Alles Teufelszeug? IX

Roland
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#381 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Roland » Mi 28. Mär 2018, 10:30

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Nein, alle genannten Bibelstellen sind aus dem Kontext gerissen und werden als "judenfeindlich" interpretiert.
Bei den antijudaistischen Zitaten muss nicht viel interpretiert werden.
Richtig, sie als antijudaistisch zu bezeichnen ist nämlich schlicht absurd. Wir können gern jeden einzelnen Vers durchgehen. Gleich zu Beginn des Pamphelts steht z.B.:
Die Bibel lässt keine Zweifel daran, was sie von ihren religiösen Widersachern, den Juden, hält. Schlechte Menschen wirft sie mit Juden und Heiden zusammen in einen Topf (Röm 2,9): "Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die Böses tun, zuerst der Juden und ebenso der Griechen."
Liest man nur zwei Verse weiter, so steht da:
"Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden allen denen, die das Gute tun, zuerst den Juden und ebenso den Griechen. Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott."
Hier wird einfach nur ausgesagt: Böses tun hat Konsequenzen und Gutes tun hat Konsequenzen. Und das gilt ALLEN, Juden wie Griechen bzw. Heiden. Vor Gott gilt nur der Mensch, nicht die Nationalität.
Den Vers 9 isoliert herauszupicken und als judenfeindlich zu apostrophieren ist der Gipfel der Absurdität. Und in diesem Stil geht es weiter. Dieses Machwerk ist einfach nur doof (Tschuldigung).

sven23 hat geschrieben: Paulus hat das Märchen von den Gottesmördern in die Welt gesetzt, …
Es ist einfach eine historische Tatsache, dass Jesus auf Betreiben der Juden hingerichtet wurde. Weiter vorn schriebst du noch, dass auch "die Forschung" dies, deiner Meinung nach, in Betracht ziehen würde - und jetzt ist es ein Märchen, das Paulus in die Welt gesetzt hat. Übrigens: Das Wort "Gottesmörder" findet sich weder bei Paulus noch sonstwo in der Bibel.

sven23 hat geschrieben: …die Kirche hat den Stein aufgehoben, der Rest ist Geschichte.
Die Juden waren immer durch ihr Äußeres und ihre spezielle Kleidung, ihre Speise- und Reinheitsvorschriften usw. Außenseiter und wurden von den Menschen als Fremdkörper und schnell auch als Sündenböcke angesehen. Etwa wenn Mißernten, Seuchen, die Pest usw. zu beklagen waren, konnte das die dumpfe Volkswut heraufbeschwören und vor allem nördlich der Alpen Juden-Progrome zur Folge haben. Und es war die Kirche, die in ihrer Geschichte die Juden eher geschützt als verfolgt hat, wie du z.B. hier nachlesen kannst.
Trotzdem stimmt es, dass sich sie sich phasenweise auch judenfeinlich verhalten hat. Damit konnte sie sich allerdings nicht auf Jesus berufen, der ja Nächsten- und Feindesliebe gepredigt hat.

