Alles Teufelszeug? IX

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sven23
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#431 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 1. Apr 2018, 06:55

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wobei die dogmatisch behauptete Einheit der Schrift ja schon feststeht.
GEISTIG - doch nicht historisch-kritisch, :roll: - Aber WIE sind die Teile geistig verbunden?
Geistig bekommt man sich alles zusammengebastelt, wie man an 42000 Konfessionen sieht. Schuld daran ist der Mischtext, der nur so von Widersprüchen wimmelt, weil hier viele Köche den Brei verdorben haben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, die Forschung benötigt keine Setzung in Form eines Glaubensbekenntnisses
Und das schreibst Du unmittelbar, nachdem ich drei Setzungen/Glaubensbekenntnisse genannt habe - falls Du es übersehen hast: gilt das für die HKM genauso - dort setzt man andere Glaubensbekenntnisse voran:
1) Bibel = beliebiger antiker Text
2) Geschichte ist naturalistischer Wirkungszusammenhang
3) Was nicht falsifizierbar ist, ist irrelevant.
Das darf man - aber man darf nicht so tun, als gäbe es diese Glaubensbekenntnisse nicht.
Dass die Welt nun mal so ist, wie sie sich uns darstellt, ist kein Glaubensbekenntnis, das mit dem Glaubensbekenntnis an Götter, Geister und Dämonen vergleichbar ist. Ergebnisoffene Forschung ist damit in allen Bereichen möglich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist wieder sehr laienhaft ausgedrückt. Die historisch-kritische Methode ist die Standardauslegung.
Du kapierst es nachhaltig nicht - und ich frage mich langsam wirklich, wo bei Dir der Kolbenfresser ist - will heißen:
1) Die historisch-kritische Methode ist natürlich die Standardauslegung aus diachronaler Sicht. - Das weiß immer noch jeder - spätestens seit 1993 wissen es sogar die Katholiken. :lol:
2) Dieser (sachlich beschränkt gemeinter) Standard ist aber nicht Endpunkt des Bibel-Verständnisses, sondern Grundlage für weitergehende, spirituelle Auslegungen: Kanonik, Kerygmatik, Dogmatik, etc.
Damit wechselst du in die glaubensideologische/glaubensdogmatische Abteilung. Ist ja ok, aber mit historischer Forschung hat das nichts mehr zu tun.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Das entscheidende ist aber, dass eine wissenschaftliche Methode verwendet wird und kein Glaubensbekenntnis.
Das Entscheidende ist, dass Du zwischen "Wissenschaft" und "hermeneutische Grundlagen" nicht unterscheiden kannst, was Dir verwehrt, diesen ständig wiederholten Unsinn als eben diesen zu erkennen.
Natürlich ist so ein Glaubensbekenntnis Unsinn.

Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
Katechismus der katholischen Kirche

Deshalb arbeitet die historische Forschung auch nicht damit. Das ist den Glaubensideologen vorbehalten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das reicht doch. Die Ergebnisse liegen vor.
Natürlich - was wäre Wissenschaft ohne methodische Ergebnisse. - Aber solche Ergebnisse müssen abgeglichen werden mit anderen Disziplinen zur Erforschung Jesus Wirklichkeit.
Man darf sie aber nicht mit Glaubensideologie kontaminieren, sonst ist die ganze Mühe vergeblich gewesen.
Zur Beruhigung: das wird in der Forschung auch nicht gemacht, auch wenn manche das bedauern mögen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Doch, würde er. Ratzinger bevorzugt die spätere christliche Rezeption/Verfälschung der konkreten Naherwartung hin zu einer unbestimmten Fernerwartung. Warum? Weil nach 2000 Jahren der Irrtum nicht mehr zu leugnen ist.
Du verstehst Ratzinger nicht. - Dass das Volk und auch die Urchristen an eine Naherwartung (in Deinem Verständnis) glaubten, ist doch urältester Kaffee - das würde Dir der konservativste katholische Theologe bestätigen. - Und dass die spätere Rezeption auf Fernerwartung umgeschwenkt hat, doch ebenfalls - das ist alles überhaupt nichts Neues. -
Ähm, die Schreiber beschreiben die Naherwartung Jesu und Johannes des Täufers, nicht des Volkes. Im übrigen wäre es völlig übertrieben, die kleine Anhängerschar in der Provinz als "das Volk" zu bezeichnen.

closs hat geschrieben: Es geht hier doch um JESU Erwartung: Was hat ER gemeint?
Dazu hat die Forschung die bekannte Konsensposition.

Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen

"...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
Karl Rahner

„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S. 22)

Um es vorwegzunehmen: ja, diese Ergebnisse sind duch eine bestimmte Methodik ermittelt worden, einer wissenschaflich fundierten Methode, namentlich der historisch-kritischen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man kann aber in der historischen Forschung festlegen, dass nur wissenschaftliche Methodik zugelassen wird.
Nein - EINE wissenschaftliche Methodik kann nicht festlegen, was in der Wissenschaft zugelassen ist und was nicht. -
Die Methodik legt das auch nicht fest. Es verbietet sich einfach, nicht wissenschaftliche Methoden, also Glaubensbekenntnisse, einzuschmuggeln.
Es gilt immer noch: wer den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt, muss sich an den Kriterien der Wissenschaft messen lassen. Punkt!


