Je nach Tagesform - manchmal ist man souveräner, manchmal nicht.
Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
#522 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
Und das zieht sich bei deiner Argumentatin wie ein roter Faden durch das gesamte Forum.

Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell
George Orwell
#523 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
Christen erleben ständig Wunder. Man muss nur die Augen aufmachen und sie sehen wollen.
Atheisten dagegen, sehen nur den Zufall und deuten historisch bezeugte Wunder um und glauben ihnen nicht. Fordern stattdessen "Laborbeweise". So wie die Pharisäer in Matthäus 12:
"38 Da antworteten ihm einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprachen: Meister, wir wollen ein Zeichen von dir sehen. 39 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jona. 40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein."
Du hast das Wunder der Auferstehung. Lass dich drauf ein und du wirst weitere Wunder sehen.
Nur nach dieser Methode kann man überhaupt auf die Idee einer Naherwartung kommen. Zwei Verslein, und die falsch gedeutet, gegen den gesamten Rest des Evangeliums. DAS ist Steinbruchmethode!
M.a.W.: Man sollte trennen zwischen dem, was in den Evangelien steht und dem, was man sich, unabhängig von den Texten, methodisch-atheistisch so über Jesus ausdenkt - und wenn man das tut, dann kommt dabei heraus, dass Jesus nur ein menschlicher Wanderprediger war, ein gläubger Jude mit falschen Erwartungen.
Wiederholst also nochmal die Mutter der Zirkelschlüsse…
Die Vorannahme der HKE ist das Voranstellen eines Glaubensbekenntnisses, nämlich des naturalistischen.
An der Stelle sei nochmal gesagt: Texte über Gott auszulegen, geht nicht ohne Vorannahmen. Voraussetzungslose Exegese kann es nicht geben. Entweder wir nehmen an, dass Gott wirklich gehandelt hat, wie es die Texte sagen, oder dass es sowas nicht gibt. Beides sind Glaubensbekenntnisse.
Und sven23 glaubt nicht, sondern er WEISS wie die Welt ist. Naiver Realismus, wirklich naiv. Der Mensch nimmt die höchst mögliche Perspektive ein, sein Gehirn steht über allem, was da nicht rein passt, kann es auch nicht geben.
Hoimar v. Ditfurth beschreibt in "Wir sind nicht nur von dieser Welt" ausführlich die Wahrnehmungswelt einer Zecke und die eines Hahnes um dann zu folgern:
" Wenn wir […] auf unserer Behauptung beharrten, die von uns erlebte Welt sei die einzig gültige, die einzig reale, die umfassendste denkbare Wirklichkeit, dann würden wir uns, aller sonst unbestreitbar vorhandenen gewaltigen Rangunterschiede zum Trotz, genauso und aus demselben Grunde lächerlich machen wie Hahn und Zecke, wenn sie für ihre Welt den gleichen Anspruch erhöben. Den festen Boden, den nicht unter den Füßen zu verlieren der »Realist« uns beschwört, haben wir in Wirklichkeit noch nie betreten."
Stimmt eigentlich. Gott dachte, er werde die Weltherrschaft in Kürze errichten und hat sich in seinen eigenen Absichten geirrt… Wenn es so ist, nimmt die HKE also die Haltung ein: sollte Jesus göttlich gewesen sein, dann hatte er eben Alzheimer…sven23 hat geschrieben: ↑Sa 30. Mär 2019, 19:07Wer sagt denn, dass Götter sich nicht irren dürfen?Roland hat geschrieben: ↑Sa 30. Mär 2019, 18:40Gerade eben noch hast du aus den phantisevollen HKE-Jesus-Romanen zitiert, die mit dem Gesamtkontext des NT nichts zun tun haben: "Jesus erwartete das Kommen noch zu seinen Lebzeiten. Er irrte sich, wie wir wissen."
Die HKE macht hier die klare Aussage, dass Jesus ein irrender Apokalyptiker war – aber nicht Gottes Sohn. Von welcher "Forschung" redest du also, die angeblich über Jesu Göttlichkeit keine Aussagen macht?
Ich denke, das würde es nicht wesentlich besser machen.

Nochmal: Deinen Satz "die Forschung macht doch gar keine Aussage darüber, ob Jesus der Sohn Gottes ist oder nicht" widerlegst du selbst, indem du aussagst: "wir wissen", dass er ein irrender Apokalyptiker war.
