Servus closs
closs hat geschrieben:Die Wissenschaft geht gelegentlich davon aus, dass Realität nur das sein darf, was prinzipiell messbar ist. Somit kann sich für sie Glaube nicht auf eine Realität beziehen. Damit wird Glaube zwar als "Hobby" respektiert, aber immer unter dem Vorbehalt, dass es sich um eine Illusion handelt.
Dem entgegen steht, dass Glaube nur sinnvoll ist, wenn er sich auf etwas bezieht, was Realität ist/sein kann - also eine Realität, die unabhängig vom eigenen Glauben der Fall ist. Damit tun sich Naturwissenschaften oft schwer.
Das verstehe ich nicht. Zunächst einmal die Behauptung, wonach nur das Realität sein darf, was prinzipiell messbar ist. Das wäre für mich ein zu grosse Einengung des wissenschaftlichen Realitätsbegriffes. Wir müssten dann einen Großteil unseres Wissens über die Welt über Bord werfen. Nicht in jedem Fall machen metrische Begriffe Sinn, zum Beispiel nicht in der Geschichtswissenschaft.
Du sagst ferner, in der Wissenschaft gilt der Glaube als Illusion. Dagegen sagt die Behauptung, dass der Glaube nur sinnvoll ist, wenn er sich auf etwas bezieht, was Realität ist/sein kann. Das scheint mir auf einen weltanschaulichen Dualismus hinauszulaufen: hier die Realität der Wissenschaft, dort die Realität des Glaubens, der aber von der Wissenschaft als Illusion gebrandmarkt wird. Ist es das was Du meinst?
Natürlich gibt es diese Dichotomie und es gibt unter Wissenschaftlern als auch unter vielen Gläubigen Vertreter und Verfechter dieser Zweiteilung. Aus diesem Lagerdenken stammen letztendlich ein Großteil der Irritationen: Schöpfungsgeschichte vs. naturwissenschaftliche Erklärung der Welt usw. Es kam sogar soweit, dass Glaube auf blanke Kosmologie, auf eine Art Protowissenschaft reduziert wurde.
Ich denke, dass diese beiden Extreme historisch relativ neu sind. Ich vermute, dass diese Spaltung ihren Ursprungsort in der Reformation hat und sich von dort aus über verschiedene reformatorische und evangelikale Strömungen weiter radikalisiert hat. Auf der anderen Seite stammen interessanterweise einige der wichtigsten Beiträge zum wissenschaftlichen Weltbild von Klerikern:
Kopernikus,
Mendel und
LeMaître. Von keinem ist bekannt, dass er mit seiner Religion, seinem Glauben gebrochen hätte und in die Giordiano-Bruno-Stiftung eingetreten wäre. Zeigt klar: das Verhältnis von Wissenschaft und Glaube ist nicht das einer Konkurrenz. Wir alle leben in ein und derselben Welt und das Mittel, diese Welt zu verstehen, ist der Verstand und die Wissenschaft. Wem das nicht reicht, wer sich für das Wofür und das Wozu interessiert, der landet früher oder später bei der Religion:
Ignatius von Loyola hat geschrieben:Der Mensch ist geschaffen, um Gott unseren Herrn zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und ihm zu dienen und mittels dessen seine Seele zu retten; und die übrigen Dinge auf dem Angesicht der Erde sind für den Menschen geschaffen und damit sie ihm bei der Verfolgung des Ziels helfen, zu dem er geschaffen ist.
Daraus folgt, daß der Mensch sie soweit gebrauchen soll, als sie ihm für sein Ziel helfen, und sich soweit von ihnen lösen soll, als sie ihn dafür hindern. (Geistliche Übungen, Seite 38f. Übersetzt von Peter Knauer SJ)
Da wahre Gottesliebe nicht ohne wahre Menschenliebe sein kann folgt daraus klar, dass das, was die Welt anbietet, im Dienst der Caritas steht. Und dazu gehört selbstverständlich der Einsatz von Naturwissenschaft.