Janina hat geschrieben:Wissenschaft bringt Wahrheiten, d.h. Sätze die wahr sind. Sie sind nur deswegen wahr, weil man sie systematisch erarbeitet hat.
I:
In der Praxis würde ich Dir doch gar nicht widersprechen:
Behauptung: "Es gibt keine schwarzen SChwäne".
Feststellung: "Doch - da ist einer".
Conclusio: "Schwarzer Schwan = 'Wahrheit'"
Das reicht in der "normalen" Naturwissenschaft (ob es auch in der QM reicht, weiß ich nicht).
II.
Kritisch wird es, wenn man darüber hinausgeht und bspw. sagt:
Behauptung: "Es gibt schwarze SChwäne".
Feststellung: "Ich finde methodisch/systematisch keinen".
Conclusio: "Kein Schwarzer Schwan = 'Wahrheit'"
Dieser Fehler wird oft gemacht.
III.
Denkt man radikal-skeptizistisch, muss man philosophisch vorschalten, dass wir weder mit Wahrnehmung noch mit Wissenschaft überprüfen können, ob unsere Wahrnehmung und Wissenschaft eine Vorstellung ist oder davon unabhängige Entität ist - da nützt alle Systematik nichts. - Descartes löst das Problem damit, dass er sagt: "Ich GLAUBE, dass sinnlich oder wissenschaftlich Wahrgenommenes Entität ist, weil .... "
IV:
In den Geistes-Wissenschaften sind systematische Ergebnisse ebenfalls keine Garantie für "Wahrheit", weil es nicht falsifizierbar ist, welche (notwendig) unterliegende Hermeneutik die richtige ist - "Systematik" basiert also auf der Vorab-Festlegung "Ich untersuche 'so', weil ich denke, dass dies die richtigen Voraussetzungen sind. - Bestes Beispiel:
Ein historisch-kritischer Exeget untersucht auf Basis der Hermeneutik, dass Jesus Nur-Mensch war - ein grammatisch-historischer Exeget untersucht auf Basis der Hermeneutik, dass Jesus auch göttlich war. - Beide hermeneutischen Vorannahmen sind nicht falisfizierbar, aber gleichzeitig ist EINE davon nötig, weil man irgendeine Grundlage braucht, auf der man interpretiert.
Mit anderen Worten: Beide haben ihre systematischen Ergebnisse, kommen aber zu unterschiedlichen bis widersprüchlichen Ergebnissen - DANN kann der Satz nicht mehr stimmen, dass etwas dann "wahr" sei, wenn es systematisch erarbeitet sei - ES SEI DENN, man meint mit "wahr" DAS, was im Rahmen der eigenen Hermeneutik wahr ist - aber dann ist es kein ontisches "wahr".
V: Conclusio
Du kannst mit solchen philosophischen Sachverhalten locker umgehen, weil Du Naturwissenschaftlerin bist. - Als Naturwissenschaftler kann man sich auf das HERMETISCH ABGESCHLOSSENE (!) kritisch-rationale System stützen ("Wir untersuchen nur, was falsifizierbar ist") - und gut ist. --- UND: Man kann methodische Ergebnisse sogar noch experimentell überprüfen - das geht in Geisteswissenschaft so gut wie nicht.
Insofern stimme ich Dir auf DEINER Ebene doch weitgehend zu (bis auf "Habe systematisch keinen schwarzen Schwan gefunden - also gibt es keinen"). - Aber diese Ebene ist ontologisch nicht die einzige - selbst wenn die philosophische Selbstversklavung namens "ontologischer Naturalismus" dies auch philosophisch so glauben macht. - Will heißen: Selbstverständlich kann es Entität jenseits systematischen Zugriffs geben.
Janina hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Aber diese Hermeneutik kann falsch sein.
Macht nichts. Solange sie sich bewährt, bleiben wir dabei.
Im Rahmen der Naturwissenschaft sehe ich es genauso.