Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

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closs
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#71 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von closs » Mi 30. Okt 2013, 21:56

Demian hat geschrieben:Eben mit dieser Zuspitzung auf Jesus habe ich ein Problem
Dachte ich mir. - Mein Ansatz kommt daher, seit dem Dualismus von Gott-Orientierung und Mensch-Orientierung nur dann ein Synthese geschaffen werden kann, wenn Gott "mitmacht" (sehr verkürzt gesagt). - Dein Ansatz hat immer so ein bißchen die Tendenz der Selbsterlösung - daran glaube ich nicht.

Demian hat geschrieben: Problematisch wird es nur, wenn die Christen einen "Alleinvertretungsanspruch" Jesu Christi über alle Menschen und Religionen beanspruchen.
Stimmt - das hat mit der Irr-Deutung des Satzes zu tun: "(Nur) Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben". - Es wird nicht verstanden, dass Jesus nicht für sich steht, sondern für seinen Weg.

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Demian
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#72 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von Demian » Mi 30. Okt 2013, 22:10

closs hat geschrieben:Dachte ich mir. - Mein Ansatz kommt daher, seit dem Dualismus von Gott-Orientierung und Mensch-Orientierung nur dann ein Synthese geschaffen werden kann, wenn Gott "mitmacht" (sehr verkürzt gesagt). - Dein Ansatz hat immer so ein bißchen die Tendenz der Selbsterlösung - daran glaube ich nicht.

Eben das haben wir schon mehrfach thematisiert: meinetwegen kannst du meinen Ansatz der "Selbsterlösung" zurechnen, allerdings wäre dann erst mal eine Verständig darüber angebracht, was wir mit dem Selbst meinen. Ich verstehe unter Selbstentfaltung ja das Gegenteil von Egozentrismus - in der indischen Philosophie gibt es die Unterscheidung von Atman und Brahman ( das individuelle und das absolute Sein ) - in unsrer Sprache ist eben das "Selbst" ein tauglicher Begriff, um dieses Verhältnis zu beschreiben.

Davon abgesehen habe ich ein Problem damit, wenn Christen Worte stigmatisieren. Ich habe den Eindruck, wenn man die "Selbsterlösung" brandmarkt, dann wissen viele gar nicht, was sie damit ( vom seelischen her gesehen ) meinen. Erlösung hat natürlich mit mir selbst zu tun. Gerade das Christentum sagt ja: Du bist geliebt und gemeint.

Stimmt - das hat mit der Irr-Deutung des Satzes zu tun: "(Nur) Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben". - Es wird nicht verstanden, dass Jesus nicht für sich steht, sondern für seinen Weg.

Der Monismus geht von einer universalen Weisheit und Wahrheit aus, die sich zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten, durch verschiedene Personen auf eine einmalige und neue Weise ausgedrückt hat. Dabei ist Jesus eine wichtige Figur, der natürlich die Wahrheit für sich beanspruchen darf ( das haben Buddha, Shankara, Ramanuja und Laotse - und das tut jeder Philosoph, Künstler und Einzelne für sich genommen ) aber ich kann ihn nicht "über" alle Weisheitslehrer stellen. Viel mehr begreife ich die Religionsgeschichte als ein GESPRÄCH aller Weisheitslehrer miteinander ;)

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Demian
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#73 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von Demian » Mi 30. Okt 2013, 22:14

Erlösung entsteht für mich nicht durch dieses oder jenes Glaubensbekenntnis, sondern dadurch, dass der Einzelne sein Personsein vollständig lebt - Sören Kierkegaard sagte: es kommt darauf an, dass ich eine Wahrheit finde, die eine Wahrheit nur für mich ist, jene Wahrheit, für die ich leben und sterben will; das ist Erlösung. Meinetwegen auch Selbsterlösung ( das ist eine Definitionsfrage ) aber sicherlich nicht im egozentrischen Sinne. Das was man in der Religion "Gott" nennt, ist nun mal eine persönliche und innere Erfahrung, die ich unabhängig davon machen kann und darf, was irgendwelche selbsternannten Wahrheitsapostel für wahr und falsch halten - mit diesem inneren Lebendigsein wollte Jesus in Berührung bringen; und das ist für mich die ganze Gnade.

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#74 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von closs » Mi 30. Okt 2013, 22:20

Demian hat geschrieben:Erlösung entsteht für mich nicht durch dieses oder jenes Glaubensbekenntnis
Zustimmung

Demian hat geschrieben:sondern dadurch, dass der Einzelne sein Personsein vollständig lebt
Wie wird dann der 17Jährige erlöst, der im Krieg im Stacheldraht verreckt?

Demian hat geschrieben:mit diesem inneren Lebendigsein wollte Jesus in Berührung bringen
Auch Zustimmung - allerdings müssten wir da noch genauer nachbohren, welche Teleologie dahintersteht.

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#75 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von closs » Mi 30. Okt 2013, 22:29

Demian hat geschrieben:in der indischen Philosophie gibt es die Unterscheidung von Atman und Brahman ( das individuelle und das absolute Sein )
Das klingt sehr gut und erinnert an die christliche Mystik (Benedikt ist übrigens hin und weg von der Mystik).

Demian hat geschrieben:Ich habe den Eindruck, wenn man die "Selbsterlösung" brandmarkt
Es gibt Sprachentwicklungen, die einen Begriff derart festlegen, dass man damit nicht mehr nach außen kommunizieren kann.