sven23 hat geschrieben: Für das Volk, dem Jesus angehörte, entpuppte sich die sog. christliche Heilsgeschichte als eine Geschichte des Unheils.
Nachgeplapperte Klischees, die bei näherer Betrachtung sehr viel differenzierter zu bewerten sind.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Er geht konkret auf jüdische Schriften ein, die das Christentum heftig beleidigen. Und dass er sich besser nicht hätte derart provozieren lassen, steht sicher außer Frage.
Dann hätte Luther die Verfasser der Schmähschriften angreifen sollen und nicht die Juden im Allgmeinen. Es ist aber zu befürchten, dass sein Antijudaismus allgemeiner Natur war.
Wie gesagt, er griff konkret diese jüdischen Schriften an. Dass er trotzdem weit übers Ziel hinausgeschossen ist, sagte ich bereits. Er sah sein Lebenswerk gefährdet und war im übrigen auch nur ein Mensch seiner Zeit.
Seine späten Juden-Polemiken waren aber nicht allgemeiner Natur. Im Jahr 1523 verfasste er die Schrift „Dass Jesus ein geborener Jude sei“. Dort schreibt er, die Juden seien "von dem Geblüt Christi; wir sind Schwäger und Fremdlinge, sie sind Blutsverwandte, Väter und Brüder unseres Herrn". Luther wendet sich darin gegen Gräuelmärchen, die über Juden im Umlauf sind. Er kritisiert deren Ghettoisierung und die Berufsverbote, die über sie verhängt sind. Man solle als Christ freundlich und wertschätzend mit Juden umgehen.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Genau. Wenn es dich also interessiert, kauf mal das neueste Buch von Manfred Lütz, statt nur atheistische Demagogen zu lesen.
Lütz ist ein bisweilen amüsanter Dampfplauderer, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Geschichte des Christentum wissenschaftlich aufgearbeitet hat.
Nicht er selbst. Das Buch beruht auf dem Werk des Kirchenhistorikers Arnold Angenendt "Toleranz und Gewalt" und ist von diesem und seinen Mitarbeitern mitverfasst worden. Es ist außerdem von 5 weiteren, mit akademischen Titeln hochdekorierten Historikern und Theologen gegengelesen worden, die Lütz im Vorwort namentlich aufführt.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Nur denen, die, wie Bultmann, einen handelnden Gott explizit in ihrer Exegese ausschließen. Denn ein Gott der nicht handlen kann, ist eben keiner. Das ist dann faktisch Atheismus.
Sag ich doch, die wirfst der historisch-kritischen Forschung im allgemeinen Atheismus vor. Das ist bestimmt wieder auf Bergers Mist gewachsen.
Nein, ich habe ja genau das Gegenteil gesagt. Mein Satz begann mit "Nur denen, die…" also gerade nicht "der historisch-kritischen Forschung im allgemeinen".

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: In neuerer Zeit versteht man unter diesem Titel insbesondere eine wissenschaftliche Ausgabe des Textes des Neuen Testaments. Diese textkritische Edition (aktuell in der 28. Auflage) wird betreut vom Institut für neutestamentliche Textforschung der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Sie ist nach ihren ersten Herausgebern auch bekannt unter der Bezeichnung „Nestle-Aland“ (NA). […] Das Novum Testamentum Graece ist eine Rekonstruktion der griechischen Texte des Neuen Testaments auf Grund von textkritischen Entscheidungen über den Wert einer Handschrift zu der fraglichen Textstelle.
Ja klar, die griechischen Texte sind selbstverständlich auch die Basis für die historisch-kritische Exegese. Es ändert aber nichts an den Ergebnissen.
Abgesehen davon, dass es keine zwingenden "Ergebnisse" der HKM gibt, die dem christlichen Glauben widersprechen könnten, ging es um diese Aussage von dir: "Es gibt keine Urtexte, nur Abschriften von Abschriften von Abschriften". Die Wissenschaft kann jedoch aus der unvergleichlichen Fülle antiker Manuskripte den ursprünglichen Text rekonstruieren.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: "Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – wird seit der Schöpfung der Welt, wenn man es wahrnimmt, ersehen an seinen Werken, sodass sie keine Entschuldigung haben." Römer 1, 20
Du solltest nicht die Bibel als Zeuge für Einstein mißbrauchen. Denn sowohl die jüdische als auch die christliche Religion betrachtete er als "primtive Legenden und kindischen Aberglauben."
Am Schluss nochmal das für euch typische "Aus-dem-Zusammenhang-Reißen" von Zitaten.
Ich sprach von der Abivalenz Einsteins. Einerseits war ihm klar, dass hinter dem Universum mehr stecken muss, als die "primitive Legende" der Zufalls-Entstehung durch geistlose Prozesse – andererseits verwirft er das Christentum offensichtlich aufgrund kaum durchdachter, kurzschlüssiger Klischees.
Mit Verweis auf Römer 1, 20 bat ich dich, es besser zu machen als Einstein.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

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#382 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Mi 28. Mär 2018, 22:10

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du meinst in Wirklichkeit keine Interpretation, sondern die Wiedergabe dessen, was in den katholischen Kirchendogmen schon seit anno Tobak festgezurrt worden ist.
"Spirituell" versus "Säkular" ist das, worum es geht. Deine zwanghafte Fokussierung auf irgendwelche Dogmen spielt dabei keine Rolle.
Rede doch keinen Unsinn.

