Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#11 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von Pluto » Mi 13. Aug 2014, 21:13

closs hat geschrieben:Falsifizieren lassen sich beide Versionen ohnehin nicht. - Geist kann man nicht falsifizieren, weil er nicht randomisierbar ist - wie will man nur persönlich Wahrnehmbares randomisieren? - Natur lässt sich nicht falsifizieren, weil sie zu den "res externa" gehört - da hatte Descartes wirklich recht.
Gott sei Dank (!) ist der cartesianische Dualismus aus heutiger Sicht endgültig widerlegt (s. Gilbert Ryle, The Concept of Mind -1949).
Deshalb spielt der cartesianische Dualismus (und seine Nachfolger) in der modernen Philosphie nur noch die Rolle einer historischen Kuriosität.

Würde man diese Unterscheidung verstehen, gäbe es keinen Streit.
Es geht mir nicht um die sehr stimulierneden und interessanten Gespräche um Geist oder Natur, sondern um eine gravierende Fehlleistung des Dualismus: Das vermeidbare Leid vieler Menschen.

Kaum eine andere Theorie der Philosophie hat mehr Schaden angerichtet als die dualistische Vorstellung eines vom Gehirn getrennten Geistes. Diese Vorstellung hat die medizinische Forschung in der Psychiatrie fast 300 Jahre lang gebremst:
Anstatt im Gehirn nach den (oft) physiologischen Ursachen mentaler Störungen zu suchen, hat man Patienten eingesperrt, sie medikamentös stillgelegt und (falls sie Glück hatten) irgendwelchen Psychotherapien zugeführt. Diese Menschen wurden ihrer Freiheit beraubt, und erlitten teilweise entsetzliches vermeidbares Leid durch eine (aus heutger Sicht offensichtliche) Fehlbehadlung, weil man auf Grund einer fehlerhaften Theorie am falschen Ort nach der "Ursache" gesucht hat.

Dank der modernen Hirnforschung beginnt man heute zu verstehen, wie man gewisse mentalen Störungen lindern oder gar heilen kann. Z. Bsp. lassen sich viele Arten von Depression mit entprechenden Medikamenten (sog. Serotonin Hemmer) verhindern.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#12 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von Pluto » Mi 13. Aug 2014, 21:17

Demian hat geschrieben:An deiner emotionalen Reaktion kann man sehr gut sehen, dass Du deine Weltanschauung verteidigst. Absolut jede Weltanschauung kann hinterfragt werden.
Lieber Demian,
Nichts liegt mir ferner, als meine eigene Weltanschauung aus falschen Gründen verteidigen zu wollen. Mir geht es darum, zu verhindern dass undurchdachte Behauptungen als vermeintliche Wahrheiten an den Mann gebracht werden.
Leg endlich deine Belege auf den virtuellen Labortisch des Forums, damit wir sie mal untersuchen können.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#13 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von Scrypton » Mi 13. Aug 2014, 21:17

closs hat geschrieben:Wenn Materie Folge von Geist ist, ist Materie eine Ableitung, also ein Untergeordnetes, zu Geist.
Ja, wenn; ist aber a) unplausibel und b) den Beobachtungen zu folge nicht gegeben.
Die Beobachtungen zeigen: Das, was man als Geist bezeichnen könnte - ich nenne es lieber Bewusstsein - geht aus dem zentralen Nervensystem hervor; je höher dieses entwickelt ist, umso umfangreicher ergibt sich das Bewusstein.

Der Gedanke, es wäre nicht so, basiert auf nichts anderem als reinem Wunschdenken. Andernfalls steht es jedem frei, gegenteilige Beobachtungen, Messungen usw. vorzulegen, welche naheliegen, dass ein Geist, ein Bewusstsein auch ohne dessen graue Masse existieren muss/sollte/könnte...!

closs hat geschrieben:Wenn Geist Folge von Materie ist, ist es umgekehrt.
Haben Tiere einen Geist?
Wenn nicht, warum nicht? Und ab welcher Entwicklungsstufe hatte der Mensch eine Geist?
Wie kann ein Geist (Gott) eine vom Geiste unabhängige Materie schaffen, außerhalb seiner Dimension? Kann dein Geist das auch?

closs hat geschrieben:Falsifizieren lassen sich beide Versionen ohnehin nicht.
Wenn man postuliert, dass das, was man behauptet, prinzipiell nicht und mit keiner Technik der Zukunft feststellbar/überprüfbar ist, dann ja; denn dann hast du deine Behauptung mit weiteren Behauptungen selbst immunisiert.

closs hat geschrieben:Natur lässt sich nicht falsifizieren, weil sie zu den "res externa" gehört
Natur != Metaphysisches
Daraus folgt: Geist != Natur.
Ergo: Deine Aussage ergibt keinen Sinn.

