Das Gehirn und unser Bewusstsein.

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Halman
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#441 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Halman » Do 30. Apr 2015, 00:55

Pluto hat geschrieben:Es ist tatsächlich so, dass viele Neurowissenschaftler einen wirklich freien Willen ablehnen. Einige, wie Prof. Gerhard Roth fordern sogar Veränderungen im Rechtssystem um dieser Erkenntnis gerecht zu werden. Ihre Argumentation läuft dahingehend, dass unser Wille in kausalen Vorgängen im Gehirn entspringt und deshalb niemals völlig frei sein kann.
Ich denke, es hängt davon ab, was wir unter Freiheit verstehen. Sinnvollerweise sollte man den Freiheitsbegriff vom Willen analytisch unterscheiden und erstmal klären, was wir meinen, wenn wir von Freiheit und vom Willen sprechen.
In der Buchbesprechung zum Buch "Wille und Gehirn" (Kornhuber, Deecke 2007) wird im 2. Abs. zum Willens-Begriff folgende Definition formuliert:
„Der Wille ist der Beweger im ganzen Reich der Seele, auch im Denken“
Was hälst Du von dieser Umschreibung?

In der Buchbesprechung (letzter Abs., Seite 1) wird festgestellt, dass der Wille keineswegs absolut frei ist, sondern nur in Graden:
Insofern haben wir Willensfreiheit, aber nur in Graden. Absolute Freiheit gibt es nicht. Und unsere Freiheit ist am größten in Situationen, in denen wir uns höheren Zielen widmen können, weil wir irrelevante Reize auszublenden vermögen und unsere wichtigsten Bedürfnisse einigermaßen versorgt haben. Diese relative Freiheit umfasst viele Vorstellungen, die üblicherweise mit Freiheit verknüpft werden, wie Individualiät, Komplexität und Nicht-Prognostizierbarkeit.
Insofern stimmen die Verfechter unter den Hirnforschern zugunsten der Willensfreiheit mit der Feststellung überein, dass der Wille "niemals völlig frei sein kann". Aber dürfen wir etwa nur dann von Freiheit sprechen, wenn diese absolut ist? Verwenden wir das Wort in unsererem gewöhnlichen Sprachgebrauch nicht ständig für relative Freiheiten? So spreche ich davon, dass ich Bewegungsfreiheit genieße, obgleich ich nicht die Freiheit der Vögel besitze, ohne technische Hilfsmittel fliegen zu können.

Pluto hat geschrieben:Tatsache ist: In unserem täglichen Leben handeln wir nach unseren Veranlagungen und nach unserer Erinnerung (Erlerntes), und wählen aus den vorgegebenen Alternativen. Insofern sind wir (fast) frei in unserer Wahl, aber eben nicht frei im Willen.
Ganz frei wären wir nur, wenn wir auch zufällige Entscheidungen treffen würden, z. Bsp. absichtlich die falsche Autobahnseite benutzen.
Der Mensch besitzt allerdings ein höheres Maß an Selbstdisziplin als andere Primaten.
Ein extremes Beispiel ist Amar Bharti, wie der FOCUS (3.- u. 4. Abs.) berichtet:
Es war vor ziemlich genau 33 Jahren, als sich Amar entschloss, einen besonders steilen Weg zur Erkenntnis zu erklimmen. Er verließ seine Frau und seine Kinder, um sie nie wieder zu treffen. Dann hob er seinen rechten Arm und streckte ihn gen Himmel. Das war 1973.

[...]

Amar hält den Arm heute noch hoch.
Korhuber und Deecke widersprechen auch Schopenhauer:
Der Mensch kann tun, was er will, aber nicht wollen, was er will, behauptet Schopenhauer – unzutreffend, denn der Mensch kann keineswegs alles tun, was er will, und er kann in vieler Hinsicht doch auch lernen zu wollen, was er will.
Was meinst Du dazu?

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Am Ende des oben verlinkten ZEIT-Artikels lautet das Fazit:
Zitat von Prof. Dr. Thomas Metzinger (Bewusstseinsphilosoph):
"Wir sind so komplex und flexibel, dass wir uns sogar selbst immer wieder einmal überraschen können"
Genau! :) Thomas Metzinger ist meines Wissens (wie die meisten heutigen Philosophen) ein Kompatibilist.
Diese Ansicht baut auf den Erkenntnissen von David Hume (englischer Philosoph des 18. Jahrhunderts) auf, Hume meinte, wir könnten uns morgen u.U. auch ganz anders entscheiden als heute.
(Nebenbei war Hume eines der großen Vorbilder für Immanuel Kant.)
Interessant. Was hälst Du von einem Thread, der die großen Philosophen der Neuzeit vorstellt? In religiösen Diskussionen wird auch ab und an auf sie Bezug genommen und mein Wissen über sie ist erbämlich. Dafür kann ich ins Feld führen, dass mein Unwissen phänomenal ist.

