Gottes Gegenwart

Rund um Bibel und Glaube
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Demian
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#101 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Demian » Fr 21. Mär 2014, 00:49

Pluto hat geschrieben:Zur Erinnerung... Die Theodizee Frage lautet: "Warum schreitet Gott nicht ein, um das Leid der Menschen zu beenden?"

Mit Leibniz:

* Malum metaphysicum: die Schöpfung ist unvollkommen – sonst wäre sie Gott.
* Malum physicum: Schmerz und Leid sind nützlich, weil sie vom Schädlichen abhalten und zum Nützlichen hinführen
* Malum morale: das sündige Tun, das sich von Gott abgewendet hat, führt zum Leiden.

In der klassischen christlichen Sicht ist das Böse ein Mangel des Guten. Das war die Auffassung von Sokrates, Thomas von Aquin, Augustinus und Kant. Ich persönlich würde aber weniger vom Bösen sprechen - also moralisch - sondern von der psychischen Situation ausgehen: die Welt wird als mehr oder weniger leidvoll erfahren. Das gehört zur Polarität der Welt dazu. Daraus ergibt sich alles weitere.

Pluto
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#102 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Pluto » Fr 21. Mär 2014, 01:30

Demian hat geschrieben:Mit Leibniz:

* Malum metaphysicum: die Schöpfung ist unvollkommen – sonst wäre sie Gott.
* Malum physicum: Schmerz und Leid sind nützlich, weil sie vom Schädlichen abhalten und zum Nützlichen hinführen
* Malum morale: das sündige Tun, das sich von Gott abgewendet hat, führt zum Leiden.
All das ist abe kein Trost für die betroffenen schuldlosen Kinder der Dritten Welt, und es vermag auch nicht, die Schäden von Naturkatastrophen zu erklären.

Ich persönlich würde aber weniger vom Bösen sprechen - also moralisch - sondern von der psychischen Situation ausgehen: die Welt wird als mehr oder weniger leidvoll erfahren. Das gehört zur Polarität der Welt dazu. Daraus ergibt sich alles weitere.
Auch das beantwortet nicht die Frage, warum ein barmherziger Gott eine Welt mit Leid schuf.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Demian
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#103 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Demian » Fr 21. Mär 2014, 05:59

Unser Trennung produzierendes Denken führt zu einer Gesellschaft der Trennung, die Gewalt zur Grundlage hat. Die gar nicht anders kann, als Armut und Krieg zu produzieren. Unsre Gesellschaft ist im Kern egozentrisch. Das ist die Wurzel des Leidens. Wenn wir unser Selbst erkennen würden - das Einssein mit allem - dann würden wir auch eine befreite Gesellschaft erschaffen. Das göttliche Geschenk ist dieses Selbst, das wir schon jetzt sind. Nur wir leben nicht aus dieser Quelle. In Wahrheit sind wir das eine Bewusstsein, das ausnahmslos alles ist. Aber wir leben in der Einbildung, dass wir isolierte Iche sind. Wir leben in der Einbildung, dass wir kleine, ohnmächtige und beschränkte Wesen sind, obwohl wir das Eine sind. Das Eine in menschlicher Gestalt. Wir fragen, weshalb Gott nicht für uns lebt, obwohl wir eins mit dem Göttlichen sind. Obwohl unser Wesen die Liebe selbst ist. Bis wir diese Lektion gelernt haben, werden wir eine ungerechte Gesellschaft haben. Die Welt ist nur ein Spiegel unsres Bewusstseins. Das ist zumindest meine (spirituelle) Erklärung. Die Religion ist wohl aus einer Unzufriedenheit des Menschen entstanden. Die vergängliche Welt - Samsara - kann uns nicht dauerhaft glücklich machen. Darum ist es eine natürliche Reaktion des Menschen, sich von den vergänglichen Dingen zu lösen und nach dem Vollkommenen und Ewigem zu streben. Aus diesem Grund bezweifle ich sehr, dass es die richtige Reaktion auf die Theodizeefrage ist, die Religion zu negieren. Denn das Leiden in dieser Welt, zwingt die Menschen in gewisser Weise zur Transzendenz.

Samantha

#104 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Samantha » Fr 21. Mär 2014, 08:16

Pluto hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben:Der Mensch lässt das Leid teilweise bewusst zu und tut ... nichts.
Zur Erinnerung... Die Theodizee Frage lautet: "Warum schreitet Gott nicht ein, um das Leid der Menschen zu beenden?"
Warum er ?