Die von Ratzinger geforderte "Glaubensentscheidung" beruht SELBSTVERSTÄNDLICH auf den verbindlichen Dogmen der katholischen Kirche. Und deshalb ist es auch albern zu behaupten, die sog. "kanonische Exegese" wolle irgendetwas "wissenschaftlich erforschen". Da gibt es nichts mehr zu forschen. Der ideologisch-dogmatische Glaubenssack ist ZU.


Es sei denn, dem Papst fällt mal wieder ein weiteres Dogma ein.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Es geht bei der biblischen Exegese immer um die Frage nach dem Wortsinn, um die Frage, was hat der Verfasser zum Ausdruck bringen wollte (Intention, Aussageabsicht).
Das macht die HKM so - es gibt aber auch ganz andere Schwerpunkte.
Wer andere Auslegungsschwerpunkte setzen will, setzt sich dem dringenden Verdacht aus, keine Exegese, sondern glaubensgesteuerte EISEGESE betreiben zu wollen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nee nee - Ratzinger passte es nicht, dass in der wissenschaftlichen historisch-kritischen Exese "Gott nichts sagt und nichts zu sagen hat."
Wieso "nee, nee"? - Das ist doch gerade der Grund: Ratzinger wollte von der HKM entweder nur neutrale Sachergebnisse oder zusätzlich geistig-spirituelle Hermeneutik haben.
Eben. Ratzinger wollte "ZUSÄTZLICH eine geistig-spirituelle Hermeneutik haben." Zusätzlich! Die rein wissenschaftliche Exegese, in der Gott als transzendent handelnde Entität nicht vorkommt, war ihm wegen ihrer unübersehbaren Dominanz an den theologischen Fakultäten ein Gräuel geworden, eine Verkörperung des "Antichristen".

Ratzinger hat sich nie darüber beklagt, dass die historisch-kritische Exegese ihr gesetzte Grenzen überschritten habe. Niemals. Was er wollte, war der Übertritt der wissenschaftlich-historisch ausgerichteten Exegese ins GLAUBENSLAGER.
Zuletzt geändert von Münek am Mi 28. Mär 2018, 23:38, insgesamt 1-mal geändert.

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#383 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Mi 28. Mär 2018, 22:38

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nein - es geht darum, dass die sog. "kanonische Exegese" an die katholischen Glaubensdogmen gebunden ist und insofern nicht zu anderen Forschungsergebnissen gelangen kann als dogmatisch vorgegeben ist. Ganz simpel.
Zu simpel. - Glaub mir, dass es hier auch eine Sachebene gibt.
Es ist so, wie ich schrieb. Solltest Du anderer Ansicht sein, begründe es - aber ohne Schwurbelei.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nach den Vorgaben der "Päpstlichen Bibelkommission" gibt es keine "ganz anderen Schwerpunkte", sondern: Auslegung der biblischen Schriften nach dem Wortsinn wie andere Texte auch - und zwar (!) ohne jegliche apriori-Annahmen.
So definiert die Kommission die HKM: Als unverzichtbar für das Textverständnis....
... auf der Grundlage der o.g. Vorgaben. :thumbup:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Bis auf Ratzinger, der die historisch-kritische Ergebnisse zwar anerkennt, aber nur, wenn sie in sein Glaubenskonstrukt passen.
Das sind Verschwörungstheorien, die intellektuell verstörend sind.
Seit wann rechnest Du den renommierten Theologen Hans KÜNG zu den Verschwörungstheoretikern? :shock: In seinem Buch "Umstrit-
tene Wahrheit" S. 438, kritisiert Küng Ratzinger:

"... wenn er schließlich in seinem Jesus-Buch von 2007 ... wie eh und je die historisch-kritische Methode zwar als "unverzichtbar" bezeichnet, sie aber überall dort außer Kraft setzt, wo traditionelle Auffassungen oder Dogmen berührt werden."