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Nein, deine Behauptung hat einen ganz anderen Zungenschlag. So, als wenn der Forschung die historische Wahrheit egal wäre.
Nein - egal ist es ihr nicht. - Aber sie weiß (in ihren kompetenten Vertretern), dass sie nichts als methodische Ergebnisse liefern kann, die wissenschaftlich wichtiger sind als die Wahrheit selbst.
Das ist die falsche Behauptung des Lügenbarons closs. Faktisch sieht es anders aus.
Nein - Wissenschaft kann Modelle falsifizieren, aber nicht die Wirklichkeit.
Und Glaubensideologen können nicht mal das. :roll:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#432 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 1. Apr 2018, 08:13

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Richtig, sie als antijudaistisch zu bezeichnen ist nämlich schlicht absurd.
Na ja, man kann sich auch alles schönreden, aber im Johannesevagelium finden sich Beschimpfungen, die sich nicht als Liebesbekundungen schönreden lassen.

(Joh 8, 44-45): "Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüste wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit."
Das zeigt die ganze Absurdität. Das als "judenfeindliche" Äußerung zu bezeichnen, die also grundsätzlich allen Juden gilt, würde bedeuten, dass Jesus sich selbst und die, die ihm nachfolgten in dieses Urteil einbezogen hätte. Liest man Kapitel 8 mal im Zusammenhang, dann sieht man, dass Jesus hier mit den Pharisäern streitet (V.3 + 13). Ihnen gilt diese Aussage. Es streiten also Juden mit Juden.
Nein, die Forschung hat das späte Johannesevangelium, das als das judenfeindlichste gilt, als weitgehend freie Eigenkomposition eines unbekannten Schreibers erkannt. Es sind keine Jesuszitate, sondern die Meinung des Schreibers, die er Jesus in den Mund gelegt hat.

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Der biblische Antujudaismus ist nicht zu leugnen und war die Ausgangsbasis für den nachfolgenden kirchlichen Antijudaismus.
Wie gesagt, wir können gern alle vermeintlich antijüdischen Stellen durchgehen und werden zu dem Ergebnis kommen, das sich deckt mit dem des rennomierten Judaisten Heinz Schreckenberg. Der erklärt nämlich "die Annahme einer schon im Wesen und Kern des Neuen Testaments angelegten Judenfeindschaft für unzutreffend".
Natürlich ist das den Glaubensideologen unangenehm. Aber so ist es nun mal.

Roland hat geschrieben: Auch die Historiker C.P. Thiede und Urs Stingelin schreiben in "Die Wurzeln des Antisemitismus" dass im NT "Juden mit anderen Juden" über Fragen des Glaubens streiten. Und zwar durchaus hart, und oft polemisch aber die betreffenden Bibelstellen lieferten "keine Handhabe zu Judenhass und Judenverfolgung". Man habe häufig aus dem Neuen Testament, obwohl es noch fest im Judentum verankert sei, herausgelesen, was nicht in ihm steht, und so tut es auch Kubitza.
Das Märchen von den Gottesmörden hat gereicht, um den kirchlichen Anitjudiamus zu befördern. Der Rest ist Geschichte.

Roland hat geschrieben:
Kubitza hat geschrieben: Nach anfänglicher Irritation wurde das Leiden und Sterben Jesu für die Christen bald zum zentralen Inhalt ihrer Verkündigung. Die Katastrophe, die Niederlage am Kreuz
wurde zu einem Sieg umgedeutet.
Schon die ersten Sätze Kubitzas sind vollkommen unlogisch und unplausibel. Wäre Jesus nicht wirklich auferstanden, dann wäre nämlich alles im Sande verlaufen. Die Verschwörungstheorie einer "Umdeutung" und somit der "Erfindung der Auferstehung" durch einpaar Fischer und dass sich so aus deren Lügen die größte Weltreligion entwickelt hat, disqualifiziert den Atheisten von der Giordano-Bruno-Stiftung.
Die Bewegung, die nach Ostern entstanden ist, lässt sich nur mit der tatsächlichen Auferstehung Jesu plausibel erklären.
Warum? Seit wann benötigen Religionen plausible Erklärungen?
Deiner Logik folgend würden im Islam auf Selbsmordattentäter 72 Jungfrauen im Paradies warten, denn so steht es geschrieben.

Roland hat geschrieben: Nach Paulus sind ALLE Menschen – ob Juden oder Nichtjuden – die Schuldigen am Tod Jesu.
Juden, Römer, Griechen, Germanen… Alle.
Was natürlich genaus so ein Unfug ist.

Roland hat geschrieben: Und wenn man die Kapitel 9-11 des Römerbriefes liest so kann man sagen, dass dieser Paulus-Brief als das ältestes Zeugnis gegen christlichen Antijudaismus zu bezeichnen ist.
Auch Paulus mußte bald erkennen, dass die Juden nicht so leichtgläubig waren, wie er dachte, und alles kritiklos schluckten, was er ihnen zumutete.
Denn eine Zumutung war es schon für Juden, einen schändlich hingerichteten Straftäter als den im AT verheißenen Messias verkaufen zu wollen.
Zu Jesaja 53
Die Christen sehen hier eine klare Weissagung der Leiden Jesu. Nur: Die Verse
sind ja gar nicht als Weissagung formuliert, sondern blicken auf ein Geschehen zurück.
Der Gottesknecht ist eine Gestalt der Vergangenheit, ein künftiger Gerechter kann damit
nicht gemeint sein. Die frommen Juden haben deshalb diese Stelle auch nie auf den
Messias bezogen.

Kubitza, Der Jesuswahn

Auch hieß das Kind bei Jesaja nicht Jesus, sondern Immanuel. Aber mit solchen Kleinigkeiten wollen sich Gläubige nicht aufhalten. :lol:

Roland hat geschrieben:
Kubitza hat geschrieben: Und bald wurden die Juden
unter Berufung auf den Juden Paulus verfolgt.
Das ist schon aufgrund des oben Gesagten falsch.
In deinem gesamten Mammut-Zitat von Kubitza findet sich selbstverständlich auch nichts von den päpstlichen "Schutzbullen für die Juden". Also ich rate dir: vergiss einfach Kubitza mit seinen einseitigen und flaschen Darstellungen.
Die Schutzbulle ist wohl das Feigenblatt, das den kirchlichen Antijuduaismus kaschieren soll.
Kubitza weist mit Recht auf die Historie hin, die man nicht durch Geschichtsglitterung besser machen kann.


