Also gut, gehen wir es noch einmal - indem wir uns darüber Gedanken machen - durch:
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Denn dieses "Lasst und Menschen machen" ist das durchgängige Thema in der Garten Eden Erzählung: Das "uns" kann man doch ganz simpel so verstehen: Gott und Mensch machen gemeinsam, in Teamwork sozusagen, Menschen.
Gott sagt dies, BEVOR es einen Menschen gibt. Das spricht gegen die These, dass er einen Menschen anspricht. Zudem kann das "uns" sowohl ein pluralis majestatis sein als auch eine Konsequenz aus dem Plural "elohim", der einem "wir" gramatikalisch entspricht.
Was also spricht denn dafür, dass Gott hier dem Menschen sagt: lass und im Teamwork Menschen machen? Doch nur die Vermutung von Andreas, dass dies eine schöne Variante wäre.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Das ist der Plot der Garten Eden Erzählung und deswegen passt dieses "Lasst uns Menschen machen" perfekt als Überschrift zur Garten Eden Erzählung, weil diese doch genau davon handelt, wie Gott Menschen macht und die Menschen Menschen machen.
Es gibt eine solche Überschrift nicht. Sie ist von Andreas ersonnen - weil es zu seiner Vorstellung passt. Die Überschrift, die Luther gewählt hat, lautet "Die Schöpfung" und ist damit bezogen auf den Schöpfer und verweist auf den Menschen als Geschöpf und nicht als "Mitschöpfer" im Sinne eines Teamworks.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Dabei ist das Bild des Menschenmachens Gottes dem Bild ähnlich wie Menschen Menschen machen. Dem Text nach ist NUR das und sonst nichts "ebenbildlich".
Oh ja! Und das ist auch wesentlich. Es sollte aber nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Nirgendwor steht, dass der Mensch deswegen "wie Gott" oder gar "Mitschöpfer" ist. Er ist "ebenbildlich", was immer darunter zu verstehen ist - jedenfalls ist nicht darunter zu verstehen: identisch. Selbst später - nachdem der Mensch die Erkenntnis von Gut und Böse hat - wird nicht gesagt, er sei wie Gott (das sagte nur die Schlange!), sondern er sei "einer von uns" geworden - was immer darunter zu verstehen ist. Darüber kann man getrost nachdenken, aber mit dem Festlegen sollte man sich Zeit lassen.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Alles weitere wären textferne Spekulationen, willkürliche Übertragungen von irgenwelchen aus-gedachten Eigenschaften Gottes auf den Menschen - die nicht im Text stehen, die man aber so oft schon hineingetragen hat.
Eine textferne, willkürliche Spekulation ist es aber, Gottes "uns" als Mitschöpfungsaufforderung an den Menschen zu interpretieren.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Deine Fragen lösen sich in Wohlgefallen auf, wenn wir ganz nahe am Text bleiben und nichts hineintragen, was nicht da steht.
Darin stimme ich überein.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Wir müssen nur die altorientalisch-poetische Bildersprache in unsere heutige Sprache transponieren - so wie man das bei jedem Gedicht sonst auch macht. Es ist halt Prosa, aber das ändert nichts.
Ich weiß nicht, welche Vorstellung Andreas von der "altorientalisch-poetischen Bildersprache" hat. Der hier aufgezeichnete Text ist mindestens 2600 Jahre alt; er geht mit Sicherheit auf mündliche Überlieferungen zurück, die weit älter sind und es ist nicht unangemessen, von einer 3-400Tausendjährigen Überlieferungstradition zu reden. Das ist weit, weit entfernt von "Tausendundeinenacht" und die Bibel ist keine Aladin-Edition. Wenn man schon Vergleiche zu altorientalischen Texten ziehen will, dann kommen gegebenenfalls sumerische Keilschrifttexte in Frage, die in aller Regel völlig unpoetisch Wirtschaftdaten abbilden: 3000 Stück Vieh, 5000 Ziegen, 500 Amphoren Öl...
...oder bestenfalls das Gilgamesch-Epos; dann muss ich fragen: mit wem hat Gilgamesch nach altorientalisch-poetischer Bildersprache-Übersetzung geschlafen und in wessen Flussarmen hat er an der Brust gelegen?
Wir legen doch das Gilgamesch-Epos auch nicht so frei aus, wie Andreas hier die Genesis auslegen will!
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Nun werde "Ich" von Gott in seiner männlich-weiblichen Polarität gezeugt, zu welcher der Mensch als Mann und Frau ebenbildlich ist
Wo ist hier die propagierte Textnähe?
"Du" wurdest nicht von Gott gezeugt, sondern von deinem Vater. Adam wurde nicht gezeugt, sondern aus Erde geformt. Auch wenn der Mensch als Mann und Frau Gott ebenbildlich ist, steht hier nirgendwo etwas von einer männlich-weiblichen
Polarität Gottes.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Bei der Zeugung eines Menschen steigt ein Strom empor - diese Analogie ist mehr als eindeutig, eigentlich selbsterklärend. Seinen Samen pflanzt "Mann" in einen Garten IN Eden (Frau in "Wonne") hinein.
