ThomasM hat geschrieben:Zufall ... sollte man naturwissenschaftlich von einer statistischen Beschreibung reden.
Das sollte meines Erachtens auch für "Wahrscheinlichkeit" gelten. - "Wahrscheinlichkeit" in Bezug auf was? - Zufall in Bezug auf was?
ThomasM hat geschrieben:Ob man geisteswissenschaftlich den Begriff <Zufall> sinnvoll ersetzen kann
Geistesgeschichtlich ist - bei christlich motivierter Literatur - "Zufall", wenn der Mensch nicht weiß, warum etwas geschieht. Erklärt wird dieser Zufall dann mit "Fügung" (s.u.). - In der griechischen Literatur wird "Zufall" eher verstanden als "kairos" - vielleicht vergleichbar mit dem "Bifurkationspunkt" der Chaostheorie. - In der Kathedrale von Coventry steht ein Spruch, der dem entspricht und sowohl christlich als auch griechisch interpretierbar ist: "Wenn der Mensch am Scheideweg steht, halten die Engel die Luft an".
Der Unterschied über dem Daumen zwischen "christlich" und "griechisch": Beim Christlichen steht die "Nemesis" dahinter (das kausal begründbare Schicksal resp. "Gott") - beim Griechischen steht die "Tyche" dahinter (das blinde Schicksal).
Die griechische Tyche-Variante kommt dem, was man umgangssprachlich als "Zufall" bezeichnet, nahe. - Im christlichen Sinne gibt es keinen "Zufall", allenfalls als Ausdruck menschlicher Erkenntnis-Schwäche in Bezug auf "Fügung". - Man kann den Begriff "Zufall" in beiden Fällen ersetzen: christlich mit "Fügung" - griechisch mit "(Tyche-) Schicksal".
ThomasM hat geschrieben: Hier ist Kausalität mehr ein Begriff der Begründung von Ereignissen, z.B. die teleologische Sicht
Richtig - während die Naturwissenschaft sagt "Weil man einen Stein auf den Kopf bekommt, hat man eine Beule", fragt die Theologie (beispielsweise) "Warum fiel der Stein auf den Kopf von Person A statt auf den Kopf von Person B"?.
Das, was die Naturwissenschaft als "warum" bezeichnet, wird in der Philosophie oft im Sinne von "wie" verstanden: "
Weil der Mensch für eine Zäsur fällig war, wurde er aus seinem Alltag gerissen. - Dies geschah
"wie"? - Mit einem Stein auf den Kopf. - Ohne inhaltliche Diskussion dieses Beispiels: Hier ist die Bandbreite des Wortes "Kausalität" angedeutet.
ThomasM hat geschrieben:Determinismus ... Fügung
Das ist meines Erachtens nur bei JEWEILIGER Definition beantwortbar:
ThomasM hat geschrieben:Das beste Beispiel für eine deterministischen Prozess ist ein Computer Algorithmus, aus dem bei gleichen Eingaben und Voraussetzungen zwanghaft dasselbe Ergebnis folgt.
Genau das würde man auch aus geistigen Gesichtspunkten als "Determinismus" bezeichnen. - Ob es in der Geistes-Geschichte bis zum Beginn des 19. Jh. den Begriff "Determinismus" gibt, weiß ich nicht - jedenfalls ist er mir nie vor die Flinte gekommen. - Eher läuft es wieder heraus auf die Frage nach "Fügung" oder "Nemesis" oder "Tyche" - vielleicht hilft Goethe (Urworte. Orphisch) weiter:
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.
Goethe lässt die Frage nach griechischer oder christlicher Tradition offen, indem er "Sibyllen" und "Propheten" gleichstellt - im Sinne von: Da gibt es keine Unterschiede.
ThomasM hat geschrieben:Ich verstehe ... <Fügung> als ein Begriff, in dem jemand oder etwas Macht über einen Menschen hat und damit Verfügungsgewalt hat.
So versteht sich "Fügung" meines Erachtens NICHT. - Zwar hat Gott Macht und Verfügungsgewalt über den Menschen, aber er übt sie nicht in dessen "Willen" hinein aus. - "Fügung" heißt eigentlich: "Lieber Mensch - mach Du mal und je nachdem, was Du machst, fällt mir etwas ein, was Dich auf DEINEM Weg hält". - WAS der individuelle Weg ist, ist vollkommen undurchschaubar für den Menschen.
Dabei ist der Mensch immer "frei" (was auch immer DAS ist). Denn "Fügung" ist nicht das, was den Menschen sagt, was sie zu tun haben, sondern jeweils eine situative Steuerung des individuellen Lebensweges - wobei es KEINE Rolle spielt, ob der Mensch dies oder jenes "verschuldet" (was auch immer DAS ist) hat oder nicht. - Drückt der Mensch auf Knopf 1, geht die als nächstes die Türe 1 auf - drückt er auf Knopf 2, geht die Tür 2 auf. - Für manchen schwer nachvollziehbar funktioniert diese situative Steuerung des individuellen Lebensweges IM VORAUS - das heisst: Gott als über-zeitliches und allwissendes Wesen regelt das alles "in den Vortagen", also bevor es Zeit gibt.
Im Sinne des Beispiels des "Computer-Algorithmus, aus dem bei gleichen Eingaben und Voraussetzungen zwanghaft dasselbe Ergebnis folgt" ist somit "Fügung" NICHT deterministisch. - Auch nicht in dem Sinne, dass der Mensch in seiner Handlungs-Freiheit behindert wäre. - Allerdings insofern, dass jegliche Fügung immer teleologisch ist, also das Ende bekannt ist, bevor der Mensch überhaupt geboren ist.
Vielleicht könnte man "Determinismus" als eine winzige Teilmenge von "Fügung" verstehen.
Apropos "Teleologie": - DIe Tatsache, dass der teleologische Ansatz INNERHALB der Evolutions-Theorie unangebracht und sogar falsifiziert ist, hat mit der Teleologie des Geistes ÜBERHAUPT nichts zu tun.