Andreas hat geschrieben: ↑Sa 30. Mär 2019, 19:53Du kannst anscheinend immer noch nicht unterscheiden zwischen der historischen Methode der Theologie wenn sie sich der Geschichtswissenschaften bedient um das Christentum zu untersuchen und der historisch-kritischen Methode der Schriftauslegung. Das sind zwei paar Stiefel zu zwei ganz unterschiedlichen Themengebieten.

Nochmal Zitat Lüdemann:
"Theologie ist insofern eine geschichtliche Disziplin, als sie das Christentum mit Hilfe der historisch-kritischen Methode untersucht. (erster Stiefel ?) Und für die historische Methode gelten drei Voraussetzungen: die Kausalität, die Berücksichtigung von Analogien und die Erkenntnis von der Wechselbeziehung der historischen Phänomene zueinander. Ihre Arbeitsweise folgt dem methodischen Atheismus der Neuzeit ("als ob es Gott nicht gäbe") (zweiter Stiefel ?)."
Natürlich nicht. Er formuliert hier in quasi einem Satz keinen Unterschied zwischen einer historisch-kritischen und einer "nur" historischen Methode. Das ist für ihn hier eindeutig dasselbe.
Nochmal: Die HKM ist ein Methodenapparat (siehe Wiki) und der umfasst selbstverständlich die Exegese.
Aber eben auch Teildisziplinen (siehe Wiki), die weltanschaulich neutral betrieben werden können, den Atheismus also nicht methodisch anzuwenden brauchen. Und die kritisiert ja niemand, im Gegenteil, sie sind wichtig und sinnvoll. Die Bibel, so wie sie uns heute vorliegt, ist z.B. das Werk der Teildisziplin "Textkritik" , also der Rekonstruktion der ursprünglichen Texte, durch Vergleich der frühen Handschriften.
Kritisiert wird nur die HKE, also die Auslegung der Texte als reines Menschenwerk, die ein wirkliches Handeln Gottes ausschließt, weil KEIN übernatürliches Zerreißen von Wirkungs-Zusammenhängen erlaubt ist
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker
#524 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
Ich glaube an die Wunder der Natur, so wie z.B. eine Geburt, das Keimen eines Samens oder die Heilung einer Verletzung.
So wie die Pharisäer in Matthäus 12:
"38 Da antworteten ihm einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprachen: Meister, wir wollen ein Zeichen von dir sehen. 39 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jona. 40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein."
Wie kommt es dann, dass die meisten Exegeten davon ausgehen, dass Jesus eine Naherwartung hatte, und sich darin geirrt hat?
Ach Roland, du wiederholst dich und das noch dazu falsch.Roland hat geschrieben: ↑So 31. Mär 2019, 11:56Man sollte trennen zwischen dem, was in den Evangelien steht und dem, was man sich, unabhängig von den Texten, methodisch-atheistisch so über Jesus ausdenkt - und wenn man das tut, dann kommt dabei heraus, dass Jesus nur ein menschlicher Wanderprediger war, ein gläubger Jude mit falschen Erwartungen.
Wiederholst also nochmal die Mutter der Zirkelschlüsse…
Was würde denn dabei rauskommen, wenn man völlig neutral an den Text rangeht?Roland hat geschrieben: ↑So 31. Mär 2019, 11:56Die Vorannahme der HKE ist das Voranstellen eines Glaubensbekenntnisses, nämlich des naturalistischen.
An der Stelle sei nochmal gesagt: Texte über Gott auszulegen, geht nicht ohne Vorannahmen. Voraussetzungslose Exegese kann es nicht geben. Entweder wir nehmen an, dass Gott wirklich gehandelt hat, wie es die Texte sagen, oder dass es sowas nicht gibt. Beides sind Glaubensbekenntnisse.
Das Problem bei H.v.D. ist, dass er die denkbar schlechtesten Beispiele nimmt, Eine Zecke handelt fast nur instinktiv und kann keine Entscheidungen treffen.
Um der Vielfalt menschlichen Denkens gerecht zu werden, sollte man Wale/Delfine oder Wölfe als Beispiel nehmen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
#525 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
Kein Wunder, dass die "kanonische Exegese" mangels Wissenschaftlichkeit (Setzung der Existenz eines Heilsplan schmiedenden Gottes) nicht den Hauch einer Chance hatte, sich an den theologischen Fakultäten zu etablieren.sven23 hat geschrieben:Ähm, was die Autoren damit gemeint haben, ist sozusagen das Kerngeschäft der Forschung. Hingegen Kanoniker begnügen sich mit der "Rezeption", als dem, was man posthum daraus gemacht hat.
Ratzinger muss sich im Zustand geistiger Umnachtung befunden haben, als er von den Exegeten einen Glaubensentscheid forderte.