Exemplarisch zeigt sich das immer wieder an dem Verhalten der Christen gegenüber den Juden. Deren Versuch, ihre kulturelle und religiöse Identität zu bewahren, führte schon in vorchristlicher Zeit zu Judenfeindschaft und zur Verfolgung der Juden. Im Römischen Reich gab es Diskriminierungen und lokale Judenverfolgungen zum Beispiel im Jahre 30 nach Christus in Alexandria, die sich dann während des jüdischen Aufstandes (66 bis 70 nach Christus) ausweiteten, besonders in den palästinensischen Hafenstädten. Mit dem wachsenden Einfluß des Christentums und seiner bewußten Abgrenzung vom Judentum verstärkten sich die judenfeindlichen Tendenzen. Durch die von Konstantin dem Großen (272 [?] bis 337) und seinen Nachfolgern erlassenen Gesetze wurden die Juden rechtlos und Judenverfolgungen reichsrechtlich sanktioniert. Zu größeren Judenverfolgungen kam es jedoch vor allem seit dem zwölften Jahrhundert: zunächst im Zusammenhang mit der Kreuzzugsbewegung und der Ketzerbekämpfung, danach vor allem wieder durch die als „Schwarzer Tod“ bezeichnete Pest-Epidemie von 1347 bis 1352, in deren Verlauf die Juden als typische „Sündenböcke“ angesehen und erbittert verfolgt wurden. Allein die Iberische Halbinsel bildete von Beginn des 8. Jahrhunderts bis 1492 eine Ausnahme. Unter der muslimischen Herrschaft bildete sich in diesen achthundert Jahren so etwas wie eine „multikulturelle Gesellschaft“, in der Muslime, Christen und Juden relativ friedlich miteinander koexistierten.
Die beginnende Feindschaft zwischen der jüdischen und christlichen Religion läßt sich allerdings schon in neutestamentlicher Zeit festmachen. Damals schon begann eine Kette der Gewalt gegen Juden, die ihren Höhepunkt, nicht aber Endpunkt, im Holocaust der nationalsozialistischen Zeit fand. Die Katholische Kirche war eine Protagonistin eines religiös motivierten Antijudaismus, und die Protestantische Kirche stand dem mit Martin Luther in nichts nach.

Quelle: Zeit online

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: „Rechtsverhältnisse und Hinrichtungsart erweisen eindeutig die Römer als Hauptverantwortliche für den Tod Jesu.“
(Theißen/Merz, Der historische Jesus, S. 399) [/i]
Stimmt, sie habe ihn hingerichtet, so war die Rechtslage zur Zeit Jesu im römisch besetzten Palästina.
Theißen/Merz sprechen von einer breiten Beteiligung sowohl auf jüdischer, wie auch römischer Seite, bei den Eliten wie beim einfachen Volk. Ein paar Seiten nach deinem Zitat: "Die Frage nach der ,Schuld‘ am Tode Jesu ist unsachgemäß. Beantworten läßt sich die Frage nach der Verantwortung für seine Hinrichtung. Sie liegt bei den Römern, die auf Initiative der jüdischen Lokalaristokratie handelten."
Eben, wenn du deinen Nachbarn anzeigst, weil er seinen Hund quält, wird man nach Prüfung der Umstände evtl. zu einer Anklage und Verurteilung kommen. Die Justiz wird aber nicht sagen, wir befinden ihn für unschuldig, müssen ihn aber verurteilen, weil Roland das so will.
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#433 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » So 1. Apr 2018, 08:15

Münek hat geschrieben:Kerygmatische Forscher? Wer oder was soll das sein.
Bspw. die Strukturierung der "Theologie der Verkündigung". - "Forschung" ist nicht nur kritisch-rationale Forschung. - Richtig ist, dass Kerygmatik keine kritisch-rationale Forschung ist, aber sie ist uneingeschränkt der Entschlüsselung der Wirklichkeit Jesu gewidmet - bei anderen Setzungen als die der HKM. - Aber diese Setzungen kann man eh nicht falsifizieren.

Hier stehen sich - wie bei anderen theologischen Disziplinen auch - zwei Glaubensbekenntnise gegenüber:
1) Was wäre Jesu Wirklichkeit, wenn die Bibel unter Bedingungen eines "Bibel = normaler antiker Text" entschlüsselt wird.
2) Was wäre Jesu Wirklichkeit, wenn er göttlich war.
Jeder trägt etwas zur Entschlüsselung Jesu Wirklichkeit bei - aber letztlich gibt es nur EINE Wirklichkeit Jesu.

Münek hat geschrieben:Dass die Bibel ein "beliebiger" antiker Text ist, ist KEINE Setzung.
Doch - denn er könnte NICHT ein beliebiger Text sein - dazu muss Jesus nur göttlich gewesen sein, schon ist es vorbei damit.

Münek hat geschrieben: Eine Setzung wäre die Behauptung, die Bibel sei das inspirierte Wort eines allmächtigen Gottes.
Auch das ist eine Setzung.

Münek hat geschrieben:Dass irrelevant ist, was nicht falsifizierbar ist, ist keine Setzung, sondern eine simple Tatsache.
Es ist eine Setzung. - Dass Du es "Tatsache" nennst, zeigt den dogmatischen Charakter Deines Denkens - im Mittelalter hätte ein Mensch gesagt, dass die Existenz Gottes eine unzweifelhafte "Tatsache" ist.

Münek hat geschrieben:Du siehst: Deine genannten Setzungen sind keine.
Doch, doch. - Halten wir fest, dass der Mensch Dinge, die ihm selbstverständlich sind, nicht als "Setzungen" bezeichnet.

