Plausibilität des Seins

Philosophisches zum Nachdenken
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sven23
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#21 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von sven23 » Sa 7. Jun 2014, 13:16

closs hat geschrieben:Habe ich nie getan - denn: Der Mensch weiss nicht, sondern nimmt nur wahr.

Doch hast du. Du und andere auch behaupten immer wieder, es gäbe tausende von Belegen für die Existenz einer transzendenten Welt. Wo sind diese?


closs hat geschrieben: - Der Mensch weiss auch dadurch nicht, dass er naturwissenschaftlich objektiv wahrnimmt. - Alles, was der Mensch weiss, ist Wissen INNERHALB der Gesetze eines Wahrnehmungs-Systems.

So geht das aber nicht. Man kann nicht alles in einen Topf werfen. Naturwissenschaftlichen Modellen kann man sich nähern. Das Higgs-Teilchen war jahrzentelang Teil eines Modells, bis es experimentell nachgewiesen werden konnte. Bei der Transzendenz bleibt alles im unüberprüfbaren spekulativen Bereich. Das muß man schon sauber trennen. Ich nenne das die logische Differenz. :lol:

closs hat geschrieben: Ich rede aber von etwas anderem - nämlich dem Sein, also "dem, was der Fall ist" selbst. - Und das "ist" dasselbe, ob es richtig oder falsch oder gar nicht wahrgenommen wird. - Das ist die Sicht "dessen, was der Fall ist" - "mir san mir".

Das kommt jetzt auf die "Sein" Definition an:
"Der Begriff Sein (griechisch einai, lateinisch esse - Infinitiv) bedeutet in der Philosophie Dasein, Gegebensein, In-der-Welt-sein, etwas Allgemeines, allem Zugrundeliegendes, aber auch das alles umfassende Höchste (Gott)."
Quelle: Wikipedia

Umfasst die Sein-Definition auch Gott, so muß es sich um ein Modell handeln, und zwar eines, das nicht überprüfbar ist. Im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Modellen, die zumindest die Chance auf Überprüfbarkeit offen lassen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Pluto
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#22 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Pluto » Sa 7. Jun 2014, 13:19

sven23 hat geschrieben:Ich nenne das die logische Differenz.
Schöne Formulierung! :thumbup:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#23 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von closs » Sa 7. Jun 2014, 13:34

Pluto hat geschrieben:Auch Letzteres kannst du gar nicht wissen.
Ich MUSS es gar nicht wissen - ich muss nur wissen, dass das, was "ist", unabhängig davon "ist", ob ich es wahrnehme oder nicht.

Pluto hat geschrieben:"Was der Fall ist" könnte enausogut nur das sein was wir messen oder mit unseren Sinnen wahrnehmen können
"Genausogut" wohl nicht - aber theoretisch möglich. - Es könnte in Deinem Sinne theoretisch sein, dass die naturwissenschaftlich beobachtbare Welt identisch ist mit der Gesamtheit des Seins.

Pluto hat geschrieben:da ist, mit dem Verstand betrachtet, der logischste Fall.
Mit Verstand betrachtet, ist es eher ein pragmatischer Fall ("Wir kümmern uns nur um das, was wir objektivieren können - alles andere ist per Definition irrelevant").

Pluto hat geschrieben:Du behauptest, es gäbe mehr
Ich glaube es/vermute es/finde es hoch-plausibel.

Pluto hat geschrieben:aber du kannst nicht einmal mit Sicherheit wissen, ob es dieses Mehr überhaupt gibt. Warum?
Das hatten wir aber schon ein paar Mal: Aus dem Sein der EINEN Kategorie ("Dasein") kann man nichts "wissen", was in der ANDEREN, darüber-stehenden Kategorie "ist" - umgekehrt geht es.