Nein, hier ist von enem Strom die Rede, der von Eden ausgeht, um den Garten zu bewässern. Hier ist nicht die Rede von Samen, der von Adam ausgeht, um Eva zu befruchten. Wo ist hier denn die Textnähe? Es ist eine freie Interpretation aufgrund subjektiver Assoziationen, die Andreas hier anwendet.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Eden ist der weibliche Part der männlich-weiblichen Polarität Gottes.
Wenn Eden der weibliche Part ist - warum geht dann von ihm der Samenstrom aus? Widerspruch.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Der Mensch ist jetzt in der Gebärmutter Gottes.
Davon kann ich - nahe am Text - kein Wort lesen. Die Idee, der Garten Eden sei die Gebärmutter Gottes, ist eine freie Assoziation.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Garten ist doch ein wunderschönes poetisches Bild für diesen ersten, geschützten Raum in dem jeder neue Mensch ohne irgendein Ge-oder Verbot heranwächst.
Ja, das ist es.
Und man kann dieses Bild im Alltag gerne jederzeit benutzen, weil es so wunderschön ist. Es ist aber keine textnahe Deutung der Genesis.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Da bleibe "Ich" aber nicht ewig. Ich werde umgesetzt werden, aus dem Garten in Eden, in den Garten Eden. Das ist die Geburt, welche die erste Nahrungsumstellung ist.
Gut, folgen wir der oben skizzierten Assoziation. Der Garten Eden ist die Gebärmutter Gottes. "Du" wirst also umgesetzt von der Gebärmutter Gottes in die Gebärmutter Gottes. Und das ist die Geburt? Stimmt so nicht. Also muss der Garten Eden jetzt etwas anderes sein, nämlich die nachgeburtliche Welt. Das ist logisch nicht konsistent.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Meine erste Nahrungsquelle, der "Strom" der mich bis dahin durch die Nabelschnur bzw. eben diese wird
"geteilt".
Wieder nicht textnah.
Dass der Strom, der aus Eden kommt, sich in vier Flüsse aufteilt, wurde bereits vor der "Geburt" geschildert. Das ist nichts, was erst nach der Vertreibung aus dem Paradies geschieht.
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Danach werde "Ich" an die Mutterbrust gelegt. Die zwei "Flüsse", welche mich nun aus den Brüsten meiner Mutter ernähren, sind leicht im Text zu lokalisieren: Das "Zweistromland" griech. Mesopotamien zwischen dem Oberlauf von Eufrat und Tigris, hebräisch Aram-Naharajim "Land zwischen den beiden Strömen". Diese Bezeichnungen war jedem Leser damals geläufig.
Ja. Und?
Berechtigt das zu der Anahme, es handle sich um die beiden imaginären Brüste einer imaginären Mutter eines imaginären Menschen nach einer imaginären Geburt aus der imaginären Gebärmutter Gottes?
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Bleibt eigentlich nur noch die Frage, was die anderen beiden Flüsse darstellen sollen. Die beiden Arme, welche das Kind beim Stillen halten
"umfließen" dieses menschliche Neuland. Gold und Edelsteine assozeiere ich mit Armreifen und Duftsalben, welche ich beim Gestilltwerden auch wahrnehme, aus meiner subjetkiven Sicht als Säugling. Was für ein wundervolles Bild des Gott- bzw. Urvertrauens. Mutter und Kind beim Stillen.
Wie gesagt: schönes poetisches Bild, aber weit entfernt von einer textnahen Analyse.
Konkret steht hier:
Und es geht aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilt sich von da in vier Hauptarme. Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. (1. Mose 2, 10-14)
Nun können wir fragen, was der "altorientalisch-poetische" Mensch damit assoziierte. Es sind namentlich vier Flüsse benannt; zwei Namen davon kennen wir noch heute und wir dürfen unterstellen, dass die beiden anderen Flüsse damals namentlich ebenso bekannt waren. Es sind zudem Bodenschätze und Anbauprodukte genannt. Die damaligen Menschen wussten, woher diese stammten.
Somit assoziierte der altorientalische Mensch - ob poetisch begabt oder nicht - damit eine klare Ortsangabe, weil es dem Autor der Genesis offensichtlich wichtig war, eine Lokalisierung des Garten Eden zu vermitteln.
DAS IST EINE TEXTNAHE ANALYSE!
Andreas hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 17:58
Es ist so schön und so wahr. Man kann niemanden zwingen das auch so zu glauben.
Volle Zustimmung!
Mit der kleinen Änderung: Es ist ZU schön, um wahr zu sein. Man kann es nicht glauben.