Das gilt auch (im ganz anderen Zusammenhang) für den Begriff "Esoterik": Würden wir privat sprechen, dürfte dieser Begriff im Ursinn des Wortes fallen - in der Öffentlichkeit (also auch hier) distanziere ich mich von diesem Wort. - Warum? - Weil das Wort in seinem Verständnis derart kontaminiert ist, dass es im Öffentlichkeits-Sprech nichts mehr Subtantielles aussagt. - Verbraucht, versaut, nutzlos.

Demian hat geschrieben:Viel mehr begreife ich die Religionsgeschichte als ein GESPRÄCH aller Weisheitslehrer miteinander
Der Gedanke ist richtig: Ein geistig autorisierter Bhuddist oder Hindu ist Jesus näher als ein bewusstloser Bibel-Ab-Glauber. - Allerdings bleibt EIN Thema, das mir nur im Christentum gelöst zu sein scheint: Nämlich das, was in meinen Worten die Aufhebung ("Erlösung") der vertikalen ontologischen Differenz ist. - Und das geht nur durch Gott im Menschen - da geht eine Selbsterlösung nicht.

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#76 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von Demian » Mi 30. Okt 2013, 22:32

Gnade, wie ich sie meine, ist für mich immer etwas, was über das individuelle Leben hinaus weist - die vermittelnde Erfahrung zwischen dem persönlichen Sinn und dem absoluten Sein. Inmitten der Gewalten der Friede, inmitten der Meinungen die Wahrheit, inmitten der Geschwätzigkeit das Wort, inmitten des "Gutmeinens" das Gute usw. ... und man kann das Konsequent über das individuelle Leben hinaus fortdenken. Ich würde nur nicht sagen: Gnade ist von einem christlichen Glaubensbekenntnis abhängig. Das wäre wieder der Anthropozentrismus den Jesus aufheben wollte.

Interessant übrigens: ich lese gerade "das Handbuch der Religionen" von Mircea Eliade und Ioan P. Couliano in dem unteranderem die Praxis und Mythologie der afrikanischen Stammesreligionen Erwähnung findet. Schon dort hat "das Wort" eine zentrale Rolle im Kultus gespielt - "das Urschweigen" wurde als heilig verehrt und das brechen dieses Schweigens als eine Gefahr gesehen, weshalb man den Sprechakt selbst zum religiösen Ritual erhob. Schon dort hat das Wort, das Sprechen, der Klang eine übergeordnete Kraft in sich, sehr lesenswert.

Kulturgeschichtlich gesehen: erst mit der Erfindung der Schrift wurde dann eine "Offenbarungsreligion" denkbar. Die Schrift hält das Wort, den heiligen Urklang ( Im Anfang (ἀρχή) war das Wort (λόγος): und das Wort war bei Gott,: und das Wort war Gott ) zum ersten mal als Überlieferung fest. Das magische der Sprache - die dichterische Qualität - als religiöser Impuls.

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#77 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von closs » Mi 30. Okt 2013, 22:40

Demian hat geschrieben:Ich würde nur nicht sagen: Gnade ist von einem christlichen Glaubensbekenntnis abhängig. Das wäre wieder der Anthropozentrismus den Jesus aufheben wollte.
Da sind wir uns außerordentlich einig.

Demian hat geschrieben:"das Urschweigen" wurde als heilig verehrt und das brechen dieses Schweigens als eine Gefahr gesehen,
Wie klug - würde auch in den Thread passen "weltliches Weisheit"/"geistige "Torheit"". - Da sieht man wieder mal, wie nahe der Mensch an seinen Wurzeln ist, wenn man ihn nicht versaut.

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#78 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von Hemul » Mi 30. Okt 2013, 22:58

closs hat geschrieben: Wenn Du am Samstag Dein Auto reparierst, am Sonntag früh in den Gottesdienst gehst und am Montag Bürokaufmann bist, heisst das: So ist der Auto-Reparateur "Hemul", der Kirchgänger "Hemul" und der Bürokaufmann "Hemul". - "Hemul" ist EINS und keine Drei.

Hi closs!
Das ist doch noch eine naivere Hilfskrücke als das Kerzenbeispiel. :mrgreen: Hier wird immer nur von der "EINEN PERSON"
Hemul gesprochen. Gott-Vater, Gott-Jesus und Gott-Heiliger-Geist sind aber nach dem Trinitätsdogma "DREI" Personen.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#79 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von Hemul » Mi 30. Okt 2013, 23:00

http://www.was-christen-glauben.info/at ... ekenntnis/


dort heißt es u.a.: Alle drei "PERSONEN" sind gleich ewig groß. :roll:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#80 Re: Wer war Jesus von Nazareth wirklich?

Beitrag von Demian » Mi 30. Okt 2013, 23:04

Hemul hat geschrieben:Gott-Vater, Gott-Jesus und Gott-Heiliger-Geist sind aber nach dem Trinitätsdogma "DREI" Personen.

Ja und nein - das Wort "Person" zeigt einfach wie begrenzt die Sprache ist. Geistig gesehen beschreibt die Idee der Trinität ( erst die Kirche machte daraus ein Dogma ) ein Konzept zur Beschreibung der drei zentralen Seinsebenen: 1. persönlich-menschlich ( Jesus ) 2. transpersonal ( der Heilige Geist ) 3. das absolute Sein ( religiös gesprochen: Gott ).

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