Versagt die Evolutionstheorie? II

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
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closs
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#651 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Mo 29. Okt 2018, 12:55

Claymore hat geschrieben:Ja, dann erklär doch mal, was um Gottes willen “hermeneutische Vorannahme” hier in diesem Thread bedeuten soll. Du benutzt das Wort in einem Kontext, wo es sonst kein normaler Mensch verwenden würde. Hier geht es nicht um die Interpretation von Texten oder Kunstwerken.
Siehst Du: Das ist eine wik-typische Mini-Definition fürs Volk - genauso wie (nur nebenbei) "Dialektik" gelegentlich als rhetorische Größe definiert wird. - Also voll an der Substanz vorbei. - Bleiben wir bei "Hermeneutik" im philosophischen Sinne (und auch da nur ein Ausschnitt, weil dies ein heterogener Begriff ist) - hier eine bewusst auf Verständnis ausgelegte Erklärung, verbunden mit der Bitte, sie nur auf dieser Ebene zu verstehen (alles andere führt wieder zu endlosen Null-Debatten wie etwa "Ich kann nachweisen, dass es woanders anders verstanden wird") - also zum Kern:

Hermeneutik ist in der Tat erst mal ein Synonym für "verstehen", "erklären", "interpretieren", "auslegen" - aber damit kommt man nicht weit. - Viel wichtiger ist die Frage, auf welcher Basis man eigentlich versteht. - Und da kommt der sog. "Hermeneutische Zirkel" ins Spiel (der eigentlich "Hermeneutische Spirale" heißen sollte) - konkret:

I:
Du liest meinetwegen ein Buch von Ratzinger. - Dein Vorwissen, besser Vorannahmen, ist eventuell, dass Du weißt, dass Ratinger katholisch ist und der Katholizismus Dogmen hat und Maria verehrt und sicher noch irgendwas. - Mit dieser Basis fängst Du an zu lesen.

Am Ende des Buchs hast Du furchtbar viel gelernt und liest das Buch erneut und verstehst plötzlich Dinge, die Du vorher überlesen hast ganz neu - eben weil Du durch den ersten Durchgang so viel gelernt hast, dass Deine Vorannahmen ("Vorwissen") im zweiten Durchlauf sehr viel elaborierter sind als beim ersten Mal.

Nach dem zweiten Lesen weißt Du WIEDER mehr als vorher und hast WIEDER mehr Vorannahmen ("Vorwissen"), wenn Du das dritte Mal das Buch durchliest - etc. --- Das heißt: Dein Vorwissen prägt Dein Verstehen des Buchinhalts UND der Buchinhalt prägt ebenfalls und umgekehrt Dein Vorwissen für den nächsten Durchgang.

Allgemein ausgedrückt: Dein Resonanz-Raum in Dir ermöglicht erst das Verstehen des Buchs und das Buch erweitert gleichzeitig Deinen Resonanzraum. - Das Entscheidende dabei: Jeder Mensch hat einen anderen Resonanzraum, versteht also - auf den geistes-wissenschaftlichen/theologischen Bereich bezogen - immer unterschiedlich.

Trotzdem kann er - nach geistes-wissenschaftlicher Sicht - kritisch-rational forschen, weil er seine Verständnis-Inhalte intersubjektiv verständlich darstellen kann, also allgemein nachvollziehbar machen kann. --- Und wenn Du jetzt die Kurve zu "Vernunft" haben möchtest: Die intersubjektiv nachvollziehbare Darstellunge von Inhalten sind aus Sicht der Geistes-Wissenschaften "vernünftig" dargestellt, selbst wenn das Objekt (meinetwegen "Gott") nicht falsifizierbar ist.

Diese Ansicht lehnen Vertreter des Naturalismus, aber auch der Naturwissenschaften in der Regel ab. - Warum? Aus hermeneutischen Gründen. :D

II:
Denn auch Naturwissenschaft oder andere empirische Wissenschaften haben hermeneutische Vorannahmen, die folglich ihr Verständnis des Untersuchten beeinflussen - nehmen wir die historisch-kritische Exegese.

Die HKE legt methodisch fest ("Vorannahme"), dass die Bibel so untersucht wird, als sei sie ein normaler antiker Text. - Weiter geht man davon aus ("Vorannahme"), dass "Geschichte" ein naturalistisch ungebrochener Wirkungszusammenhang sei (Bultmann), was auf gut Deutsch heißt, dass es historisch keine Wunder oder Auferstehungen, etc. geben kann. - Mit diesen hermeutischen Vorannahmen geht sie in die Auslegung und prozessiert ihren speziellen hermeneutischen Zirkel durch - bis hierher alles im grünen Bereich.

In den roten Bereich gerät es, wenn man unterscheidet zwischen hermeneutischen Systemen und wissenschaftlichen System - ersteres sei willkürlich, letzteres sei wissenschaftlich. - Diese Schnittebene ist falsch, da auch wissenschaftliche Vorannahmen (methodische Grundlagen) hermeneutischer Natur sind. - Das Problem: In der Praxis führt die Missachtung der Erkenntnis dazu, dass - konkreter Fall - Vertreter der historisch-kritischen Hermeneutik meinen, nur ihre Ergebnisse könnten "wahr in Bezug auf das sein, was ontisch/wirklich der Fall ist/war," was falsch ist, da unterschiedliche Hermeneutiken zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, die jeweils logisch richtig und somit jeweils "vernünftig" sein können. - Das ist der Grund, warum hier das Wort "Hermeneutik" so oft rumgeistert.

Claymore hat geschrieben:Privatsprache
Nein - das ist in den Geistes-Wissenschaften eine gängige Sache - Schlegel, Ast, Heidegger, Gadamer, etc. - Aber man findet es halt nicht so ohne weiteres in wik.

Claymore
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#652 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von Claymore » Mo 29. Okt 2018, 20:22

closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Ich bezweifle das. Keine Ahnung, was an bayerischen Universitäten irgendwann mal dazu gelehrt wurde und ob du es richtig verstanden hast.
Umgekehrte Frage: Welchen Sinn macht "kritischer Rationalismus", wenn er dann doch Dinge untersucht, die NICHT falsifizierbar sind?
Tja, es ging hier nicht um den kritischen Rationalismus, bzw. dein Verständnis davon (das möglicherweise fehlerhaft ist). Es ging zuerst einfach mal um den Menschen Popper, bzgl. dem du behauptest: “Er [Popper] sagt, er wolle nur untersuchen, was falsifizierbar ist.”

Du weigerst dich hartnäckig diese Behauptung zu belegen.
Hoppla - da gibt es schon eine Antwort: Man kann Dinge, die nicht falsifizierbar sind, auch kritisch rational untersuchen, wenn sich der Terminus "kritisch rational" auf die Argumentationsweise bezieht:
1) "Wir wollen wissen, ob es Gott gibt" ---- Gott ist nicht falsifizierbar, also als Objekt nicht kritisch-rational entscheidbar.
2) ABER: Die Argumentations-Führung selbst kann intersubjektiv überprüft werden, also falsifiziert werden, wenn sie nicht logisch im Sinne der hermeneutischen Vorannahmen ist.

Dies war damals bei uns in etwa die Begründung der Geisteswissenschaft, warum Geisteswissenschaft "WIssenschaft" ist, und warum der KR auch in der Geisteswissenschaft etwas zu tun hat. --- Dies aber wird heute weitgehend abgelehnt - dazu stellvertretend unsere Physikernin Janina, dernach Vorannahmen falsifizierbar sein müssen, damit man überhaupt von Wissenschaft sprechen könne. - Demnach wäre Popper (so wie WIR ihn damals gelernt haben) raus.
Ist ja schön, aber was haben “hermeneutische Vorannahmen” mit der Frage zu tun, in welchem Jahr Alexander der Große über Darius siegte? (ein Beispiel aus der Geisteswissenschaft Geschichtswissenschaft)
Claymore hat geschrieben:Du musst i.Ü. nicht aus Poppers Werk zitieren; Sekundärliteratur geht genauso.
Parat habe ich momentan nur die "Sekundärliteratur" der damaligen universitären Begründung in den GEISTESWISSENSCHAFTEN und der heutigen Begründung in den Naturwissenschaften, die anders lauten. - Ich kann mal wühlen, weiß aber noch nicht, wo ich anfangen soll.
Tja…
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Aber das findet man nicht durch Empirie heraus, sondern man liefert Beweise für einen Satz und dessen Negation.
Das wäre nah an unserer damaligen Begründung in den Geisteswissenschaften "Falsifizierung, wenn etwas nicht logisch im Sinne der hermeneutischen Vorannahmen ist".
Ich kann mit deiner inflationären Verwendung des Wortes “hermeneutisch” nichts anfangen. Ein logischer Widerspruch in der Mathematik ist schon auf rein syntaktischer Ebene des Kalküls zu erkennen, da braucht's nicht mal eine Interpretation. Und aus diesem Widerspruch folgt die Inkonsistenz der “Annahmen” (Axiome) selbst. “nicht logisch im Sinne der Annahmen” ist was anderes.
closs hat geschrieben:Wenn wir da jetzt tiefer reingehen wollen, wird die Hauptarbeit sein, Popper und Popper-Rezeption (alias Instrumentalisierung) zu unterscheiden - das ist eine Habilitationsarbeit. :D
Nein, das fehlt gerade noch.
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Und da es nun bei so einfachen Fragen schon hakt, was bringt es den Kritischen Rationalismus hier in die Diskussion einzuführen? Das schafft nur noch mehr Verwirrung.
Können wir uns sparen, wenn auf andere Weise folgendes Problem deutlich wird - nämlich:

Heute gilt im Allgemeinen (= öffentliche Wahrnehmung/mittlere intellektuelle SChicht - also fast alle) nur DAS als Wissenschaft, was Falsifizierbares behandelt. Gleichzeitig wird "wissenschaftliches Ergebnis" und "so ist es" (also Wahrnehmungs-Ebene und Seins-Ebene) gleichgeschaltet: "Methodisches Ergebnis = Tatsache/Faktum".

