Das stimmt aber sachlich nicht. - Wenn Du eine geozentrische Hermeneutik hast, dreht sich der Rest des Universums um die Erde - aussagenlogisch. - Wenn Du eine Alpha-Centauri-Zentrik bevorzugst, dreht sich der Rest des Universums um Alpha Centauri - aussagenlogisch. - Wenn man Jesus nur als Menschen untersucht, hatte er eine Naherwartung im Sinne des Volksglaubens - aussagenlogisch. - Wenn man Jesus auch als götlich untersucht, hatte er eine NICHT Naherwartung im Sinne des Volksglaubens - aussagenlogisch.
Wir sind jetzt aber der Sache näher: Du meinst wohl, dass es EINE Hermeneutik geben kann, die im Grunde so etwas wie eine "Wahrheits-Hermeneutik" ist, neben der andere Hermeneutiken zurückstehen müssen . Warum dann aber unterschiedliche Hermeneutiken?
Doch!!!! - Die Logik gilt doch nur unter den jeweiligen Bedingungen einer Hermeneutik. - Wenn Du die Erde als Zentrum des Universums setzt, kannst Du es widerlegen, wenn ich "Nee - es ist Alpha Centauri" sage. Denn Du kannst mit allen Messinstrumenten der Welt nachweisen, dass sich - von der Erde aus betrachtet - alles um die ERde dreht. ---- DIESELBE (!!!!!!!) Logik läßt mich Dich widerlegen, dass die Erde das Zentrum des Universums ist, wenn ich eine Alpha-Centauri-Hermeneutik habe.
Das KANN sich überlappen - muss aber nicht. - Unter "Hermeneutik" verstehe ich in erster Linie "Was-wäre-wenn-" Szenarien, die man auch ohne eigene weltanschauliche Betroffenheit durchspielen kann.
Das tust Du doch EBENFALLS mit Deiner Hermeneutik! - Bsp: Jesus KÖNNTE historisch göttlich sein - daraus kann man Dir problemlos nachweisen, dass die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung im Sinne des Volksglaubens" unlogisch/unplausibel ist. - Damit ist nicht gesagt, dass Jesus göttlich IST - aber es könnte so sein. ------ Du könntest mir umgekehrt nachweisen, dass bei "Jesus ist nur Mensch" es unlogisch/unplausibel wäre, dass Jesus diese Naherwartung NICHT hatte. - Damit ist ebenfalls nicht gesagt, dass Jesus nur menschlich IST - aber es könnte so sein.
PRinzipiell Zustimmung - nur können wir das gegenseitig zelebrieren:
a) Jesus= nur Mensch + keine irrige Naherwartung = inkonsistent oder widersprüchlich
b) Jesus = auch göttlich + irrige Naherwartung = inkonsistent oder widersprüchlich
In BEIDEN "Was-wäre-wenn-Szenarien" (alias "Hermeneutik") kann dem jeweils anderen Inkonsistenz und Widersprüchlichkeit nachgewiesen werden.
Dein Denkfehler scheint mir zu sein, dass Du Widersprüchlichkeiten in einer anderen Hermeneutik glaubst aus Deiner hermeneutik heraus verbindlich feststellen zu können. - Was die Aussage-Logik als Werkzeug angeht, habe ich keinerlei Einwände. Wenn man dagegen verstoßen würde, wären es Stockfehler, also Handwerks-Fehler - aber das ist nicht das Problem - das Problem liegt in der Frage, unter welchen unterschiedlichen Bedingungen man eben diese Aussage-Logik als Werkzeug (!) einsetzt. - Ob Du mit einer Schaufel einen Sandkasten aushebst oder ein Grab, ist der Schaufel egal, obwohl Sandkasten und Grab zwei sehr verschiedene Sachen sind.