closs hat geschrieben:Er steigt erst NACH den ontologischen Grundsatzfragen, also NACH den grundlegenden Fragen nach Sein und Nicht-Sein, ein, indem er die im Alltagsverstand selbstverständliche Überzeugung, dass es das Dasein wirklich gibt, übernimmt und somit unmittelbar auf der sekundären Ebene einsteigen kann.
Er verzichtet lediglich, im Gegensatz zu dir, auf zusätzliche, willkürliche Annahmen (Zusatz-Setzungen). Er wie du nimmt (selbstverständlich, wie du ebenfalls sagst) an, dass es das Dasein wirklich gibt, also dich, mich, dieses Forum.
Du hingegen nimmst zusätzlich einfach an bzw. behauptest, es gäbe ein weiteres "Sein".

closs hat geschrieben:Er hält sich also NICHT mit Fragen nach "res cogitans" und "res externa" auf, weil ihn diese Fragen nicht interessieren
Nun, derartige Fantasien, die man sich nur mit seinen eigenen Fantasien selbst ausmalen kann, interessieren auch mich nicht. Warum über etwas philosophieren, was auf uns ohnehin keinen Einfluss hat, uns keine Erkenntnis bringt (sondern nur Glaube, so wie man eben alles mögliche glauben kann) und man nicht überprüfen kann, ob das eigene Kopfkino darüber den Tatsachen entspricht... und meiner EInschätzung nach auch höchst unplausibel ist.

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#14 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von closs » Mi 13. Aug 2014, 22:08

Darkside hat geschrieben:Ja, wenn
Genau so ist es gemeint - eine if-Abfrage.

Darkside hat geschrieben:a) unplausibel
Aus Deinem System heraus absolut richtig.

Darkside hat geschrieben: b) den Beobachtungen zu folge nicht gegeben
Genau richtig formuliert.

Darkside hat geschrieben: je höher dieses entwickelt ist, umso umfangreicher ergibt sich das Bewusstein
Der Zusammenhang zwischen Hirn-Komplexität und Bewusstsein ist unbetritten.

Darkside hat geschrieben: Andernfalls steht es jedem frei, gegenteilige Beobachtungen, Messungen usw. vorzulegen
Stop. - Die diesbezüglichen neurowissenschaftlichen Beobachtungen sind GLEICHERMASSEN Argument für die Versionen 1)Geist aus Materie und b)Materie aus Geist. - Da kannst Du nicht punkten.

Darkside hat geschrieben:Und ab welcher Entwicklungsstufe hatte der Mensch eine Geist?
Das ist eine theologische/philosophische Frage - christlich gesehen ist "Geist" dadurch definiert, dass man über die materialistische Welt hinausdenken oder -fühlen kann. - Letzteres muss nicht einmal bewusst geschehen. - Ab dem Zeitpunkt, ab dem es innerhalb der Evolution diesen Klick gab, kann man beim Menschen von einem "geistigen Wesen" sprechen.

Insofern haben Tiere KEINEN Geist - es sei denn, sie könnten über die materialistische Welt hinausdenken oder -fühlen.

Darkside hat geschrieben:Wie kann ein Geist (Gott) eine vom Geiste unabhängige Materie schaffen
Durch Ableitung - also dimensional nach unten. - Was meinst Du mit "vom Geiste unabhängig"?

Darkside hat geschrieben:Wenn man postuliert, dass das, was man behauptet, prinzipiell nicht und mit keiner Technik der Zukunft feststellbar/überprüfbar ist
Das kann man auch per Logik abkürzen. - Descartes hat es mit seiner Unterscheidung von "res cogitans" und "res extensa" (sorry, habe wohl eine zeitlang "externa" geschrieben) ganz gut hingekriegt.

Darkside hat geschrieben:Ergo: Deine Aussage ergibt keinen Sinn.
Das ist wieder mal ein Syllogismus - mit allen Risiken und Nebenwirkungen. - Irgendetwas stimmt da nicht - denn:

Die "res externa" SIND ja nach Ansicht von Descartes Physis, wenn es sie gibt - deshalb interessiert sich Descartes doch so sehr für Naturwissenschaft. - Descartes sagt nur, dass man vom "Cogito" (das Denkende) aus die "Res extensa" (also alles, was nicht "Cogito" ist) nicht falsifizieren kann - erkenntnis-theoretisch logisch. - Und dann macht Descartes dasselbe wie Popper - er sagt: "Ich tue jetzt mal so, als seien die "res extensa" "real" - und baue darauf meine naturwissenschaftlichen Arbeit auf". - An der Nicht-Falsifizierbarkeit ändert das nichts.

Darkside hat geschrieben:Er wie du nimmt (selbstverständlich, wie du ebenfalls sagst) an, dass es das Dasein wirklich gibt, also dich, mich, dieses Forum.
Das ist mindestens ein Axiom, wahrscheinlich sogar eine Setzung. - Geht mir genauso.