Nix Verschwörungstheorie.

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#384 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Mi 28. Mär 2018, 22:56

Münek hat geschrieben:deshalb ist es albern zu behaupten, die sog. "kanonische Exegese" wolle irgendetwas "wissenschaftlich erforschen".
Das ist schlicht falsch. - Du verkennst, dass KEINE Wissenschaft seine Setzungen zum Gegenstand ihrer Forschung macht - weder die HKM noch andere Exegesen - auch in ganz anderen wissenschaftlichen Feldern ist es so.

Münek hat geschrieben:Wer andere Auslegungsschwerpunkte setzen will, setzt sich dem dringenden Verdacht aus, keine Exegese, sondern glaubensgesteuerte EISEGESE betreiben zu wollen.
Das ist ideologisches Gedöns seitens derer, die monopolistische Ansprüche erheben - INTERNES Gerede EINES hermeneutischen Ansatzes.

Münek hat geschrieben: Ratzinger wollte "ZUSÄTZLICH eine geistig-spirituelle Hermeneutik haben."
So wie die HKM in der heutigen Praxis eine säkulare Hermeneutik auf Basis ihrer Sachergebnisse hat, wollte Ratzinger eine geistig-spirituelle Hermeneutik haben - richtig. - Er wollte also die heute vorherrschende "Ebene 2" anders besetzen. - Das ist legitim und nicht wider-wissenschaftlich.

Münek hat geschrieben:Ratzinger hat sich nie darüber beklagt, dass die historisch-kritische Exegese ihr gesetzte Grenzen überschritten habe.
Ob er das jemals wörtlich so gesagt hat, weiß ich nicht auswendig - aber der Vorwurf "Antichrist" ist doch genau Folge davon.

Münek hat geschrieben:Was er wollte, war der Übertritt der wissenschaftlich-historisch ausgerichteten Exegese ins GLAUBENSLAGER.
Irrtum - die neutrale Sachebene ist doch gar nicht berührt - die Aussagen von 1993 gelten trotz Antichrist-Vorwurf auch heute noch.

Münek hat geschrieben:Solltest Du anderer Ansicht sein, begründe es
x-mal passiert - hier in Kurzform: "Wissenschaftlichkeit" hängt nicht davon ab, welche nicht-falsifizierbaren Vorannahmen der eine oder der andere hat.

Münek hat geschrieben:"... wenn er schließlich in seinem Jesus-Buch von 2007 ... wie eh und je die historisch-kritische Methode zwar als "unverzichtbar" bezeichnet, sie aber überall dort außer Kraft setzt, wo traditionelle Auffassungen oder Dogmen berührt werden."
Siehst Du - falls das ein Zitat von Küng war, hat er genau den Punkt getroffen, um den es geht.

Küng bestätigt, dass Ratzinger immer noch zu seiner "Unverzichtbarkeits-Erklärung" steht (das hattest Du abgestritten), und meint, seine hermeneutische Interpretationsebene würde diese 1993er Grundlage außer KRaft setzen.

Aus meiner Sicht irrt er hier, weil die Sachebene vollkommmen unabhängig davon ist, wie man sie interpretiert. - Dies verstärkt den Verdacht, dass heutzutage "neutrale Sachebene (Bebachtung/Beschreibung)" und "hermeneutische Ebene (Interpretation)" derart vermanscht sind, dass man meint, das eine nicht vom anderen trennen zu können.