Dies hat aus meiner Sicht mit einem Missverständnis/einer Fehl-Rezeption von Popper zu tun, demnach man aus dem Satz "Wir untersuchen nur Falsifizierbares" gemacht hat "Was nicht falsifizierbar ist, 'ist' nicht". - Nach meiner Erinnerung ist hier Popper in SChutz zu nehmen, weil er sich vornehmlich als Methodiker verstanden hat ("Die Vorannahme ist, dass die Welt, so wie wir sie wahrnehmen, untersuchbar ist und nicht Produkt menschlicher Vorstellung ist - diese Art von Welt untersuche ich resp. der kritische Rationalismus") - ich kann mich NICHT erinnern, dass er gemeint hat: "Die Welt IST so und deshalb reicht meine Methodik aus, alles, was ist, zu untersuchen, da das, was ich nicht untersuchen kann, demgemäß nicht sein kann". - So wird es aber zeitgenössisch typischerweise philosophisch umgemodelt, was dann zur Schlussfolgerung führt, dass Gott als Entität nicht existieren kann, sondern nur "Einbildung" sein kann.

Das ist der Hintergrund für das Auftauchen des Begriffes "kritisch-rational", der gleichsam als Ticket d'entrée in jegliche Erkenntnis veredelt wird, weshalb alles andere "Geschwurbel" und "Esoterik" sei. --- Nun wird die echte intellektuelle Oberschicht dem nicht unbedingt folgen - aber diese hat keinen großen Einfluß auf das, was gesellschaftlich gilt. - Soweit zum Hintergrund für die Relevanz von Popper und Kritischer Rationalismus hier auf dem Forum.
Möglich. Belegt wird es ja nicht. Jedenfalls habe ich nicht auf dieser Schiene diskutiert. Was tun also irgendwelche deiner vergangen Auseinandersetzungen mit anderen hier zur Sache?

Wenn ich dich daran erinnern darf, wie das mit dem “kritisch-rational” anfing:
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben: Wie ist das ein Argument dafür (wie es die RKK meint), die Nicht-Akzeptanz des kath. geprägten Naturrechts durch Ungläubige wäre objektiv irrational?
Im heutigen Sinne ist das Wort "objektiv" falsch, da damit heute "kritisch-rational" gemeint ist. - Gemeint ist es vermutlich im Sinne von "ontisch" bzw. was im RKK-Glauben als ontisch gilt. -. Ich würde es übersetzen mit "Das Naturrecht ist Ausdruck der höchsten ontischen Vernunft in Gott" - was natürlich zur Folge hat, dass menschliche Vernunft in diesem Schatten "irrational" erscheint.
Ich habe “objektiv” hier einfach nur so verwenden wollen, dass es sich nicht um einen Glaubensstandpunkt handelt, sondern es jeder vernünftige Mensch (mit seiner menschlichen Vernunft) so einsehen muss. Ganz genauso wie das Zitat dies aussagt:
Benedikt XVI. hat geschrieben:Diese Grundsätze sind keine Glaubenswahrheiten, noch sind sie nur eine Ableitung aus dem Recht auf Religionsfreiheit. Sie sind in die menschliche Natur selbst eingeschrieben, mit der Vernunft erkennbar und so der gesamten Menschheit gemeinsam. Der Einsatz der Kirche zu ihrer Förderung hat also keinen konfessionellen Charakter, sondern ist an alle Menschen gerichtet, unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit.
Das ist alles.
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben: Es geht hier schließlich nicht um Naturwissenschaft, sondern um Vernunft.
Dito. - "Vernünftig" sei nur das, was falsifizierbar, also kritisch-rational nachweisbar sei.
Habe ich nie behauptet. Und es kommt auch in der Bundestagsrede von Benedikt XVI. nicht so vor.

Allein du hast, OCD-haft, das “kritisch-rational” in die Diskussion eingeführt, interpretierst es wie du gerade lustig bist (oftmals bizarr) und bringst lauter lustige Gleichsetzungen (“kritisch-rational = positivistisch”) und Unterstellungen von denen du keine einzige belegen willst oder kannst.
closs hat geschrieben:- Dazu kommt übrigens noch die wichtige Frage: Von WELCHER Vernunft sprechen wir: Menschen-Vernunft (das, was wir können) oder universale Vernunft (das, was IST)?
Von universaler Vernunft habe ich nie gesprochen; das entspringt rein deiner Fantasie. Dazuhin ist unklar, was das sein soll und warum “universale Vernunft = das, was IST” gelten soll.
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Die Frage war, warum Popper nicht Naturwissenschaftler war – wenn er doch (angeblich!) meinte “er wolle nur untersuchen, was falsifizierbar ist.” – und stattdessen Philosoph?
Aus meiner Sicht ist er weder das eine noch das andere, sondern er ist Methodiker. - Wenn man natürlich "Methodiker" gleichsetzt mit "Philosoph", war er Philosoph (Sprache ist flexibel).
Und was wäre deine Antwort, wenn du nicht auf die Frage ausweichen würdest?
closs hat geschrieben:Ich habe gerade mal in "Gablers Wirtschafts <sic!>-Lexikon" geguckt - dort steht:
"Popper-Kriterium

von Popper, dem Begründer des Kritischen Rationalismus, formulierter Vorschlag zur Abgrenzung erfahrungswissenschaftlicher Aussagen. Gefordert wird, dass ein empirisch-wissenschaftliches System an der Realität scheitern können muss. Es handelt sich um die logische Eigenschaft der Falsifizierbarkeit bzw. Prüfbarkeit erfahrungswissenschaftlicher Aussagen"

…
Was hat das eigentlich alles noch mit dem Thema zu tun?

Ursprünglich ging es um die Sexualethik der katholischen Kirche, wo ich einfach nur behaupte, dass sie lehrt:

“Der Mensch kann durch seine Vernunft unabhängig von Glaubensüberzeugungen herausfinden, dass Homosexualität, Verhütung und Masturbation amoralisch sind.”

Genügend Belege habe ich geliefert. Nur willst du das offensichtlich so gar nicht akzeptieren. Daher interpretierst du Zitate auf wirklich grausame Art gegen den Strich um. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. :lol:

closs
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#653 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Mo 29. Okt 2018, 21:17

Claymore hat geschrieben:Du weigerst dich hartnäckig diese Behauptung zu belegen.
Per Zitat kann ich es unmittelbar nicht, aber - wie ich denke - in haltlich schon - s.u. --- Außerdem: Wie sonst soll man "kritischen Rationalismus" definieren? -- Aber vielleicht löst sich das ja auf.

Claymore hat geschrieben:Ist ja schön, aber was haben “hermeneutische Vorannahmen” mit der Frage zu tun, in welchem Jahr Alexander der Große über Darius siegte? (ein Beispiel aus der Geisteswissenschaft Geschichtswissenschaft)
Zumindestens haben sie nichts mit transzendenten Vorannahmen zu tun. - Hermeneutische Vorannahmen in Bezug auf Deutung stehen nicht im Widerspruch zu rein sachlichem Basiswissen ("Thomas von Aquin lebte von 1225 bis 1274"), welches aber als Grundlage bedeutend ist.

Claymore hat geschrieben:Ich habe “objektiv” hier einfach nur so verwenden wollen, dass es sich nicht um einen Glaubensstandpunkt handelt, sondern es jeder vernünftige Mensch (mit seiner menschlichen Vernunft) so einsehen muss.
Wie soll das funktionieren? - In der Mathematik funktioniert das, aber doch nicht bei Dingen, die von der jeweiligen Denkformatierung des Menschen abhängig sind (ähm --- = hermeneutische Vorannahmen).

Claymore hat geschrieben:Ganz genauso wie das Zitat dies aussagt:

Benedikt XVI. hat geschrieben:
Diese Grundsätze sind keine Glaubenswahrheiten, noch sind sie nur eine Ableitung aus dem Recht auf Religionsfreiheit. Sie sind in die menschliche Natur selbst eingeschrieben, mit der Vernunft erkennbar und so der gesamten Menschheit gemeinsam. Der Einsatz der Kirche zu ihrer Förderung hat also keinen konfessionellen Charakter, sondern ist an alle Menschen gerichtet, unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit.