Pluto hat geschrieben: Auch das beantwortet nicht die Frage, warum ein barmherziger Gott eine Welt mit Leid schuf.
Schuf er das Leid? Indirekt ja. Er ließ es zu und machte uns so, dass Leid möglich war/ist. Wir Menschen sind doch wohl intelligent genug, dies teilweise zu ändern.

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Demian
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#105 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Demian » Fr 21. Mär 2014, 08:32

Samantha hat geschrieben:Schuf er das Leid? Indirekt ja. Er ließ es zu und machte uns so, dass Leid möglich war/ist. Wir Menschen sind doch wohl intelligent genug, dies teilweise zu ändern.

Das ist ein Problem des dualistischen Gottesbildes. Wenn man Gott "transzendent getrennt" von dieser Welt denkt (was ich sehr absurd finde), dann kann man "ihm" sozusagen vorwerfen, dass er am kosmischen Spielfeldrand sitzt und nichts tut. Die christliche Mystik geht anders vor: für sie ist das Göttliche alldurchdringend. Die Immanenz - unsre materielle Welt - ist eingetaucht in die Transzendenz; und die Transzendenz gegenwärtig in der Immanenz. Das ist auch die uralte vedische Vorstellung von einem mehrdimensionalen Kosmos, das aber nicht statisch und fertig ist, sondern in Bewegung. Die Hindus kennen da ja das Bild des göttlichen Tanzes. Wiki: "Nataraja (Sanskrit: नटराज Naá¹­arāja [nʌʈʌˈrɑːdÊ’ÊŒ] „König des Tanzes“) ist eine Erscheinungsform des Hindu-Gottes Shiva. In seiner Form als Nataraja führt Shiva einen kosmischen Tanz (tandava) auf, welcher den Prozess von Schöpfung, Zerstörung und Wiedererschaffung des Universums symbolisiert" - dieses Bild ist also einfach ein Gleichnis für eine bestimmte Vorstellung vom Universum, wie sie (in meinen Augen sehr genau) mit der heutigen Kosmologie übereinstimmt. Wenn also einem Menschen Leid widerfährt, dann geschieht das nicht unabhängig vom göttlichen Urgrund, sondern das ist Teil des göttlichen Tanzes. Die eigentliche Schwierigkeit besteht wohl darin, das zu integrieren und das Leben dennoch als sinnvoll zu bejahen.
Zuletzt geändert von Demian am Fr 21. Mär 2014, 08:34, insgesamt 2-mal geändert.

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#106 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Simplicius » Fr 21. Mär 2014, 08:33

Hallo Leute,

Zeus hat geschrieben: Eine kleine Korrektur: Salome23 meinte rechts oben (links neben dem Avatar des betreffenden Beitrags).
Beispiel: klick mal...

Salome hat geschrieben: Nein, dies meinte Salome keineswegs-das meint Zeus. Salome meinte, wenn er diese drei links, die du gepostet hast.

das scheint eine Wissenschaft für sich zu sein... Ich glaube, dazu brauche ich erst einen Volkshochschulkurs...

:lol:

Samantha hat geschrieben: Wer hat das Böse geschaffen? Kannte Gott das Böse? Woher?

Darüber gibt die Bibel keine Auskunft, wir können darüber bestenfalls spekulieren; jedenfalls findet Gott das Böse schon vor. Hier sind sicher die anderen Götter, Mächte und Gewalten nicht einfach wegzuleugnen.

Pluto hat geschrieben: Diese spannende Diskussion haben wir bereits im von Salome verlinkten Thread thematisiert.
Die Theodizee reduziere ich übrigens gerne auf die Frage: "Wieso liess Gott das unsägliche Leid von Ausschwitz zu, ohne einzuschreiten?"

Holocaust-Theologie ist ein Thema für sich, gerade im ultraorthodoxen Judentum wird die Shoa ja auch als Strafe Gottes an den Juden gedeutet. Mein Lösungsansatz ist, daß Gott durchaus nicht wie ein Ingenieur einfach irgendwelche Hebel umlegt, sondern mit der Welt mitleidet, gegen das Böse kämpft und es endlich besiegen will und wird (Allmacht). Ich glaube, daß Gott einschreiten möchte, aber wir nehmen ihm die Möglichkeit dazu. Wir entfernen uns zu gern von ihm, so daß er nicht mehr an uns und durch uns in der Welt wirken kann.

Liebe Grüße, Simplicius.
"Manni Flanke, ich Kopf, Tor!" (Horst Hrubesch).