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Vor einigen Jahren wurde ich im Rahmen einer Diskussion in einem anderem Forum von einem User auf die interessante Idee aufmerksam gemacht, dass das menschliche Gehirn eine Art "Quantencomputer" sein könnte.

In der darauf folgenden Diskussion lernte ich, dass Zellen viel zu groß (mesokosmisch), „chaotisch“ und mit ca. 310° K viel zu warm sind, um Quantenverschränkungen aufrecht zu erhalten. Die Neurotubuli sind aus Makromolekülen aufgebaut, die im Vergleich zu Fullerenmolekülen² riesig sind.
Das ist meines Erachtens alter Wein in neuen Schläuchen... Es handetl sich hierbei vermutlich um die alte Hypothese des Mathematikers und Nobelpreisträgers Roger Penrose, der schon vor rund 20 Jahren die Willensfreiheit auf quantenmechanischen Wirkungen in den Mikrotubuli innerhalb der Neuronen zurückführen wollte.
Ja, genau diese Hypthese stand dahinter - dies kam damals in der Diskussion zutage. Seinerzeit erfuhr ich überhaupt von der Penrose-Hypothese.

Pluto hat geschrieben:Das größte Problem von Penroses' Hypothese ist, dass trotz mehrfachen Versuchen, Niemand in den vergangenen Jahren diese Wirkung der Mikrotubuli experimentell nachvollziehen konnte.
Nun, eine interessante Idee war es mMn dennoch. Und Experimente müssen halt klären, welchen Erklärungsgehalt in ihnen steckt.

Pluto hat geschrieben:Der renommierte englisch-irakische Physiker Jim Al-Khalili berichtet andererseits über quantenmechanische Phänome in den Photrezeptoren von Zugvögeln die das Erdmagnetfeld zur Orientierung verwenden — sie können offenbar mit Hilfe der Anordnung der photoempfindlichen Moleküle das Magnetfeld "sehen". Hier eine Rede (auf Englisch) aus den "erlauchten Hallen" der Royal Institution (deshalb trägt der Prof einen Anzug mit Fliege. :mrgreen:)
Interessant.

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Angeregt durch die "alte Diskussion" im SciFi-Forum erwog ich vor Jahren den Gedanken, dass der Interdeterminismus der Quantenmechanik die geeignete „Zutat“ sein könnte, um einen freien Willen zu erklären. Doch ich sah schnell ein, dass ein System nicht ein bisschen interdeterminiert oder determiniert sein kann.
Hier sehe ich nur ein „Entweder-Oder-Prinzip“.
E-ben!
Wenn unser Wille indeterminiert wäre, müsste es Beispiele geben, wie z. Bsp. dass Menschen bewusst auf dem ihnen vertrauten Heimweg absichtlich links statt rechts abbiegen. Das tun Menschen aber nicht. Unser Gehirn scheint durch die Evolution entstanden zu sein, um unser Leben und Überleben zu unterstützen. IMO wären quantenmechanische Phänomene dafür nicht unbedingt dienlich, selbst wenn, wie Al-Khalili zeigt, quantenphänomene (Verschränkungen) in der Biologie auch bei 310 Kelvin funktionieren.
____________________________________________
Auch Prof. J. Huber denkt in die Richtung, dass quantenmechanische Prozesse in der Mikrobiologie (DNA) eine wichtige Rolle spielen.

Pluto hat geschrieben:Das Studium von Quanteneffekten in der Biologie ist eine sehr junge Disziplin (kaum 5 Jahre alt). Deshalb sind solche Phänomene als Forschungsebiete enorm spannend — man bewegt sich hier am äußersten Rand der Wissenschaft — eigentlich ist es Forschungs-Neuland. Die Zukunft wird zeigen, wohin das führt, aber mit unserer Entscheidungsfreiheit hat es (IMO) wenig zu tun.
Ein spannendes Forschungsgebiet. Da fällt mir gerade ein: John A. Wheeler grüßte seine Kollegen häufig mit den Worten: "Was gibt es Neues?"

