Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#1 Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von Münek » Sa 15. Mär 2014, 22:45

Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Der Verfasser des Matthäus-Evangeliums (Niederschrift etwa 80-90 n. Chr.) hat sich in besonderem
Maße darum bemüht aufzuzeigen, dass zahlreiche seiner von ihm geschilderten Ereignisse nichts an-
deres als die selbstverständliche Erfüllung alttestamentlicher Prophezeiungen darstellen.

"...DA WURDE ERFÜLLT, WAS DURCH DIE PROPHETEN..."

Dass er dabei ganz gewaltig mit der Wahrheit auf dem Kriegsfuß stand, habe ich in den Threads

"Aus Ägypten rief ich meinen Sohn..." und

"Erfüllte Prophezeiung? Der Kindermord in Bethlehem."

sicherlich nicht unbegründet nachzuweisen versucht; denn von alttestamentlichen Prophezeiungen (und
damit von deren Erfüllungen) konnte ernsthaft nicht die Rede sein! Da hat unser Matthäus entweder ganz
bewusst die Unwahrheit geschrieben oder er war bei der Abfassung seines Textes "nicht mehr ganz bei
sich gewesen." Kann man sich aussuchen.

Ich bringe nun ein weiteres Beispiel dieser Art:


Dem Joseph - so schildert es der Evangelist - erscheint ein Engel im Traum und versucht diesem weiszu-
machen, dass seine Verlobte Maria vom "Heiligen Geist" schwanger sei und sie einen Sohn gebären würde,
den er - Joseph - den Namen "Jesus" geben solle.

Aus diesem angeblichen Geschehnis macht Matthäus in bekannter Art eine erfüllte Prophezeiung, indem er
nassforsch postuliert (Matth. 1, 22-23):

"Dies alles aber ist geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten geredet hat, der
spricht: "Siehe, eine Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären; und man wird ihm den Na-
men Immanuel geben; das heißt übersetzt: "Gott mit uns."

Gläubige, die diesen Text lesen, werden sicherlich nicht groß darüber nachdenken, dass Marias Sohn laut aus-
drücklichem Befehl des Engels eben nicht Immanuel" genannt werden sollte, sondern Jesus (ein damals weit-
verbreiteter Name, jüdisch = Jeschua). Also, das ist schon ein Hammer. Matthäus nennt zunächst den vom En-
gel vorgegebenen Namen Jesus und konstatiert dann zwei Verse weiter unter Hinweis auf den Namen Immanu-
el
eine erfüllte Prophezeiung.

Ist das nun Unverfrorenheit oder naive Blödheit?


Weil der Text schon so lang geworden ist, erspare ich mir die in diesem Zusammenhang eigentlich weiter zu er-
wähnenden "matthäischen Klöpse" (Jes. 7, 14: König Ahas, zeitnahe Erfüllung der Prophezeiung, nicht 700 Jahre
später, im hebräischen Text: keine "Jungfrau", sondern "junge Frau" (alma), in der griechischen Septuaginta: Jung-
frau (parthenos).


Ja, ja, unser lieber Matthäus....Möglicherweise hatte er ja gehofft, die Leser seines "Evangeliums"
seien - alttestamentarisch - nicht ganz so "bibelfest" . :D Aber im Erst: Entsteht auf solche Art
das "Wort Gottes"? Zumal der Evangelist ständig so verfahren ist! :devil: :devil: :devil: Was hat er
sich wohl dabei gedacht, als er das Markus-Evangelium mit solchen "Reflexionszitaten" aus dem
"Alten Testament" erweiterte?

LG Münek

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#2 Re: Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von closs » Sa 15. Mär 2014, 23:28

Münek hat geschrieben:Aus diesem angeblichen Geschehnis macht Matthäus in bekannter Art eine erfüllte Prophezeiung, indem er nassforsch postuliert
Da gibt es jetzt zwei Ansätze:

* Immanuel und Jesus könnten tatsächlich in einer Verbindung stehen, die sie als Synonyme glaubhaft macht. - Persönlich kann ich diese Verbindung NICHT herstellen, aber vielleicht gibt es uns nicht bekannte gute Gründe - mit anderen Worten: Auch offensichtlich erscheinende Widersprüche müssen nicht notwendig welche sein - da sollte man mal Spezialisten fragen.

* Aus Sicht Matthäus' Zeit war offensichtlich eine historisch verstandene Verbindung zwischen AT und NT notwendig und wurde deshalb dementsprechend gesucht (und dadurch auch gefunden - zu Recht oder zu Unrecht).

Für meinen eigenen Ansatz des Bibel-Verständnisses und vor allem des Verständnisses von Jesus spielt das allerdings alles keine Rolle, weil ich nicht über die Bibel zum Glauben, sondern über den Glauben zur Bibel gekommen bin. - Da hat man es leichter. ;)

2Lena
Beiträge: 4723
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 09:46

#3 Re: Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von 2Lena » So 16. Mär 2014, 09:51

Ja, ja, unser lieber Matthäus ... ist eine Ansammlung von Dichtern, die mit ganz unterschiedlichen Reimmethoden verschiedene Lehrinhalte zeigten. Dabei benutzten sie das Wissen des Alten Testamentes und schrieben wie dieses.

