Was ist Realität?

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Anton B.
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#161 Re: Was ist Realität?

Beitrag von Anton B. » Mi 2. Apr 2014, 14:16

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Es wird immer noch gesucht, warum denn das Projekt "Naturwissenschaft" so erfolgreich ist.
Da gab es auch meinerseits eine ausführliche Begründung pro Wissenschaft.
Ja, aber die überzeugt die Philosophen nicht.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Man kann verschiedene Erklärungen durch Setzungen finden.
Mir ist nur EINE bekannt, die Sinn macht. - Allerdings ist mir schleierhaft, wie man es OHNE diese Setzung hinkriegen will.
Es hat ja auch noch niemand "hinbekommen". Aber es wurden innere und äußere Probleme der traditionellen Erklärungen aufgezeigt.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Meinst Du, mit dem Platonismus wäre die Philosophie "ausgedacht"?
Zumindest formuliert er die Dialektik zwischen Wahrnehmung und Realität, ohne die es meines Wissens überhaupt keine Philosophie geben kann. - Aber genau diese Dialektik scheint verworfen zu werden.
"Scheint" ist genau das richtige Wort. Du müsstest Dich darum kümmern, warum genau heute "anders gedacht" wird. Du gehst dem aus dem Wege und kannst nicht nachvollziehen, was heute Stand ist. Es geht auch nicht darum, sich "dem Neuen" anzuschließen, aber die Gründe für das Verwerfen "alter" Ideen sollten schon bekannt sein.

closs hat geschrieben:Natürlich hat Platon viel zur Aufklärung der Wahrnehmung geleistet - aber eben auf dem Fundament, dass es eine ewige und unveränderliche Realität gibt (im Universalienstreit des Mittelalters sprach man deshalb von "Realien"), die autonom/unabhängig vom Dasein ist, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen. - Dieses Fundament scheint heute auf wenig Interesse zu stoßen.
Es ist doch keine Sache von willkürlichem Interesse/Desinteresse. Schaue Dir doch die Beschäftigung mit der Thematik innerhalb der Philosophie an! Nur so hast Du die Chance, auf die Gründe für das aus Deiner jetzigen Sicht empfundene Desinteresse qualifiziert einzugehen.

So wie Du jetzt agierst, läufst Du etwas in der Spur von Erwin: Der sagt auch, aus nicht sachgemäßen Gründen (Weltbild!) würden heute "lange" Zeiträume vertreten. Was er nicht weiß und nicht nachvollziehen kann, ist die damals in der Geologie erfolgte Diskussion mit ihren Modellen, Beobachtungen und Begründungen, die zur Abweisung der bis dahin biblisch vertretenen Erdgeschichte führte. Er kann gerne weiterhin seine Meinung vertreten, die heutige geologische Auffassung der Erdgeschichte wäre Mumpitz und schon morgen könnte sich alles ganz anders herausstellen. Seine Bekundungen aber, die Geologen hätten aus reinen vorgefassten Weltbildgründen eine biblische Erdgeschichte verworfen, resultiert alleine aus seiner Unkenntnis des seinerzeit stattgefundenen Diskurses.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Anton B.
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#162 Re: Was ist Realität?

Beitrag von Anton B. » Mi 2. Apr 2014, 14:25

seeadler hat geschrieben:ich bedaure es jedenfalls sehr, dass dieses Forum dazu benutzt wird, derart den unverstandenen Glauben eines oder überhaupt von Menschen durch den Kakao zu ziehen, ihn schlecht machen zu wollen, [...]
Ist nun wirklich nicht mein Anliegen. Ich schätze closs auch weiterhin als Mit-Foristen.
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closs
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#163 Re: Was ist Realität?

Beitrag von closs » Mi 2. Apr 2014, 17:28

Anton B. hat geschrieben:Du müsstest Dich darum kümmern, warum genau heute "anders gedacht" wird.
Da bin ich in der Tat nich à jour, möchte aber das Licht nicht komplett unter den Scheffel stellen - will heißen:

Mir ist die Philosophie (was halt so alles unter diesem Namen kreucht und fleucht) bis ins 20. Jh. schon halbwegs geläufig. -Ich kann aber bisher nur Varianten sehen, die entweder den Umgang mit dem eigenem Ich pflegen oder Lebenshilfen für Gegenwart und Zukunft geben (Precht). - Im Grunde erscheint auch der Kritische Rationalismus auf dieser Schiene (wenn auch weit anspruchsvoller hergeleitet): "Wie kann man Daseins-Probleme möglichst effektiv und rational lösen?", scheint ja ein Leitmotiv zu sein.

Oder denke an die Sprachphilosophie, die eigentlich ehrlich ist, wenn sie sagt: Wir können zu vielem nichts sagen.

Mir ist tatsächlich keine moderne philosophische Richtung bekannt (vielleicht kannst Du mir helfen), die über das Utilitaristische hinausgeht. - Und wenn mir da nichts entgangen ist, kann man damit keine Fragen angehen wie "Was bin ich?", "Woher komme ich?", "Wohin gehe ich?", "Wie steht meine Wahrnehmung im Verhältnis zur Realität?", "Was IST eigentlich Realität", etc.