Ihm graust halt vor der Erkenntnis des Philosophen Ludwig Wittgenstein, dass man muss darüber schweigen muss, wovon man nicht sprechen kann.sven23 hat geschrieben:Und wieder kommt der closs ins Schwafeln.![]()
... und Meister der EISEGESE.sven23 hat geschrieben:Sagte der bekennende Tautologe und Zirkelschlüssler Dr. closs.closs hat geschrieben: Oje - nicht nur mit Zirkelschluss, sondern auch mit Tautologie hast Du Deine Not.
#526 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
Folgt man den Evangelien, befand sich Jesus nur einen Tag und zwei Nächte im Grab. Und nun?Roland hat geschrieben: ↑So 31. Mär 2019, 11:56
Atheisten dagegen, sehen nur den Zufall und deuten historisch bezeugte Wunder um und glauben ihnen nicht. Fordern stattdessen "Laborbeweise". So wie die Pharisäer in Matthäus 12:
"38 Da antworteten ihm einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprachen: Meister, wir wollen ein Zeichen von dir sehen. 39 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jona.
40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein."
#527 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
Man sollte als Zwerg nicht über Riesen urteilen.
So gesehen müsste die HKE die Klappe halten, wenn sie über Jesu Meinung zur Naherwartung spricht. - Und das Forum müsste im wesentlichen dicht machen. - Aber tröste Dich: Wittgenstein hatte unter dem Strich unrecht.
#528 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
Christen erleben ständig Wunder. Man muss nur die Augen aufmachen und sie sehen wollen. [/quote]
Wunder im biblischen Sinn als übernatürliches Durchbrechen von Naturgesetzen? Kannst du uns mehr darüber berichten?
Ja, ein blaues Wunder.

Nur nach dieser Methode kann man überhaupt auf die Idee einer Naherwartung kommen. Zwei Verslein, und die falsch gedeutet, gegen den gesamten Rest des Evangeliums. DAS ist Steinbruchmethode! [/quote]
Nein, wenn man z. b. sich Stellen aus dem AT rauspickt und diese sinnwidrig auf Jesus projiziert. Das Herauslösen aus einem Kontext nennt man Steinbruchmethode.
Steinbruch-Methode oder Beweistextmethode (engl. proof-texting) ist das Herausgreifen von Zitaten aus einem Text, um eine Behauptung zu untermauern. Kritiker bemerken, dass solche aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate die ursprüngliche Absicht des Autors möglicherweise nicht genau wiedergeben[1] und dass ein Dokument, das so zitiert wird, die Behauptung, für die es zitiert wird, möglicherweise gar nicht stützt, wenn man es ganz liest.
Quelle: Wikipedia
Die Existenz Gottes wird nicht thematisiert, das ist ein großer Unterschied, den man erst mal verstehen muss.
Wenn alle Texte, die Götter thematisieren, so interpretiert werden, als ob die Götter auch tatsächlich existieren, bewegt man sich in Zirkelschlüssen. Dann ist der islamische Gott genauso plausibel wie der christliche oder hinduistische Götter. Deshalb gibt es keine Sonderbehandlung für den christlichen Gott, auch wenn Roland das nicht verstehen will.
Nein, das Weglassen von Glaubensbekenntnissen ist nicht das gleiche wie das Glaubensbekenntnis, dass die biblischen Schriften göttlich inspiriert und irrtumsfrei sind.
Auch Gottessöhne können sich wohl irren. Jesus selbst betete doch: "Dein Reich komme". Er sagte nicht: mein Reich komme. Das ist spätere christliche Umdeutung seiner Naherwartung auf ihn selbst hin. Er hatte aber keine Naherwartung auf sich selbst.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell
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#529 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
Nein, gerade da darf und muss sie sprechen. Die Naherwartung stand im Zentrum seiner Verkündigung. Soll sie über seine Verdauungsprobleme sprechen, von denen uns aber nichts bekannt ist.

Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell
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#530 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen
So ist es. Dein hämisches Lachen beruht auf deiner Unwissenheit:Roland hat geschrieben: ↑So 31. Mär 2019, 11:56Andreas hat geschrieben: ↑Sa 30. Mär 2019, 19:53Du kannst anscheinend immer noch nicht unterscheiden zwischen der historischen Methode der Theologie wenn sie sich der Geschichtswissenschaften bedient um das Christentum zu untersuchen und der historisch-kritischen Methode der Schriftauslegung. Das sind zwei paar Stiefel zu zwei ganz unterschiedlichen Themengebieten.Lüdemann beschreibt also quasi in einem Satz zwei verschiedene Paar Stiefel??