Die Propheten (heute sagen wir Philosophen oder Fachverständige) brachten Berechnungen. Insofern müsstest du erst einmal die "Gesetze" mit Auslegung erforschen, statt gleich Vorurteile auszubreiten.

Münek: Dem Joseph - so schildert es der Evangelist - erscheint ein Engel im Traum und versucht diesem weiszumachen, dass seine Verlobte Maria vom "Heiligen Geist" schwanger sei und sie einen Sohn gebären würde, den er - Joseph - den Namen "Jesus" geben solle. (Matth. 1, 22-23):
Steig in eine politische Szene ein, um den Hintergrund der Darlegung herauszubekommen; was nach dem Mord an Cäsar geschah; wie die Reichgsgedanken unter Augustus losgingen. Suche natürlich auch mit den Namen und Personen in historischen Daten. Also bitte, nicht nur an dem Erzähltext kleben, der mehr als vieldeutig das allgemeine Geschehen letztendlich auch persönlich darlegen kann.

Bei den Spannungen in Syrien siehst du heute auch nur die halbe Berichterstattung und kaum die ganz tiefen Konflikte, um die es in der ganzen Welt geht.

Nimm den Strang NT-Erzählung in geschichtlicher, aber auch in legenderhafter Weise: Josef (die Aufwertung) erschien als Traum. In ihm gab es die Aussicht auf einen heiligen Geist (kann auch Moral heißen). Marim (wir sind verbittert) wurde vom Hl. Geist überschattet. "Sie" wurde davon schwanger. Aus der Bitterkeit (Marim) entsteht so Erlösung. Marim ist gleichzeitig [ma rim] was /wer ist hoch. Zudem gab es Maria in einer wichtigen Rolle an der Schaltstelle mit altem Wissen, mit viel Drama und den Schwierigkeiten bei "Jesu" Geburt. Die echte Geschichte ist noch viel dramatischer und erweicht das Herz. Die politischen und philosophischen Gegebenheiten erinnern an die Geschehnisse zur Zeit der Assyrer 700 Jahre zuvor und sie geben wegen der gemachten Erfahrung die Hoffnung weiter.

Münek: Aus dieser Zeit ist die Rede mit Jes. 7. in der eine Frau ein Kind bekam und Immanuel (Jes. 7, 14: König Ahas, zeitnahe Erfüllung der Prophezeiung, nicht 700 Jahre später)
Die Hintergründe sind analog der Gründung des Assyrischen Reiches. Ich mag aber den Geschichtsunterricht nicht zu lang machen. Der Hinweis "Immanuel" bezeichnet die ganze Philosophie, die das große Reich ermöglicht hatte. um das zu erforschen braucht es die ganzen Propheten mit Auslegungstexten und den geschichtlichen Hinweisen!

Münek: Dazu gibt im hebräischen Text: keine "Jungfrau", sondern "junge Frau" (alma), in der griechischen Septuaginta: Jungfrau (parthenos).
Das ist richtig, trotzdem bestehen die Römer auf der Jungfraugeburt und wir sagen sie immer noch im Glaubensbekenntnis, haben es aber nicht kapiert:
Nur die Jungfrau Maria konnte Jesus gebären! Hörst du!
Anders gesagt: Allein Ignorierung der Bitterkeit bringt die Erlösung hervor...

Wehe, wenn du die "Jungfraugeburt" leugnest, du Häretiker du ...

Benutzeravatar
Zeus
Beiträge: 4745
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:32
Wohnort: Lyon
Kontaktdaten:

#4 Re: Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von Zeus » So 16. Mär 2014, 14:04

closs hat geschrieben:Für meinen eigenen Ansatz des Bibel-Verständnisses und vor allem des Verständnisses von Jesus spielt das allerdings alles keine Rolle, weil ich nicht über die Bibel zum Glauben, sondern über den Glauben zur Bibel gekommen bin. - Da hat man es leichter. ;)

Wie hast du da geschafft? :o
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

Rembremerding
Beiträge: 2984
Registriert: So 18. Aug 2013, 16:16

#5 Re: Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von Rembremerding » So 16. Mär 2014, 14:20

closs hat geschrieben:Für meinen eigenen Ansatz des Bibel-Verständnisses und vor allem des Verständnisses von Jesus spielt das allerdings alles keine Rolle, weil ich nicht über die Bibel zum Glauben, sondern über den Glauben zur Bibel gekommen bin. - Da hat man es leichter. ;)

So wars auch bei mir. Zuerst war die Begegnung mit Gott, sein Entgegenkommen. Und dann begann ich seine Liebesbriefe zu lesen.
Da ist tatsächlich vieles leichter, freier, freudiger, furchtlos, unverkrampft.