Man kann auch gut leben, ohne solche Fragen zu stellen - aber dann sollte man das Wort "Philosophie" schonen.

Anton B. hat geschrieben:aber die Gründe für das Verwerfen "alter" Ideen sollten schon bekannt sein.
Soweit ich das verfolgen kann, war der Grund, dass man unter "aufgeklärten" Gesichtspunkten nur eigene, objektiv nachvollziehbare Wahrnehmung als Grundlage der Philosophie akzeptiert. - Damit bricht der Überbau komplett weg und "alte" Ideen werden verworfen.

Anton B. hat geschrieben:Es ist doch keine Sache von willkürlichem Interesse/Desinteresse.
Sicherlich wäre der Begriff "Paradigmen-Wechsel" besser. - Aus meiner Sicht besteht das Problem darin, dass man diesen Wechsel als Fortschritt statt als Rückschritt zu empfinden scheint.

Anton B.
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#164 Re: Was ist Realität?

Beitrag von Anton B. » Mi 2. Apr 2014, 21:17

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:aber die Gründe für das Verwerfen "alter" Ideen sollten schon bekannt sein.
Soweit ich das verfolgen kann, war der Grund, dass man unter "aufgeklärten" Gesichtspunkten nur eigene, objektiv nachvollziehbare Wahrnehmung als Grundlage der Philosophie akzeptiert.
Nein, so ist es doch gar nicht: Philosophie ist doch weiterhin ein geistiges Projekt. Und dass Wahrnehmung "objektiv" sein soll, ist doch weit von dem entfernt, was Philosophie derzeit mit ihren Mitteln begründen kann.

closs. hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Es ist doch keine Sache von willkürlichem Interesse/Desinteresse.
Sicherlich wäre der Begriff "Paradigmen-Wechsel" besser. - Aus meiner Sicht besteht das Problem darin, dass man diesen Wechsel als Fortschritt statt als Rückschritt zu empfinden scheint.
Ja, weil Du die Begründungen nicht kennst. Im übrigen schleicht sich auch ein Paradigmenwechsel nicht wie der sprichwörtliche "Dieb in der Nacht" heran. Es gibt Begründungen dafür, die man kennen sollte.
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closs
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#165 Re: Was ist Realität?

Beitrag von closs » Mi 2. Apr 2014, 23:23

Anton B. hat geschrieben:Es gibt Begründungen dafür, die man kennen sollte.
Ich kenne sicherlich nicht alle Begründungen - da bin ich zu lange draußen. - Diejenigen Begründungen aber, die mit begegnet sind, waren entweder soziologischer, naturwissenschaftlicher oder existenzialistischer Natur. - Das heisst: Grundfragen des Daseins, nicht aber Grundfragen des Seins wurden thematisiert.

Das ist überhaupt nicht abwertend gemeint, gibt aber auf die Thread-Frage "Was ist Realität?" keine Antworten - ES SEI DENN, man definiert "Realität" (siehe auch "Realien" des Universalienstreits) unter utilitaristischen oder wahrnehmungs-spezifischen Gesichtspunkten. - Aber dann ist die Frage "Was IST Realität?" nicht mehr möglich - allenfalls: "Was wollen wir als Realität bezeichnen?".

Anton B. hat geschrieben:Im übrigen schleicht sich auch ein Paradigmenwechsel nicht wie der sprichwörtliche "Dieb in der Nacht" heran.
Sehr richtig. - Das ist wie bei Eisbergen: Sie halten sich so lange wie möglich in ihrer Lage und kippen dann mit einem Schlag um.

Der Paradigmen-Wechsel bei unserer Thread-Frage geschah aus meiner Sicht deshalb, weil das theozentrische Weltbild über Jahrhunderte immer mehr anthropozentrisch angeknappert wurde und dann in relativ kurzer Zeit umgekippt ist - die sogenannte "Romantik" war hier wohl die Zeit des Umschwungs.

Da ein Kant, der die metaphysische Weltordnung über die Vernunft stabilisieren will, aber eher zu deren Schwanengesang wird - ebenfalls ein Hegel, der die brillanteste Verknüpfung von Vernunft und Christentum zuwege gebracht hat, aber nicht verstanden wurde und stattdessen "ver-marxt" wurde. - Auf der anderen Seite die Büchners und Grabbes und Feuerbachs, die aufgrund des eingetretenen spirituellen Vakuums die Sache selbst in die Hand nehmen (was überhaupt kein Vorwurf ist - es ging nicht anders) - dann die Religions-Ersatz-Disziplinen wie Psychologie, Nationalismus und vor allem Positivismus (was überhaupt kein Vorwurf ist - es musste gehandelt werden).

Aus meiner Sicht verwunderlich ist, dass diese Paradigmen-Wechsel auch noch 100 - 200 Jahre später, also heute, nicht sonderlich kritisch betrachtet werden - im Gegenteil scheint man darin einen Durchbruch zum Guten (Spät-Aufklärung) zu erkennen. - Man scheint nicht mehr zu wissen, was durch das Umkippen des Eisbergs verschwunden ist.