Pluto hat geschrieben:Man stelle sich einen Steinzeitmenschen vor, dem von Kindheit an eingeprägt wurde: Sägezahntiger sind gefährliche Raubtiere die Menschen fressen. Eines Tages entscheidet sich aber unser Steinzeitmensch sitzen zu bleiben und wird zum Mittagessen des Tigers.
Ist das ein Überlebensvorteil? Wie viel Nachwuchs wird ein solcher Mensch wohl zeugen können?
Dennoch könnte sich ein Mensch vielleicht entscheiden, sich vom Tiger fressen zu lassen.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

barbara
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#442 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von barbara » Do 30. Apr 2015, 05:46

ThomasM hat geschrieben: OK, dann kommt mein Eindruck daher, dass du dich nicht deutlich genug von jenen Webseiten abgegrenzt hast.

nein, der Eindruck komt davon, dass du nicht gelesen hast, was ich schon dort als Kommentar schrieb, nämlich dass ich nicht vegan lebe. Dass ich vegane Webseiten polemischer als nötig find, schrieb ich ebenfalls.

mir scheint, manchmal wäre es schon ausreichend, wenn Leute einfach mal ganz simpel lesen würden, was da steht, und nicht bloss so locker flockig überfliegen. :x

und so, um wieder zu "Gehirn und Bewusstsein" zu kommen, wird andern Personen Zeugs übergestülpt, das nur im eigenen Kopf-kino stattfindet und gar nicht in Wirklichkeit...

gruss, barbara
Zuletzt geändert von barbara am Do 30. Apr 2015, 05:55, insgesamt 1-mal geändert.

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#443 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von barbara » Do 30. Apr 2015, 05:54

Pluto hat geschrieben: Wenn unser Wille indeterminiert wäre, müsste es Beispiele geben, wie z. Bsp. dass Menschen bewusst auf dem ihnen vertrauten Heimweg absichtlich links statt rechts abbiegen. Das tun Menschen aber nicht.

ich tu das regelmässig, ich mag nicht immer denselben Heimweg nehmen.

Ich ess auch nicht jeden Tag dasselbe Menu und trag nicht immer dieselbe Kleidung, und gelegentlich finde ich auch nach längerer Zeit im vertrauen Situationen neue Aspekte und probiere die aus.



Unser Gehirn scheint durch die Evolution entstanden zu sein, um unser Leben und Überleben zu unterstützen. IMO wären quantenmechanische Phänomene dafür nicht unbedingt dienlich, selbst wenn, wie Al-Khalili zeigt, quantenphänomene (Verschränkungen) in der Biologie auch bei 310 Kelvin funktionieren.

Gelegentlich Zufallsentscheidungen bzw sich auf Intuition zu verlassen zu treffen, ist sehr wohl dienlicher, als einer starren, nie geänderten Routine zu folgen.


Das Studium von Quanteneffekten in der Biologie ist eine sehr junge Disziplin (kaum 5 Jahre alt).

ja. leider. Wo Quanteneffekte in der Physik schon um die hundert Jahre lang erforscht werden... warum hinken die Biologen denn so weit hinten drein? haben die alle gepennt im letzten Jahrhundert?


Die Zukunft wird zeigen, wohin das führt, aber mit unserer Entscheidungsfreiheit hat es (IMO) wenig zu tun.

Einspruch. Ich meine, es wird sich zeigen, dass Quanteneffekte und das Treffen von Entscheidungen eine ganze Menge miteinander zu tun haben.


Man stelle sich einen Steinzeitmenschen vor, dem von Kindheit an eingeprägt wurde: Sägezahntiger sind gefährliche Raubtiere die Menschen fressen. Eines Tages entscheidet sich aber unser Steinzeitmensch sitzen zu bleiben und wird zum Mittagessen des Tigers.
Ist das ein Überlebensvorteil? Wie viel Nachwuchs wird ein solcher Mensch wohl zeugen können?

Das kommt doch sehr darauf an, in welchem Alter und aus welchem Grund einer sowas tut.

Leute, die sich selbst zum Wohl der Gemeinschaft opfern, werden in aller Regel Helden genannt, hoch geehrt und es werden Statuen für sie aufgestellt und Lieder über sie gesungen.

gruss, barbara

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#444 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von barbara » Do 30. Apr 2015, 06:26

JackSparrow hat geschrieben:
Barbara hat geschrieben:... dass der Wille von vielen Faktoren beeinflusst wird, nicht nur von der Ratio
Und die Ratio hängt von weiteren Faktoren ab. Beispielsweise führt ein Steak bei satten Menschen zu völlig anderen rationalen Überlegungen als bei hungrigen Menschen.

Ratio hängt vor allem von der Situation ab. Ratio auf Deutsch heisst ja "Verhältnis", und wenn die zugrunde liegende Situation sich ändern (Hunger - Sattsein), klar verschieben sich da Verhältnisse.


Da der Wille von vielen Faktoren beeinflusst wird, welche wir nicht beeinflussen können, kann ein Wille niemals frei sein. Wir denken, er sei frei, weil wir die Faktoren nicht kennen.

es gibt Autoren, die sagen, Freiheit bestünde darin, das zu tun, was unserer tiefsten, im Wesen angelegten Notwendigkeit entspricht.