Übrigens: Es ist NICHT mein Ziel, Ratzingers Hermeneutik als maßstäblich zu verstehen. - Es geht hier vielmehr darum, dass man nicht das EINE nicht-falsifierbare Vorannahme-Konstrukt als "wissenschaftlich" und das andere als "unwissenschaftlich" bezeichnen kann.

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#385 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Mi 28. Mär 2018, 23:02

Roland hat geschrieben:
Sven hat geschrieben:Ja klar, die griechischen Texte sind selbstverständlich auch die Basis für die historisch-kritische Exegese. Es ändert aber nichts an den Ergebnissen.
Abgesehen davon, dass es keine zwingenden "Ergebnisse" der HKM gibt, die dem christlichen Glauben widersprechen könnten.
Wenn die Sache so klar ist, verstehe ich die gegen die historisch-kritische Exegese gerichteten äußerst heftigen verbalen Ausfälle von Berger ("Die Bibelfälscher") und Ratzinger ("Antichrist") nicht.

Es wird schon seine Gründe haben, weshalb diese beiden alten Männer Wutausbrüche hatten wie in Vorzeiten unser Rumpelstilzchen. :)

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#386 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Do 29. Mär 2018, 00:32

Münek hat geschrieben:Wenn die Sache so klar ist, verstehe ich die gegen die historisch-kritische Exegese gerichteten äußerst heftigen verbalen Ausfälle von Berger ("Die Bibelfälscher") und Ratzinger ("Antichrist") nicht.
Weil mit "Ergebnisse" reine "Sachergebnisse" und eben nicht hermeneutische Interpretationen der HKM bzw. im Namen der HKM gemeint sind.

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#387 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Do 29. Mär 2018, 01:09

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:deshalb ist es albern zu behaupten, die sog. "kanonische Exegese" wolle irgendetwas "wissenschaftlich erforschen".
Das ist schlicht falsch. - Du verkennst, dass KEINE Wissenschaft seine Setzungen zum Gegenstand ihrer Forschung macht
Wissenschaft setzt nichts. Aber lenke nicht ab. Darum geht es hier überhaupt nicht.

closs hat geschrieben:weder die HKM noch andere Exegesen - auch in ganz anderen wissenschaftlichen Feldern ist es so.
Du redest am Thema vorbei. Die sog. "kanonische Exegese" basiert auf den Glaubensdogmen der katholischen Kirche. In diesem Bereich gibt es nichts mehr "zu erforschen". Der dogmatische Glaubenssack ist ZU.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wer andere Auslegungsschwerpunkte setzen will, setzt sich dem dringenden Verdacht aus, keine Exegese, sondern glaubensgesteuerte EISEGESE betreiben zu wollen.
Das ist ideologisches Gedöns seitens derer, die monopolistische Ansprüche erheben - INTERNES Gerede EINES hermeneutischen Ansatzes.
EISEGESE hat nichts mit seriöser Textinterpretation zu tun. Wer bei der Exegese seine Glaubensvorstellungen einbringen will und wen
es nicht interessiert, was der Textverfasser zum Ausdruck bringen wollte (Wortsinn, Intention, Aussageabsicht), hat sich als Exeget disqualifiziert.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Ratzinger wollte "ZUSÄTZLICH eine geistig-spirituelle Hermeneutik haben."
So wie die HKM in der heutigen Praxis eine säkulare Hermeneutik auf Basis ihrer Sachergebnisse hat, wollte Ratzinger eine geistig-spirituelle Hermeneutik haben - richtig.
Die HKM hat eine säkulare Hermeneutik auf der BASIS ihrer Sachergebnisse? :o

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ratzinger hat sich nie darüber beklagt, dass die historisch-kritische Exegese ihr gesetzte Grenzen überschritten habe.
Ob er das jemals wörtlich so gesagt hat, weiß ich nicht auswendig - aber der Vorwurf "Antichrist" ist doch genau Folge davon.
Hat es NIE gesagt, weil es für ihn dazu keinen Grund gab.

