SilverBullet hat geschrieben: ↑Do 26. Dez 2019, 13:05
“Naqual“ hat geschrieben:
Die vom Buddhismus herausgearbeiteten Gesetzmäßigkeiten gelten auch ohne Annahme der Existenz einer Seele.
Hört sich nicht schlecht an, denn im Grunde zielen meine Fragen exakt in diese Richtung.
Bei mir musst Du natürlich ein wenig skeptisch insofern sein, weil ich den Buddhismus nicht vertreten kann mangels entsprechender Ausbildung in diesem Bereich. Wenn auch der Buddhismus mich fasziniert, ich mich hin und wieder mit ihm beschäftige (und ich kann dies einfach ein wenig ergebnisoffener als ein eingeschworener Religionsanhänger).
Dich schätze ich eher strikt-materialistisch ein. Also Bewusstsein ist da eine bloße Kombination biochemischer Reize und ohne Bio wird das ganze recht reizlos. Völlig. Nichtexistent.
Denke nicht, dass dies der Buddhismus so sieht. Denn da ist noch ein "etwas" (sage ich mal aufgrund mangel an Worten), das wieder erflammen kann wie die wieder angezündete Kerze. Wobei im Buddhismus das erste Licht nicht dem zweiten Licht entspricht. Genau genommen hier etwas anderes vorliegt. Stetige Änderung. Ja, sogar von Minute zu MInute, oder vielleicht besser gesagt von formenden Erlebnis zu formenden Erlebnis und sei es noch so klein. Dieses Etwas ist also nicht linear vorhanden, sondern ständig etwas Anderes.
Die gedankliche Assoziation eines Ichs geschieht zu fast 100 Prozent über den Körper. Denn ich befinde mich auch nach einem ausgiebigen Schlaf noch am nächsten Tag in (fast) demselben. Das ist der Bezugspunkt an dem alles festgemacht wird. Tatsächlich bin "ich aber ein völlig anderer, wenn mir einer auf den Sack geht und mich sogar bedroht, als wenn ich tief ergriffen z.B. seiner oder ihrer meisterlichen Gesangsstimme lauschen darf.
Wenn mir jemand etwas erzählt von "ewigen Himmel" habe ich naturgemäß das Problem, was da in 10 ooo Trillionen Jahren mein "Ich" sein soll. (Eine nichtkörperliche Existenz gedanklich vorausgesetzt). Das andere ist, dass ich über Erfahrungen die eigentlich zu einem ganz großen Teil Einflüsse von außen sind (Umweltreize) geformt werde. Also selbst das habe ich nicht wirklich in der Hand, sondern das Ich ist hier etwas das geformt wird abhängig von den von außen kommenden Mustern an Reizen.
Aber selbst wenn ich die Sekunde nähme, in der ich hier schreibe. Mit was soll ich "mich" denn abheben? Denn alles was ich jetzt sagen könnte, existiert in anderen Individuen letztlich genauso, nicht in allen, aber auch nicht so, dass ich mich damit bestimmen könnte. So wie ein Grashalm. Von der entsprechenden Perspektive aus schaut jeder Halm in einer Wiese recht gleich aus und die Vorstellung der hätte ein "ich" mit dem er sich von anderen abhebt, wäre etwas eigenartig, ja sogar komisch.
Ich denke, solche Überlegungen funktionieren gleichermaßen egal ob man einen buddhistischen oder materialistischen HIntergrund bevorzugt.
Es wird von „Erfahrungsreligion“ gesprochen und als erstes geht es um „Buddha“ und Wiedergeburt bzw. mehrere Existenzen
(Naja sorry, ich hab da eher keine „Erfahrung“)
Um Buddha geht es insoweit als er kluge Worte gesprachen hat, die Leute tief beindruckt haben. Als wenn wir das schaffen, gäbe es Silverbulletisten und Naqualisten. Und die Leute würden sich dann auf uns beziehen. Das muss nichts Schlechtes sein. Übertriebenes Anhängertum schon. Buddha selbst forderte auf, auch seine Worte zu hinterfragen. Das macht ihn mir zumindest sympathisch, weil das kennt man von einem Paulus oder Jesus nicht.
Bei der Wiedergeburt tue ich mich hart von Erfahrung zu sprechen. Selbst wenn Erfahrungen vorliegen (hätte ich ja). Der Grund: woher weiß ich, dass diese "Erinnerung" nicht einfach eine besonders deutliche Form des Vorstellens ist mit Inhalten, die ich weiß der Kuckuck wo aufgeschnappt habe? Und selbst wenn sie sich dann bestätigen: was habe ich davon? Im besten Fall ein Kochrezept aus der Antike, wo ich heute nicht weiß, wie die Zutaten zu finden sind? Was könnte ich über uralte Erinnerungen lernen, das nicht in der jetzigen Zeit möglich und sinnvoll ist?
Also die Wiedergeburt ist nur dann Erfahrungsreligion, wenn solche Erlebnisse gut vermittelt werden können und dies auch so funktioniert. Das sehe ich bloß nicht.
Insofern würde ich Dir recht geben, dass es zumindest nicht unwesentliche Anteile des Buddhismus gibt, die nicht erfahrungsbasiert sind. Aber hier müsste man unterscheiden. Im Theravada-Buddhismus gibt es die Wiedergeburtslehre nicht (der Theravada-Buddhismus betont stärker Buddhas Lehren selbst, bzw. die frühen Lehren ohne spätere "Zusätze").
Siehe auch Kurzartikel:
https://www.n-tv.de/panorama/Buddha-gla ... 97931.html
Eine gewisse Gefahr sehe ich darin, dass man mit Systemen von Worten, die speziell für bestimmte Sachen gebildet wurden, manipulieren kann. Das würde ich jetzt aber nicht als Fundamentalkritik verstehen. Schließlich bin ich in einer christlichen Kultur aufgewachsen, die ebenfalls ein entwickeltes System von Worten verwendet, das dann unbewusst mitsteuert beim Erwerb von gedanklichen Erkenntnissen, Meinungen und Anschauungen. (z.B. der Begriff Schuld und seine Bewältigung.) Und es kostet einiges an Kraft da auch einmal hinauszuspringen und sei es nur für theoretische Übungen.