Für Mozart war das, Musik zu komponieren.

gruss, barbara

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#445 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Halman » Do 30. Apr 2015, 15:56

Die Frage, ob der Mensch überhaupt einen freien Willen hat, wird ja durchaus kontrovers diskutiert. Gerhard Roth deutet das Libet-Experiment m. W. dahingehend, dass der freie Wille nur eine Illusion sei. Allerdings gibt es diesbezüglich durchaus methodische Einwände und mir scheint die Interpretation von G. Roth keinesfalls zwingend zu sein, wie Haggard und Eimer mMn recht überzeugend darlegten:
Für die Annahme eines solchen Freiheitsspielraumes spricht etwa das Nachfolgeexperiment von Haggard und Eimer (1999). [...] Die Autoren konnten in einem Reaktionszeitexperiment zeigen, dass Versuchspersonen auch nach dem Auftreten des symmetrischen Bereitschaftspotentials die Wahl zwischen Bewegungen beider Hände hatten.

Methodische Einwände
[...]
Die Probleme der Datierung werden sichtbar, wenn man auch die Nachfolgeexperimente mit einbezieht. Beträchtliche Differenzen gibt es schon bei den Mittelwerten für den bewussten Willensakt aller Versuchspersonen eines Experimentes. [...]
Erklären lassen sich die Differenzen zum einen durch Unklarheiten bei der Instruktion. Nicht alle Versuchspersonen dürften also die gleiche Vorstellungen davon gehabt haben, was mit dem "Drang, sich zu bewegen" gemeint war. Hinzu kommen dürfte die seit längerem bekannte Aufmerksamkeitsabhängigkeit bei der Datierung von Reizen aus unterschiedlichen Modalitäten. Wendet die Versuchsperson ihre Aufmerksamkeit einem akustischen Reiz zu, wird sie diesen Reiz z.B. im Vergleich zu einem nicht aufmerksam beobachteten optischen Reiz vordatieren; konzentriert sich die Versuchsperson dagegen auf den optischen Reiz, wird dieser vordatiert. [...]

[...]

Angesichts dieser Einwände wird man auch die Untersuchungen von Haggard und Eimer kaum für eine Widerlegung der Willensfreiheit in Anspruch nehmen können.
QUELLE: http://www.philosophieverstaendlich.de/ ... libet.html

Zwar kann man ein Bereitschaftspotential vor dem Bewusstwerden messen, doch vertrete ich die Ansicht, dass unser Wille uns ein „Veto“ ermöglicht, bevor wir die Handlung wirklich durchführen (siehe Grafik).
Bild

Der Streit zwischen Kompatibilisten und Inkompatibilisten kann logisch nicht entschieden werden. Dies hängt damit zusammen, dass jeweils verschiedene Freiheitsbegriffe zugrunde gelegt werden.
Es kommt also darauf an, was man als „frei“ definiert. Ein Wille ist dann frei, wenn er frei ist von äußeren und inneren Zwängen.

Die weich determinierten Abläufe in komplexen („chaotischen“) Systemen unterliegen der schwachen Kausalität, weil Ursache und Wirkung nichtliniear sind, d.h. es lässt sich keine starke Kausalität zwischen der Intensität von Ursache zur Stärke der Wirkung ableiten. Aufgrund von Datenmangel erscheinen uns komplexe Systeme chaotisch und zufällig (subjektiver Zufall).

Im Laufe unseres Lebens werden unsere Willensentscheidungen im Allgemeinen sicher immer reifer reflektiert werden (was uns freilich nicht vor dummen Einzelentscheidungen schützt). Dies wird ja auch in der altersbedingten Geschäftsfähigkeit (bzw. -unfähigkeit) im BGB berücksichtigt. Dass der Wille nicht durch Zwänge eingeschränkt wird, ist ein ganz entscheidender Faktor. Aus dem Umstand, dass unser Gehirn auf natürliche Weise funktioniert und somit den Naturgesetzen unterliegt, folgt mMn aber keinesfalls, dass der Wille nicht frei sein könne.

Unser Gehirn funktioniert ja nicht monokausal und linear wie der stark determinierte Lauf eines Uhrwerks. Es handelt sich um ein nichtlineares System, welches nicht nur auf äußere Reize reagiert, sondern auch selbstorganisierend das neuronale Netz dynamisch verändert und so ständig anpasst. Jede Sekunde finden darin 10^13 bis 10^16 Rechenoperationen statt (zum Vergleich, der IBM-Supercomputer BlueGene/L meistert 3,6*10^14 Rechenoperationen pro Sekunde).
Die neuronalen Prozesse sind aber sehr verschieden von der Funktionsweise eines Computers, denn im Gehirn laufen extrem viele parallelisierte Operationen ab.