Das ist alles.
Meinst Du ernsthaft, dass mit dem, was man heute als "vernünftig" bezeichnet wird, akzeptieren wird, was Ratzinger mit "in der Natur eingeschrieben" beschreibt?

Claymore hat geschrieben:Von universaler Vernunft habe ich nie gesprochen; das entspringt rein deiner Fantasie. Dazuhin ist unklar, was das sein soll und warum “universale Vernunft = das, was IST” gelten soll.
Oje - das wäre wieder ein neues Brett. - Nur soviel: Ist für Dich "Vernunft" das, was der Mensch als solche versteht/benennt? Oder kannst Du Dir auch vorstellen, dass es eine höhere (göttliche) Vernunft gibt, die wir nicht verstehen, obwohl es Vernunft ist?

Wenn Deine Antwort wäre "Vernunft ist das, was der Mensch als solche verstehen kann": Glaubst Du, dass man damit alles verstehen kann, was "ist"?

Claymore hat geschrieben:Allein du hast, OCD-haft, das “kritisch-rational” in die Diskussion eingeführt
:lol: Ich hatte meine Gründe.

Claymore hat geschrieben:Und was wäre deine Antwort, wenn du nicht auf die Frage ausweichen würdest?
Das WAR eine Antwort:
1) Popper ist NICHT Natur-Wissenschaftler.
2) Popper ist Methodiker.
3) Wenn man "Methodiker" mit "Philosoph" gleichstellt, war er auch Philosoph.

Hier im Forum wurde mal (von jemandem anders) Popper zitiert, er habe sich verbeten, als "Philosoph" bezeichnet zu werden - er sei Methodiker. - Aber natürlich finde ich dieses Zitat NICHT.

Mal was Grundsätzliches: Ich habe in früheren Zeiten geistes-wissenschaftlich gearbeitet und dabei selbstverständlich alles zitiert, was von anderen kam - bei meiner letzten Arbeit waren es knapp 1.500 Zitate. - Außerhalb der Wissenschaft ziehe ich es vor, Gehörtes, Gelesenes und (hoffentlich ;) ) Verstandenes inhaltlich weiterzugeben, ohne dass ich dazu die Quellen nennen könnte - es ist einfach INHALTLICH gespeichert. - ich betrachte das als Luxus, weil alles andere nur mit einer aufwändig zu betreibenden Datei ginge.

Claymore hat geschrieben:Ursprünglich ging es um die Sexualethik der katholischen Kirche, wo ich einfach nur behaupte, dass sie lehrt:

“Der Mensch kann durch seine Vernunft unabhängig von Glaubensüberzeugungen herausfinden, dass Homosexualität, Verhütung und Masturbation amoralisch sind.”
Sorry - da kommt wieder das Wort "Hermeneutische Vorannahmen". - Denn Ratzinger kann dies nur meinen, wenn er gleichzeitig Vorannahmen damit verbindet, die es dem Menschen ermöglichen, dies zu erkennen.

Und jetzt käme wieder die Frage, was "Vernunft" sein soll? - Glaube mir: Meine Ausschweifungen hatten gute Gründe - wir werden wieder automatisch dort landen, wenn wir in die Tiefe gehen.

Apropos: Du hast wegen des Wortes "Hermeneutik" gefragt - waren meine Ausführungen aus Deiner Sicht verständlich?

Claymore hat geschrieben:Daher interpretierst du Zitate auf wirklich grausame Art gegen den Strich um.
Was ist "gegen den Strich"? - Doch gegen die eigene Auffassung, oder nicht?

Claymore hat geschrieben:Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. :lol:
Was darf aus Deiner Sicht nicht sein? - Was ist aus Deiner Sicht richtig?

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#654 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von Claymore » Mo 29. Okt 2018, 22:28

closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Ja, dann erklär doch mal, was um Gottes willen “hermeneutische Vorannahme” hier in diesem Thread bedeuten soll. Du benutzt das Wort in einem Kontext, wo es sonst kein normaler Mensch verwenden würde. Hier geht es nicht um die Interpretation von Texten oder Kunstwerken.
Siehst Du: Das ist eine wik-typische Mini-Definition fürs Volk
Und die Beispiele, die jetzt durchexerziert wurden sind…
closs hat geschrieben:I:
Du liest meinetwegen ein Buch von Ratzinger.
closs hat geschrieben: II: […] nehmen wir die historisch-kritische Exegese.

Die HKE legt methodisch fest ("Vorannahme"), dass die Bibel so untersucht wird, als sei sie ein normaler antiker Text.
2 × Texte!
:devil:
closs hat geschrieben:Nein - das ist in den Geistes-Wissenschaften eine gängige Sache - Schlegel, Ast, Heidegger, Gadamer, etc. - Aber man findet es halt nicht so ohne weiteres in wik.
Es geht doch gerade nicht um die Geisteswissenschaften sondern um deine Ausweitung des Begriffs Hermeneutik … auf alles (inkl. der Naturwissenschaften).
closs hat geschrieben:Per Zitat kann ich es unmittelbar nicht, aber - wie ich denke - in haltlich schon - s.u. --- Außerdem: Wie sonst soll man "kritischen Rationalismus" definieren? -- Aber vielleicht löst sich das ja auf.
Ja, ich geb's auf. Es wird nicht kommen.
closs hat geschrieben:Zumindestens haben sie nichts mit transzendenten Vorannahmen zu tun. - Hermeneutische Vorannahmen in Bezug auf Deutung stehen nicht im Widerspruch zu rein sachlichem Basiswissen ("Thomas von Aquin lebte von 1225 bis 1274"), welches aber als Grundlage bedeutend ist.
Und was ist noch alles sachliches Basiswissen? Die gesamte Naturwissenschaft vielleicht?
closs hat geschrieben:Wie soll das funktionieren?
Ich bin doch nicht der, der das behauptet, sondern Benedikt XVI.
closs hat geschrieben:- In der Mathematik funktioniert das, aber doch nicht bei Dingen, die von der jeweiligen Denkformatierung des Menschen abhängig sind (ähm --- = hermeneutische Vorannahmen).
Offensichtlich kann sich die “Denkformatierung” von Menschen auch wieder ändern, nicht?

Und was für Prozesse spielen da eine Rolle? Die “Denkformatierung unter der Denkformatierung” :?: :roll:

Bewegt sich die Änderung einer Denkformatierung immer jenseits der ratio? Oder gibt es nicht doch vernünftige und unvernünftige Veränderungen der Denkformatierung? Kurz – Vernunft. Aha: also genau das, was du relativieren wolltest um deinen radikalen Subjektivismus hier einzuführen.
closs hat geschrieben:Meinst Du ernsthaft, dass mit dem, was man heute als "vernünftig" bezeichnet wird, akzeptieren wird, was Ratzinger mit "in der Natur eingeschrieben" beschreibt?
Selbstverständlich wird Ratzinger's Naturrecht von der breiten Masse nicht als vernünftig angesehen. Aber das ist doch egal. Er sieht sich halt als einer der wenigen vernünftigen Menschen in einer irrationalen Zeit.
closs hat geschrieben:Das WAR eine Antwort:
1) Popper ist NICHT Natur-Wissenschaftler.
2) Popper ist Methodiker.
3) Wenn man "Methodiker" mit "Philosoph" gleichstellt, war er auch Philosoph.
Nein, das ist keine Antwort hierauf:
Claymore hat geschrieben:Die Frage war, warum Popper nicht Naturwissenschaftler war – wenn er doch (angeblich!) meinte “er wolle nur untersuchen, was falsifizierbar ist.”
closs hat geschrieben:Sorry - da kommt wieder das Wort "Hermeneutische Vorannahmen". - Denn Ratzinger kann dies nur meinen, wenn er gleichzeitig Vorannahmen damit verbindet, die es dem Menschen ermöglichen, dies zu erkennen.
Ja, wenn sie vernünftig sind. Die meisten modernen Menschen sind halt offensichtlich irrational nach Ratzinger.
Und jetzt käme wieder die Frage, was "Vernunft" sein soll? - Glaube mir: Meine Ausschweifungen hatten gute Gründe - wir werden wieder automatisch dort landen, wenn wir in die Tiefe gehen.
Ich habe nichts gegen diese Abschweifungen per se. Nur auf die Art, wie du sie hier betreibst. Das ist nämlich wirklich die Härte.
closs hat geschrieben:Apropos: Du hast wegen des Wortes "Hermeneutik" gefragt - waren meine Ausführungen aus Deiner Sicht verständlich?
Du hast da wieder mal punktgenau das wesentliche ausgelassen, nämlich was bitte Hermeneutik sein soll, wenn es nicht um die Interpretation von Kulturprodukten geht.
Was ist "gegen den Strich"? - Doch gegen die eigene Auffassung, oder nicht?
Nein. Es geht mir hier nur um wirklich extrem verzerrende Interpretationen. Wie z.B. wo Benedikt XVI. klipp und klar sagt, dass jemand mit homosexuellen Veranlagungen kein Priester werden soll und du das mit Gewalt so uminterpretierst als ob er nur über homosexuelle Handlungen sprechen würde.