Übrigens: Auch die Naturwissenschaft kann ontologisch nichts mit Sicherheit wissen - das mit den "Setzungen" hatten wir schon. - Wenn das nicht reicht: Dein naturwissenschaftlicher Kollege Thomas hat dasselbe auf naturwissenschaftlich-methodischer Weise begründet. - Der Unterschied zwischen unseren Systemen ist:

Du kannst innerhalb Deines Systems mit Sicherheit wissen, weil Subjekt und Objekt derselben Kategorie angehören - ich kann es nicht, weil in meinem System Subjekt und Objekt NICHT derselben Kategorie angehören.

Pluto hat geschrieben:Denn du kannst nicht zwischen wahrgenommenem Sein und Illusion unterscheiden
Das kann niemand - außer, man gönnt sich die Illusion der Setzung und verdrängt, dass es Setzung ist.

Pluto hat geschrieben:Der Punkt ist, um das Sein zu behaupten muss es zumindest exakt reproduzierbar und beliebig abrufbar sein
Nein - spirituelle Wahrnehmung ist immer individuelle Wahrnehmung. - Diese Wahrnehmung kann mit "dem, was ist" koinzidieren ("geglückte Spiritualität") - oder sie koinzidiert NICHT mit "dem, was der Fall ist" (Illusion). - Objektiv ist beides wahrnehmungsmäßig NICHT unterscheidbar - ontologisch ist es der Unterschied zwischen Sein und Nicht-Sein - wenn man so will: Der Unterschied zwischen dem, das das Christentum "Gott" und "Satan" ("der Geist, der stets verneint") nennt.

Pluto hat geschrieben:Und auf Ilusionen kann man bekanntlich keine robusten Zivilisationen bauen.
Sowieso nicht. - Zivilisation sollte definiert sein A) durch technischen Fortschritt - dafür ist die Naturwissenschaft zuständig -, und B) durch geistigen Fortschritt - dafür ist die Naturwissenschaft NICHT zuständig. - A) hat in den letzten Jahrhundert blendend funktioniert - Kompliment an die Naturwissenschaften. - B) hat unterm Strich kläglich versagt.

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Zeus
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#24 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Zeus » Sa 7. Jun 2014, 13:44

Pluto hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich nenne das die logische Differenz.
Schöne Formulierung! :thumbup:
Klasse! Unser lieber closs klammert sich verzweifelt an die absurde Idee, dass diese logische Differenz gleich Null ist , während seine ontologische Differenz (alias Wolkenkuckucksheim) viel größer als Nichts sein soll. Nicht wahr Kurt?
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Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
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#25 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von closs » Sa 7. Jun 2014, 13:44

sven23 hat geschrieben:Doch hast du. Du und andere auch behaupten immer wieder, es gäbe tausende von Belegen für die Existenz einer transzendenten Welt.
Stimmt - aber es ist nicht "erwiesen". - Die Gründe dafür habe ich gerade nochmals Pluto genannt.

sven23 hat geschrieben:Das Higgs-Teilchen war jahrzentelang Teil eines Modells, bis es experimentell nachgewiesen werden konnte.
Glückwunsch. - Was hat das mit unserem Thema zu tun? - Ich habe nie daran gezweifelt, dass die Naturwissenschaft innerhalb ihrer Disziplin sauber arbeitet. - Innerhalb ihrer Setzung "Was ich wahrnehme, bezieht sich auf eine wahrnehmungs-unabhängige Realität" macht die Naturwissenschaft alles richtig (Gegenentwurf: Der Mensch ist eine Monade, die ihre Illusionen als Realität wahrnimmt).

sven23 hat geschrieben: Bei der Transzendenz bleibt alles im unüberprüfbaren spekulativen Bereich.
Richtig - "Spekulation (von lateinisch speculari = beobachten) ist eine philosophische Denkweise zu Erkenntnissen zu gelangen, indem man über die herkömmliche empirische oder praktische Erfahrung hinausgeht und sich auf das Wesen der Dinge und ihre ersten Prinzipien richtet". (wik)

sven23 hat geschrieben:Umfasst die Sein-Definition auch Gott, so muß es sich um ein Modell handeln, und zwar eines, das nicht überprüfbar ist.
Zu JEDER Wahrnehmung gehört ein Wahrnehmungs-Modell. - Aber nicht Gott ist ein Modell, sondern unsere Vorstellungen von Gott.