Anton B. hat geschrieben:Philosophie ist doch weiterhin ein geistiges Projekt.
"Intellektuell" ja - ob "geistig/spirituell", ist bisher für mich nicht erkennbar.

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#166 Re: Was ist Realität?

Beitrag von Pluto » Mi 2. Apr 2014, 23:41

closs hat geschrieben:Der Paradigmen-Wechsel bei unserer Thread-Frage geschah aus meiner Sicht deshalb, weil das theozentrische Weltbild über Jahrhunderte immer mehr anthropozentrisch angeknappert wurde und dann in relativ kurzer Zeit umgekippt ist - die sogenannte "Romantik" war hier wohl die Zeit des Umschwungs.
Man kann das auch genau anders herum sehen.
Man kann genauso gut sagen, dass das anthropozentrische judäo-christliche Weltbild einer Schöpfung aus der der Mensch als Ebenbild Gottes hervorgeht, von der Aufklärung langsam aber sicher überwunden wurde.

Aus meiner Sicht verwunderlich ist, dass diese Paradigmen-Wechsel auch noch 100 - 200 Jahre später, also heute, nicht sonderlich kritisch betrachtet werden
Vielleicht ist der Grund der, dass die "Aufklärung" die Menschen wirklich aufklärt?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#167 Re: Was ist Realität?

Beitrag von closs » Do 3. Apr 2014, 00:32

Pluto hat geschrieben:Man kann das auch genau anders herum sehen.
Da wird es dann richtig dialektisch. - Ist es anthropozentrisch, wenn man Gott zum Mittelpunkt macht, weil man es als Mensch tut? Kann man so sehen. - Ist es umgekehrt anthropozentrisch, wenn man Gott abschafft/negiert und den Maßstab der eigenen naturwissenschaftlichen Wahrnehmung zum Mittelpunkt macht? Kann man auch so sehen.

Pluto hat geschrieben:Vielleicht ist der Grund der, dass die "Aufklärung" die Menschen wirklich aufklärt?
Wenn man die eigene naturwissenschaftlichen Wahrnehmung zum Mittelpunkt macht, ist das so. :)

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#168 Re: Was ist Realität?

Beitrag von Pluto » Do 3. Apr 2014, 10:19

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Man kann das auch genau anders herum sehen.
Da wird es dann richtig dialektisch. - Ist es anthropozentrisch, wenn man Gott zum Mittelpunkt macht, weil man es als Mensch tut?
Ganz sicher sogar, denn dann sieht sich der Mensch als Gottesebenbild, sozusagen als Endziel einer göttlichen Schöpfung und macht die Erde zum Mittelpunkt des Universums.
Ist es umgekehrt anthropozentrisch, wenn man Gott abschafft/negiert und den Maßstab der eigenen naturwissenschaftlichen Wahrnehmung zum Mittelpunkt macht? Kann man auch so sehen.
So ist es ja nicht.
Man verlässt sich auf seine Wahrnehmung, ohne dogmatisch darauf zu bestehen. Man sagt: "Die Welt ist in etwa so wie wir sie sehen." Beweisen kann man das aber nicht, weil nichts in der Wissenschaft beweisbar ist.
Wenn man genau hinschaut ist das eine eher bescheidene, zurückhaltende Sicht, voller Ehrfurcht vor der Welt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#169 Re: Was ist Realität?

Beitrag von ThomasM » Do 3. Apr 2014, 12:22

Pluto hat geschrieben: Man verlässt sich auf seine Wahrnehmung, ohne dogmatisch darauf zu bestehen. Man sagt: "Die Welt ist in etwa so wie wir sie sehen." Beweisen kann man das aber nicht, weil nichts in der Wissenschaft beweisbar ist.
Wenn man genau hinschaut ist das eine eher bescheidene, zurückhaltende Sicht, voller Ehrfurcht vor der Welt.
Moment mal.

Wenn closs so etwas behauptet, wie oben fett markiert ist (und das Wort Setzung verwendet), dann ist das Protestgeschrei groß und closs ist nichts weiter als ein Träumer und Phantast und ein Dummkopf und weiß ich noch was.
Wenn du das sagst, dann ist das bescheiden und zurückhaltend.

Das verstehe ich nun wieder gar nicht.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Pluto
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#170 Re: Was ist Realität?

Beitrag von Pluto » Do 3. Apr 2014, 12:27

ThomasM hat geschrieben:Wenn closs so etwas behauptet, wie oben fett markiert ist (und das Wort Setzung verwendet), dann ist das Protestgeschrei groß und closs ist nichts weiter als ein Träumer und Phantast und ein Dummkopf und weiß ich noch was.
Wenn du das sagst, dann ist das bescheiden und zurückhaltend.

Das verstehe ich nun wieder gar nicht.
Das du das nicht verstehst liegt vermutlich an der Wahl deiner Hervorhebung, die den zweiten Teil meiner Aussage übergeht;
Man verlässt sich auf seine Wahrnehmung, ohne dogmatisch darauf zu bestehen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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