Münek hat geschrieben:Wieso nur aus "diachronaler Sicht"?
Habe ich was übersehen? - Meines Wissens ist der Hauptunterschied zwischen HKM und Kanonik, dass der eine sich an der chronologischen Rezeptions-Abfolge hält und der andere synchron bewertet.

Münek hat geschrieben:Die HKM IST DIE Leit- und Standardauslegung biblischer Schriften an den theologischen Fakultäten schlechthin. Sie ist alternativ- und konkurrenzlos.
Letzteres ist komplett überhöht formuliert. - Die HKM ist die unangefochtene Basis-Exegese, auf die die anderen theologischen Disziplinen auf Sachebene zurückgreifen. - Die hermeneutisch-interpretativen SChlüsse der HKM sind in der Theologie dagegen NICHT verbindlich.

Münek hat geschrieben:Die HKM ist für das Schriftverständnis unentbehrlich.
Richtig: "FÜR". - Aber sie ist nicht DAS Schriftverständnis.

Münek hat geschrieben:Für weitergehende Auslegungen "spiritueller Art" bieten die Ergebnisse der biblischen Wissenschaft keinen Anlass.
Die hermeneutisch-interpretativen methodischen Ergebnisse schließen sich natürlich selber ab - auch da ist der Sack zugebunden. - Aber die theologischen Disziplinen, die auf die neutralen Sachergebnisse der HKM zurückgreifen, steigen vorher aus - ihnen sind die hermeneutisch uninterpretierten Ergebnisse der HKM wichtig.

Münek hat geschrieben:Sage uns Bescheid, wenn eine andere "Diziplin zur Erforschung der Wirklichkeit Jesu" eine Zeitmaschine konstruiert hat, die es uns ermöglicht, in die Vergangenheit zu reisen, um Jesus persönlich zu befragen.
Das wird sich sicherlich schnell rumsprechen - aber bis dahin muss man sich mit verschiedenen Perspektiven behelfen - die HKM bietet EINE davon.

closs
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#434 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » So 1. Apr 2018, 08:41

sven23 hat geschrieben:Geistig bekommt man sich alles zusammengebastelt, wie man an 42000 Konfessionen sieht. Schuld daran ist der Mischtext, der nur so von Widersprüchen wimmelt, weil hier viele Köche den Brei verdorben haben.
Interpretativ wird das immer so sein und gilt auch für 42.001. Auslegungs-Disziplin namens HKM, sobald sie selbst Theologie(?) betreibt, indem sie Geistiges säkular interpretiert - aufgrund ihrer vorbildlichen Struktur auf Sachebene kann sie allerdings sehr breit einvernehmlich abdecken.

sven23 hat geschrieben:Schuld daran ist der Mischtext, der nur so von Widersprüchen wimmelt, weil hier viele Köche den Brei verdorben haben.
Deshalb lautet ja die Frage: Wann verstehen wir die Bibeltexte kritisch-rational und wann in ihrer spirituellen Kohärenz? - Kritisch-rational unverbindbare Texte aus AT und NT können spirituell deckungsgleich sein. - Und dann natürlich AUCH: Da das spirituelle Vermögen bei jedem unterschiedlich ist, kann das sehr unterschiedlich interpretiert werden - insofern gibt es hier in der Tat mehr Variable, als einem recht sein kann. - Trotzdem gilt: Wann verstehen wir die Bibeltexte kritisch-rational und wann in ihrer spirituellen Kohärenz? - Kritisch-rational unverbindbare Texte aus AT und NT können spirituell deckungsgleich sein.

sven23 hat geschrieben:Dass die Welt nun mal so ist, wie sie sich uns darstellt, ist kein Glaubensbekenntnis
Streng genommen schon. - Aber das ist gar nicht das Problem - das Problem ist, daraus zu schließen, dass sie deshalb nicht anders sein könnte.

sven23 hat geschrieben:Damit wechselst du in die glaubensideologische/glaubensdogmatische Abteilung. Ist ja ok, aber mit historischer Forschung hat das nichts mehr zu tun.
Natürlich hat das nichts mit historisch(methodisch)er Forschung zu tun - die Frage ist doch nicht, ob man dem methodischen Ansatz der HKM gerecht wird, sondern ob man der Wirklichkeit gerecht wird.

sven23 hat geschrieben:Natürlich ist so ein Glaubensbekenntnis Unsinn.
Ein "Glaubensbekenntnis alias Setzung" ist unvermeidbar, sobald man hermeneutisch interpretiert. - Die sinnvolle Gegenüberstellung wäre also "Glaubensbekenntnis alias Setzung A" versus "dito B". - Aber doch nicht "WIssenschaft" versus "Glaubensbekenntnis alias Setzung". - Die HKM wimmelt von Setzungen, sobald sie hermeneutisch interpretiert.

sven23 hat geschrieben:Man darf sie aber nicht mit Glaubensideologie kontaminieren, sonst ist die ganze Mühe vergeblich gewesen.
Auf sachlich-neutraler Ebene besteht keine Kontaminierungs-Gefahr.

sven23 hat geschrieben:Ähm, die Schreiber beschreiben die Naherwartung Jesu
Sie beschreiben ihr Verständnis der Naherwartung Jesu zu einem Zeitpunkt x.

sven23 hat geschrieben:Im übrigen wäre es völlig übertrieben, die kleine Anhängerschar in der Provinz als "das Volk" zu bezeichnen.
Aber sie sind "aus dem Volk", repräsentieren also den Volksglauben.

sven23 hat geschrieben:diese Ergebnisse sind duch eine bestimmte Methodik ermittelt worden, einer wissenschaflich fundierten Methode
Das spricht niemand ab - deshalb sind es "methodische Ergebnisse". - Nicht mehr und nicht weniger.

sven23 hat geschrieben:Es gilt immer noch: wer den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt, muss sich an den Kriterien der Wissenschaft messen lassen.
Es gibt hier zwei Möglichkeiten:
1) Entweder theologische Disziplinen wie Kanonische Exegese, Dogmatik, etc. sind "Wissenschaft", weil sie wissenschafts-theoretisch so eingeordnet werden - dann kann man die Wirklichkeit Jesu (als den Jesus, der der Fall war) weitgefächert abbilden.
2) Oder solche Disziplinen werden NICHT als Wissenschaft eingeordnet - dann kann die Wirklichkeit Jesu nur rudimentär abgebildet werden.