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#655 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Mo 29. Okt 2018, 23:52

Claymore hat geschrieben:Es geht doch gerade nicht um die Geisteswissenschaften sondern um deine Ausweitung des Begriffs Hermeneutik … auf alles (inkl. der Naturwissenschaften).
Die hermeneutische Vorannahme der Naturwissenschaft ist bspw., dass "Natur" nicht Produkt der Vorstellung ist, sondern ontische Größe (also unabhängig von unserer Vorstellung IST). - Es ist deshalb eine Annahme, weil die Anwort auf die Frage "Nehme ich eigene Vorstellungen wahr oder IST Natur auch ohne meine Vorstellung?" nicht falsifizierbar ist - siehe Radikal-Skeptizismus/Descartes. - Damit wäre Deine Frage beantwortet.

Allerdings spielt in der PRaxis diese descartsche Diskussion keine Rolle, weil man im Allgemeinen davon ausgeht, dass die Natur NICHT Vorstellung, sondern Entität ist (dazu entscheidet sich Descartes ebenfalls). - Trotzdem handelt es sich hier um eine hermeneutische Vorannahme.

Claymore hat geschrieben:Ja, ich geb's auf. Es wird nicht kommen.
Könnte mal von DIR was kommen? - Ich weiß immer noch nicht, worauf Du außer auf Anzweifeln hinaus willst.

Claymore hat geschrieben:Und was ist noch alles sachliches Basiswissen? Die gesamte Naturwissenschaft vielleicht?
In der PRaxis sicherlich ja. - Aber damit ist nichts über den Stellenwert von Sach-Ergebnisse ausgesagt.

Claymore hat geschrieben:Offensichtlich kann sich die “Denkformatierung” von Menschen auch wieder ändern, nicht?
Richtig.

Claymore hat geschrieben:Und was für Prozesse spielen da eine Rolle? Die “Denkformatierung unter der Denkformatierung” :?: :roll:
:?: - Der Mensch kann durch Einflüsse zu ganz anderen Denkweisen kommen und beurteilt dann eventuell dasselbe ganz anders als vorher. - Ob er damit näher an dem ist, was "wahr" ist, ist schwer bis nicht ermittelbar. - Er kann allenfalls plausibel darstellen, warum es "so" ist, WENN seine (alte oder neue) Vorannahmen die richtigen sind.

Claymore hat geschrieben:Bewegt sich die Änderung einer Denkformatierung immer jenseits der ratio?
Definiere "Ratio". - Definiere "Vernunft". --- Vorher ist diese Frage nicht beantwortbar.

Claymore hat geschrieben:Vernunft. Aha: also genau das, was du relativieren wolltest um deinen radikalen Subjektivismus hier einzuführen.
Der radikale Subjektivismus kann dadurch vermieden werden, dass man Aussagen aus seinen diesbezüglichen Vorannahmen logisch und widerspruchsfrei begründen kann - so viel bleibt da am Ende nicht übrig.

Also: Radikaler Subjektivismus (ein Begriff, den DU eingeführt hast) soll ja nicht heißen, dass man irgendeinen SChmarrn behauptet ("Claymore hat drei Ohren und frühstückt Schwefelsäure"), sondern dass man das Verhältnis von Subjekt und Objekt untersucht und das Subjekt zum "Chef" macht. - Das ist übrigens mein Vorwurf an diejenigen Naturalisten, die postulieren, dass es außer naturwissenschaftlich Untersuchbarem keine Entität geben kann: Subjektivismus.

Claymore hat geschrieben:Er sieht sich halt als einer der wenigen vernünftigen Menschen in einer irrationalen Zeit.
Nee . ich vermute eher, dass er sich als Vertreter universaler Vernunft ("Gott") versteht, welche gegen anthropogene Vernunft ("Nur das ist vernünftig, was wir nachweisen können") steht.

Claymore hat geschrieben:Die meisten modernen Menschen sind halt offensichtlich irrational nach Ratzinger.
Er meint sicherlich nicht "irrational", sondern anthropozentrisch und nicht theozentrisch ausgerichtet.

Claymore hat geschrieben:Ich habe nichts gegen diese Abschweifungen per se. Nur auf die Art, wie du sie hier betreibst. Das ist nämlich wirklich die Härte.
Versuche, es mal ein klitzekleines Stück auf Deine Kappe zu nehmen, weil Du möglicherweise nicht immer weißt, warum ich das tue.

Claymore hat geschrieben:nämlich was bitte Hermeneutik sein soll, wenn es nicht um die Interpretation von Kulturprodukten geht.
S.o.: Descartes. - Aber wie gesagt: In der PRaxis meistens irrelevant. - Diesbezüglich sind Naturwissenschaften und andere Wissenschaften sehr unterschiedlich.

Claymore hat geschrieben:Wie z.B. wo Benedikt XVI. klipp und klar sagt, dass jemand mit homosexuellen Veranlagungen kein Priester werden soll und du das mit Gewalt so uminterpretierst als ob er nur über homosexuelle Handlungen sprechen würde.
1) Wie bereits geschrieben, kann ich hier Ratzinger NICHT folgen. - Man müsste Leute, die näher dran sind, fragen, was er damit genau meint. - Jedenfalls passt dieser Satz nicht in die PRaxis, in der es sogar Hilfs-Einrichtungen für homosexuell veranlagte Priester und diesebezügliche angehende Priester gibt.

2) Ich habe seit letzter Woche mit EINER Theologin darüber gesprochen, die meint, dass Ratzinger VIELLEICHT damit Menschen meint, die zwar als Homosexuelle zölibatär leben, aber innerlich der Homosexualität nicht abgeschworen haben ("Ich würde ja gerne, aber ich darf nicht") - also NICHT sagen können: "Ich war homosexuell und habe es innerlich überwunden".

Wie gesagt: Das war die spontane Reaktion einer Theologin, die in der Priesterbetreuung tätig ist. - Aber ob das Ratzinger so gemeint hat, wissen wir nicht.

Claymore
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#656 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von Claymore » Di 30. Okt 2018, 10:27

closs hat geschrieben:Die hermeneutische Vorannahme der Naturwissenschaft ist bspw., dass "Natur" nicht Produkt der Vorstellung ist, sondern ontische Größe (also unabhängig von unserer Vorstellung IST). - Es ist deshalb eine Annahme, weil die Anwort auf die Frage "Nehme ich eigene Vorstellungen wahr oder IST Natur auch ohne meine Vorstellung?" nicht falsifizierbar ist - siehe Radikal-Skeptizismus/Descartes. - Damit wäre Deine Frage beantwortet.
Es gab gar keine Frage. Es ging um das Problem, dass in deiner Sprache “Hermeneutik” zur fundamentalsten, all-umfassenden Disziplin aufgeblasen wurde – wie ein Ochsenfrosch mit 5 km Durchmesser.

Hast du dir das alles selbst ausgedacht, oder geht das auf die von dir zitierten Größen zurück?
closs hat geschrieben:Allerdings spielt in der PRaxis diese descartsche Diskussion keine Rolle, weil man im Allgemeinen davon ausgeht, dass die Natur NICHT Vorstellung, sondern Entität ist (dazu entscheidet sich Descartes ebenfalls). - Trotzdem handelt es sich hier um eine hermeneutische Vorannahme.
Aha.
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Ja, ich geb's auf. Es wird nicht kommen.
Könnte mal von DIR was kommen? -
Was ich meine, ist dass zur Abgrenzung der Rationalität von Pseudorationalität im Kritischen Rationalismus nicht die empirische Falsifizierbarkeit ausschlaggebend ist, sondern die Frage, ob ein ‘doppelt verschanzter Dogmatismus’ enthalten ist.
closs hat geschrieben:Ich weiß immer noch nicht, worauf Du außer auf Anzweifeln hinaus willst.
Ich möchte einfach nicht, dass du irgendwelchen Autoritäten wie Popper deine eigenen Meinungen unterschiebst.
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Und was ist noch alles sachliches Basiswissen? Die gesamte Naturwissenschaft vielleicht?
In der PRaxis sicherlich ja. - Aber damit ist nichts über den Stellenwert von Sach-Ergebnisse ausgesagt.
Aber hier kommt dann wieder ein anderes Verständnis von “Hermeneutik” zur Anwendung oder wie? Weil, wenn die Realität der Außenwelt zur hermeneutischen Vorannahme deklariert wird, dann gibt es doch wohl gar kein sachliches Basiswissen mehr.

Gibt es jetzt noch “praktische” und “theoretische” Hermeneutik? Das wird ja immer kurioser…
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Und was für Prozesse spielen da eine Rolle? Die “Denkformatierung unter der Denkformatierung” :?: :roll:
:?: - Der Mensch kann durch Einflüsse zu ganz anderen Denkweisen kommen und beurteilt dann eventuell dasselbe ganz anders als vorher. - Ob er damit näher an dem ist, was "wahr" ist, ist schwer bis nicht ermittelbar. - Er kann allenfalls plausibel darstellen, warum es "so" ist, WENN seine (alte oder neue) Vorannahmen die richtigen sind.
Wenn du die Verbindung zwischen Vernunft und Wahrheit anzweifelst, warum ist dann Vernunft überhaupt noch von Belang?
Claymore hat geschrieben:Bewegt sich die Änderung einer Denkformatierung immer jenseits der ratio?
Definiere "Ratio". - Definiere "Vernunft". --- Vorher ist diese Frage nicht beantwortbar.
Ratio = Vernunft.

