Thaddaeus hat geschrieben: ↑Do 17. Okt 2019, 16:42
Andreas hat geschrieben: ↑Do 17. Okt 2019, 12:37
Noch einen inhaltlichen Kritikpunkt möchte ich anbringen: In deiner Exegese erwähnst du die Jünger mit keinem Wort welche allerdings Anwesende in der beschriebenen Situation mit dem Gerasener sind. Könnte ja sein, dass allein ihre Anwesenheit eine Bedeutung für die Interpretation haben könnte.
Alle Spekulationen über die Jünger verbieten sich, denn die werden in unserer Perikope nicht erwähnt. Nicht einmal, dass sie Jesus begleiten, nachdem er seinen Fuß an Land gesetzt hat. Jesus richtet auch nie das Wort an sie. Sie tauchen nicht einmal am Ende auf, wenn Jesus wieder ins Boot steigt. Es handelt sich bei dem Wunder also keinesfalls um ein Lehrbeispiel für die Jünger! Im Gegenteil weist es darauf hin, dass die ganze Perikope eine Konstruktion und Verknüpfung der 3 in der Exegese genannten Traditionslinien durch Mk. oder einem Redaktor vor ihm ist.
Das leicht zu wiederlegende vorweg:
Die Jünger sind anwesend:
Mk 5,1-2 Elberfelder 2006 hat geschrieben:Und sie kamen an das jenseitige Ufer des Sees in das Land der Gerasener. Und als er aus dem Boot gestiegen war, begegnete ihm sogleich von den Grüften her ein Mensch mit einem unreinen Geist,
Aus der vorigen Szene "Der Stillung des Sturmes" müsste man sogar noch etwas über die Personen in den "anderen Booten, die bei ihm waren" sagen, denn die scheinen denselben Weg gehabt zu haben und werden sich nicht unterwegs in Luft aufgelöst haben.
Mk 4,35-36 Elberfelder 2006 hat geschrieben:Und an jenem Tag sagt er zu ihnen, als es Abend geworden war: Lasst uns zum jenseitigen Ufer übersetzen!
Und sie entließen die Volksmenge und nehmen ihn im Boot mit, wie er war. Und andere Boote waren bei ihm.
So etwas passiert schnell mal, wenn man sich nur auf den selbsgewählten Text beschränkt, und den Kontext nicht in seine Überlegungen miteinbezieht. Das nervt mich auch immer beim sogenannten "Bibelteilen" in allen Bibelkreisen.
Zur nicht vorhanden Inhaltsangabe hätte vielleicht noch gehört, zu klären von wem der Ex-Besessene die Kleidung bekommen haben könnte. Von den weggelaufenen Hirten jedenfalls nicht, die Bewohner Gerasas sind noch nicht da. Der Ex-Besessene ist schon bekleidet als die von den Hirten geholten Bewohner eintreffen. Blieben nur Jesus selbst, die Jünger, bzw. die Personen
in den anderen Booten als mögliche Kleidungslieferanten übrig. Warum sollte Jesus Reserveklamotten mitnehmen, da er sich von den Booten nicht entfernt. Dagegen wehrt sich der Text. Ist jetzt nicht dramatisch wichtig, doch diese Frage ergäbe sich aus dem Text, und auch wenn man sie nicht präzise beantworten kann, sollte sie zumindest gestellt werden.
Das Wunder, ob als Aitiologie oder nicht, ergibt nur Sinn, wenn es seine Anhänger auch sehen und "überliefern". Sonst könnte man einwenden, dass sich Jesus das alles bloß ausgedacht hat, und dass es dieses Wunder nicht "wirklich" gäbe. In der Logik des Textes sind die Zeugen in Form der Jünger und der Personen
der anderen Boote, die mit ihm waren notwendig und nicht zu vernachlässigen, möchte ich meinen. Gut, wenn du das als reine Spekulationen ansiehst, ist es halt so.
Ich halte mich da an folgendes.