Egal, ob 1) oder 2): Es ändert nichts an der Sache.

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#435 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 1. Apr 2018, 08:41

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Und es war die Kirche, die in ihrer Geschichte die Juden eher geschützt als verfolgt hat, wie du z.B. hier nachlesen kannst.
Gläubige sind wohl Meister der Verdrängung und des Schönredens.
Es wird nichts verdrängt sondern nur das ganze Bild gezeichnet. Und das sieht eben faktisch ganz anders aus, als es in Kubitzas einseitiger Hetzschrift zu lesen ist.
Dann verbreitet auch "zeit-online" Hetzschriften? Siehe obigen Artikel

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Trotzdem stimmt es, dass sich sie sich phasenweise auch judenfeinlich verhalten hat. Damit konnte sie sich allerdings nicht auf Jesus berufen, der ja Nächsten- und Feindesliebe gepredigt hat.
Die Phase hielt ca. 2000 Jahre an.
Das ist nachweislich falsch.
Nur wenn man Geschichtsglitterung betreibt.


Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Er wollte gewiss keine neue Religion gründen, erst Recht nicht die Kirche, wie sie sich dann konstituierte. Das war so ziemlich das Gegenteil dessen, was er vertrat.
Behauptungen, die vielleicht die Giordano-Brundo-Stiftung macht, die aber nicht mit dem NT in Übereinstimmung sind. In seinen Gleichnissen, z.B. vom Senfkorn oder vom Unkraut-Weizen-Gleichnis usw. hat er genau vorhergesehen, wie es sich entwickeln würde. Und Jesus sagt u.a. in Mt.24, 14: "Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen."
Das muss im Rahmen der Parusieverzögerung gesehen werden. Irgendwann wurde ja auch dem letzten klar, dass Jesus sich wohl geirrt haben mußte.
Nur die Zeugen Jehovas glauben immer noch tapfer an das baldige Ende der bestehenden Ordnung. Und da sie Paulus auf den Leim gegangen sind, müssen andere ständig mit ihren apokalyptischen Phantasien belästigen. :lol:

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Nachgeplapperte Klischees, die bei näherer Betrachtung sehr viel differenzierter zu bewerten sind.
Die Unheilsgeschichte der christlichen Kirche ist historisch gut aufgearbeitet. Das sind mehr dunkle Flecken als helle.
Sie ist tatsächlich gut aufgearbeitet, nur leider kennst du sie nicht. Sondern verlässt dich auf Halbwissen, Vorurteile und Klischees, die du aus den Hetzschriften Kubitzas beziehst.
Wie gesagt: wenn man Geschichtsglitterung betreibt, kann man sich alles schön reden.

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Wie gesagt, er griff konkret diese jüdischen Schriften an. Dass er trotzdem weit übers Ziel hinausgeschossen ist, sagte ich bereits. Er sah sein Lebenswerk gefährdet und war im übrigen auch nur ein Mensch seiner Zeit.
Tja, das war Jesus auch, deshalb irrte er sich, wie so viele vor und nach ihm.…
Die Mär vom einem Irrtum Jesu ist doch nun zur Genüge widerlegt worden.
Funktioniert nur, wenn man das halbe NT zur Fälschung erklärt.

Dann besteht die Forschung wohl nur aus Bibelfälschern. Welche Motive sollten sie dafür haben?

Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen

"...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
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„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“

(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S. 22)

Roland hat geschrieben: Seine späten Juden-Polemiken waren aber nicht allgemeiner Natur. Im Jahr 1523 verfasste er die Schrift „Dass Jesus ein geborener Jude sei“.
Das ist ja auch kaum zu leugnen. :lol:


Roland hat geschrieben: Er war kein Antisemit -
Natürlich nicht. Vermutlich hat seine Frau das verfaßt: :lol:

"Die Juden sind ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes Ding, dass sie 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen...; Man sollte ihre Synagogen und Schulen mit Feuer anstecken, ... unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien (...) ihre Häuser desgleichen zerbrechen und zerstören."


Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Aber genau wie closs solltest du inzwischen wissen, dass die historisch-kritische Forschung keinen in die Geschichte eingreifenden Gott voraussetzt und deshalb die biblischen Texte wie alle anderen antiken Texte behandelt. Das macht die historisch-kritische Methode aus.
Wenn man also die biblischen Texte von vornherein, apriori, ins Unrecht setzt und einen handelnden Gott ausschließt, anders als das die Texte von 1.Mose 1 bis zur Offenbarung tun, dann sind eben die Ergebnisse entsprechend. Und das ist ja erlaubt. Aber komm mir dann doch nicht mit "Wissenschaft", das ist Naturalismus. Wissenschaftlich ist die HKM ausschließlich auf der Sachebene, wie closs richtig zu sagen pflegt. Exegese, also die Interpretationsebene dagegen, ist ohne Vorannahmen gar nicht möglich. Das sagt selbst Bultmann. Und die HKM-Vorannahme ist das Glaubenssystem des Naturalismus.
Dann sei auch dir gesagt, dass die historisch-kritische Methode immer noch die Standardauslegung ist, auch auf exegetischer, interpretativer Ebene.
Aber auf wissenschaftlicher Basis. Mit Glaubensbekenntnissen musst du in die glaubensideologische Abteilung wechseln.

Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
Katechismus der katholischen Kirche

Man muss sich das mal vorstellen: das will closs uns allen ernstes als Basis wissenschaftlicher Forschung verkaufen. :lol:

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Nachdem du deinen Strohmann zum x-ten Male wiederholt hast: Nach C.P. Thiede argumentiert derjenige "gegen den Stand Forschung" der heute noch ihre historische Zuverlässigkeit in Zweifel zieht.
Nee, das ist doch gerade das Merkmal der historisch-kritischen Methode. Kritisch bezieht sich auf den Unterschied zwischen historischem Geschehen und Überlieferung.
Thiede ist Glaubensideologe und kein Anhänger der wissenschaftlich arbeitetenden historischen Jesusforschung.
Thiede war Literaturwissenschaftler und Professor für Umwelt und Zeitgeschichte des Neuen Testaments. Eben noch hast du ihn selbst ins Spiel gebracht, ..
Ja, weil er richtigerweise von Glaubenspropagandaschriften sprach. Dagegen ist doch nichts einzuwenden.
Kubitza spricht weniger polemisch von Gaubensschriften, die Glauben wecken sollten.


Roland hat geschrieben: Die Mehrheit in der "Jesusforschung" mögen vielleicht vorläufig noch diejenigen Glaubensideologen haben, die einen handlenden Gott ausschließen. Also die atheistischen Glaubensideologen. Die LMU München bezeichnet es jedoch als neuesten Trend in der Jesusforschung, die Evangelien als Geschichtserzählungen wieder ernst zu nehmen. Wie das Christen ohnehin seit 2000 Jahren tun.
Das ist glaubensideologisches Wunschdenken.
Noch ist die historisch-kritische Methode die Standardauslegung und sie wird es auch bleiben, wenn die historische Forschung den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit nicht aufgibt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#436 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 1. Apr 2018, 08:57

Roland hat geschrieben: Muss man anders sehen: Strauß vermutete vor 150 Jahren aus ideologischen Gründen, dass den Schreibern die historischen Fakten wenig am Herzen lagen.
Und heute ist die Vermutung zur Gewissheit geworden.



Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Nur bei Kubitza (dessen Verwirrung ja perfekt ist :) ). Jesus wird von Pilatus genau nach diesem Anklagepunkt befragt: "Bist du der Juden König?" Das steht in Mt. 24,11; Mk. 15,2; Lk.23,3 und Joh.18,33. Der Anklagepunkt ist also eigentlich kaum zu übersehen…
Na ja, wenn es historisch so gewesen ist, dann hat er den Bogen selbst überspannt.
Einfach, indem er die Wahrheit gesagt hat. So ist das wohl.


Das Todesurteil hat der römische Präfekt Pontius Pilatus gesprochen, dem im von der Besatzungsmacht verwalteten Judäa die Kapitalgerichtsbarkeit zukam. Jesus war durch das Synedrium wahrscheinlich des politischen Aufruhrs angeklagt worden. Darauf deutet die unübliche und deshalb wohl historische Kreuzesinschrift "König der Juden" (Mk 15,26). Der Anspruch Jesu, Mittler der Gottesherrschaft zu sein, wurde politisch umgedeutet. Dazu hat möglicherweise beigetragen, dass ein Teil seiner Anhänger messianische Hoffnungen an ihn knüpfte.

Unklar ist, aufgrund welchen nach jüdischem Recht strafbaren Tatbestandes das Synedrium Anklage gegen Jesus erhoben hat. Möglicherweise hat man ihn als falschen Propheten angesehen (vgl. Dtn 13,1-6; 18,9-22). Vieles deutet aber darauf hin, dass es gar kein formelles Verfahren gegen Jesus vor dem Synedrium gegeben hat, da das in Mk 14,53-65 geschilderte Verhör allen jüdischen Prozessprinzipien widerspricht. Das Motiv des Vorgehens der jüdischen Autoritäten gegen Jesus ist dagegen relativ eindeutig zu erkennen. Er rüttelte mit seiner Verkündigung, vor allem mit der Kritik am Tempel, an den Privilegien der Lokalaristokratie. Sie konnte sich bei dem Bemühen, diesen lästigen galiläischen Wanderprediger loszuwerden, vermutlich der Sympathie großer Teile der Jerusalemer Bevölkerung sicher sein, da deren Existenz häufig vom Tempel abhing.

Quelle: bibelwissenschaft.de

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Genau. Judenfeindlichkeit ins NT einzuschmuggeln ist also völlig absurd. Jesus hat die Juden auch nicht verdammt sondern über sie geweint
Falsche Schlussfolgerung: es wäre absurd, dem Juden Jesus Antijudaismus vorzuwerfen.
Richtig. Exakt genau so ist es mit all den anderen Juden, die das NT verfasst haben.
Die Befundlage ist eine andere. Die Forschung unterscheidet ja auch zwischen authentischen Aussagen und Aussagen, die ihm die Schreiber nachträglich in den Mund gelegt haben. Die antijudaistischen Passagen stammen demnach nicht von ihm.
Probleme haben nur die Glaubensideologen, die die ganze Schrift als göttlich inspiriert und irrtumsfrei verstanden wissen wollen.