Wären die hochkomplexen Abläufe im Gehirn indeterminiert, und damit objektiv ebenso zufällig, wie das Detektieren eines Photons auf einer Photoplatte, oder das Tunneln eines Elektrons durch eine Potenzialbarriere, würde das Resultat dem Gilles-de-la-Tourette-Syndrom ähneln. So ein Mensch würde akausal, völlig unberechenbar und grundlos agieren und wäre damit schuldunfähig.

Indeterministen interpretieren Freiheit dahingehend, dass dieser ursachenlos und prinzipiell unvorhersagbar sein müsse. Dies führt zu einer Definition des „freien Willens“, die inkompatibel zum physikalischen Weltbild ist und daher negiert wird. Aber ist diese Definition wirklich sinnvoll?
Die Frage ist doch, wie wir denn einen freien Willen definieren wollen. Dabei kommt es meiner Auffassung darauf an, welcher Begriff des freien Willens geeignet ist.

In der Geschichte mussten wir schon oftmals unsere Auffassungen bezüglich altbekannter Dinge revidieren. Aber wer würde denn auf die Idee kommen, Begriffe wie Erde, Planeten, Sonne und Sterne abzulehnen, weil sich unsere Erkenntnis bezüglich dieser Dinge gewandelt hat? Daher halte ich es auch für sinnfrei, den Begriff des freien Willens aufgrund eines überholten Verständnisses zu negieren. Vielmehr scheint es mir sinnvoll zu sein, unsere Vorstellung davon, was wir als freien Willen bezeichnen, zu revidieren (sofern notwendig).

Eine geeignete Betrachtungsweise steht im Einklang mit dem aktuellen Erkenntnistand.

An dieser Stelle möchte ich mal zwei Fälle gegenüberstellen:
• Im ersten Fall beantragt ein Anwalt Schuldminderung und stützt sich hierbei auf ein medizinisches Gutachten, gemäß dem sein Mandat durch Drogeneinfluss zur Tatzeit unzurechnungsfähig war. Ferner geht daraus hervor, dass eine mentale Retardierung vorliegt.
• Im zweiten Fall führt der Anwalt an, dass sein Mandat als hochgelehrter Determinist und Inkompatibilitarist davon überzeugt ist, dass er nicht verantwortlich für sein determiniertes Handeln ist und folglich schuldlos sei.
Welchen Fall würde der Richter wohl milder bewerten? Im zweiten Fall würde ich als Richter entgegnen, dass mein Urteil ebenfalls determiniert ist. ;)

Diese Gegenüberstellung macht hoffentlich deutlich, warum es notwendig ist, den freien Willen so zu definieren, dass er zum einen kompatibel in ein modernes, kohärentes physikalisches Weltbild passt und zum anderen der moralischen Verantwortung des Menschen Rechnung trägt.
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Halman
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#446 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Halman » Do 30. Apr 2015, 16:10

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass ohnehin durch Prädispositionen die Rahmenbedingungen festgelegt sind, innerhalb dessen wir unseren freien Willen ausüben. Wir konnten uns nicht aussuchen, in welcher Zeit und an welcher Region wir geboren wurden, auch hatten wir keinerlei Einwirkung auf unsere Gene. Auf die Prädispositionen hatten wir keinerlei Einfluss, obgleich sie uns beeinflussen.
Wie sind alle „Kinder unserer Zeit“, da wir durch unseren Kulturkreis geprägt wurden. Unsere Biographie, Sozialisation und kulturellen Traditionen spielen bei unseren Entscheidungen ebenso eine Rolle, wie persönliche Veranlagungen, Gewohnheiten und Erfahrungen. All diese Dinge beeinflussen unsere Entscheidungsprozesse, bei denen natürlich auch Emotionen und rationale Überlegungen höchst bedeutsam sind.
Entscheidungsprozesse sind recht komplex laufen keinesfalls monokausal ab. Die Dynamik unseres Gehirns ist nicht linear, allerdings auch nicht akausal. Dies führt aber mMn mitnichten dazu, dass der freie Wille nur eine Illusion sei. Vielmehr ist der weiche Determinismus eine Notwendigkeit, um ihn zu bedingen. Entscheidend ist doch nicht, ob die Prädispositionen unsere Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen, sondern ob wir Wahlmöglichkeiten haben und unser Wille unmittelbar oder mittelbar durch unsere Persönlichkeit (unser Ich) weich determiniert wird.
Dies ist sehr verschieden von einer Vorherbestimmung, in der ein bewusster Planer auf die Kausalkette einwirkt und sie in die Zukunft projiziert.