Dass in der historisch-kritischen Exegese als wissenschaftlicher Diziplin Gott als transzendent handelnde Entität keine Rolle spielen kann und spielt (so ja sein "Anti-Christ-Vorwurf"), weiß Ratzinger natürlich - und trotzdem passt ihm dies wegen der Dominanz der historisch-kritischen Exegese überhaupt nicht und er kann sich damit auf Teufel komm raus nicht abfinden
.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was er wollte, war der Übertritt der wissenschaftlich-historisch ausgerichteten Exegese ins GLAUBENSLAGER.
Irrtum.
Kein Irrtum - genau das wollte er. Er forderte von den Exegeten den "Glaubensentscheid", d.h. die Anerkennung der Glaubensdogmen als göttlich geoffenbarte Glaubenswahrheiten. Diese sollten die Grundlage und Richtschnur ihrer Bibelauslegung sein.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:"... wenn er schließlich in seinem Jesus-Buch von 2007 ... wie eh und je die historisch-kritische Methode zwar als "unverzichtbar" bezeichnet, sie aber überall dort außer Kraft setzt, wo traditionelle Auffassungen oder Dogmen berührt werden."
Küng bestätigt, dass Ratzinger immer noch zu seiner "Unverzichtbarkeits-Erklärung" steht
Ratzinger spricht mit gespaltener Zunge. Deshalb besteht die Kritik des "Verschwörungstheoretikers" Hans KÜNG :lol: ja vollkommen zu recht. Er hat Ratzingers Widersprüchlichkeit beim Namen genannt.

closs hat geschrieben:(das hattest Du abgestritten)
Gibt es keine Pillen gegen ein nachlassendes Gedächtnis?

Ich habe Dir mehr als einmal erklärt, dass Ratzinger im Vorwort seines Jesusbuches die historisch-kritische Exegese lobt und 50 Seiten weiter in einem affektiven Wutanfall über sie herfällt und in die Nähe des Antichrist rückt.


closs hat geschrieben:Aus meiner Sicht irrt er hier, weil die Sachebene vollkommmen unabhängig davon ist, wie man sie interpretiert.
Der "Verschwörungstheoretiker" Hans Küng :lol: irrt sich mit seiner Kritik nicht. Ratzinger spricht in seinem Jesusbuch mit gespaltener Zunge.

closs hat geschrieben:Dies verstärkt den Verdacht, dass heutzutage "neutrale Sachebene (Bebachtung/Beschreibung)" und "hermeneutische Ebene (Interpretation)" derart vermanscht sind, dass man meint, das eine nicht vom anderen trennen zu können.
Es gehört beides zusammen.

Man kann biblische Texte nicht verstehen und sachgemäß interpretieren, wenn man diese nicht im Vorfeld historisch eingeordnet hat (Aufgabe der EINLEITUNGSWISSENSCHAFT). Dazu gehören Fragen nach den Verfassern, den Adressaten, nach der geschichtlichen Situation (sorgfältige Analyse der konkreten kulturellen, politischen und sozialen Lebensformen jener Zeit), in welcher der Text abgefasst wurde und nach dessen literarischer Einheit, nach Abfassungszeiten und Redaktoren etc. etc.


closs hat geschrieben:Es geht hier vielmehr darum, dass man nicht das EINE nicht-falsifierbare Vorannahme-Konstrukt als "wissenschaftlich" und das andere als "unwissenschaftlich" bezeichnen kann.
Die historisch-kritische Exegese arbeitet NICHT mit "nicht-falsifizierbaren Vorannahme-Konstrukten." Im Gegenteil - sie ist apriori-frei und legt die Bibeltexte aus wie andere antike Texte auch.
Zuletzt geändert von Münek am Do 29. Mär 2018, 01:35, insgesamt 2-mal geändert.

