closs hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 17:37
Anton B. hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 16:26
Was soll denn da zwischen den Ur-Großeltern, den Großeltern, Eltern uns und unseren Nachkommen anders sein? Für wen und warum?
Denk-Formatierungen. - Meine Mutter war 6, als Hitler an die Macht kam - sie wurde als BDM (Bund deutscher Mädels) anders formatiert als ich, der 7 war, als Kennedy ermordet wurde und unsere Schulklasse samt Lehrerin geheult hat.
Schön und gut. Ich, als das Abenteuer "Weltraum" in Angriff genommen wurde. Aber inwiefern führt dies zu den von Dir postulierten Unterschieden im Verständnis des Wirklichkeitsbegriffes?
Als Kind fand ich den Wrklichkeitsbegriff prima. Es ist ja so befriedigend, Sätze wie, "
.. das ist wirklich so ..." oder "
... wir wollen doch jetzt mal herausfinden, was wirklich der Fall ist" sagen zu können.
Und Wirklichkeit wurde damals vom Anton ganz im closs'schen Sinne, sozusagen platonistisch, verstanden.
closs hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 17:37
Anton B. hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 16:26
Du hast ja den Wirklichkeitsbegriff hier in diesem Forum als "Philosoph" aufgebracht.
Naja - eigentlich vermute ich, dass soviel Unterschiedliches damit gemeint wird, dass man dieses Wort möglicherweise überhaupt nicht mehr verwenden kann. - Es gibt immer mehr Inhalte, für die es keine passenden bzw. unkontaminierten Worte mehr gibt.
Siehe Dir unsere Fachsprachen an. Seit Erfindung der Sprache wurden auch immer neue Wörter erfunden. Oder alte Wörter neu nutzbar gemacht. Oder -- wie unsere geliebten geologischen Beispiele von aus dem Hawaianischen entlehnten Begriffen für Ergussgesteine oder dem Isländischen abgetrotztes Sprachmaterial zur Bezeichnung eines Teils des glazialen Formeninventars. Und wenn alles scheitert, haben wir doch noch unser geliebtes "
sensu".
closs hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 17:37
Anton B. hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 16:26
Hier ist wohl ein Fachwort in den Alltagswortschatz gewandert.
Das kommt oft vor - noch öfter kommt vor, dass ein Allgemein-Wort von Fachkreisen aufgenommen wird und semantisch verändert wird. - Das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe: Allgemeinsprache und Fachsprache meinen etwas anderes damit.
Na gut. Auch deshalb hast Du doch diesen Thread eröffnet. Und ich sehe kommunikative Möglichkeiten, das Handzuhaben. Auch, wenn man sich etwas "recken" muss.
closs hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 17:37
Anton B. hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 16:26
Wichtig ist zudem das Verständnis von Wirklichkeit zu Realität.

Gutes Beispiel dafür, dass in der Allgemeinsprache beide Begriffe synonym verstanden werden.
Kluge (2002, 24. Aufl.; Lemma "wirklich") sagt:
Von den Mystikern gebildet zu wirken als würk(en)lich, wirklich mit der Bedeutung "im Wirken, durch Handeln geschehend". In der Abgrenzung gegen wirksam bekommt das Wort im 18. Jh. allgemein die Bedeutung "real"
Den ausführlichen Artikel "Lemma "Realität/Wirklichkeit" von Stadler in Sandkühlers Enzyklopädie Philosophie" kann ich nur empfehlen. Siehe darin auch die Bemerkungen zur "ontischen Realität".
Stadler versucht, die Begriffe Wirklichkeit und Realität auf Gedanken und Begriffe der altgriechischen Philosophie (insbesondere Parmenides, Platon und Aristoteles) zurück zu führen. Die EInführung des Terminus "Wirklichkeit" für das aristotelische Kunstwort
energeia und dessen lateinische Übersetzungen
actus,
actualitas führt er auf Meister Eckhart zurück. Hieraus ergäbe sich eine seinerzeitige grundsätzliche Unterscheidung in Wirklichkeit als das, "was wirkt" und hinter den "Erscheinungen" liegt und Realität als "bewirkter Erscheinung".
Bezüglich Wirklichkeit und Realismus in den Wissenschaften führt Stadler (1999, in Sandkühler, Enzyklopädie Philosophie: Lemma Realität/Wirklichkeit") aus:
Aus dem historiwechen und dem heutigen philosophischen und alltagsweltlichen Sprachgebrauch wird ersichtlich, dass man die die Ausdrücke R.> bzw. <W.> verwendet, um denjenigen Bereich der vorgefundenen Welt in zwei Aspekten der wahrnehmenden Erkenntnis bzw. der begrifflichen Bestimmung oder theoretischen Erklärung, zu umreißen, der -- unserer empirisch-wissenschaftlich, pragmatische oder <a-priorisch> begründeten -- Ansicht nach unabhängig von unseren besonderen Meinungen, Handlungen und Zwecksetzungen existiert und dessen Existenz von uns als maßgebliches Faktum (Tatsache/Sachverhalt) bei der Planung und Durchführung unserer Handlungen hingenommen und als Ursachen von im Rahmen technisch-poietischer Praxen reproduzierbar auftretender Ereignisse angesehen werden.
closs hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 17:37
Der "Normalo" versteht unter "real", dass etwas (mutmaßlich) der Fall ist (so sagt er es nicht, aber so denkt er inhaltlich) - das führt dazu, dass ein christlicher Normalo Gott als "real" versteht - ansonsten wäre er ja irreal, als "erfunden" (oä). - Ich wette, dass Deine Fachsprachen-Definition eine andere ist. - Und schon laufen Fachwelt und Volk wieder aneinander vorbei.
Und wir bringen sie dann wieder zu einem gegenseitigen Verständnis zusammen.
closs hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 17:37
Anton B. hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 16:26
Also dass es jetzt in der akademischen Welt ein bestimmtes kritisches Verhältnis zum Wirklichkeitsbegriff gibt
wer ist die jetzige akademische Welt? - Meinst Du damit die 40% aller Jugendlichen, die sich per Bachelor als Akademiker ins Berufsleben verabschieden? - Wenn, würde ich eher ein substantiell unkritisches Verhältnis unterstellen - man plappert.
Lass' gut sein. Mit "akademischer Welt" hatte ich den Teil gemeint, der sich sachlich-fachlich damit beschäftigt.
closs hat geschrieben: ↑Fr 8. Feb 2019, 17:37
1) Was ist nach DEINER Definition "Wirklichkeit"?
2) Dito "Realität"?
Ich verstehe es ungefähr so, wie ich es aus dem Stadler hier zitiert habe. Wobei mir bezüglich meiner wissenschaftlichen Tätigkeit den Nutzen der beiden Termini nicht nachvollziehen kann. Nach längerer persönlicher und beruflicher Entwicklung verzichte ich weitgehend auf den Gebrauch.
Ja, bei mir ist der Gebrauch so diskreditiert, dass ich auch hinsichtlich des Ausdrucks meines Glaubens gerne auf die Verwendung verzichte.
Anton B.: "
In Wirklichkeit gibt es Gott!" "
Der Heilige Geist wirkt in der Realität!" Nee, tut mir leid, da bleibe ich doch lieber beim "Vater unser" oder unserem apostolischem Bekenntnis.
Dann gibt es noch die ganz naive Verwendung im Alltagsleben, die vermutlich Deinem Wirklichkeitsbegriff sehr entspricht.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.