OB unsere Vorstellungen von Gott mit der "Entität Gott" übereinstimmen, wissen wir nicht. - OB unsere Vorstellungen/Messungen der Natur mit der "Entität Natur" übereinstimmen, wissen wir nicht. - Alles, was funktioniert, funktioniert immer nur innerhalb der eigenen Wahrnehmung.

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#26 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von closs » Sa 7. Jun 2014, 13:46

Zeus hat geschrieben:Klasse! Unser lieber closs klammert sich verzweifelt an die absurde Idee, dass diese logische Differenz gleich Null ist
Das ist immerhin anspruchsvoller, als einen auf Pippi-Langstrumpf zu machen: "Ich mach' mir die Welt - widdewidde wie sie mir gefällt". - Mein Ansatz ist weniger anthropozentrisch.

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#27 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Andreas » Sa 7. Jun 2014, 13:49

Zeus hat geschrieben:Gott schuf nicht die Menschen nach seinem Ebenbilde, sondern Jahve wurde von den Israeliten nach ihrem "Wunschbild" geschaffen.
Zeus hat geschrieben:Ich hatte übrigens geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Der rachsüchtige,Völker mordende, Jehova passt wunderbar zu dem Treiben der Israeliten, deren Lieblingsbeschäftigung offensichtlich war, Raubzüge und genozidale Kriege gegen Nachbarstämme zu führen, allzu oft auf Geheiß Jahves, wenn man dem AT glauben kann.
"wenn man dem AT glauben kann." Was soll denn das bedeuten? Wer ist denn "man"? Alle, keiner? Ein Bibeltreuer muss das glauben können. Ein Naturalist kann das nicht glauben können. Du kannst es nach eigenem Bekunden jedenfalls nicht. Und was heißt "dem AT glauben"? Etwa als historische Quelle?
Zeus hat geschrieben:Sagen haben häufig einen historischen Kern.
Und das soll jetzt der historische Kern sein, mit der du deine obige Aussage begründen willst?
Die Apiru werden oft mit den Hebräern des Alten Testamentes in Verbindung gebracht und sind wohl eine von mehreren sozialen[3] oder ethnischen Gruppierungen, aus denen sich während der sogenannten Landnahmezeit das Volk Israel herausbildeten.Die Apiru sind jedoch dezidiert in sozialen Kategorien zu verstehen. So erscheinen sie gerade in den Amarna-Briefen als Banden, die die Gesellschaft der damaligen Stadtstaaten durch Überfälle und Schutzgelderpressungen verunsicherten oder sich als Söldner wechselnder Stadtstaaten verdingten. Sie setzten sich aus von der Gesellschaft auf Grund von Verschuldung, Verbrechen oder familiärer Probleme verstoßener Männer zusammen. Durch ihren Beitrag zur allgemeinen Verunsicherung im Gebiet der Levante um 1200 v. Chr. waren sie ein wichtiger Faktor für die folgende bis zum 1.Jahrtausend andauernden Deurbanisierung.Wiki
Blaue Hervorhebung von dir, rote von mir. Der Mensch sieht, was er sehen will.
Zeus hat geschrieben:Übrigens ist es eine bekannte Tatsache, dass Völker oft ihren wichtigsten Gottheiten Eigenschaften geben
Dezidierte soziale Gruppen, Banden und Söldner sind nicht mit einem Volk gleichzusetzen. Die Mafia ist nicht "Die Italiener". Was macht ein Volk aus? Die Gesellschaft oder "die aus ihr verstoßenen Männer"?
Wie zu erwarten kein Wort von "genozidalen Kriegen". Dafür das dies die "Lieblingsbeschäftigung" der Israeliten gewesen sein soll, sind deine Belege äußerst schwach. Du hast vor allem nicht belegt, dass die Apiru an der Abfassung des AT wenigstens beteiligt gewesen wären. Das langt bei weitem nicht um deine Behauptungen zu stützen, dass sich die Israeliten ihren Gott nach ihrem "Wunschbild" oder nach ihren eigenen Eigenschaften geschaffen hätten.

