt vernünftig.

Das gilt ja sogar für die Mathematik. Selbst Zweifel an irgendeinem einfachen Satz “Für jede natürliche Zahl 𝑛 gilt 1 + 2 + ⋯ + 𝑛 = 𝑛(𝑛+1)/2” wären vernünftig, wenn es nur um die Logik gehen sollte. Beweisbarkeit und mathematische Wahrheit sind nicht dasselbe. Und die ‘Vorannahmen’ wie das Induktionsaxiom oder andere Axiome der natürlichen Zahlen kann auch jeder kurzerhand als fragwürdig ablehnen – die Konsistenz des Axiomensystems kann man schließlich nicht beweisen. Rechnen kann man auch in sehr reduzierten Axiomensystemen. Alles mit der reinen Logik vereinbar.

Antworten