Es sind tatsächlich zwei paar Stiefel. Da dies etwas verwirrend sein kann, wird ersteres zwecks besserer Unterscheidbarkeit nicht nur von Lüdemann, sondern oft verkürzt mit "historischer Methode" in der Fachliteratur wiedergegeben. Ansonsten erschließt sich aus dem Kontext recht einfach, ob es bei dem Begriff um Geschichtswissenschaft oder um Textauslegung geht. Bei unserem Beispiel Lüdemanns geht es primär um die Geschichtswissenschaft.Historisch-kritische Methode (Begriffsklärung) hat geschrieben:
Historisch-kritische Methode steht für:
Historisch-kritische Methode (Geschichtswissenschaft), eine Methode der Geschichtswissenschaft, begründet durch Barthold Georg Niebuhr im 19. Jahrhundert
Historisch-kritische Methode in der Theologie, einen Methodenapparat zur Untersuchung von historischen Texten
Der Artikels Lüdemanns ist eine Leseprobe aus seinem Buch: Die Auferweckung Jesu von den Toten. Unser Zitat stammt aus dem Kapitel: Die Auferstehung Jesu - in Auseinandersetzung mit zwei neueren dogmatischen Entwürfen (Dalferth und Ringleben).
Das Thema ist also nicht die historisch-kritische Methode der Textauslegung sondern ein Diskurs zwischen Systematischer Theologie (Dogmatik) der Herren Dalferth, Ringleben und der Historischen Theologie in Lüdemanns geschichtswissenschaftlichem Verständnis. Der Kontext "unseres" Zitats ist eindeutig und macht mehr als deutlich klar, dass es hier im wesentlichen um Dogmatik geht, die im Widerspruch zur historischen Methode der Geschichtswissenschaft innerhalb der Theologie steht. Die Historische Theologie hat seiner Meinung nach zu Recht den Rang einer Wissenschaft, während die Systematische Theologie (Dogmatik) keinen Anspruch auf den Rang "Wissenschaft" erheben kann, da sich ihre Glaubens-Inhalte bzw. die "Objekte" (Gott, Offenbarung, Inspiration, Wunder, Prophetie, Verheißung usw.) nicht wissenschaftlich erforschen lassen.
Die Auferweckung Jesu von den Toten. Ursprung und Geschichte einer Selbsttäuschung, Lüneburg: zu Klampen, 2002, S. 218-228 hat geschrieben: Indes hinterlassen die Ausführungen Dalferths bei mir vorwiegend Ratlosigkeit. Ich brauche nicht darüber belehrt zu werden, dass das Leben mehr umfasse als Wissenschaft. Diese Einsicht ist jedermann evident. Die Frage stellt sich aber, wieso und kraft welchen Erkenntnisprivilegs Dalferth und alle, die seiner Meinung sind, ihrer Disziplin den Rang einer Wissenschaft zugestehen. Auf sie trifft eher der Ausdruck "Meinerei" zu, die unverzüglich von der Universität verschwinden wird, sobald die Macht der Kirchen ihr nicht mehr die Stange hält. In ihr ist nämlich "Gott" eine unhinterfragbare Größe, obwohl diese in den modernen wissenschaftlichen Disziplinen gar nicht mehr vorkommt, und das mit Recht.
Im Gegensatz zu Dalferth ist Theologie für mich nur dann eine wissenschaftliche Disziplin, wenn sie die wissenschaftlichen Normen der modernen europäischen Universität einhält und von Erkenntnisprivilegien jeglicher Art - auch von dem Privileg der Erkenntnis Gottes - Abschied nimmt. Theologie ist insofern eine geschichtliche Disziplin, als sie das Christentum mit Hilfe der historisch-kritischen Methode untersucht. Und für die historische Methode gelten drei Voraussetzungen: die Kausalität, die Berücksichtigung von Analogien und die Erkenntnis von der Wechselbeziehung der historischen Phänomene zueinander. Ihre Arbeitsweise folgt dem methodischen Atheismus der Neuzeit ("als ob es Gott nicht gäbe"), der freilich von einem dogmatischen Atheismus zu unterscheiden ist. Befreit von den übernatürlichen Voraussetzungen und ausgerüstet mit einem Instrumentarium historischer Kritik, hat die so verstandene Theologie als wissenschaftliche Disziplin geradezu eine kopernikanische Wende für alle Kirchen- und Religionsgemeinschaften zur Folge. Sie hat sich in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen behauptet und völlig neue Einsichten geliefert.