Conzelmann, Hans u. Lindemann, Andreas: Arbeitsbuch zum Neuen Testament. Tübingen, Mohr Siebeck 1976, S. 41-42 hat geschrieben:
3. Praktische Übungen zur Exegese
1) Allgemeine Hinweise:
1. Man beginnt am besten mit einer vorläufigen Übersetzung unter Verwendung von Wörterbuch und Grammatik. Gleichzeitig prüft man, ob der Textkritische Apparat wesentliche Abweichungen vom gedruckten Text verzeichnet, wobei unter Umständen Entscheidungen gegen den von den Herausgebern vorgeschlagenen Text möglich sind. Dann versucht man, die Handlung bzw. den Gedankengang nachzuzeichnen: Wie ist die Szene, welche Personen treten auf? Was ist das Ziel der Handlung, gibt es auf dem Weg zu diesem Ziel Lücken und Brüche, oder ist alles logisch aufgebaut.
2. Vor der eigentlichen Exegese muss man sich dann Klarheit verschaffen: Was will ich überhaupt erfahren, was erwarte ich von der Aussage des Textes? Hoffe ich Informationen über die Geschichte bzw. über das Leben Jesu zu erhalten? Möchte ich - angesichts von Wundergeschichten - etwas über den antiken Wunderglauben allgemein oder über den christlichen Wunderglauben speziell erfahren? Oder frage ich weniger nach der historischen Realität als vielmehr etwa nach dem Jesusbild oder dem Glaubensverständnis des jeweiligen Evangelisten?
Man braucht diese Fragen nicht als Alternativen aufzufassen; sie können als leitende Gesichtspunkte durchaus gleichzeitig von Bedeutung sein. Es geht nur darum, die Fragen so zu formulieren, daß der Text als Antwort darauf verständlich wird, damit auf diesem Wege erste exegetische Ergebnisse formuliert werden können. Etwa: Wie sieht die Geburtsgeschichte Jesu Lk2 aus, wenn ich sie als historischen Bericht zu verstehen suche? Wie stellt sich der Text dar, wenn ich die Frage nach der Historizität offen lasse?
3. Erst wenn man diese Fragen geklärt hat, sollte man die Literatur zu Rate ziehen: Welche Fragestellungen enthalten die Kommentare? Welche historischen oder theologischen Informationen bieten sie? Wo widersprechen sie meinen bisherigen Ergebnissen, und woran liegt das?
Das vor dem rotmarkierten ist geschenkt, soweit es hier von Belang ist, hast du das Nötige getan.
Vielleicht wäre es hilfreich gewesen über das Wort, welches für "bitten" in Mk 5,17 "sie begannen, ihn zu bitten, wegzugehen von ihren Gebieten" verwendung findet noch genaueres zu sagen - vielleicht wäre dann deutlicher geworden, was in diesem Fall tatsächlich mit "persona non grata" im Text gemeint ist. Da gibt es gewissen Spielraum zwischen "unerwünscht" und nicht "geduldet". Wenn Jesus dort sowieso nicht predigen wollte, warum fuhr er dann überhaupt dahin? Dann wäre unerwünscht auch kein echtes Thema, wenn Jesus das selbst nicht wünscht.
Falls er es sich aber gewünscht haben sollte, wie du unterstellst, müsste man erklären, warum dieser markinische Jesus eben noch mit Macht über den Sturm gebietet, und mit Macht eine Legion von Dämonen austreibt, vor den viel schwächeren Gerasenern dermaßen einknickt, wie du es darzustellen versuchst.
Vielleicht könnte man anführen, dass Jesus in seiner Heimatstadt Nazareth kaum große Taten vollbringen konnte, weil sie ihn aufgrund seines dortigen Bekanntheitsgrades zu gut als gewöhnlichen Menschen kannten, aber hier hatte er ein überzeugendes Wunder vollbracht, an welches die Gerasener selbst als Heiden glaubten. Auch der Besessene ist ja Gerasener Heide und glaubt nicht an diesen jüdisch-religiösen Kram, sondern vermutlich an die Götter der Heiden. Deine Schlussfolgerung ist nicht so schlüssig, wie es zunächst scheint.
Offensichtlich möchtest du Informationen über das Blaumarkierte durch deine Exegese erhalten, ich offensichtlich über das Grünmarkierte. Okay, ich kann dir nicht vorschreiben, wie deine Fragestellung zu sein hat. Wäre diese Fragestellung zu Beginn klar definiert gewesen, hätte uns das möglicherweise einige Missverständnisse erspart.