Und unter Vernunft verstehe ich die menschliche Fähigkeit trotz seiner Endlichkeit (d.h in endlicher Zeit und mit seiner endlichen Gedächtniskapazität) mit universellen Wahrheiten in Kontakt treten zu können. Woraus sich auch ergibt, dass vernünftiges Denken schrittweise abläuft und seine Schlussfolgerungen transparent gemacht werden können.

“Theogene Vernunft” oder “Universale Vernunft” ist i.Ü. daher auch ein in-sich völlig absurder Begriff. Ich kann mir vorstellen, dass ein höheres Wesen wie ein Engel z.B. in der Lage ist, die folgende mathematische Behauptung (falls wahr eine universelle Wahrheit):

  • Jede gerade Zahl, die größer als 2 ist, ist Summe zweier Primzahlen.
auf einen Schlag für alle Zahlen “auszuprobieren”. In diesem Fall wäre die Fähigkeit von Engeln mit universellen Wahrheiten in Kontakt zu treten so grundverschieden von den Operationen des menschlichen Intellekts, dass man nicht mehr von “Vernunft” sprechen kann. Es ähnelt mehr einer direkten geistigen Wahrnehmung universeller Wahrheiten. Sie wäre aber intransparent und geradezu magisch.
Claymore hat geschrieben:Vernunft. Aha: also genau das, was du relativieren wolltest um deinen radikalen Subjektivismus hier einzuführen.
Der radikale Subjektivismus kann dadurch vermieden werden, dass man Aussagen aus seinen diesbezüglichen Vorannahmen logisch und widerspruchsfrei begründen kann - so viel bleibt da am Ende nicht übrig.
:thumbdown: Es gilt doch: “ex falso quodlibet”
closs hat geschrieben:Also: Radikaler Subjektivismus (ein Begriff, den DU eingeführt hast) soll ja nicht heißen, dass man irgendeinen SChmarrn behauptet ("Claymore hat drei Ohren und frühstückt Schwefelsäure"), sondern dass man das Verhältnis von Subjekt und Objekt untersucht und das Subjekt zum "Chef" macht. - Das ist übrigens mein Vorwurf an diejenigen Naturalisten, die postulieren, dass es außer naturwissenschaftlich Untersuchbarem keine Entität geben kann: Subjektivismus.
Wenn die Grundannahmen beliebig sind, dann auch die Schlüsse. Evtl. ist “Claymore hat drei Ohren und frühstückt Schwefelsäure” halt einfach “hermeneutische Vorannahme”.
Claymore hat geschrieben:Er sieht sich halt als einer der wenigen vernünftigen Menschen in einer irrationalen Zeit.
Nee . ich vermute eher, dass er sich als Vertreter universaler Vernunft ("Gott") versteht, welche gegen anthropogene Vernunft ("Nur das ist vernünftig, was wir nachweisen können") steht.
Ja, das halte ich für falsch, da er explizit (wörtliches Zitat!) schreibt “der gesamten Menschheit gemeinsam” und “keine Glaubenswahrheiten”.
Claymore hat geschrieben:Die meisten modernen Menschen sind halt offensichtlich irrational nach Ratzinger.
Er meint sicherlich nicht "irrational", sondern anthropozentrisch und nicht theozentrisch ausgerichtet.
Nein, sehe ich nicht so. Das geben die zitierten Texte null her und es widerspricht auch der Tradition der RKK.

Es ist mir aber schon klar, dass es für dich keine Option jenseits des Festhaltens an deinen sinnenstellenden Interpretationen gibt. Meinen Segen hast du.

Allerdings hat das ganze einen Nachteil für dich, nämlich dass die gesamte katholische Sexualethik nun zur reinen Glaubensangelegenheit wird – und damit so berechtigt oder unberechtigt ist wie die Sexualethik des “linkshändigen Tantra”.
Claymore hat geschrieben:nämlich was bitte Hermeneutik sein soll, wenn es nicht um die Interpretation von Kulturprodukten geht.
S.o.: Descartes. - Aber wie gesagt: In der PRaxis meistens irrelevant. - Diesbezüglich sind Naturwissenschaften und andere Wissenschaften sehr unterschiedlich.
Ich habe das nicht auf die Naturwissenschaften bezogen, sondern auf das, was “keine Interpretation von Kulturprodukten” ist. Sagen wir mal Gott… der soll doch nicht zum bloßen Kulturprodukt degradiert werden.

closs
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#657 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Di 30. Okt 2018, 14:56

Claymore hat geschrieben:Hast du dir das alles selbst ausgedacht, oder geht das auf die von dir zitierten Größen zurück?
So was denkt man sich nicht aus - aber man kann es verstehen.

Claymore hat geschrieben:Was ich meine, ist dass zur Abgrenzung der Rationalität von Pseudorationalität im Kritischen Rationalismus nicht die empirische Falsifizierbarkeit ausschlaggebend ist, sondern die Frage, ob ein ‘doppelt verschanzter Dogmatismus’ enthalten ist.
Popper sagt das im Kontext von "Wissenschaft", die er mit "Methodik" verbindet - alles gut so weit. - Aber was ist "Methodik"? Doch nicht auch etwas Anderes als ein System mit vorausgehenden Vorannahmen, die nicht falsifizierbar sind - besteht man auf diese Vorannahmen, kann dies ebenfalls "dogmatisch" genannt werden.

Ich kann momentan nicht erkennen, dass der diesbezüglich von Popper kritisierte Hegel diesbezüglich so ganz anders ist als Popper selbst. - Die Dogmatik (wenn man es so nennen will - in meinen Worten sind es nicht-falsifizierbare hermeneutische Vorannahmen) bei Popper scheint darin zu bestehen, dass er
a) NICHT radikal-skeptizistisch ist, also "einfach so" davon ausgeht, dass die Natur nicht Produkt der Vorstellung, sonder Entiät ist (Das glaube (!) ich auch, aber ich weiß, dass es Glauben ist und nicht "eh klar").
b) offenbar davon ausgeht, dass das, was der Mensch "vernünftig" nennt, eine universale Größe ist, also auch für Gott gilt (falls es ihn gibt).
Wenn einer will, kann er auch das als "verschanzten Dogmatismus" bezeichnen.

Claymore hat geschrieben:Weil, wenn die Realität der Außenwelt zur hermeneutischen Vorannahme deklariert wird, dann gibt es doch wohl gar kein sachliches Basiswissen mehr.
Doch - Sachlichkeit auf Basis von Glaube: "Ich glaube, dass die Außenwelt (Res extensae) Entität ist, weshalb Ergebnisse einer Untersuchung dieser Res extensae Sachergebnisse sind".

Claymore hat geschrieben:Gibt es jetzt noch “praktische” und “theoretische” Hermeneutik? Das wird ja immer kurioser…
Das ist aber DEINE Kuriosität - hat mit meinen Aussagen nichts zu tun.

Claymore hat geschrieben:Wenn du die Verbindung zwischen Vernunft und Wahrheit anzweifelst, warum ist dann Vernunft überhaupt noch von Belang?
In wik steht eine ziemlich schlaue Passage:
"Der Inhalt des Begriffs der Vernunft wird unterschiedlich bestimmt. In seinem Verhältnis mit dem Begriff des Verstandes hat er im Verlauf der Geschichte von der griechischen Philosophie – Nous und Logos gegenüber dianoia – über das Mittelalter – intellectus versus ratio – bis in die Neuzeit einen Wandel erfahren. In der Neuzeit entwickelte sich, angestoßen von Meister Eckart und Luther, ein Begriffsinhalt, wie er von Immanuel Kant in der Kritik der reinen Vernunft formuliert wurde und so in der Moderne noch weitgehend üblich ist. Danach ist die Vernunft das oberste Erkenntnisvermögen. Dieses kontrolliert den Verstand, mit dem die Wahrnehmung strukturiert wird, erkennt dessen Beschränkungen und kann ihm Grenzen setzen. Damit ist Vernunft das wesentliche Mittel der geistigen Reflexion und das wichtigste Werkzeug der Philosophie".

Mit anderen Worten: Natürlich gibt es eine Verbindung zwischen Vernunft und Wahrheit. - Aber von WELCHER Vernunft sprechen wir? --- Diese Frage deshalb weil "oberstes Erkenntnisvermögen" von einem kritisch-rational Denkendem ganz anders verstanden wird als bspw. von einem Christen. --- Für den Einen ist (bspw.) das Leiden des Hiob, der doch nichts angestellt hat, "unvernünftig" (nach menschlichem Maß) - für den anderen ist es "vernünftig" (nach göttlichem Maß). - Was ist jetzt "die" Vernunft? Ersteres oder Letzeres?

