jk80 hat geschrieben:aber der von Gott gegebene "freie Wille" ist biblisch belegbar
Aber nicht das, was exegetisch daraus gemacht wird. - Gehen wir mal einzeln durch:
jk80 hat geschrieben:Richter 5, 2 (Elberfelder 1905)weil freiwillig sich stellte das Volk
Buber: "Da ein Volk sich willig hergab" - Das heißt: Es wurde nicht gezwungen, sondern tat es aus eigenen Stücken.
jk80 hat geschrieben: 1. Chronika 29, 17 (Luther 1912)Darum habe ich dies alles aus aufrichtigem Herzen freiwillig gegeben
Buber: "In der Geradheit meines Herzens habe ich all dies gewilligt". - Das heißt: Nach Gewissensprüfung habe ich das gerne (freiwillig) getan.
jk80 hat geschrieben:Esra 1, 6 (Schlachter 2000) außer dem, was sie alles freiwillig gaben.
Buber: "Zusamt der Willigung für das Gotteshaus". - Das klingt mehr nach "Bewilligung" - aber egal: Sie wurden nicht gezwungen dazu.
jk80 hat geschrieben:1. Korinther 7, 37 (Luther 1984)Wenn einer aber in seinem Herzen fest ist, weil er nicht unter Zwang ist und seinen freien Willen hat
D.Stern "Wenn sich aber ein Mann sich fest entschlossen hat und unter keinerlei Zwang steht, sondern völlig sein eigener Herr ist". - Das heißt: Wenn jemand geprüft hat und zu einem Ergebnis kommt.
jk80 hat geschrieben:1. Korinther 9, 17 (Konkordantes Neues Testament 1995) Denn wenn ich diesen Dienst freiwillig verrichte, so habe ich darin meinen Lohn; wenn ich es aber unfreiwillig tue, so wurde ich doch mit der Verwaltung betraut.
D.Stern: "Denn wenn ich das freiwillig tue, habe ich einen Lohn; wenn ich es aber unfreiwillig tue, so tue ich es einfach, weil ich mit einer Aufgabe betraut wurde". - Das heißt: Es ist ein Unterschied, ob ich etwas mit Überzeugung tue, oder weil ich es tun muss.
jk80 hat geschrieben:Philemon 1, 14 (Paderborner Bibel 1937)damit deine gute Tat nicht unter Zwang, sondern aus freiem Willen erfolge.
D.Stern "Damit das Gute, das Du für mich tust, freiwillig sei und nicht erzwungen". - Das heißt: Es ist ein Unterschied, ob ich etwas mit Überzeugung tue, oder weil ich es tun muss.
jk80 hat geschrieben:1. Petrus 5, 2 (Einheitsübersetzung 1980) nicht aus Zwang, sondern freiwillig
D.Stern "Nicht gezwungen, sondern freiwillig". - Das heißt: Es ist ein Unterschied, ob ich etwas mit Überzeugung tue, oder weil ich es tun muss.
jk80 hat geschrieben:5. Mose 30, 19-20 (NEÜ 2012) Wähle das Leben,
"Buber "Wähle das Leben". - Das ist etwas komplizierter: Es steht in einem Umfeld, in dem Gott darum "heischt" (Buber. 5.Mose 10,12) (statt "fordert", wie es in anderen Übersetzungen heißt), dass der Mensch etwas kapiere. - Das geht aber nur, wenn der Mensch erkannt hat, was Mose resigniert in Abrede stellt: "„ein Herz zu erkennen“ habe Gott „bis zum heutigen Tag nicht gegeben“ (5.Mose 29,3). - Das heißt: Gott legt etwas vor, um die Alternative aufzuzeigen - aber dem Menschen ist es noch nicht gegeben (Passiv!!), es zu erkennen - sie können es (noch) nicht mit Überzeugung tun, weil die Erkenntnis fehlt.
jk80 hat geschrieben: Josua 24, 15 (Neue Welt Übersetzung 1986)so erwählt euch heute, wem ihr dienen wollt
Buber: "Wählet Euch heute, wem Ihr dienen wollt". - Das heisst: Überlegt Euch, was Ihr machen wollt (das klingt sehr pragmatisch und nicht nach innerer geistigen Anbindung - eher im Sinne von: Welchem Ordnungs-System wollt Ihr Euch unterwerfen? Eines müsst Ihr wählen.
jk80 hat geschrieben:Josua 24, 22 (Textbibel 1906) Da sprach Josua zu dem Volke: Ihr seid Zeugen gegen euch selbst, daß ihr euch dafür entschieden habt, Jahwe dienen zu wollen. Sie sprachen: Jawohl!
