cogito / sinnliche wahrnehmung

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#11 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 2. Apr 2014, 16:42

Pluto hat geschrieben:Siehst du den pinkfarbenen Ring auf diesem Bild?
Ja - und jetzt wäre folgende Frage interessant:

a) Täuscht man sich, wenn man den pinkfarbenen Ring sieht?
b) Täuscht man sich, wenn man den pinkfarbenen Ring NICHT sieht.

Ich meine, b) wäre die größere Täuschung, weil man dann eine reale Wahrnehmung ignorieren würde.

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Scrypton
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#12 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von Scrypton » Mi 2. Apr 2014, 19:03

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Siehst du den pinkfarbenen Ring auf diesem Bild?
Ja
schön; denn ein Ring ist auf dem Bild nicht vorhanden.

closs hat geschrieben:a) Täuscht man sich, wenn man den pinkfarbenen Ring sieht?
Ja!

closs hat geschrieben:b) Täuscht man sich, wenn man den pinkfarbenen Ring NICHT sieht.
Nein.

closs hat geschrieben:Ich meine, b) wäre die größere Täuschung, weil man dann eine reale Wahrnehmung ignorieren würde.
Das Bild ist eine optische Täuschung; der Begriff sagt schon mehr als genug dazu.
Zudem ist es auch keine REALE Wahrnehmung, da der pinkfarbene Ring real NICHT vorhanden ist.

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Yusuke
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#13 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von Yusuke » Mi 2. Apr 2014, 19:38

Hallo zusammen! :)

Pluto hat geschrieben:Siehst du den pinkfarbenen Ring auf diesem Bild?

Ja, ich sehe da einen pinken Ring, aber warum das eine optische Täuschung sein soll, verstehe ich nicht. - Nun stimmt es zwar das da kein konkreter Ring ist, sondern nur ein Rastergitter mit pinker Anfärbung an bestimmten Stellen, so dass wir dadurch ein anderes Bild im Muster erkennen können. Aber inwiefern ist das eine optische Täuschung, zu mal wir einen pinken Ring erkennen können. Kann mir das mal jemand erklären?

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#14 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von Scrypton » Mi 2. Apr 2014, 19:39

Yusuke hat geschrieben:Aber inwiefern ist das eine optische Täuschung, kann mir das mal jemand erklären?
Weil man dort etwas sieht, was nicht abgebildet/vorhanden ist.
Was ist daran so schwer zu verstehen?

Es hätte auch gereicht, einfach einen Duden in die Hand zu nehmen um nachzulesen,w as eine optische Täuschung ist.

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#15 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 2. Apr 2014, 20:15

closs hat geschrieben:und jetzt wäre folgende Frage interessant:
a) Täuscht man sich, wenn man den pinkfarbenen Ring sieht?
b) Täuscht man sich, wenn man den pinkfarbenen Ring NICHT sieht.

Ich meine, b) wäre die größere Täuschung, weil man dann eine reale Wahrnehmung ignorieren würde.
Wovon redest du?
Es gibt gar keinen Ring. Dieser wird nur durch das Raster suggeriert, und der visuelle Kortex (die Sehrinde) im Gehirn macht den Rest. Er füllt das zu einem Ring aus. Es ist eine Illusion.

Wahrnehmung in der ersten Person kann täuschen. Daher sind Beobachtungen aus Sicht der dritten Person so wichtig.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#16 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 2. Apr 2014, 22:00

Pluto hat geschrieben:Wovon redest du?
Dass dies eine optische Täuschung ist, ist selbstverständlich unbestritten - ich bin schon einen Schritt weiter - nämlich:

Wenn intersubjektiv nachweisbar ist, dass hier ein lila Ring zu sehen ist, "ist" dieser Ring. - Das heißt: Er ist real. - Dass er über die visuelle Kortex zustande kommt, ist dabei vollkommen wurscht.

Anders gesagt: Man kann nicht sagen: Da ist kein Ring, wenn für jeden ersichtlich da ein Ring ist. - Man kann sagen, dass dieser für jeden ersichtliche Ring im Gegensatz zu dem Raster-Muster nicht auf die Unterlage aufgetragen wurde - aber man nicht sagen, dass da kein Ring sei. - Mal nebenbei: Sind Regenbogen Illusion, weil sie virtuelle Abbildungen sind?