Die historische Methode ist Teil des emanzipatorischen Prozesses wissenschaftlicher Neugierde. Sie will Sinngebungen nachvollziehen, d.h. verstehen, muss sich aber, will sie denn Objektivität anstreben und die Welt entzaubern, gerade deshalb von allen ihr begegnenden fremden Ansprüchen emanzipieren:
a) vom Anspruch des kanonischen Status bzw. der Heiligkeit bestimmter Schriften,
b) vom Anspruch einer Offenbarung, da Offenbarung kein wissenschaftlicher Begriff ist,
c) vom Anspruch, zwischen Rechtgläubigkeit und Ketzerei in einem Sinn zu unterscheiden, der über die Rekonstruktion und Wahrnehmung historischer Ansprüche hinausgeht. Denn hier stehen sich essentiell nicht entscheidbare dogmatisch-theologische Urteile einander gegenüber.
Die historische Methode verweigert eine Antwort auf die religiöse Wahrheitsfrage und kann nur verschiedene Wahrheitsansprüche miteinander vergleichen. Sie ist darin ideologiekritisch. Als geschichtswissenschaftliches und philologisches Instrument ist sie den Methoden der Geisteswissenschaften in all ihren Ausprägungen verpflichtet. Entscheidend bei der Übernahme neuer Methoden aus den Nachbardisziplinen, wie Soziologie, Psychologie und Ethnologie, ist deren Überprüfbarkeit und Fruchtbarkeit in der Aufhellung geschichtlicher Phänomene. Ihre Voraussetzungen müssen revidierbar bleiben und können immer nur durch ihre erklärende und deutende Wirkung, aber nicht durch kirchlichen Machtwillen in Geltung gehalten werden.
Verständlich, dass du auf dieses Argument mit keiner Silbe eingegangen bist:
Du erwartest doch sicherlich nicht, dass man sakrale Texte aus dem nicht jüdisch-christlichen Umfeld so behandelte, als ob es die darin erwähnten Götter gäbe, denn dann gäbe es "historische Tatsachenberichte" vom Handeln all der anderen Götter in der Geschichte und dein (bzw. unser) christlicher Monotheismus wäre dahin! Das kannst du nicht wirklich wollen, dass die anderen Götter auch "wissenschaftlich" als historische Tatsachen belegt werden wie Jahwe. Das wäre aber die unausweichliche Konsequenz davon.
Lüdemann geht im weiteren nicht von ungefähr auch auf diese dogmatische Thematik ein.
Die Auferweckung Jesu von den Toten. Ursprung und Geschichte einer Selbsttäuschung, Lüneburg: zu Klampen, 2002, S. 218-228 hat geschrieben:Statt dessen führten diese Gnostiker göttliche Wesen ein, die über diesem alttestamentlichen Gott stehen. Dies haben sie in zahlreichen Texten mit großer Plausibilität getan, während Juden und Christen mit guten Gründen am Gott des Alten Testaments festhielten, aber unter sich wegen des verschiedenen Verständnisses Jesu verfeindet blieben.
Demnach gilt: Der Wahrheitsanspruch der christlichen Rede von Gott erliegt ebenso wie der Wahrheitsanspruch der jüdischen, der muslimischen und der gnostischen Rede von Gott historischer Relativität. Er ist ausschließlich ein Urteil oder ein Bekenntnis der jeweiligen Glaubensgemeinschaft. Das muss gegenüber Dalferth und anderen kirchlich gebundenen Theologen betont werden, die, wenn sie "Gott" sagen, unter der Hand immer den christlichen Gott meinen und unverzüglich einen Wahrheitsanspruch der Rede von ihm erheben.
Die Theologie gliedert sich bekanntlich in drei Disziplinen:
A) Historische Theologie (Christentums-, Kirchen- und Theologiegeschichte; Einleitungswissenschaft, Religionsgeschichte usw.)
B) Systematische Theologie (Dogmatik Glaubensfragen)
C) Praktische Theologie
Das zentrale Thema dieser Leseprobe ist die steigende Divergenz von A) und B), also der Historischen Theologie und der Systematischen Theologie (Dogmatik).
Im Kern geht es hier um den Unterschied von Glauben und Wissen, um das, was wir glauben dürfen und das, was wir wissen können und darum, wie sich beides besser miteinander vereinbaren ließe.
Ich hoffe dein Missverständnis dieses Textes von Lüdemann damit endlich ausgeräumt zu haben.
Zuletzt geändert von Andreas am So 31. Mär 2019, 15:19, insgesamt 3-mal geändert.