Darkside hat geschrieben:Du hingegen nimmst zusätzlich einfach an bzw. behauptest, es gäbe ein weiteres "Sein".
Eigentlich ist das keine Zusatzsetzung. - Denn Popper sagt NICHT: "Ich postuliere, dass das wissenschaftlich untersuchbare Sein identisch ist mit allem Sein", sondern er sagt: "Das interessiert mich - der (etwaige) Rest nicht".

Poppers und auch meine EINE Setzung ist somit: "Es kann Sein geben, dass wissenschaftlich untersuchbar ist". - Der Unterschied: Popper konzentriert sich auf das für seine Methodik greifbare Sein - andere konzentrieren sich auf den möglichen - für manche: plausiblen - "Rest".

Darkside hat geschrieben:Warum über etwas philosophieren, was auf uns ohnehin keinen Einfluss hat
Wie kommst Du darauf, dass Geistiges keinen Einfluss auf uns hat?

Pluto hat geschrieben:Leg endlich deine Belege auf den virtuellen Labortisch des Forums
Bringt überhaupt nichts - denn mit "Belegen" meinst Du nicht geistige, sondern mit der Methodik Poppers konforme Belege. - Das ist ein Kategorienfehler.

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#15 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von Pluto » Mi 13. Aug 2014, 22:11

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Leg endlich deine Belege auf den virtuellen Labortisch des Forums
Bringt überhaupt nichts - denn mit "Belegen" meinst Du nicht geistige, sondern mit der Methodik Poppers konforme Belege. - Das ist ein Kategorienfehler.
Lieber closs,
Ich bin inzwischen so weit geläutert, dass ich jede Art von Beleg akzeptiere. Hauptsache er ist nachvollziehbar.
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#16 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von Demian » Mi 13. Aug 2014, 22:16

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Zuletzt geändert von Demian am Do 14. Aug 2014, 01:40, insgesamt 1-mal geändert.

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#17 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von Pluto » Mi 13. Aug 2014, 22:19

closs hat geschrieben:
Darkside hat geschrieben:Und ab welcher Entwicklungsstufe hatte der Mensch eine Geist?
Das ist eine theologische/philosophische Frage - christlich gesehen ist "Geist" dadurch definiert, dass man über die materialistische Welt hinausdenken oder -fühlen kann. - Letzteres muss nicht einmal bewusst geschehen. - Ab dem Zeitpunkt, ab dem es innerhalb der Evolution diesen Klick gab, kann man beim Menschen von einem "geistigen Wesen" sprechen.
Dieser "Kick" ist nicht feststellbar. Somit ist deine Bewusstseins-Theorie wissenschaftlich nicht verifizierbar und deshalb irrelevant.

closs hat geschrieben:Die "res extensa" SIND ja nach Ansicht von Descartes Physis, wenn es sie gibt - deshalb interessiert sich Descartes doch so sehr für Naturwissenschaft. - Descartes sagt nur, dass man vom "Cogito" (das Denkende) aus die "Res extensa" (also alles, was nicht "Cogito" ist) nicht falsifizieren kann - erkenntnis-theoretisch logisch.
Denk an Gilbert Ryle.
Wenn ein Pferd tot ist, ist es Zeit abzusteigen.
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#18 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von closs » Mi 13. Aug 2014, 22:20

Pluto hat geschrieben:Ich bin inzwischen so weit geläutert
Da soll keiner behaupten, dass eine Mensch über 40 (trifft doch bei Dir zu - gell?) nicht lernfähig sei. :lol:

Pluto hat geschrieben:Hauptsache er ist nachvollziehbar.
Wo soll man da anfangen. - Probieren wir es mal spontan mit einer Einzelaussage: Gott ist die Aufhebung aller Dialektik. - Oder umgekehrt gefragt: Ist ein Sein ohne Aufhebung der Dialektik denkbar? - Und schon sind wir ganz tief wo ganz woanders.

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#19 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von Pluto » Mi 13. Aug 2014, 22:23

closs hat geschrieben:Gott ist die Aufhebung aller Dialektik.
Das ist eine nicht nachvollziehbare Behauptung.
closs hat geschrieben:Ist ein Sein ohne Aufhebung der Dialektik denkbar?
Das ist eine Frage, und kein Beleg.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#20 Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beitrag von closs » Mi 13. Aug 2014, 22:24

Pluto hat geschrieben:Dieser "Kick" ist nicht feststellbar. Somit ist deine Bewusstseins-Theorie wissenschaftlich nicht verifizierbar.
Irrelevant. - Entweder es ist so oder es ist NICHT so.

Pluto hat geschrieben:Denk an Gilbert Ryle.
Ich glaube NICHT, dass er "Dualismus" von Materie und Geist falsifiziert hat - das klingt eher nach "Zirbeldrüse". - Wie gesagt: Man wüsste wissen, wie er seine Arbeit aufgebaut hat und was er tatsächlich falsifiziert hat. - Mir fällt nur auf, wie sich die Welt geradezu systematisch von der Wahrheit entfernt, weil sie mechanistisch Verfahrens-Aussagen zur Grundlage ihrer Wahrheitssuche macht - gefällt mir nicht.

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