Aus meiner kompatibilistischen Sicht liegt somit ein freier Wille vor, da wir dass tun können, was wir wollen. Dieses Wollen wiederum resultiert aus unserer Persönlichkeit. Dabei ist es nicht so entscheidend, ob es sich um einen Entscheidungsalgorithmus handelt. Um es mit Schopenhauer zu sagen: "Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will." Und Kornhuber/Deecke widersprechen:
Der Mensch kann tun, was er will, aber nicht wollen, was er will, behauptet Schopenhauer – unzutreffend, denn der Mensch kann keineswegs alles tun, was er will, und er kann in vieler Hinsicht doch auch lernen zu wollen, was er will.
Wäre dies anders, hätten wir keine individuelle Persönlichkeit.
Ob wir dann auch imstande sind, dass, was wir wollen, in die Tat umzusetzen, steht auf einem anderen Blatt. Dies wäre dann die Handlungsfreiheit. So wollte ich vor einiger Zeit z.B. auf meiner Arbeitsstelle ein Programm nutzen, welches bundesweit aufgefallen war. Dies schränkte meine Willensfreiheit keineswegs ein, aber sehr wohl meine Handlungsfreiheit. Mein Wille war ja frei, denn er unterlag keinen inneren oder äußeren Zwängen in Form von Süchten, Neurosen oder sonstigen Manipulationen.
Zwänge entbinden uns von unserer Verantwortung. Sind wir hingegen frei von Zwängen, sind wir für unser Wollen verantwortlich.

Eine ursachenlose, „akausale Freiheit“, die nur auf objektiven Zufall beruht, enthält aber keinerlei Entscheidungsprozess und damit keine Willensbildung. Interdeterminismus führt keinesfalls zur persönlichen Freiheit, denn wären die neuronalen Prozesse interdeterminiert, könnten wir nichts wollen. Anstelle eines geordneten, kausalen Denkens gäbe es nur chaotische Impulse ohne Sinn und Verstand.
Gerade der physikalische Determinismus ermöglicht uns die Freiheit, hier zu posten, was wir wollen. Das ist Freiheit.

Auch halte ich es für einen Fehlschluss, den Menschen auf Basis der Physik von der Verantwortung frei zu sprechen. Dies würde uns in ein ethisches Dilemma führen.

Um meinen Freiheitsbegriff klarer zu umreißen, bediene ich mich nun eines einfachen Beispiels aus der Physik: Stellt euch vor, wir befänden uns in einer Raumkapsel mitten im Weltraum. Keine Kräfte wirken auf unsere Kapsel ein, sie schwebt frei im Raum. Wir sind uns sehr wohl darüber im Klaren, dass der Zustand des freien Schwebens determiniert ist, aber er ist auch frei, weil keine Zwänge in Form von Kräften unsere Kapsel beeinflussen, denn diese würden den Zustand des freien Schwebens beenden.
Zugegeben, dies beschränkt sich auf die Freiheit von Kräften – es gibt keine Freiheit von der Physik. Natürlich "greift" die Raumzeit die Kapsel und diktiert ihre Bewegung.

Willensfreiheit im Sinne absoluter Freiheit im abstrakt philosophischen Sinne zu fordern, ist sinnfrei, da es für physische Wesen nun mal keine Freiheit von der Physik geben kann. Der Begriff macht nur Sinn, wenn man ihn relativiert.
Unser Wille ist dann frei, wenn dass, was wir als Willen bezeichnen, frei ist, zu wollen. Ob dieses Wollen physikalisch determiniert ist, spielt m. E. für den Freiheitsbegriff keine Rolle. Es geht nicht um die Frage, ob ich etwas anders wollen könnte, sondern darum, ob der Wille frei von Zwängen ist.

Der inkompatibilistische Freiheitsbegriff ist mMn praktisch unbrauchbar und damit semantisch nutzlos.

In der verlinkten Artikeln (welche ich für lesenswert halte) werden zwei unterschiedliche Sichtweisen zum Unterthema dargelegt:
http://dasgehirn.info/aktuell/frage-an- ... terminiert
http://scienceblogs.de/hier-wohnen-drac ... -verstehe/

Abschließend verweise ich auf den Neuropsychologen Prof. Reinhard Werth von der Universität München, welcher im Jahre 2010 das Buch "Die Natur des Bewusstseins – Wie Wahrnehmung und der freie Wille im Gehirn entstehen" veröffentlichte.
Werth gelang es, den Begriff des freien Willens naturwissenschaftlich zu rekonstruieren und die Existenz des freien Willens nachzuweisen (Werth 2010).
QUELLE: http://www.reinhard-werth.de/
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#447 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von closs » Do 30. Apr 2015, 16:23

Halman hat geschrieben: und zum anderen der moralischen Verantwortung des Menschen Rechnung trägt.
Mir wird immer weniger klar, was eigentlich "Verantwortung" ist. - Natürlich kann man es formal definieren - die Eltern sind verantwortlich für die Kinder - der Minister ist verantwortlich für das, was in seinem Ministerium geschieht. - Aber was sagt das überhaupt darüber aus, was "Verantwortung" in Bezug zur Person ist, der diese Verantwortung zugeordnet wird? - Wird jemand dadurch delikt-fähig, dass ihm "Verantwortung" zugeordnet wird?

