Da hier die Prädestination diskutiert wird, möchte ich hierzu meine bescheidenen Gedanken beitragen. Es mag die Frage gestellt werden: Sieht Gott alles vorher und bestimmt somit auch alles im voraus, oder hat er keine Kenntnis von der Zukunft und bestimmt nichts im voraus? Eine so gestellte Frage impliziert irrigerweise eine Dichotomie, also ein falsches Dilemma. Denn es ist logisch sehr wohl möglich, dass Gott gewisse Dinge vorhersieht und andere nicht.
Wäre Gott im absolutem Sinne allwissend, dann müsste die Welt aus göttlicher Sicht totaldeterminert erscheinen, einschließlich unserer "freien" Willensentscheidungen.
Auch wüsste er, wie er reagieren wird und wäre damit selbst vollkommen determiniert. Ein solch absoluter
Laplacescher Dämon birgt also eine Problematik in sich, die mir schwertlich mit den Glauben an den lebendigen Gott der Bibel vereinbar erscheint.
Allerdings denke ich, dass so eine Form der totalen Allwissenheit, wie sie der Calvinismus lehrt, in die Bibel gar nicht beschriegen wird. Die darin gerühmte unermessliche Weisheit Gottes fasse ich nicht als Synonym für absolutes Allwissen über jedes künftige Detail auf.
Soweit ich weiß, gibt es im Christentum hierzu verschiedene Ansichten, so die von Augustinus von Hippo. Gemäß seiner Prädestinationslehre wurde bereits alles von Gott genau vorherbestimmt - insbesondere wer „erwählt“ wurde und wer nicht. Noch stärker tritt die Negation der Willensfreiheit im Calvinismus zum Vorschein.
Die Prädestination unterscheidet sich von physikalischer Festlegung durch den Determinismus dadurch, dass demnach eine bewusste, planerische Vorherbestimmung durch Gott vorliegt.
Bereites die Essener vertraten so eine Position, die Sadduzäer waren hingegen gegenteiliger Auffassung. Diesbezüglich verweise ich auf
die Juden in der Antike. Willensfreiheit und Unsterblichkeit. Ein Zitat daraus lautet:
Während die Essener die allmächtige Gewalt des Schicksals (heimarmenë) lehren, gegen die der Mensch nichts auszurichten vermag, und die Sadduzäer im Gegensatz dazu das Schicksal gänzlich ablehnen und alles dem menschlichen Willen anheimgeben, vertreten die Pharisäer das Zusammenwirken von Schicksal und menschlicher Vernunft.
Der goldene Mittelweg der Pharisäer scheint mir aus biblischer Sicht der Richtige zu sein. Zwar lassen sich gewisse Bibelstellen durchaus im Sinne der Prädestinationslehre (oder gar dem Calvinismus) deuten; fraglich ist nur, ob dies im Hinblick auf dem Gesamtkontext naheliegend ist.
Sicher ist gem. der Bibel, dass der biblische Gott imstande ist die Zukunft vorherzusehen, denn in
Rö 4:17 äußert Paulus den Gedanken, dass Gott
"das Nichtseiende wie Seiendes ruft".
Dies wird in
Jes 46:10 bestätigt:
der ich von Anfang an den Ausgang verkünde und von alters her, was noch nicht geschehen ist, - der ich spreche: Mein Ratschluss soll zustande kommen, und alles, was mir gefällt, führe ich aus,
Würde es Gott wohl gefallen, sich selbst total zu determinieren? Wenn nicht, würde er dies vermeiden.
Gott gefiel es, Moses zu prophezeien:
19 Ich weiß aber, daß der König von Ägypten euch nicht wird ziehen lassen, wenn er nicht durch eine starke Hand dazu gezwungen wird. 20 Darum werde ich dann meine Hand ausstrecken und das Ägyptervolk mit all meinen Wundertaten schlagen, die ich in seiner Mitte verrichten werde; daraufhin wird er euch ziehen lassen.
Ex 3, Menge-Bibel
(Der Link enthält übrigens eine beachtliche Fundgrube an Bibelübersetzungen, darunter die Buber-Rosenzweig-Übersetzung (1929).
Gottes Worte an Mose verstehe ich so, dass er Pharaos Herz nicht durch irgendeinen empathischen Trick verstockt, oder gar durch telepathischen Einfluss, sondern er sah einfach voraus, wir der Herrscher reagieren würde und als die Froschplage überstanden war, heißt es gem.
Ex 8:11 über ihn:
Als aber der Pharao sah, dass die versprochene Erleichterung eingetreten war, da verstockte er sein Herz, und er hörte nicht auf sie, wie der HERR geredet hatte.
