So nah und doch so fern?

closs
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#551 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Fr 18. Okt 2013, 08:48

Münek hat geschrieben:Glaubst Du vielleicht, Bachs geniale Werke wurden ihm - aus welcher Veranlassung und auf welchem Wege auch immer - aus dem Jenseits "spirituell übermittelt" und er hat das dann dank seiner außerordentlichen Begabung notenmäßig umgesetzt?
Nein - "gebeamt" wird das nicht. - Aber es gibt Menschen, die innerlich so tief mit dem Überzeitlichen verbunden sind, dass dieses Überzeitliche über diese Menschen vermittelbar wird.

Natürlich kann man das (wie immer) "innerbetrieblich" erklären - der Mensch sei halt so. - Aber das ist aus meiner Sicht zu wenig. - Es gibt einen Grund, warum manche Werke nach 500 Jahren genauso aktuell sind wie bei ihrer Entstehung, und andere Werke nach 3 Monaten ausgelutscht sind, weil sie zwar gefällig, aber auch oberflächlich sind. - Wie man das beweisen kann? Weiß ich nicht. - In der Praxis ist das nicht nötig, weil die Menschen, die so etwas weltweit auf Anhieb erkennen, sich auch gegenseitig erkennen.

Münek hat geschrieben: Ich würde mich außerordentlich wundern. Das Letzte allerdings, was mir einfiele, wäre der Gedanke an ein von Gott bewirktes Wunder!
Siehst Du: Das ist der Grund, warum es relativ blödsinnig ist, mit Wundern zu hantieren: Selbst wenn es welche wären, würden sie naturalistisch eingeordnet werden - wäre also aus Sicht der "Einordner" keine Wunder. Ich bin übrigens (aus diesem Grund) auch kein Freund von Wundern - das ist etwas für Menschen, denen es nicht gegeben ist, geistige Zeichen gestaltfrei zu deuten.

Demian hat geschrieben:GEIST ist im spirituellen Sinne eine transzendente Kategorie, eigentlich das Sein selbst, welches ein Künstler durch seine Person hindurch zum Ausdruck bringen kann.
Gute Definition. :clap:

Pluto hat geschrieben:Letzteres ist lediglich eine Behauptung, die es nachzuweisen gilt.
Da ist eher "erkennen" gefragt. - Wie oben gesagt: Es gibt Bereiche, die nicht bewiesen, sondern erkannt sein müssen. - Man kann allenfalls prüfen, ob der Gleichklang des Erkennens den "Tatbestand" des Übersubjektiven erfüllt.

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sven23
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#552 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Fr 18. Okt 2013, 09:15

Die Parusie ist wie kaum ein anderes Thema untrennbar mit der Person des Paulus verknüpft.
Man könnte ihn als den ersten Christen bezeichnen und nicht Jesus, der lediglich ein jüdischer Sektierer war.
Der Bibelkundler Hyam Maccoby hält in seinem Buch "Paulus, nicht Jesus" für "den Stifter des Christentums als einer neuen Religion, die sich vom normalen Judaismus (...) fortentwickelte."

Dazu ein Literaturtip:
http://www.amazon.de/s/ref=nb_sb_noss/2 ... %20Maccoby

Einige Theologen wie Hermann Detering halten Paulus an sich für eine Fälschung.
"So sind Thesen über einen nicht existierenden Paulus, wie sie zum Beispiel der evangelische Pfarrer Hermann Detering in seinem Buch "Der gefälschte Paulus" veröffentlicht, nicht von der Hand zu weisen. Detering mutmaßt, dass die Paulusbriefe viel später und von ganz anderen Männern geschrieben sein könnten und dass die Apostel- geschichte erst im 2. Jahrhundert verfasst wurde."

Quelle

Auch Nietzsche war so voller Ekel gegenüber Paulus, dass er empfahl, "Handschuhe anzuziehen, wenn man das Neue Testament liest."
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Demian
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#553 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Demian » Fr 18. Okt 2013, 11:15

sven23 hat geschrieben: Auch Nietzsche war so voller Ekel gegenüber Paulus, dass er empfahl, "Handschuhe anzuziehen, wenn man das Neue Testament liest."

Nietzsche war sicher auch genügend von sich selbst angeekelt. ;) Wenn jemand den Ekel so sehr kultivierte, wundert es nicht, wenn er sich ausgerechnet solch bedeutende Personen herausgesucht hat, um sie philosophisch zum Anlass zu nehmen. Aber Nietzsche hatte selbst prophetische Anwandlungen und man kann ihn als Verfechter einer "gottlosen Mystik" bezeichnen. Die hat er eben von anderen - vorallem ähnlichen, aber andere Erklärungen bevorzugende - Denkern abgegrenzt. Er sagte ja selbst: ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit. Das wollte er sein, ganz bewusst ... ein Genie das in keine einseitige Kategorie passt ... und das war er schließlich auch. Es ist aber - retrospektiv - wichtig das zu wissen und dieses nitzeanische Naturell zu berücksichtigen, um in einen sinnvollen Austausch mit seinen Gedanken zu treten - und auch eine objektive Betrachtung der Religion zu bekommen.