"Jeschoua sprach zum Volk: Zeugen seid Ihr wider Euch, dass selber ihr IHN Euch wähltet, ihm zu dienen. - Sie sprachen: Zeugen". - Das heisst: Wenn Ihr Euch dem Ordnungs-System JHWHs unterordnet, habt Ihr dabei zu bleiben.
Man fragt sich, ob diese Diskussion über den Willen nicht eine Phantom-Debatte ist. - Denn keiner hat jemals behauptet, dass die Israeliten dumpf betäubte Kreaturen gewesen seien, die außer Essen und Vermehrung nichts in der Birne gehabt hätten. Natürlich hat man damals zum Überleben Alltags-Entscheidungen getroffen.
Aber wenn man sich Deine Beispiele anschaut, lieber jk80, wird doch sehr klar, dass es sich
* entweder um rein pragmatische Alltags-Entscheidungen handelte ("Was bewilligen wir für den Tempelbau?")
* oder um Konsequenzen infolge eigener Erkenntnis ("Ich habe nachgedacht und halte dieses oder jenes für richtig - und jetzt tue ich es")
* oder weil man (unabhängig von Erkenntnis) entscheiden MUSS (siehe Josua).
All das hat NICHTS zu tun mit der Frage nach "Fügung". - Es begründet weiterhin NICHT, warum der "freie Wille" des Menschen ausschlaggebend für das eigene Heil sein sollte. - Es sind vielmehr ganz normale Verhaltensmuster, die es in jedem Kulturkreis der Welt gibt und gab:
* "Da gibt es einen Antrag zur Unterstützung eines Kinderheims. - Wollen wir was geben?"
* "Wir haben festgestellt (erkannt), dass dieses Grundstück hochwasserfrei ist - deshalb wollen wir dort den Bauhof hinbauen"
* "Hopp oder top - Ende März läuft die Frist aus. Wir müssen jetzt entscheiden, ob wir Solardächer installieren oder nicht. - WENN wir es tun, sind wir allerdings 20 Jahre lang daran gebunden".
Das sind alles keine spirituellen Dinge im Sinne eines persönlichen Gottesverhältnisses. - Allenfalls 5. Mose 30, 19-20 geht in diese Richtung - und exakt da wird der Zusammenhang zwischen Erkenntnis und Wahl deutlich: Gott "heischt" um Erkenntnis - zeigt den Weg, der nicht verstanden wird - das Volk entscheidet anders, weil es ihm nicht "gegeben" ist, zu erkennen. - Beim Wunder auf dem Karmel wird das pragmatischer gelöst:
Dort wird das Volk erst gar nicht nach seiner eigenen Erkenntnis gefragt, sondern man bietet ihm eine Show: "Deutschland sucht den Superstar" - "das Volkj sah zu" (1.Kön 18,39). - Elija gewinnt gegen die Baals-Priester (so sieht es das Volk) und ruft (applaudierend - möchte man meinen): "Jahwe ist Gott" (18,39) - hätten die Baal-Priester gewonnen, hätte das Volk ohne jegliche Regung genauso mechanistisch gerufen: "Baal ist Gott". - Man "erkennt" (aber eben nicht im spirituellen Sinne), dass Jahwe "gewonnen" hat. - Bayern hat gewonnen - Bayern ist Meister.
Und jetzt ist halt die Frage, was Wille eigentlich ist. - Es gibt dazu bisher zwei Ansätze:
* Pluto sieht "Wille" als mechanische Umsetzung eines Bedürfnisses, das es prinzipiell bei einer Amöbe genauso geben kann wie beim Menschen.
* Ich sehe "Wille" als kognitiv und/oder bewussten Ausdruck einer geistigen Erkenntnis.
Beide Definitionen erscheinen in sich schlüssig und gut zu sein - bezeichnen aber etwas ganz anderes. - Was verstehst Du, lieber jk80, unter "Willen"? - Denn das muss geklärt sein, weil man sonst nicht weiß, WAS man biblisch liest bzw. nachweist.