Halman hat geschrieben:Ein Wille ist dann frei, wenn er frei ist von äußeren und inneren Zwängen.
Gibt es das überhaupt? - Ist es ein "äußerer Zwang", wenn man medial mit Werbung und Nachrichten beeinflusst wird? - Ist es ein "innerer Zwang", wenn man in gruppen-dynamischen Prozessen steht? - Auch hier wäre Definitions-Arbeit fällig.

Halman hat geschrieben:doch vertrete ich die Ansicht, dass unser Wille uns ein „Veto“ ermöglicht, bevor wir die Handlung wirklich durchführen
Das glaube ich auch - nur: Was ist die Kraft, die einen Willen etwas Konkretes wollen lassen kann?

Bisher bleibe ich dabei: Der "Wille" ist ein außerordentlich überschätztes Phänomen, das eigentlich mit "Bewusstsein" (siehe Thread-Thema) ziemlich wenig zu tun hat. - Nach wie vor glaube ich, dass Wille nichts anderes ist als ein Werkzeug der Erkenntnis - also "Bewusstsein" nur peripher durch Willen definiert ist, sehr wohl jedoch durch "Erkenntnis" (wobei "Erkenntnis" in Abgrenzung zu "Reflexen" und "Wissen" zu definieren wäre).

Vielmehr scheint mir, dass "Wille" die Monstranz des aufgeklärten Ich-Bezugs ist - also Schauplatz eines Schein-Gefechts ist. - Wie auch immer: Es scheint mir wahnsinnig schwer zu sein, das Thema "Wille" und "Bewusstsein" zu diskutieren, ohne vorab ein komplexes Definitions-System auf die Beine zu stellen. - Trotzdem finde ich Deinen Beitrag sehr anspruchsvoll und gut.

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#448 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » Do 30. Apr 2015, 18:08

Halman hat geschrieben:Ich denke, es hängt davon ab, was wir unter Freiheit verstehen. Sinnvollerweise sollte man den Freiheitsbegriff vom Willen analytisch unterscheiden und erstmal klären, was wir meinen, wenn wir von Freiheit und vom Willen sprechen.
In der Buchbesprechung zum Buch "Wille und Gehirn" (Kornhuber, Deecke 2007) wird im 2. Abs. zum Willens-Begriff folgende Definition formuliert:
„Der Wille ist der Beweger im ganzen Reich der Seele, auch im Denken“
Was hälst Du von dieser Umschreibung?
Sie ist zumindest prägnant. :mrgreen:
Ich meine aber, es geht (wie du andeutest) um die verschiedenen Arten der Willensfreiheit. Welche sind nützlich, und welche nicht? Letztlich geht es doch ums Überleben. Ist es sinnvoll eine Willensfreiheit zu haben, wenn wir den Atem des Säbelzahntigers im Nacken verspüren? Es lässt sich nicht leugnen, dass es in vielen Situationen gar nicht von Vorteil ist, eine Wahl zu haben.

Wie der amerikanische Philosoph Daniel Dennett (ebenfalls Kompatibilist) sagt, obwohl unser Gehirn sehr wahrscheinlich kausal arbeitet, haben wir dennoch gewisse Freiheitsgrade unser Leben selbst zu bestimmen. Darin enthalten ist die Wahlfreiheit enthalten, und vermutlich ebenfalls ein Großteil Illusion (Vortäuschung durc das Unetrbewusstsein).

Halman hat geschrieben:In der Buchbesprechung (letzter Abs., Seite 1) wird festgestellt, dass der Wille keineswegs absolut frei ist, sondern nur in Graden:
Da ist der Autor in guter Gesellschaft: Genau so sehen es auch die meisten Kompatibilisten.

Halman hat geschrieben:Der Mensch besitzt allerdings ein höheres Maß an Selbstdisziplin als andere Primaten.
Unterschreibe ich vorbehaltslos.

Halman hat geschrieben:Ein extremes Beispiel ist Amar Bharti, wie der FOCUS (3.- u. 4. Abs.) berichtet:
Es war vor ziemlich genau 33 Jahren, als sich Amar entschloss, einen besonders steilen Weg zur Erkenntnis zu erklimmen. Er verließ seine Frau und seine Kinder, um sie nie wieder zu treffen. Dann hob er seinen rechten Arm und streckte ihn gen Himmel. Das war 1973.

[...]

Amar hält den Arm heute noch hoch.
Ein etwas morbides Beispiel ist dieser Mönch in Thailand. Er aß und trank nichts bis er starb und seine Leiche hat sich selbst mummifiziert. Das war 1976. Seither wird er in Bangkok ausgestellt.

