Ist Gott zur Reue fähig?

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closs
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#81 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von closs » Sa 20. Sep 2014, 10:13

Münek hat geschrieben:Warum es dem Gott des Neuen Testaments "technisch nicht möglich sein sollte", einzelne seiner Taten zu bereuen, erschließt sich mir nicht.
Ein Sein, das allpräsent ist und über der Zeit (gilt übrigens auch für den AT-Gott - siehe 2.Kön 19,25 "Schon vor langer Zeit habe ich es so gefügt, seit den Tagen der Vorzeit habe ich es so geplant" ), hat kein Anfang und kein Ende, also keine Zeit und somit keine Entwicklung. - Für Gott ist jede Gegenwart in der Zeit - sei es 1000 v. Chr. oder 2000 n.Chr. gleich präsent. - Ansonsten sprächen wir nicht von Gott, sondern von einem Götzen.

Münek hat geschrieben:Ob es nun heißt: "Es tat Jahwe leid, dass er..." oder: "Jahwe bereute, dass er..." ist nicht wichtig. Subtile Wortklaubereien sind unangebracht.
Das sind Weichenstellungen, die alle folgenden Exegesen versauen können.

Münek hat geschrieben:Jahwes Reue indes bezeugt seine eingeschränkte Wissenheit.
Genau - dann kann man nämlich bei falscher Weichenstellung munter deuten, dass Gott eine eingeschränkte Wissenheit hat - genau das meine ich.

closs
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#82 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von closs » Sa 20. Sep 2014, 10:39

Salome23 hat geschrieben:14 Da reute den Herrn das Unheil, das er seinem Volk anzutun gedroht hatte. (Schlachter)
14 14 Da gereute den HERRN das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte. (Luther/Elberfelder)
Buber: Leid ließ ER es sich werden des Bösen, das er geredet hatte seinem Volk zu tun.

Trotzdem: Es ist gut möglich, dass die damalige Zeit sich nur einen Gott vorstellen konnte, der wie die Menschen, nur größer, war. - Das scheint ja heute noch so zu sein.

Münek hat geschrieben:Ob es nun heißt: "Es tat Jahwe leid, dass er..." oder: "Jahwe bereute, dass er..." ist nicht wichtig.
Es geht um den Inhalt: "Es verursachte ihm Leid".

sven23 hat geschrieben: Laut einem mir bekannten Theologiestudenten heißt es im Hebräischen ganz klar: reuen, bereuen. Also eine Entscheidung im nachhinein als falsch erkennen. Daß so etwas nicht mit Allwissenheit zusammenpaßt, brauche ich wohl nicht näher zu erklären.
Die Logik ist richtig - um so schlimmer ist es, dass die Theologie falsche Weichenstellungen zulässt.

Wäre DAS der christliche Gott (irgendein Heini, der zwar schon mächtiger ist, als der Mensch, aber selber nicht weiss, wo's lang geht), würde ich mich schenkelklopfend vom Christentum entfernen - es wäre die pure Juxfigur. Aber damit täte man der Bibel als Ganzes wirklich unrecht.

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sven23
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#83 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von sven23 » Sa 20. Sep 2014, 11:16

closs hat geschrieben:Die Logik ist richtig - um so schlimmer ist es, dass die Theologie falsche Weichenstellungen zulässt.

Wäre DAS der christliche Gott (irgendein Heini, der zwar schon mächtiger ist, als der Mensch, aber selber nicht weiss, wo's lang geht), würde ich mich schenkelklopfend vom Christentum entfernen - es wäre die pure Juxfigur. Aber damit täte man der Bibel als Ganzes wirklich unrecht.

Was soll die Theologie machen? Die Texte haben die Bibelverfasser von Anfang an verbockt. Die Übersetzer können auch nur das übersetzen, was da steht, mit gewissem Interpreationsspielraum, der aber auch seine Grenzen hat. Oder man muß gleich ein komplett neues Buch schreiben. Bibel 2.0 oder Bibel reloaded. :lol:
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closs
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#84 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von closs » Sa 20. Sep 2014, 11:26

sven23 hat geschrieben:Was soll die Theologie machen?
Die Theologie soll selbst erst einmal spirituell kompetent sein und dann mit dieser Kompetenz in die Exegese gehen. - Alles andere ist reine Textanalyse - wie zum Beispiel "historisch-kritische Analyse".

"Historisch-kritisch" macht echt Sinn, wenn die Fragestellung beispielsweise lautet: "Was kann aus dem Bibel-Text in Bezug auf sonst bekannte historische Texte aus dieser Zeit und dieser Region entnommen werden, verifiziert und falsifiziert werden". - Spannendes Thema, ohne Zweifel. - Das hat aber nicht mit Theologie zu tun.