In diesem Sinne war er nämlich sogar eine Art Christ: "Im Grunde gab es nur Einen Christen, und der starb am Kreuz. Das "Evangelium" starb am Kreuz. Es ist falsch bis zum Unsinn, wenn man in einem "Glauben", etwa im Glauben an die Erlösung durch Christus das Abzeichen des Christen sieht: bloß die christliche Praktik, ein Leben so wie der, der am Kreuze starb, es lebte, ist christlich. Heute noch ist ein solches Leben möglich, für gewisse Menschen sogar notwendig: das echte, das ursprüngliche Christentum wird zu allen Zeiten möglich sein ... Nicht ein Glauben, sondern ein Tun, ein Vieles-nicht-tun vor allem, ein andres Sein." ( Nietzsche )

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sven23
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#554 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Fr 18. Okt 2013, 20:22

Paulus war zunächst überzeugt, die Wiederkunft selbst noch zu erleben. Als die Jahre ins Land gingen, kamen ihm wohl Zweifel, ob er selbst es noch erleben würde, ging aber immer noch von einem nahen Termin aus.

Wandel in der Erwartung des Heils

"11 Und dies tut als solche, die die Zeit erkennen, dass die Stunde schon da ist, dass ihr aus dem Schlaf aufwacht! Denn jetzt ist unsere Rettung5 näher, als da wir zum Glauben kamen:
12 Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe."
Römer 13, 11-12
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#555 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Pluto » Fr 18. Okt 2013, 21:34

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Letzteres ist lediglich eine Behauptung, die es nachzuweisen gilt.
Da ist eher "erkennen" gefragt. - Wie oben gesagt: Es gibt Bereiche, die nicht bewiesen, sondern erkannt sein müssen. - Man kann allenfalls prüfen, ob der Gleichklang des Erkennens den "Tatbestand" des Übersubjektiven erfüllt.
Ähm... "Übersubjektiv" gibt es nicht.
Du mentest sicher Intersubjektiv. Doch um den Tatbestand der Intersubjektivität zu erfüllen, müssten alle Menschen erkennen, nicht nur ein paar wenige ausgesprochene Musikfreaks.
Also ist leider nix mit Erkennen, sorry.
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#556 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Fr 18. Okt 2013, 21:47

Pluto hat geschrieben:Du mentest sicher Intersubjektiv.
Ja.

Pluto hat geschrieben:Doch um den Tatbestand der Intersubjektivität zu erfüllen, müssten alle Menschen erkennen
Das geht da leider nicht. - Hier ist es eine Gruppe, die vorhersehbar ziemlich gleich reagiert.

Pluto hat geschrieben:Also ist leider nix mit Erkennen, sorry.
Wieso das? - Natürlich geht es via Erkennen (wie sonst)? - Aber nicht "intersubjektiv", wenn das für alle gelten muss.

Nebenbei: Ist Intersubjektivität eingelöst, wenn der Mensch einen Sonnenaufgang sieht? - Wenn ja: Was ist dann mit den Blinden?

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#557 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Pluto » Fr 18. Okt 2013, 22:14

closs hat geschrieben:Nebenbei: Ist Intersubjektivität eingelöst, wenn der Mensch einen Sonnenaufgang sieht? - Wenn ja: Was ist dann mit den Blinden?
Aber gewiss doch... denn auch Blinde spüren die wärmenden Strahlen. ;)
Ausserdem kann man Intersubjektivität auch einfordern wenn man etwas messen kann.
Leider gibt es noch keine Messgeräte um die "Tiefe" von Musik zu messen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#558 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Fr 18. Okt 2013, 23:19

Pluto hat geschrieben: wenn der Mensch einen Sonnenaufgang sieht?
Es ging jetzt um den Teilbereich des Sehens - bzw. um die generelle Frage, ob die Blindheit des Einzelnen die Einlösung von Intersubjektivität vereiteln kann.

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#559 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Pluto » Fr 18. Okt 2013, 23:24

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: wenn der Mensch einen Sonnenaufgang sieht?
Es ging jetzt um den Teilbereich des Sehens - bzw. um die generelle Frage, ob die Blindheit des Einzelnen die Einlösung von Intersubjektivität vereiteln kann.
Du musst nicht das Wörtliche überbewerten. "Sehen" steht hier für "Beobachten".
Und beobachten kann man mit allen Sinnen oder auch den geeigneten Messgeräten.
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#560 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Fr 18. Okt 2013, 23:53

Pluto hat geschrieben:Du musst nicht das Wörtliche überbewerten.
OK - dann machen wir es NOCH allgemeiner: Vereitelt die Nicht-Befähigung Einzelner (oder mehrerer), dass Intersubjektivität nicht eingelöst werden kann?

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