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Schreiber dagegen reagierten ziemlich angepißt, als sie erkennn mußten, dass die christliche Sekte bei den Juden keine große Zukunft haben würde.
Wie schon gezeigt: Zur Zeit der "Schreiber" war es noch sozusagen eine messianisch-jüdische Sekte, eine innerjüdische Debatte, wie die Wissenschaftler Schreckenberg, Thiede/Stingelin und übrigens auch Gerd Theißen sagen. Das Neue Testament liefert "keine Handhabe zu Judenhass und Judenverfolgung".
Trotzdem hat ihnen die Ablehnung gewaltig gestunken. Das Märchen von den Gottesmördern hat die Kirche begierig aufgegriffen und damit ihren Antijudaismus legitimiert. Der einzige Ausweg für weitere Expansion lag deshalb in der Heidenmissionierung, die Paulus entgegen der jesuanischen Weisung dann propagierte.

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Aus jüdischer Sicht nur allzu verständlich. Der schändliche Kreuzestod als gewöhnlicher Verbrecher war ja gerade für die Juden der Beweis, dass Jesus niemals der im AT verheißene Messias gewesen sein konnte.
Dann kannten sie ihre Bibel schlecht, die genau das z.T. detailliert schildert, Jesaja 53:
Siehe dazu die Anmerkungen weiter oben.


Roland hat geschrieben: Wünsche ein gesegnetes Osterfest!
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#437 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » So 1. Apr 2018, 10:10

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Kerygmatische Forscher? Wer oder was soll das sein.
Bspw. die Strukturierung der "Theologie der Verkündigung". - "Forschung" ist nicht nur kritisch-rationale Forschung.
In der katholischen Theologie wird genauso wenig GEFORSCHT wie beispielsweise in der Astrologie. In diesen Bereichen des irrationalen Glaubens besteht kein Forschungsbedarf, weil die entsprechenden Endresultate schon seit sehr sehr langer Zeit dogmatisch feststehen.

Ich muss mich korrigieren:
"Neuere Forschungen" - genauer: göttliche Offenbarungen - führten zu den Dogmen der "Unbefleckten Empfängnis Marias" (1854), der "Unfehlbarkeit des Papstes" (1870) und "Mariä Aufnahme in den Himmel" (1950). An welchem Dogma gegenwärtig "geforscht" wird, entzieht sich meiner Kenntnis. :)

closs hat geschrieben:Richtig ist, dass Kerygmatik keine kritisch-rationale Forschung ist, aber sie ist uneingeschränkt der Entschlüsselung der Wirklichkeit Jesu gewidmet.
Ach was. Da gibt es nichts mehr zu "entschlüsseln". Die absoluten Wahrheiten über den Christus des Glaubens liegen vollständig auf dem dogmatischen Tisch. :)

closs hat geschrieben:- bei anderen Setzungen als die der HKM. - Aber diese Setzungen kann man eh nicht falsifizieren.
Die HKM setzt NICHTS. Dass sie sich hinsichtlich der Existenz Gottes der Stimme enthält, ist KEINE Setzung - sehr zum Verdruss Ratzingers, der sich erbittert darüber beklagt ("Antichrist"), dass in der wissenschaftlichen Bibelauslegung "Gott nichts sagt und nichts zu sagen hat".

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#438 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » So 1. Apr 2018, 10:56

Münek hat geschrieben:In der katholischen Theologie wird genauso wenig GEFORSCHT wie beispielsweise in der Astrologie.
Das ist schlicht falsch und ausschließlich eine ideologische Aussage. - Etwas neutraler: "Forschung" rein kritisch-rational zu verstehen, wird der Wirklichkeit der Welt nicht gerecht.

Münek hat geschrieben: Die absoluten Wahrheiten über den Christus des Glaubens liegen vollständig auf dem dogmatischen Tisch.
"Dogmatik" ist die Zusammenfassung von manchmal jahrhundertelanger Forschung - Achtung: Das heißt nicht, dass ihre Ergebnisse im Verhältnis zu dem, was wirklich der Fall war, wahr sein müssen - aber sie können genauso wahr sein wie historisch-kritische Interpretations-Ergebnisse.

Münek hat geschrieben:Die HKM setzt NICHTS.
SChlicht falsch - jede Methodik ist bereits vorab eine Setzung, weil sie sagt: "Wir suchen nach methodischen Ergebnissen innerhalb unseres methodischen Korridors". - Dazu kommen Setzungen wie "naturalistischer Zusammenhang der Geschichte" (wobei Du hier ja anderer Meinung als Sven bist).

sven23 hat geschrieben:Das muss im Rahmen der Parusieverzögerung gesehen werden. Irgendwann wurde ja auch dem letzten klar, dass Jesus sich wohl geirrt haben mußte.
Bzw: Irgendwann wurde ja auch dem letzten klar, dass Jesus etwas ganz anderes gemeint hatte.

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sven23
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#439 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 1. Apr 2018, 11:53

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die HKM setzt NICHTS.
SChlicht falsch - jede Methodik ist bereits vorab eine Setzung, weil sie sagt: "Wir suchen nach methodischen Ergebnissen innerhalb unseres methodischen Korridors". - Dazu kommen Setzungen wie "naturalistischer Zusammenhang der Geschichte" (wobei Du hier ja anderer Meinung als Sven bist).
Moment, ich betone aber immer wieder, dass dies in keiner Weise die Ergebnisoffenheit einschränkt. Bei den biblischen Texten ebenso wenig wie bei anderen antiken Texten. Das solltest du auch erwähnen, um der Wahrheit die Ehre zu geben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das muss im Rahmen der Parusieverzögerung gesehen werden. Irgendwann wurde ja auch dem letzten klar, dass Jesus sich wohl geirrt haben mußte.
Bzw: Irgendwann wurde ja auch dem letzten klar, dass Jesus etwas ganz anderes gemeint hatte.
Das kann man am 1. April noch gerade so als Aprilscherz durchgehen lassen. :lol:

Der echte Paulus glaubte fest daran, dass noch zu seinen Lebzeiten das Reich Gottes anbrechen und Jesus Christus wiederkommen werde. Das war für Viele ein wichtiger Grund, sich zum Christentum zu bekehren. Die Verheißung der Erlösung stand unmittelbar bevor; man musste sich nur rechtzeitig zum richtigen Glauben bekennen. Doch Paulus starb, ohne dass irgendetwas passierte. Die vormals dynamische Glaubensbewegung verlor an Schwung und drohte einzugehen. In dieser Lage griffen die Kirchenpolitiker zur Feder und interpretierten die Aussagen des Paulus um. Sie veränderten dessen Bild von der unmittelbar bevorstehenden Erlösung, indem sie seine Naherwartung auf Christi Wiederkunft zu einer zeitlich unbestimmten Erwartung in eine fernere Zukunft verschoben. Dadurch war der Erwartungsdruck von der Kirche genommen, das unmittelbar bevorstehende Eintreten ihrer Verheißungen werde den Wahrheitsgehalt ihrer Lehren schon belegen. Unter den neuen Bedingungen konnte man sich problemlos in dieser Welt einrichten. War Paulus noch eher nachsichtig und sanft mit Glaubensschwachen umgegangen, so arbeiteten die Kirchenpolitiker jetzt mit härteren Bandagen. Wer an ihren Anweisungen zweifelte, der wurde bedroht. "Wenn aber einer unserem Wort durch den Brief nicht gehorcht, den merkt Euch, habt keinen Umgang mit ihm, damit er beschämt wird." Damit war der Weg von der freien Glaubensgemeinschaft zur Amtskirche vorgezeichnet.
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#440 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 1. Apr 2018, 12:15

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Geistig bekommt man sich alles zusammengebastelt, wie man an 42000 Konfessionen sieht. Schuld daran ist der Mischtext, der nur so von Widersprüchen wimmelt, weil hier viele Köche den Brei verdorben haben.
Interpretativ wird das immer so sein und gilt auch für 42.001.
Nein, Theißen betont, dass das Jesusbild der Wissenschaft ziemlich einheitlich ist und gegen die 42000 Konfessionen steht. Damit hat er wohl Recht. :thumbup:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Schuld daran ist der Mischtext, der nur so von Widersprüchen wimmelt, weil hier viele Köche den Brei verdorben haben.
Deshalb lautet ja die Frage: Wann verstehen wir die Bibeltexte kritisch-rational und wann in ihrer spirituellen Kohärenz? - Kritisch-rational unverbindbare Texte aus AT und NT können spirituell deckungsgleich sein.
Nein, die Koheränz wird den Texten von Kanonikern aufgezwungen. De facto besteht sie gar nicht, bzw. besonders das AT wird hier instrumentalisiert und mißbraucht.
Die Forschung ist sich einig, dass Jesaja 53 nicht für den jüdischen Wanderprediger mißbraucht werden kann.


closs hat geschrieben: Kritisch-rational unverbindbare Texte aus AT und NT können spirituell deckungsgleich sein.
Gerade das disqualifiziert Spiritualiät als Kriterium für historische Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass die Welt nun mal so ist, wie sie sich uns darstellt, ist kein Glaubensbekenntnis
Streng genommen schon. - Aber das ist gar nicht das Problem - das Problem ist, daraus zu schließen, dass sie deshalb nicht anders sein könnte.
Spielt für die Forschung generell keine Rolle.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Damit wechselst du in die glaubensideologische/glaubensdogmatische Abteilung. Ist ja ok, aber mit historischer Forschung hat das nichts mehr zu tun.
Natürlich hat das nichts mit historisch(methodisch)er Forschung zu tun - die Frage ist doch nicht, ob man dem methodischen Ansatz der HKM gerecht wird, sondern ob man der Wirklichkeit gerecht wird.
Mit Glaubensbekenntnissen wird man ihr mit Sicherheit nicht gerecht. :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man darf sie aber nicht mit Glaubensideologie kontaminieren, sonst ist die ganze Mühe vergeblich gewesen.
Auf sachlich-neutraler Ebene besteht keine Kontaminierungs-Gefahr.
Die es aber nur in der Phantasie des Laien closs gibt.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Im übrigen wäre es völlig übertrieben, die kleine Anhängerschar in der Provinz als "das Volk" zu bezeichnen.
Aber sie sind "aus dem Volk", repräsentieren also den Volksglauben.
Nee, den Volkglauben gab es gar nicht. Es gab eine Vielzahl unterschiedlicher Strömungen, davon war das apokalyptische Judebtum eines davon.
Jesus war Endzeitprophet und Apokalyptiker wie sein Vorbild, Johannes der Täufer, deshalb mahnt er zu Eile und Umkehr.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:diese Ergebnisse sind duch eine bestimmte Methodik ermittelt worden, einer wissenschaflich fundierten Methode
Das spricht niemand ab - deshalb sind es "methodische Ergebnisse". - Nicht mehr und nicht weniger.
Gerade das macht die Ergebnisse extrem belastbar. Es werden keine Glaubensbekenntnisse benötigt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es gilt immer noch: wer den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt, muss sich an den Kriterien der Wissenschaft messen lassen.
Es gibt hier zwei Möglichkeiten:
1) Entweder theologische Disziplinen wie Kanonische Exegese, Dogmatik, etc. sind "Wissenschaft", weil sie wissenschafts-theoretisch so eingeordnet werden - dann kann man die Wirklichkeit Jesu (als den Jesus, der der Fall war) weitgefächert abbilden.
2) Oder solche Disziplinen werden NICHT als Wissenschaft eingeordnet - dann kann die Wirklichkeit Jesu nur rudimentär abgebildet werden.

Falsch, historische Forschung und Glaubensbekenntnisse schließen einander aus.
Hier steht Wissenschaft vs. Glaubensideologie.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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