Theologische Exegese ist, wenn man bei Vorhandensein eines ÜBER der BIbel stehenden spirituellen Bewusstseins Texte der Bibel analysiert - das ist etwas ganz anderes.

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sven23
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#85 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von sven23 » Sa 20. Sep 2014, 11:31

closs hat geschrieben:
"Historisch-kritisch" macht echt Sinn, wenn die Fragestellung beispielsweise lautet: "Was kann aus dem Bibel-Text in Bezug auf sonst bekannte historische Texte aus dieser Zeit und dieser Region entnommen werden, verifiziert und falsifiziert werden". - Spannendes Thema, ohne Zweifel. - Das hat aber nicht mit Theologie zu tun.

Wenn bei der historisch-kritischen Analyse herauskommt, daß das meiste wohl erfunden ist, dann spielt das sehr wohl eine Rolle in der Beurteilung "spiritueller" Texte.
Es sei denn, man gibt sich damit zufrieden, daß alles rein menschliche Erfindung ist, was aber spirituell gesehen egal ist. Hauptsache man glaubt irgendwas.
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#86 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von closs » Sa 20. Sep 2014, 11:42

sven23 hat geschrieben:Wenn bei der historisch-kritischen Analyse herauskommt, daß das meiste wohl erfunden ist, dann spielt das sehr wohl eine Rolle in der Beurteilung "spiritueller" Texte.
Nein - entweder etwas ist spirituell wertvoll oder nicht. - Ob sich ein diesbezüglicher Text dabei historischer oder allegorischer Chiffren oderoder bedient, ist vollkommen wurscht. - Der spirituelle Wert einer Aussage ist nicht qualifizierbar über ihre Historizität.

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Scrypt0n
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#87 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von Scrypt0n » Sa 20. Sep 2014, 12:51

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Warum es dem Gott des Neuen Testaments "technisch nicht möglich sein sollte", einzelne seiner Taten zu bereuen, erschließt sich mir nicht.
Ein Sein, das allpräsent ist, hat kein Anfang und kein Ende, also keine Zeit und somit keine Entwicklung.
Wodurch Gott seine Persönlichkeit verliert und zu eine Marionette seiner selbst wird!
Wenn du Gott seine Eigenzeit absprichst, sprichst du ihm jegliche Eigenschaft ab, die du ihm unterstellst. Da kommst du nicht drum herum.

closs hat geschrieben:Für Gott ist jede Gegenwart in der Zeit - sei es 1000 v. Chr. oder 2000 n.Chr. gleich präsent.
Die Eigenzeit Gottes hat doch nicht notwendigerweise etwas mit der Zeit hier zu tun!

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jahwes Reue indes bezeugt seine eingeschränkte Wissenheit.
Genau - dann kann man nämlich bei falscher Weichenstellung munter deuten, dass Gott eine eingeschränkte Wissenheit hat
Das wäre plausibler als das Gegenteil. :)

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sven23
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#88 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von sven23 » Sa 20. Sep 2014, 12:55

closs hat geschrieben:Nein - entweder etwas ist spirituell wertvoll oder nicht. - Ob sich ein diesbezüglicher Text dabei historischer oder allegorischer Chiffren oderoder bedient, ist vollkommen wurscht. - Der spirituelle Wert einer Aussage ist nicht qualifizierbar über ihre Historizität.

Das nennt man wohl Realitätsverweigerung. Wenn sich herausstellt, daß Jesus nicht der Sohn Gottes ist, sondern ein ganz "normaler" Wanderprediger, den man posthum zum Messias hochstilisiert hat, dann muß das Auswirkungen auf ein spirituelles Gedankengebäude haben, dessen Stützpfeiler weggebrochen sind.
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Münek
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#89 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von Münek » Sa 20. Sep 2014, 13:51

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ob es nun heißt: "Es tat Jahwe leid, dass er..." oder: "Jahwe bereute, dass er..." ist nicht wichtig.
Es geht um den Inhalt: "Es verursachte ihm Leid"..

Also DAS ist ganz bestimmt nicht der Inhalt, um den es hier geht.
Dass Gottes eigenes Verhalten "ihm Leid verursacht", ist ja ganz
nett, aber letztlich uninteressant.

Der Punkt ist, dass Jahwe Taten oder Entschlüsse BEREUT, die sich im
nachhinein aus seiner eigenen Sicht als falsch erwiesen haben. Damit gibt
er preis, dass er nicht über das göttliche Attribut "ALLWISSENHEIT" verfügt.

JackSparrow
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#90 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von JackSparrow » Sa 20. Sep 2014, 15:47

Der Punkt ist, dass Jahwe nicht ein Mensch ist, dass ihm irgendwas Leid verursachen könnte.

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