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#107 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Demian » Fr 21. Mär 2014, 08:45

Simplicius hat geschrieben:Holocaust-Theologie ist ein Thema für sich, gerade im ultraorthodoxen Judentum wird die Shoa ja auch als Strafe Gottes an den Juden gedeutet. Mein Lösungsansatz ist, daß Gott durchaus nicht wie ein Ingenieur einfach irgendwelche Hebel umlegt, sondern mit der Welt mitleidet, gegen das Böse kämpft und es endlich besiegen will und wird (Allmacht). Ich glaube, daß Gott einschreiten möchte, aber wir nehmen ihm die Möglichkeit dazu. Wir entfernen uns zu gern von ihm, so daß er nicht mehr an uns und durch uns in der Welt wirken kann.

Es gab im Laufe der menschlichen Geschichte immer wieder Krisensituationen - die auch immer wieder Impulsgeber für die menschliche Evolution im Sinne eines Lernprozesses waren - dazu muss man die Theodizee gar nicht auf die Shoa verengen. Die Geschichtsbücher (die spirituellen Werke und Weltliteratur aller Kulturen) sprechen darüber. Die Psalmen der Bibel oder das Buch Hiob. Die Bhagavad Gita entspricht der Form eines spirituellen Gedichtes, die viele Hindus für eine Quintessenz der vedischen Philosophie halten, in der die Zweiheit von Mensch und Gott, Natur und Geist zusammen gedacht wird (ich empfehle jedem das mal im Hinblick auf die Quantenphysik auch von dieser Seite her in Beziehung zu setzen!) - die Gita beschreibt inhaltlich eine Selbstoffenbarung Krishnas, der sich vor Beginn eines Krieges dem Fürsten Arjuna als göttliches Selbst offenbart. Der Impuls aus dem sich der philosophische Diskurs entwickelt ist also eine typische Krisensituation. Es ist keineswegs so, dass die Religion (in ihrer Essenz) das Leid ignoriert. Sie nimmt es viel mehr (aus menschlicher Sicht) zum Anlass.

Pluto
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#108 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Pluto » Fr 21. Mär 2014, 08:49

Samantha hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Zur Erinnerung... Die Theodizee Frage lautet: "Warum schreitet Gott nicht ein, um das Leid der Menschen zu beenden?"
Warum er ?
Weil er der Allmächtige und Barmherzige ist.

Schuf er das Leid? Indirekt ja. Er ließ es zu und machte uns so, dass Leid möglich war/ist. Wir Menschen sind doch wohl intelligent genug, dies teilweise zu ändern.
Gott hätte es auch anders tun können. Theologen wie Alvin Plantinga haben sich eingehend mit dem Thema befasst, aber keine Antwort gefunden.
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Zeus
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#109 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Zeus » Fr 21. Mär 2014, 08:52

Demian hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben:Wir sind doch nicht mehr sooo unwissend.

Wieso sind wir dann eine Spezies, die sich gegenseitig umbringt? ;) Nicht vergessen sollte man das Gesetz der Polarität. Wenn man die Geschichte auf einzelne Horrorszenarien reduziert, dann begreift man nicht die Wirklichkeit. Im Chinesischen besteht das Wort Krise aus zwei Schriftzeichen: das eine Zeichen bedeutet Gefahr und das andere Chance. DAS steckt dahinter.

Ja besonders eine Chance für die unschuldigen Toten. :sick:
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

Pluto
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#110 Re: Gottes Gegenwart

Beitrag von Pluto » Fr 21. Mär 2014, 08:58

Simplicius hat geschrieben:das scheint eine Wissenschaft für sich zu sein... Ich glaube, dazu brauche ich erst einen Volkshochschulkurs...
Ist doch ganz einfach...
Lies einfach die Threadfrage und dann die letzten paar Seiten des Threads, dann bist du auf dem Laufenden.

Darüber gibt die Bibel keine Auskunft, wir können darüber bestenfalls spekulieren; jedenfalls findet Gott das Böse schon vor. Hier sind sicher die anderen Götter, Mächte und Gewalten nicht einfach wegzuleugnen.
Wenn Gott allmächtig ist, dann wäre es für ihn ein Leichtes, damit fertig zu werden.

Andere Götter...? Welche meinst du?
Mein Lösungsansatz ist, daß Gott durchaus nicht wie ein Ingenieur einfach irgendwelche Hebel umlegt, sondern mit der Welt mitleidet, gegen das Böse kämpft und es endlich besiegen will und wird (Allmacht).
irgend etwas erscheint mir da unlogisch. Wenn Gott allmächtig ist, warum hat das nicht längst getan?
Wir entfernen uns zu gern von ihm, so daß er nicht mehr an uns und durch uns in der Welt wirken kann.
:o Er braucht uns dazu?
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