Claymore hat geschrieben:Und unter Vernunft verstehe ich die menschliche Fähigkeit trotz seiner Endlichkeit (d.h in endlicher Zeit und mit seiner endlichen Gedächtniskapazität) mit universellen Wahrheiten in Kontakt treten zu können
Wenn Du mit "universellen Wahrheiten" transzendente Wahrheiten (alias Gott) meinen würdest, bekämest Du als erstes vom Mainstream-Denken die Antwort, dass genau das un-vernünftig sei, da nicht falsifizierbar sei. - Wenn Du damit lediglich naturalistische Wahrheiten meinen würdest, bekämest Du als erstes von Christen die Antwort, dass genau das un-vernünftig sei, da menschen-maßstäblich.

Claymore hat geschrieben:“Theogene Vernunft” oder “Universale Vernunft” ist i.Ü. daher auch ein in-sich völlig absurder Begriff.
Moment: Damit ist nicht gesagt, dass es nicht Schnittmengen zwischen beiden gibt. --- Wie würdest DUU Menschenmaß-Vernunft und - naja - Es-könnte-ja-noch-was-anderes-geben-Vernunft sprachlich unterscheiden?

Claymore hat geschrieben::thumbdown: Es gilt doch: “ex falso quodlibet”
Moment - "Vorannahmen" heißt nicht "beliebige Vorannahmen", sondern "in sich widerspruchsfreie Vorannahmen". - Genau das ist beim wiki-Beispiel (habe extra nachgeguckt) aber NICHT der Fall:

"Angenommen, die Aussagen folgender Prämissenmenge sind wahr:

Alle Griechen sind tapfer.
Sokrates ist ein Grieche.
Sokrates ist nicht tapfer." (wik)

Das KANN man gar nicht annehmen, weil es in sich falsch ist - DAS ist nicht mit "hermeneutische Vorannahmen" gemeint. --- Gemeint ist damit dagegen beispielweise:
1) Jesus war nur ein Mensch (das sagt bspw. die historisch-kritische Exegese)
2) Jesus war Mensch UND auch göttlich (das sagen theologische Exegesen)

Beides ist ok, da beides stimmen kann - aber beides ist nicht falsifizierbar, also muss man es "dogmatisch" setzen resp. glauben. --- Stellt man die Frage "Wie ist Bibelstelle x zu verstehen?" können BEIDE Ansätze zu logisch best-begründeten ERgebnissen kommen, die jedoch vollkommen widersprüchlich sind. - BEIDE Seiten beanspruchen nichtsdestoweniger, mit "Vernunft" zu ihren Ergebnisse gekommen zu sein.

Claymore hat geschrieben:Wenn die Grundannahmen beliebig sind, dann auch die Schlüsse. Evtl. ist “Claymore hat drei Ohren und frühstückt Schwefelsäure” halt einfach “hermeneutische Vorannahme”.
Eben nicht - s.o.

Claymore hat geschrieben:Ja, das halte ich für falsch, da er explizit (wörtliches Zitat!) schreibt “der gesamten Menschheit gemeinsam” und “keine Glaubenswahrheiten”.
Ich interpretiere das als "Wir reden hier nicht von inner-christlichen Glaubenswahrheiten wie 'Maria ist leiblich in den Himmel aufgefahren', sondern über etwas, wo keiner drum rumkommt, egal ob er Christ ist oder nicht". - Deshalb gelegentlich mein Beispiel: Das Impfen gegen Polio gilt nicht nur für die, die daran glauben, sondern auch für den Rest.

Claymore hat geschrieben:Allerdings hat das ganze einen Nachteil für dich, nämlich dass die gesamte katholische Sexualethik nun zur reinen Glaubensangelegenheit wird – und damit so berechtigt oder unberechtigt ist wie die Sexualethik des “linkshändigen Tantra”.
Welche universale Bedeutung solche aus dem Glauben gesagten Dinge haben, entscheidet weder Ratzinger noch Du. - Ob man sich daran hält, ist eine Eigen-Entscheidung, aber nicht, welche Bedeutung es hat (siehe "Polio-Impfung").

Claymore hat geschrieben:Ich habe das nicht auf die Naturwissenschaften bezogen, sondern auf das, was “keine Interpretation von Kulturprodukten” ist. Sagen wir mal Gott… der soll doch nicht zum bloßen Kulturprodukt degradiert werden.
Verstehe ich richtig? - Es geht um die Frage, welche hermeneutischen Vorannahmen man hat/haben sollte, wenn es um Gott geht - richtig?

Eine wichtige Vorannahme wäre bspw., dass das Denken des Menschen nicht maßstäblich ist. - Eine noch wichtigere Vorannahme wäre, dass Materie ein Produkt von Geist ist und nicht umgekehrt, wie es üblicherweise heute gepredigt wird. --- Fallen Dir noch welche ein?

Claymore
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#658 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von Claymore » Di 30. Okt 2018, 23:36

closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Hast du dir das alles selbst ausgedacht, oder geht das auf die von dir zitierten Größen zurück?
So was denkt man sich nicht aus - aber man kann es verstehen.
Nicht einmal Heidegger traue ich zu, dass er so etwas von sich gegeben hat.

Solange keine gegenteiligen Belege kommen, werde ich also annehmen, dass dein Verständnis von Hermeneutik reine Privatauffassung ist.
Claymore hat geschrieben:Weil, wenn die Realität der Außenwelt zur hermeneutischen Vorannahme deklariert wird, dann gibt es doch wohl gar kein sachliches Basiswissen mehr.
Doch - Sachlichkeit auf Basis von Glaube: "Ich glaube, dass die Außenwelt (Res extensae) Entität ist, weshalb Ergebnisse einer Untersuchung dieser Res extensae Sachergebnisse sind".
Und “Jesus ist der Sohn Gottes” ist dann auch “Sachlichkeit auf Basis von Glaube”?
Claymore hat geschrieben:Gibt es jetzt noch “praktische” und “theoretische” Hermeneutik? Das wird ja immer kurioser…
Das ist aber DEINE Kuriosität - hat mit meinen Aussagen nichts zu tun.
Und was war das dann:
closs hat geschrieben:Hermeneutische Vorannahmen in Bezug auf Deutung stehen nicht im Widerspruch zu rein sachlichem Basiswissen
vs.
closs hat geschrieben:Die hermeneutische Vorannahme der Naturwissenschaft ist bspw., dass "Natur" nicht Produkt der Vorstellung ist
:?:
closs hat geschrieben:Mit anderen Worten: Natürlich gibt es eine Verbindung zwischen Vernunft und Wahrheit. - Aber von WELCHER Vernunft sprechen wir? --- Diese Frage deshalb weil "oberstes Erkenntnisvermögen" von einem kritisch-rational Denkendem ganz anders verstanden wird als bspw. von einem Christen. --- Für den Einen ist (bspw.) das Leiden des Hiob, der doch nichts angestellt hat, "unvernünftig" (nach menschlichem Maß) - für den anderen ist es "vernünftig" (nach göttlichem Maß). - Was ist jetzt "die" Vernunft? Ersteres oder Letzeres?
Aha, interessant. Nur ging es hier um die spezielle Situation, was passiert wenn jemand von einer “Hermeneutik” (← deine Verwendung dieses Wortes, die eigentlich ein Verbrechen ist :mrgreen: ) in eine andere “Hermeneutik” gleitet. Das hast du wohl vergessen, denn jetzt fängst du erneut damit an, dass man Vernunft je nach “Hermeneutik” unterschiedlich versteht.

Lustigerweise kommst du weiter unten dann selber wieder mit etwas an, das die Vernunft notwendigerweise enthalten muss, nämlich die klassische Logik.
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Und unter Vernunft verstehe ich die menschliche Fähigkeit trotz seiner Endlichkeit (d.h in endlicher Zeit und mit seiner endlichen Gedächtniskapazität) mit universellen Wahrheiten in Kontakt treten zu können
Wenn Du mit "universellen Wahrheiten" transzendente Wahrheiten (alias Gott) meinen würdest, bekämest Du als erstes vom Mainstream-Denken die Antwort, dass genau das un-vernünftig sei, da nicht falsifizierbar sei. - Wenn Du damit lediglich naturalistische Wahrheiten meinen würdest, bekämest Du als erstes von Christen die Antwort, dass genau das un-vernünftig sei, da menschen-maßstäblich.
Ich lege mich da nicht fest, ich bin flexibel. Diese Dichotomie zwischen “naturalistisch / menschenmaßstäblich” und “transzendent / nicht-falsifizierbar” ist eine Marotte der Moderne und wahrlich nicht der Weisheit letzter Schluss.

Falsifizierbarkeit ist für mich ohne Belang. Wie will man denn “Es gibt schwarze Schwäne” falsifizieren?

Oder wenn die Vernunft erfolgreich zu einer reinen a priori Erkenntnis erlangt, dann meine ich, wie die traditionellen Rationalisten, dass es sich dann tatsächlich um notwendige Wahrheiten handelt. D.h. sie sind nicht falsifizierbar. “Es gibt fünf platonische Körper” ist nicht falsifizierbar – es wurde bewiesen, dass es kein Gegenbeispiel geben kann.