Zeus hat geschrieben:Im 1. Jahrhundert vor Chr. christliche Nächstenliebe? Wohl kaum, oder?
Was soll das? Bitte fair bleiben. Ich schrieb Nächstenliebe nicht christliche Nächstenliebe.
Andreas hat geschrieben:Du meinst, dass im Kulturkreis rund um Jerusalem im 1. Jh. vor Chr. und dem 1. und 2. Jh. nach Chr. die Nächstenliebe am höchsten geschätzt war? Ich glaube das nicht so recht.
Du behauptest:
Zeus hat geschrieben:Übrigens ist es eine bekannte Tatsache, dass Völker oft ihren wichtigsten Gottheiten Eigenschaften geben, die in dem betreffenden Kulturkreis am höchsten geschätzt werden.
Das heißt doch, dass die Eigenschaften des Kulturkreises bestehen müssen bevor er "den Göttern" die gleichen Eigenschaften zuschreibt. Die Nächstenliebe als am höchsten geschätzte Eigenschaft der Juden - oder in irgendeinem Kulturkreis - im 1.Jh. vor Christus ist von dir noch nicht außerbiblisch belegt worden.

Das Urchristentum zur Zeit der Abfassung des NT war eine verschwindend geringe Minderheit in jedem bekannten Kulturkreis der damaligen Zeit - dem der Römer, der Juden, der Griechen usw. Womit willst du deine Behauptung aufrechterhalten in Bezug auf das Christentum?

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#28 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Zeus » Sa 7. Jun 2014, 13:52

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Klasse! Unser lieber closs klammert sich verzweifelt an die absurde Idee, dass diese logische Differenz gleich Null ist
Das ist immerhin anspruchsvoller, als einen auf Pippi-Langstrumpf zu machen: "Ich mach' mir die Welt - widdewidde wie sie mir gefällt". - Mein Ansatz ist weniger anthropozentrisch.
Illusionen nachzujagen soll anspruchsvoll[er] sein?
Ich halte das für Selbstbetrug.
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(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#29 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von closs » Sa 7. Jun 2014, 14:09

Zeus hat geschrieben:Illusionen nachzujagen soll anspruchsvoll[er] sein?
Nein - aber "das, was der Fall ist" auf das Dasein festzuklopfen, finde ich wenig anspruchsvoll.

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#30 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Zeus » Sa 7. Jun 2014, 14:44

@Andreas,
Hör doch bitte mit der Korinthenkackerei auf. Die Israeliten waren nun mal eine fiese Sorte. AT und außer-biblische Quellen stimmen darin (soweit man das heute beurteilen kann) so ziemlich überein.
Und ihr Gott - so wie er im AT beschrieben wird - war auch nicht viel besser.
Wie das Volk, so der Jahve. :mrgreen:
Was die Christen betrifft - ob viele oder wenige - ihr Gottessohn zeichnete sich (laut Paulus) durch immense Nächstenliebe aus. Und bis heute meinen die lieben Gläubigen, das Christentum hätte (trotz 600 Jahren Terror der hl. Inquisition) das Patent auf diese Tugend.
Das lustigste finde ich, dass Jahve um rund 33 n.Chr. den antiquierten Brauch des Menschenopfers wiederbelebt hat, allerdings mit dem zeitgemäßen Mittel der Kreuzigung. Bis zur Zeit Abrahams und später wieder im Mittelalter war es der Scheiterhaufen.
Zuletzt geändert von Zeus am Sa 7. Jun 2014, 14:49, insgesamt 1-mal geändert.
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