Bild
[ Quelle: http://www.thaizeit.de/ ]

Halman hat geschrieben:Korhuber und Deecke widersprechen auch Schopenhauer:
Der Mensch kann tun, was er will, aber nicht wollen, was er will, behauptet Schopenhauer – unzutreffend, denn der Mensch kann keineswegs alles tun, was er will, und er kann in vieler Hinsicht doch auch lernen zu wollen, was er will.
Was meinst Du dazu?
Ich halte Schopenhauers Ansicht heute noch für richtig. Er sagt damit wir hätten Wahlfreiheit aber keine absolute Willensfreiheit.

Übrigens...
Die Libet-Experimente beweisen IMO nicht die Abwesenheit der Willensfreiheit. Sie zeigen nur, wenn wir uns unserer Entscheidung bewusst werden, haben wir uns längst entschieden. Sie haben eigentlich mi der Kausalität unserer Gedanken nichts zu tun — oder gehört das Unterbewusstsein etwa nicht zum Gehirn?

Halman hat geschrieben:Was hälst Du von einem Thread, der die großen Philosophen der Neuzeit vorstellt?
Gute Idee! :D
Ich bin dabei. Man müsste nur definieren, was man unter "Neuzeit" versteht.

Halman hat geschrieben:Da fällt mir gerade ein: John A. Wheeler grüßte seine Kollegen häufig mit den Worten: "Was gibt es Neues?"
Solche Anekdoten sind nicht selten unter großen Naturwissenschaftlern.
Richard Feynman soll sein Kollegen Yoichiro Nambu (einen der geistigen Väter der String-Theorie), in den 70-er mit den Worten begrüsst haben: "Guten Morgen, in welcher Dimension befinden wir uns heute?"
Ob das wahr ist, weiß ich nicht, aber Feynman hielt nichts von der String-Theorie, also pass die Frage zu ihm. :lol:

Halman hat geschrieben:Dennoch könnte sich ein Mensch vielleicht entscheiden, sich vom Tiger fressen zu lassen.
Sicher könnte er das.
Aber Menschen die diese Entscheidung trafen haben vermutlich weniger Nachfahren gezeugt, als diejenigen die davon liefen.
Wir sind die Kinder derjenigen die erfolgreich um ihr Leben rannten. :lol:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Thaddäus
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#449 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Thaddäus » So 6. Dez 2015, 12:49

closs hat geschrieben: Mir wird immer weniger klar, was eigentlich "Verantwortung" ist. - Natürlich kann man es formal definieren - die Eltern sind verantwortlich für die Kinder - der Minister ist verantwortlich für das, was in seinem Ministerium geschieht. - Aber was sagt das überhaupt darüber aus, was "Verantwortung" in Bezug zur Person ist, der diese Verantwortung zugeordnet wird? - Wird jemand dadurch delikt-fähig, dass ihm "Verantwortung" zugeordnet wird?
Genau.
Zum Thema ein etwa 17-minütiger Beitrag des analytischen dt. Philosophen Ansgar Beckermann, der, obwohl Naturalist, nichtsdestotrotz die volle Handlungsfähigkeit und Verantwortungsfähigkeit erwachsener, gesunder Personen vertritt und begründet.

https://www.dasgehirn.info/aktuell/hirn ... reie-wille

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#450 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von closs » So 6. Dez 2015, 16:51

Thaddäus hat geschrieben:Zum Thema ein etwa 17-minütiger Beitrag des analytischen dt. Philosophen Ansgar Beckermann, der, obwohl Naturalist, nichtsdestotrotz die volle Handlungsfähigkeit und Verantwortungsfähigkeit erwachsener, gesunder Personen vertritt und begründet.
Leider kriege ich Deinen Link nicht auf (der "Laden-Kringel" dreht sich zwar - aber auch noch nach 5 min).

Bis dahin:
Selbstverständlich ist es gerade für die Rechtssprechung unerlässlich, wissenschaftliche Kriterien für Delikt-Fähigkeit zu haben. Eine Gesellschaft und die Justiz als Bewahrer der Gesellschafts-Ordnung wären ohne das aufgeschmissen. - Aber was sagt das über die subjektive Situation eines Betroffenen aus?

Mir kommt das immer so vor wie zwei Asyl-Bewerber, die sich auf dem Gang treffen und sich gegenseitig fragen: "Hast Du's geschafft - waren Deine Kriterien so, dass Du durchgeschlüpft bist?" - Völlig unabhängig davon, dass beide subjektiv in exakt derselben persönlichen Lage sind.

Wäre es nicht fairer, Begriffe wie "Verantwortung" und "Delikt-Fähigkeit" als rein definitorische Größen zur Aufrechterhaltung eine Gesellschafts-Ordnung zu begreifen?

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