Und die Kritik mit “menschen-maßstäblich” ist für mich kein Einwand, da wir über keine andere Vernunft verfügen als die menschliche. Und wenn wir von einer “Hermeneutik” (← dein gruseliges, zu Halloween pasendes Verständnis des Wortes) zu einer anderen gleiten (und darauf kommt es schließlich bei jeder nicht weltanschaulich-internen Diskussion an), dann kann nur diese menschliche Vernunft daran beteiligt sein. Oder es ist völlig beliebig.
Claymore hat geschrieben:“Theogene Vernunft” oder “Universale Vernunft” ist i.Ü. daher auch ein in-sich völlig absurder Begriff.
Moment: Damit ist nicht gesagt, dass es nicht Schnittmengen zwischen beiden gibt. --- Wie würdest DUU Menschenmaß-Vernunft und - naja - Es-könnte-ja-noch-was-anderes-geben-Vernunft sprachlich unterscheiden?
“Intelligenz” wird üblicherweise viel weiter gefasst als “Vernunft”. Siehe z.B. künstliche Intelligenz. Also bietet es sich auch hier an.
Claymore hat geschrieben::thumbdown: Es gilt doch: “ex falso quodlibet”
Moment - "Vorannahmen" heißt nicht "beliebige Vorannahmen", sondern "in sich widerspruchsfreie Vorannahmen". - Genau das ist beim wiki-Beispiel (habe extra nachgeguckt) aber NICHT der Fall:
Natürlich ist es nicht der Fall. Aber woher sollte ich denn wissen, dass “hermeneutische Vorannahmen” nicht nach der klassischen Logik inkonsistent sein dürfen? Ich mein, wenn selbst der Glaube an die Existenz der Außenwelt eine bloße “hermeneutische Vorannahme” ist … warum dann auf einmal so autoritär festlegen: Konsistenz der Vorannahmen nach der klassischen Logik* ist eine indisputable Bedingung.

* warum nicht Quantenlogik oder intuitionistische Logik?

Erklär doch endlich mal was in deiner privaten Erkenntnistheorie nun zur indisputablen “Ur-Vernunft” gehört und was als “hermeneutische Vorannahmen” frei gewählt werden “darf”. Bitte nicht bloß Beispiele sondern schon mal sich um Vollständigkeit bemühen.

Indisputable “Ur-Vernunft”:
  1. klassische Logik
  2. die Vorannahmen müssen nach der klassischen Logik konsistent sein
  3. …

“Hermeneutische” Vorannahmen:
  1. …

Vielleicht geht es dann weiter.

(ich frag schon gar nicht mehr danach, warum man eigentlich deine seltsame Privat-Erkenntnistheorie überhaupt akzeptieren sollte)
Claymore hat geschrieben:Wenn die Grundannahmen beliebig sind, dann auch die Schlüsse. Evtl. ist “Claymore hat drei Ohren und frühstückt Schwefelsäure” halt einfach “hermeneutische Vorannahme”.
Eben nicht - s.o.
Und warum? Ein logischer Widerspruch liegt hier schließlich nicht vor.
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Ja, das halte ich für falsch, da er explizit (wörtliches Zitat!) schreibt “der gesamten Menschheit gemeinsam” und “keine Glaubenswahrheiten”.
Ich interpretiere das als "Wir reden hier nicht von inner-christlichen Glaubenswahrheiten wie 'Maria ist leiblich in den Himmel aufgefahren', sondern über etwas, wo keiner drum rumkommt, egal ob er Christ ist oder nicht". - Deshalb gelegentlich mein Beispiel: Das Impfen gegen Polio gilt nicht nur für die, die daran glauben, sondern auch für den Rest.
Das Beispiel mit Polio funktioniert nur, weil ja doch praktisch jeder an die Wirksamkeit der Impfung glaubt. Es ist tatsächlich keine Glaubenswahrheit bereits im Sinne “es wird unkontrovers anerkannt”.
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Allerdings hat das ganze einen Nachteil für dich, nämlich dass die gesamte katholische Sexualethik nun zur reinen Glaubensangelegenheit wird – und damit so berechtigt oder unberechtigt ist wie die Sexualethik des “linkshändigen Tantra”.
Welche universale Bedeutung solche aus dem Glauben gesagten Dinge haben, entscheidet weder Ratzinger noch Du. - Ob man sich daran hält, ist eine Eigen-Entscheidung, aber nicht, welche Bedeutung es hat (siehe "Polio-Impfung").
Ja das stimmt. Aber hier ging es darum, dass (wenn man deiner Interpretation folgt) Ratzinger etwas Nicht-Christen empfiehlt aber seine Empfehlung vor diesen nicht rechtfertigen kann, ja es nicht einmal versucht. Und da hakt auch der Polio-Vergleich.
closs hat geschrieben:
Claymore hat geschrieben:Ich habe das nicht auf die Naturwissenschaften bezogen, sondern auf das, was “keine Interpretation von Kulturprodukten” ist. Sagen wir mal Gott… der soll doch nicht zum bloßen Kulturprodukt degradiert werden.
Verstehe ich richtig? - Es geht um die Frage, welche hermeneutischen Vorannahmen man hat/haben sollte, wenn es um Gott geht - richtig?

Eine wichtige Vorannahme wäre bspw., dass das Denken des Menschen nicht maßstäblich ist.
Und die klassische Logik ist da ausgenommen oder wie?

closs
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#659 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Mi 31. Okt 2018, 01:13

Claymore hat geschrieben:Solange keine gegenteiligen Belege kommen, werde ich also annehmen, dass dein Verständnis von Hermeneutik reine Privatauffassung ist.
Typisch kritisch-rational: Erst mal zweifeln und dann erst denken, wenn die Formalitäten geklärt sind. :lol:

Ich habe mal in wik geguckt, und da steht unter "Hermeneutischer Zirkel"ein Absatz, der eventuell Deine Bedenken ausräumen könnte:
"

„Wenn wir nun aber den Geist des gesamten Altertums nur durch seine Offenbarungen in den Werken der Schriftsteller erkennen können, diese aber selbst wieder die Erkenntnis des universellen Geistes voraussetzen, wie ist es möglich, da wir immer nur das eine nach dem anderen, nicht aber das Ganze zu gleicher Zeit auffassen können, das Einzelne zu erkennen, da dieses die Erkenntnis des Ganzen voraussetzt? Der Zirkel, dass ich a, b, c usw. nur durch A erkennen kann, aber dieses A selbst wieder nur durch a, b, c usf., ist unauflöslich, wenn beide A und a, b, c als Gegensätze gedacht werden, die sich wechselseitig bedingen und voraussetzen, nicht aber ihre Einheit anerkannt wird, so dass A nicht erst aus a, b, c usf. hervorgeht und durch sie gebildet wird, sondern ihnen selbst vorausgeht, sie alle auf gleiche Weise durchdringt, a, b, c also nichts anderes als individuelle Darstellungen des Einen A sind. In A liegen dann auf ursprüngliche Weise schon a, b, c; diese Glieder selbst sind die einzelnen Entfaltungen des Einen A, also liegt in jedem auf besondere Weise schon A, und ich brauche nicht erst die ganze unendliche Reihe der Einzelnheiten zu durchlaufen, um ihre Einheit zu finden.“

– Friedrich Ast, Grundlinien der Grammatik, Hermeneutik und Kritik
"

Claymore hat geschrieben:Und “Jesus ist der Sohn Gottes” ist dann auch “Sachlichkeit auf Basis von Glaube”?
Nein - das ist eine nicht-falsifizierbare Vorannahme - genauso wie "Jesus ist nur Mensch". - "Sachlich" wäre dann, dass man sauber begründet, welche Schlussfolgerungen/Interpretationen aus den jeweiligen Vorannahmen zu ziehen sind.

Claymore hat geschrieben:Und was war das dann:

closs hat geschrieben:
Hermeneutische Vorannahmen in Bezug auf Deutung stehen nicht im Widerspruch zu rein sachlichem Basiswissen

vs.

closs hat geschrieben:
Die hermeneutische Vorannahme der Naturwissenschaft ist bspw., dass "Natur" nicht Produkt der Vorstellung ist

:?:
Verstehe die Frage nicht. - Die erste Aussage sagt, dass wir es mit zwei verschiedenen Kategorien zu tun haben - "Widerspruch" geht nur innerhalb derselben Kategorie. -- Die zweite Aussage sagt, dass auch die Naturwissenschaft Vorannahmen hat, auf deren Basis sie methodisch sauber Ergebnisse erzielt.

Claymore hat geschrieben:deine Verwendung dieses Wortes, die eigentlich ein Verbrechen ist :mrgreen:
:?: :?: - Kann es sein, dass Du Dich so wenig mit "Hermeneutik" beschäftigst hast, dass Du auf mich projezierst?