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#17 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 2. Apr 2014, 23:33

closs hat geschrieben:Wenn intersubjektiv nachweisbar ist, dass hier ein lila Ring zu sehen ist, "ist" dieser Ring. - Das heißt: Er ist real. - Dass er über die visuelle Kortex zustande kommt, ist dabei vollkommen wurscht.
Ich glaube, du hast den Sinn des Beispiels nicht erkannt. Man muss dazu verstehen, wie das Gehirn die Lücken im Gitter zu einem "verschmierten" Ring ausfüllt.

Man kann nicht sagen: Da ist kein Ring, wenn für jeden ersichtlich da ein Ring ist.
Doch! Genau das kann man sagen, denn wir wissen, die Färbung zwischen den Rastergittern wird vom Gehirn hinzu "interpretiert", in dem es sein Bestes versucht, etwas aus dem ungewohnten Raster zu machen.
aber man nicht sagen, dass da kein Ring sei. -
Aus der Perspektive der dritten Person, kann man exakt das sagen. Der springende Punkt ist, aus der eigenen Wahrnehmung heraus glaubt man einen Ring zu sehen. Deshalb sollte man sehr vorsichtig mit der eigenen Wahrnehmung umgehen.
Mal nebenbei: Sind Regenbogen Illusion, weil sie virtuelle Abbildungen sind?
Natürlich nicht. Das ist keine Illusion. Da wird dass Licht an Milliarden winzigen Wassertropfen gebrochen.
Du willst einen Beweis?
Selbst eine unintelligente Kamera nimmt den Regenbogen als solchen auf. Der pink-farbene Ring hingegen, wird als Raster wiedergegeben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#18 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 3. Apr 2014, 00:22

Pluto hat geschrieben:Ich glaube, du hast den Sinn des Beispiels nicht erkannt.
Doch doch und auf Anhieb. - Ich bin doch schon viel weiter.

Pluto hat geschrieben:Doch! Genau das kann man sagen, denn wir wissen, die Färbung zwischen den Rastergittern wird vom Gehirn hinzu "interpretiert"
Natürlich wissen wir das - und wie ich Dich verstehe, ist diese "Interpretation" bei jedem Menschen so. - Das heisst: Jeder, der Deine Abbildung sieht, sieht diesen Ring (lassen wir mal sehgeschädigte Menschen außen vor). - Das hieße doch auch, dass der Tatbestand der Intersubjektivität erfüllt ist - oder nicht?

Pluto hat geschrieben:Da wird dass Licht an Milliarden winzigen Wassertropfen gebrochen. Du willst einen Beweis?
Nein - ich will auch keinen Beweis, dass der visuelle Kortex das tut, was er tut (das ist ja AUCH ein beweisbares Geschehen).

Pluto hat geschrieben:Deshalb sollte man sehr vorsichtig mit der eigenen Wahrnehmung umgehen
Trotzdem würde ich den Ring als Realität bezeichnen (wenn wir den Setzungs-Kram und die ontologische Differenz für einen Moment weglassen). - Denn es ist ja insofern KEINE Fehl-Wahrnehmung, dass jeder Mensch dasselbe sieht (den Ring), und diese Wahrnehmung mit selbem Ergebnis beliebig oft wiederholt werden kann.

Natürlich weiss ich, dass Du nachweisen kannst, dass das naturwissenschaftlich nicht stimmt. - Aber was sagt das aus? Dass die Wahrnehmung falsch ist? Intersubjektiv ist sie ja richtig. - Was ist der authentische Maßstab? - Die intersubjektive Wahrnehmung oder die Naturwissenschaft?

Übrigens ein sehr interessantes Thema.

Mal ganz nebenbei: Dein Beispiel ist ein super Beispiel für mein Postulat (in Nachfolge von Plato und vielen anderen auch), dass Wahrnehmung der Setzung der wesensmäßigen Verknüpfung mit Realität bedarf, um aus ihr Realität zu schlussfolgern. - Denn in diesem Fall wäre es nach Deiner Interpretation ja nicht der Fall. - Ich sehe das zwar noch ein bißchen anders - aber es ist festzuhalten, dass es einvernehmlich ein Spannungsfeld zwischen Wahrnehmung und Realität gibt.

Irgendetwas stört mich an Deiner Interpretation - ich habe aber noch nicht den Daumen drauf - folgendes Beispiel fällt mir aber dazu ein:

In den 70er Jahren (im Rahmen der sexuellen Befreiung) hat man mal Frauen wissenschaftlich "verdrahtet", um deren Orgasmus zu vermessen. - Die Ergebnisse waren aufgrund irgendwelcher Ausschläge eindeutig - nur haben sie überhaupt nicht übereingestimmt mit den Aussagen der betroffenen Frauen.