Und in
Ex 8:28 steht:
28 Aber der Pharao verstockte sein Herz auch diesmal und ließ das Volk nicht ziehen.
Die
Rotherham's Emphasized Bible (1902) gibt Ex 4:21 so wieder:
And Yahweh said unto Moses, When thou goest to return to Egypt, see as touching all the wonders which I have put in thy hand, that thou do them before Pharaoh—but, I, will let his heart wax bold, and he will not suffer the people to go.
Dies lässt sich so deuten, dass Gott zuliest, dass der Pharao sein Herz
"hart machte" - er ließ es
"hart werden" und somit offenbarte sich dessen ihm innewohnende Hartherzigkeit.
Auf diesen dahinterliegenen Gedanken nimmt Paulus in
Rö 9:18-19 gem. der Einheitsübersetzung bezug:
18 Er erbarmt sich also, wessen er will, und macht verstockt, wen er will. 19 Nun wirst du einwenden: Wie kann er dann noch anklagen, wenn niemand seinem Willen zu widerstehen vermag?*
In der Fussnote der Einheitsübersetzung steht hierzu:
19-24: Bei dem aus der alttestamentlichen Prophetie aufgegriffenen Töpfergleichnis geht es Paulus vor allem um die Langmut Gottes mit den «Gefäßen des Zorns», die zur Umkehr führen soll (2,4). Es handelt sich also nicht um eine Vorherbestimmung (Prädestination) in dem Sinn, dass ihr der Mensch völlig willenlos ausgesetzt wäre.
In
Rö 2:4 fragt Paulus:
Oder verachtest du den Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?
Mit
Buße ist hier eine Herzensumkehr gemeint, denn im altgriechischen Grundtext steht das Wort μετάνοια (
metanoia).
Diesen Gedanken unterstütz auch der Apostel Petrus in seinem 2. Brief (
2Pe 3:9):
Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten, sondern er ist langmütig euch gegenüber, da er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen.
Auch hier steht wieder
metanoia.
Die Töpfer-Analogie unterstreicht den Gedanken, dass Gott - ähnlich einem Töpfer - alles ausführt, was ihm gefällt. Wenn er will, kann er voraussehen, wie ein Mensch reagieren wird. Dies bedeutet aber nicht, dass Gott zwangweise alles voraussieht und er hier keinerlei Wahlmöglichkeit hätte. Der Gesamtkontext spricht dafür, dass Gott völlige Freiheit darin hat, in welcher Weise er von seiner Macht gebraucht macht. Dies schließt auch die Fähigkeit ein, die Zukunft zu prophezeien.
Die Appelle in der Bibel sprechen dafür, dass sowohl der göttliche Wille wie auch das Geschick des einzelnen Individiums offen ist. Bereits in
Dtn 30:19-20 riet JHWH, auf ihn zu hören und den Segen zu wählen. In diesem Sinne appelliert auch der Prophet Hesekiel und mahnt in
Hes 18:23 u.
30-32 zur Umkehr.
Gott überlässt uns die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie aus dem Appell in
Off 22:17 hervorgeht:
Und der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme! Wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst!
Bezüglich der Prädestinationslehre stützte sich Augustinus von Hippo soweit ich weiß darauf, dass in den apostolischen Briefen von den
Auserwählten die Rede ist.
Daraus lässt sich m. E. aber im Gesamtkontext schwerlich herleiten, dass damit das Geschick jedes Einzelnen vorherbestimmt wäre. Dies wird deutlich, wenn man folgenden Rat Petri
2Pe 1 betrachtet:
10 Darum, Brüder, befleißigt euch umso mehr, eure Berufung und Erwählung festzumachen! Denn wenn ihr diese Dinge tut, werdet ihr niemals straucheln. 11 Denn so wird euch reichlich gewährt werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Retters Jesus Christus.
Daher gebrauchte Paulus in 1. Korinther 9 auch die Analogie mit einem Läufer, der alles gibt, um den Siegespreis zu erlangen:
Zitat aus
1Kor 9:26-27:
26 Ich laufe nun so, nicht wie ins Ungewisse; ich kämpfe so, nicht wie einer, der in die Luft schlägt; 27 sondern ich zerschlage meinen Leib und knechte ihn, damit ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt, selbst verwerflich werde.
Der Apostel betrachtete sich also noch nicht als gerettet. Dazu passt auch der Gedanke aus
Php 3:13
Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eines aber tue ich: Ich vergesse, was dahinten, strecke mich aber aus nach dem, was vorn ist,