Agent Scullie hat geschrieben:Hemul hat geschrieben:ThomasM hat geschrieben:Genau diese Frage haben sich solche Menschen, die über Gott nachdenken schon seit tausenden Jahren gestellt.
Wie frei bin ich in dem, was ich tue, wenn Gott schon weiß, wie ich mich entscheide?
Hat Gott alles vorherbestimmt? Merke ich überhaupt, wenn ich nicht frei in meiner Entscheidung bin?
Und genau diese Fragen beantwortet uns die Bibel. Zur ersten Frage. Jeder Mensch ob Du oder ich ist völlig frei in dem was er tut. Der Gott der Bibel respektiert den freien Willen jedes Menschen.
Wenn das so wäre, hätte Gott nicht Adam und Eva dafür bestraft, dass sie aus ihren freien Willen heraus eine Entscheidung getroffen haben, die Gott nicht genehm war (nämlich die, vom Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen). Indem er also Adam und Eva bestrafte, machte er deutlich, dass er ihnen eben nicht völlige Freiheit in dem, was sie taten, ließ.
In einem Staat, in dem Mord strafbar ist, wird mir seitens des Staates auch nicht völlig Freiheit daron, was ich tue, gelassen: dadurch, dass ich damit rechnen muss, wegen Mordes vor Gericht gestellt zu werden, wenn ich jemanden umbringe, wird mir die Freiheit, jemand anderen umzubringen, eingeschränkt. Nicht dass ich daran etwas schlechtes fände

An diesem Punkt stimme ich Thomas in seiner Kritik zu. Wenn Kritiker einwenden, es gäbe keine Willensfreiheit, spielen sie nicht auf die Konsequenzen bei "Fehlverhalten" an, sondern meinen, dass der Mensch gar nicht frei entscheiden kann, der freie Wille also eine Illusion sei.
Die "Roboter" von Isaak Asimov werden durch die Robotgesetze daran gehindert, eigenmächtige Entscheidungen treffen zu können. Asimov zufolge können sie deshalb kein Bewusstsein entwickeln.
Die Frage ist nun, ob Menschen über einen freien Willen verfügen. Da gehen die Meinungen zwischen Kompatibilisten und Inkompatibilisten auseinander, ich selbst bin Kompatibilist, vertrete also die Auffassung, dass der weiche Determinismus und die schwache Kausalität die Bedingungen dafür sind, dass wir überhaupt über einen freien Willen verfügen.
Theologisch stimme ich in dieser Frage mit den Pharisäern und ihren Nachfolgern, den jüdischen Rabbinern, überein. In dem Artikel,
Die Juden in der Antike. Willensfreiheit ..., wird einleitend erklärt:
Der erste Punkt, unter dem Josephus die Lehren der drei Gruppen abhandelt, ist die Willensfreiheit. Hier nehmen die Pharisäer eine Mittelstellung zwischen den Essenern und den Sadduzäern ein: Während die Essener die allmächtige Gewalt des Schicksals (heimarmenë) lehren, gegen die der Mensch nichts auszurichten vermag, und die Sadduzäer im Gegensatz dazu das Schicksal gänzlich ablehnen und alles dem menschlichen Willen anheimgeben, vertreten die Pharisäer das Zusammenwirken von Schicksal und menschlicher Vernunft. ...
Diese Sichtweise harmoniert mit der Konzeption von Prof. Nida-Rümelin.
Zitat aus 1. Intellektualität und Freiheit. Die Konzeption Nida-Rümelins:
"Meine Freiheit ist bedingt, sie ist nicht unbedingt: Die Lebenserfahrungen, aber auch die biografischen Forschungen der Psychologie legen nahe, dass der Selbsterfindung und dem radikalen Neubeginn enge Grenzen auferlegt sind" (S. 158).
- s. 4. Absatz
Zitat aus Absatz 9:
Sie setzt Freiheit voraus und "hat [mithin] zur Prämisse, dass sich Menschen von Gründen affizieren lassen" (S. 128).
- s. 9. Absatz
(Leider finde ich die Quelle im Web nicht mehr, ich versicher Dir aber, dass die obigen Zitate korrekt sind.)
Zitat von
Julian Nida-Rümelin:
„Es ist ein Respekt, der darauf beruht, dass wir uns wechselseitig als autonome Akteure ansehen, als Autoren unseres Lebens, als Wesen, die sich von Gründen affizieren lassen, die in der Lage sind, Gründe abzuwägen und auf Grund dieser Abwägung urteilen und entscheiden.“
Falls es Dich interessiert, verweise ich Dich auf meine nachfolgenden Beiträge:
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Prädestination
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Das Gehirn – ein Orchester ohne Dirigent
⟾
Haggard und Eimer
Agent Scullie hat geschrieben:Hemul hat geschrieben:Und er weiß auch nachweislich nicht immer schon vorher wie aus 1.Mose 22:9-12 wie folgt ersichtlich wie ein Mensch sich letztendlich entscheidet:
Also ist nach der Bibel Gott nicht allwissend. Tatsächlich, das löst einige der Paradoxa, die von Philosophen mit Gott in Verbindung gebracht werden.
Es bedeutet aber auch: Gott unterliegt der Zeit. Wenn wir also entsprechend moderner kosmologischer Modelle davon ausgehen, dass die Zeit nur im Kontext unserer Raumzeitmannigfaltigkeit definiert ist, dann heißt das, dass Gott nicht außerhalb des Universums stehen kann. Quantenkosmologisch betrachtet wird dem noch einer drauf gesetzt: Gott ist demnach an diejenige Geschichte des Universums gebunden, die wir aktuell erleben.
Deine Konklusion folgt logisch aus Deinen Prämissen. Diese lassen sich aber durchaus anzweifeln. Es wäre auch denkbar, dass Gott der Quell der Zeit ist.
Gemäß der Bibel ist Gott ein Geist. Der biblische Ausdruck ist dynamisch und meint bei Gott offenbar ein Wesen, welches denken kann. Wie sollte ein Geist ohne Zeit denkbar sein?
Zudem lässt sich anzweifeln, dass die Zeit eine Dimension ist.
Agent Scullie hat geschrieben:Hemul hat geschrieben:Dann zu Deiner dritten Frage ob Du oder ich es überhaupt merken, dass wir nicht frei entscheiden können. Na klar merken wir es. Versuche doch einmal ganz einfach die Luft anzuhalten u. nicht mehr zu atmen.
Dann lässt Gott dem Menschen also offenkundig doch keine völlige Freiheit darin, was er tut, gell?
Offenbar gibt es keine Freiheit ohne Konsequenzen, ohne Verantwortung.