Claymore hat geschrieben:Nur ging es hier um die spezielle Situation, was passiert wenn jemand von einer “Hermeneutik” ... in eine andere “Hermeneutik” gleitet.
Dann gibt es nicht möglicherweise andere Ergebnisse.

Claymore hat geschrieben:Lustigerweise kommst du weiter unten dann selber wieder mit etwas an, das die Vernunft notwendigerweise enthalten muss, nämlich die klassische Logik.
Das ist mal eine Vorannahme von mir.

Claymore hat geschrieben:Wie will man denn “Es gibt schwarze Schwäne” falsifizieren?
Gute Frage - diesbezüglich habe ich in einem anderen Thread einen Kampf. ;) - Aus meiner Sicht kann man nur positiv "falsifizieren" - negativ kann man nur "nicht bestätigen". - Konkret:

I
Behauptung: "Es gibt keine schwarzen Schwäne".
Entgegnung: "Doch - guck, da ist einer"
Ergebnis: Behauptung ist falsifiziert - bereits bei EINEM schwarzen Schwan.

II
Behauptung: "Es gibt schwarze Schwäne".
Entgegnung: "Nein - wir haben überall gesucht".
Ergebnis: Behauptung ist NICHT falsifiziert, sondern lediglich nicht verifiziert.

Mir scheint, dass I und II gelegentlich verwechselt wird.

Claymore hat geschrieben: “Es gibt fünf platonische Körper” ist nicht falsifizierbar – es wurde bewiesen, dass es kein Gegenbeispiel geben kann.
Heißt das, dass "Es gibt fünf platonische Körper” deshalb eine "notwendige Wahrheit" ist? :o

Claymore hat geschrieben:Und die Kritik mit “menschen-maßstäblich” ist für mich kein Einwand, da wir über keine andere Vernunft verfügen als die menschliche.
Hehe - das ist universal gesehen kein Argument. - Du kannst doch nicht sagen, dass es keinen Berg gibt, der höher ist, als wir besteigen können. - Pragmatisch verstehe ich Dich, aber grundsätzlich ist das falsch.

Das ist doch gerade der Gag in bspw. "Buch Hiob", dass die Vernunft Gottes für uns gerade NICHT kapierbar sein kann. - Deshalb unterscheide ich zwischen "anthropogener(anthropozentrischer Vernunft" und "universaler/theozentrischer Vernunft". - Letztere haben wir beide NICHT im Griff - allerdings kann man mit menschlicher Vernunft erkennen, dass es etwas jenseits der menschlichen Vernunft gibt, was größer ist. - Das wusste schon Kant.

Claymore hat geschrieben:← dein gruseliges, zu Halloween pasendes Verständnis des Wortes
:lol: :lol:

Claymore hat geschrieben:dann kann nur diese menschliche Vernunft daran beteiligt sein. Oder es ist völlig beliebig.
Nein. - Was wir mit menschlicher Vernunft nicht packen, ist von uns nicht kontrollierbar - das heißt nicht, dass dort nicht die Wahrheit liegen könnte. - Kritisch-rational (falsches Wort?) gesehen, ist es natürlich "willkürlich", weil man nicht die Hand drauf hat.

Folgendes sollte man ab und zu betonen: Wir sprechen hier NICHT von üblicher Naturwissenschaft und pragmatischen Alltagssachen - solche Diskussionen sind nur dann wichtig, wenn es um spirituelle Fragestellungen geht, weil dort der Bereich der "Lebensnotdurft" (wie einer unserer Professoren immer sagte :lol: ) verlassen wird.

Claymore hat geschrieben: Claymore hat geschrieben:
“Theogene Vernunft” oder “Universale Vernunft” ist i.Ü. daher auch ein in-sich völlig absurder Begriff.

Moment: Damit ist nicht gesagt, dass es nicht Schnittmengen zwischen beiden gibt. --- Wie würdest DUU Menschenmaß-Vernunft und - naja - Es-könnte-ja-noch-was-anderes-geben-Vernunft sprachlich unterscheiden?

“Intelligenz” wird üblicherweise viel weiter gefasst als “Vernunft”. Siehe z.B. künstliche Intelligenz. Also bietet es sich auch hier an.
Inwieweit ist das eine Entgegnung auf meine Worte zuvor?

Claymore hat geschrieben:Aber woher sollte ich denn wissen, dass “hermeneutische Vorannahmen” nicht nach der klassischen Logik inkonsistent sein dürfen?
Ist nicht alles damit gesagt, dass Begründungen und Schlussfolgerungen auf Basis einer jeglichen Vorannahme im Sinne dieser Vorannahme widerspruchsfei sein müssen?

Claymore hat geschrieben: Konsistenz der Vorannahmen nach der klassischen Logik* ist eine indisputable Bedingung.

* warum nicht Quantenlogik oder intuitionistische Logik?
Das wäre der nächste Punkt. - Ich wollte gerade - auf anderer Ebene - auf sophistischer Ebene auf Dir bekannte Spielchen kommen wie "Ein Kreter sagt: 'Alle Kreter lügen'". - Ist das klassische Logik?

Was "intuitionistische Logik" angeht, müsstest Du mir praktische Beispiele geben - da kenne ich mich nicht aus. - Was die QM angeht: Da ist mein Verdacht (also NICHT meine Behauptung), dass es für uns nicht logisch Erscheinendes gibt, was aus universaler Vernunft-Sicht (die wir nicht haben) nichtsdestoweniger logisch ist.

closs
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#660 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Mi 31. Okt 2018, 01:14

Claymore hat geschrieben:Erklär doch endlich mal was in deiner privaten Erkenntnistheorie nun zur indisputablen “Ur-Vernunft” gehört
All das, was wir davon erkennen. - Wenn man "Ur-Vernunft" als "universale Vernunft Gottes" versteht, ist jeder Teil, den man davon abkriegt, dazugehörig (siehe auch: Urbedeutung von "con-scientia"). - Ob man das in ein wissenschaftliches Muster kriegen kann, bezweifle ich - schließlich können dazu ganz unterschiedliche Sachen gehören wie bspw. "Liebe" und "Mathematik" - BEIDES könnte Teil göttlicher Vernunft sein.

Claymore hat geschrieben: und was als “hermeneutische Vorannahmen” frei gewählt werden “darf”
Alles, was sich widerspruchsfrei in Breite und Tiefe entwickeln lassen kann. - Die Annahme "Claymore hat 3 Ohren und frühstückt Schwefelsäure" gehört vermutlich NICHT dazu. - Mit anderen Worten: Ungeeignete Vorannahmen eliminieren sich ziemlich schnell selber.

Claymore hat geschrieben:(ich frag schon gar nicht mehr danach, warum man eigentlich deine seltsame Privat-Erkenntnistheorie überhaupt akzeptieren sollte
So "privat" ist das nicht. - Sprich mit einem gläubigen Theologen, der sich gleichzeitig mit Philosophie auskennt - er wird substantiell nicht viel anders sprechen (vielleicht drückt er sich in Worten anders aus), als ich es tue.

Claymore hat geschrieben:Und warum? Ein logischer Widerspruch liegt hier schließlich nicht vor.
OK - ich korrigiere: Solche Annahmen haben eine sehr kurze Halbwerts-Zeit, weil sie nicht sinnvoll entwickelbar sind.

Claymore hat geschrieben:Das Beispiel mit Polio funktioniert nur, weil ja doch praktisch jeder an die Wirksamkeit der Impfung glaubt.
Sehr, sehr merkwürdig. - Diese Verwechslung von "Wahrnehmung" und "Sein" scheint eine Seuche zu sein.

1) Polio-Impfungen haben ihre Wirkung UNABHÄNGIG davon (Sein), ob man daran glaubt (Wahrnehmung). Auch wenn man es nicht checkt, schlägt es zu. --- Das ist genau das, was Ratzinger im Grunde meint: "Ich rede von etwas, was zuschlägt, UNABHÄNGIG davon, ob man es checkt".

Claymore hat geschrieben:Aber hier ging es darum, dass (wenn man deiner Interpretation folgt) Ratzinger etwas Nicht-Christen empfiehlt aber seine Empfehlung vor diesen nicht rechtfertigen kann
Natürlich kann er das - vielleicht tut er es nicht an dieser Stelle. --- Du darfst davon ausgehen, dass die Theologie nicht einfach "Verbote" weitergibt, weil sie in der Bibel stehen, sondern sehr genau weiß, was sie zu bedeuten haben.

Und erneut: Auch wenn er sie als Mensch NICHT rechtfertigen könnte: Entweder es "IST" relevant, dann schlägt's zu, oder es ist NICHT relevant, dann schlägt es NICHT zu - völlig unabhängig davon, ob man rechtfertigt oder nicht.
Claymore hat geschrieben:Und die klassische Logik ist da ausgenommen oder wie?
Da JEDER Mensch mit seiner eigenen Hermeneutik antritt (s.o. Friedrich Ast), kann Logik nach Vorannahmen ausgenommen sein. - Der nächste Schritt wäre zu überprüfen, ob mit dieser Ausnahme ein Widerspruch entsteht - wenn ja, muss dieser Teil der Vorannahme modifiziert werden.

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