Bibelkritik ist für jene, die verärgert sind noch keinen Liebesbrief erhalten zu haben. Derweil wurde er schön längst zugestellt, sie öffnen ihn nur nicht. :D
Dieser katholische User ist hier dauerhaft inaktiv

Benutzeravatar
Zeus
Beiträge: 4745
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:32
Wohnort: Lyon
Kontaktdaten:

#6 Re: Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von Zeus » So 16. Mär 2014, 15:22

closs hat geschrieben:[...]Auch offensichtlich erscheinende Widersprüche müssen nicht notwendig welche sein
Unser closs ist in der Lage, selbst bei den krassesten Widersprüchen die Möglichkeit der Auflösung zu sehen.
closs hat geschrieben:da sollte man mal Spezialisten fragen.
Deine übliche Ausrede ;)
closs hat geschrieben:Aus Sicht Matthäus' Zeit war offensichtlich eine historisch verstandene Verbindung zwischen AT und NT notwendig und wurde deshalb dementsprechend gesucht (und dadurch auch gefunden - zu Recht oder zu Unrecht).
Die Verbindung des AT mit dem NT - oder genauer die Vereinnahmung des heiligen Buches einer anderen Religion - ist das einzig Originelle der christlichen Religion.
Mit anderen Worten: Alles , aber auch restlos ALLES im "Christentum" ist abgekupfert , übernommen , geklaut oder umgedeutelt.
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#7 Re: Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von closs » So 16. Mär 2014, 15:45

Zeus hat geschrieben:Wie hast du da geschafft?
Durch logisches/dialektisches Nachdenken. - Als ich danach die verschiedenen Religionen durchgestöbert habe, fand ich, dass sie sich a) humanistisch oft sehr ähnlich sind und b) spirituell das Christentum eine Alleinstellung hat, die genau die Lücke schließt, die ich durch mein Nachdenken nicht schließen konnte.

Allerdings ist das eine sehr vergeistigte Art des Christentums, die da bei mir gelandet ist. - Meine Frau ist das pure Gegenteil von mir, weil sie eine geistig-instinktiv erlebende Christin ist. - Interessant ist, dass wir in wichtigen Fragen aus unseren sehr unterschiedlichen Richtungen immer wieder auf das selbe Ergebnis kommen.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#8 Re: Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von closs » So 16. Mär 2014, 15:47

Zeus hat geschrieben:Unser closs ist in der Lage, selbst bei den krassesten Widersprüchen die Möglichkeit der Auflösung zu sehen.
Oft sehe ich sie nicht - aber ich halte sie für möglich.

Zeus hat geschrieben:Deine übliche Ausrede
Man kann nicht immer Spezialist sein - deshalb wendet man sich an die, welche im gefragten Feld Spezialisten sind - das hat nichts mit "Ausrede" zu tun.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#9 Re: Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von closs » So 16. Mär 2014, 15:51

Rembremerding hat geschrieben: Derweil wurde er schön längst zugestellt, sie öffnen ihn nur nicht.
Wobei nicht der Eindruck entstehen soll, dass es in der Macht des Menschen wäre, ob man den Eingang des Briefes wahrnimmt oder nicht. - Altes Thema.

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#10 Re: Ja, ja, unser lieber Matthäus...

Beitrag von Naqual » So 16. Mär 2014, 16:36

Ich sehe es so wie Münek.

Matthäus baut (konstruiert) einen Beleg für eine erfüllte Prophezeiung. Er bedient sich dabei Methoden, die heute theologisch alles andere als anerkannt sind: er reißt aus dem Zusammenhang, ignoriert die gegenläufigen Fakten der alttestamentlichen Episode und bei Immanuel muss er noch anfügen, dass dies "Gott mit uns" heißt, damit dies nicht so arg entgegensteht und zumindest im übertragenen Sinne gelten kann. Zwar übersetzt er das Wort Immanuel, er selbst verwendet aber nicht den hebräischen Grundtext (in dem steht "junge Frau"), sondern offensichtlich die Septuaginta, bei der der Grundtext fälschlich in das griechische Wort für Jungfrau übersetzt wurde.
Im Gegensatz zu Münek gehe ich aber nicht von vornherein von einer bösen Absicht oder arglistigen Täuschung aus.
Einfach davon, dass Matthäus kein geschulter Theologe (bzw. Rabbiner) war, Hebräisch selbst nicht konnte (sonst hätte er sich des hebräischen Grundtextes bedient) und nach bestem Wissen und Gewissen mit mangelhafter Methodik seine Schlüsse zog in der besten Absicht das Wirken Jesu nicht im luftleeren Raum stehen zu lassen, sondern mit der Geschichte des einen Gottes im AT zu verbinden.
Mit 2Lenas Erklärungen (die fundiert wissensbasiert sind in Bezug auf das Hebräische) kann ich hier weniger anfangen. Denn wenn ich einen Sinn sprachlich zwischen die Zeilen interpretiere, bleibt die Frage stehen, warum dann in den Zeilen selbst eine methodische fehlerhafte Beweisführung für eine erfüllte Prophezeiung aufgebaut wird. Zudem von jemand, der aller Wahrscheinlichkeit nach griechisch dachte und nicht hebräisch.

Antworten