Als Naturwissenschaftler würde man sich die Ausschläge noch mal anschauen, das Test-Design überprüfen, die Test-Apparaturen überprüfen - wenn man nichts fände, würde man auf seiner wissenschaftlichen Aussage bestehen. Würden die Aussagen der Frauen widersprechen, würde man sagen:
Pluto - in closs'scher Bearbetung hat geschrieben:Der springende Punkt ist, aus der eigenen Wahrnehmung heraus glaubt man, einen Orgasmus zu haben. Deshalb sollte man sehr vorsichtig mit der eigenen Wahrnehmung umgehen.
Das würde sich keine Frau gefallen lassen.

Irgendwo in diese Richtung gibt es ein erkenntnis-theoretisches Problem, das wir heute Nacht nicht mehr lösen werden. - Notabene: Keiner zweifelt an der naturwissenschaftlichen Richtigkeit Deiner Aussage - darum geht es nicht. - Es geht um die Frage nach dem persönlichen Bezug zur Realität und ob dieser über Naturwissenschaft interferierbar ist.

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#19 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von michaelit » Do 3. Apr 2014, 08:56

Ich weiß nicht genau, aber liegt die Crux nicht weniger in der Wahrnehmung sondern in der Einordnung derselben? Und gibt es nicht auch doppelte, dreifache, und mehrfache Wahrnehmung? Der Ring zum Beispiel ist ein Bild, ich kann das Bild aber vergrößern oder nur einen Ausschnitt anschauen. Ich kann mit einem Programm die Farben teilweise löschen. Ich meine daß Wahrnehmung nicht konstant ist, wir sehen ja auch nicht nur eine Realität. Nur ist unsere Wahrnehmung eben mit unserem Selbstgefühl verknüpft. Wenn ich fröhlich bin nehme ich das Sonnenlicht als schön war, wenn ich depressiv bin stört es mich vielleicht. Ich habe da mal ein Gedicht geschrieben, ein Vers davon lautet wie folgt:

Glück ist eine schöne Melodie
aber die Sonne singt nicht nur diese Melodien

Denken ist mehr als nur Denken, und Wahrnehmung ist auch mehr als nur Wahrnehmung. Wir postulieren die Idee einer umfassenden Realität, weil wir ja um eine umfassende Welt wissen, um einen Kosmos. Aber Realität ist nicht objektiv, Realität ist subjektiv. Die Welt ist sehr objektiv. Doch die Realität wirkt auf das Herz und wird daher semi-objektiv wahrgenommen. Wir sind eben Teile der Realität, Teile dessen, was wir wahrnehmen.

Es macht aber mehr Sinn zu sagen daß wir in der Welt existieren, im Kosmos, als zu sagen wir existieren in der Realität. Denn wir erfahren die Realität nie, sondern stattdessen immer nur anderes, denn Realität ist durch uns vorgefärbt. Womit wir wieder beim Cogito sind wo das Ich sich als Realität erfährt, und das andere weniger. Ich bin immer in meiner Realität, doch dann wieder in unserer Welt. Die Realität zu teilen geht kaum. Wir brauchen die geteilte Welt stattdessen, worin der Mensch als Mensch existiert, und weniger als das ich mitsamt seiner Ladung an Realität.

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#20 Re: cogito / sinnliche wahrnehmung

Beitrag von Scrypton » Do 3. Apr 2014, 10:03

closs hat geschrieben:Wenn intersubjektiv nachweisbar ist, dass hier ein lila Ring zu sehen ist, "ist" dieser Ring.
Falsch; denn nachweislich "ist" er NICHT:

closs hat geschrieben:Das heißt: Er ist real.
Falsch.
Die Illusion des Rings ist real; der Ring selbst ist es nicht.

closs hat geschrieben:Anders gesagt: Man kann nicht sagen: Da ist kein Ring
Doch, kann man.
Man kann das auch intersubjektiv nachweisen, in dem man einfach näher in das Bild hinein zoomt.

Beispiel Fata Morgana: Die Illusion einer Wasserfläche ist intersubjektiv; das macht die augenscheinliche Wasserfläche aber nicht real, sie existiert tatsächlich nicht.

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