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#388 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Do 29. Mär 2018, 01:20

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn die Sache so klar ist, verstehe ich die gegen die historisch-kritische Exegese gerichteten äußerst heftigen verbalen Ausfälle von Berger ("Die Bibelfälscher") und Ratzinger ("Antichrist") nicht.
Weil mit "Ergebnisse" reine "Sachergebnisse" und eben nicht hermeneutische Interpretationen der HKM bzw. im Namen der HKM gemeint sind.
Wenn die reinen "Sachergebnisse" voll o.k. sind, dann verstehe ich erst recht NICHT die Ausraster von Berger und Ratzinger.

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#389 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Roland » Do 29. Mär 2018, 07:29

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Ja klar, die griechischen Texte sind selbstverständlich auch die Basis für die historisch-kritische Exegese. Es ändert aber nichts an den Ergebnissen.
Abgesehen davon, dass es keine zwingenden "Ergebnisse" der HKM gibt, die dem christlichen Glauben widersprechen könnten.
Wenn die Sache so klar ist, verstehe ich die gegen die historisch-kritische Exegese gerichteten äußerst heftigen verbalen Ausfälle von Berger ("Die Bibelfälscher") und Ratzinger ("Antichrist") nicht.

Es wird schon seine Gründe haben, weshalb diese beiden alten Männer Wutausbrüche hatten wie in Vorzeiten unser Rumpelstilzchen. :)
Man kann gelassen und ohne Schaum vor dem Mund zeigen, dass es keine wissenschaftlichen Ergebnisse sind, die dem christlichen Glauben widersprechen sondern lediglich die Interpretation der Bibel, die dem sogenannten modernen Weltbild unterworfen wird, "dessen Grunddogma es ist, dass Gott in der Geschichte gar nicht handeln kann – dass also alles, was Gott betrifft in den Bereich des Subjektiven zu verlegen sei" (Ratzinger). Dieses Grunddogma widerspricht jedoch durchweg dem Inhalt der biblischen Texte und der Absicht ihrer Autoren. Und wenn ein Text so erörtert und behandelt wird, dass willentlich übergangen wird, was für den Autor wichtig war, dann liegt eben Fälschung vor (Berger).

Nirgends finden sich "verbale Ausfälle" oder "Wutausbrüche", das wird ganz sachlich dargelegt.

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#390 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Do 29. Mär 2018, 08:59

Münek hat geschrieben:Wissenschaft setzt nichts.
Wir reden hier von den HERMENEUTISCHEN Vorannahmen zur Interpretation, die nicht falsifizierbar sind - natürlich sind das Setzungen. - Die Sachebene ist apriorifrei (sagt sogar Ratzinger), aber doch nicht die Interpretationsebene.

Münek hat geschrieben: Die sog. "kanonische Exegese" basiert auf den Glaubensdogmen der katholischen Kirche. In diesem Bereich gibt es nichts mehr "zu erforschen".
Das ist eine ideologisch begründete Fehlaussage - wie mehrfach begründet. - (Nicht nur) Du verwechselst nach wie vor neutrale Sachebene mit der hermeneutischen Interpretationsebene.

Münek hat geschrieben:Die HKM hat eine säkulare Hermeneutik auf der BASIS ihrer Sachergebnisse?
Ja - sie beobachtet und beschreibt apriorifrei und deutet dann mit einer spezifischen Hermeneutik A. - Andere Exegesen beobachten und beschreiben apriorifrei und deuten dann mit ihren spezifischen Hermeneutiken A, B, C, ...

Münek hat geschrieben:Dass in der historisch-kritischen Exegese als wissenschaftlicher Diziplin Gott als transzendent handelnde Entität keine Rolle spielen kann und spielt (so ja sein "Anti-Christ-Vorwurf"), weiß Ratzinger natürlich
Auf der Ebene "Beobachten und Beschreiben" eh nicht - deshalb spricht Ratzinger doch von "apriorifrei". - Aber auf hermeneutischer Ebene kann Gott selbstverständlich eine Rolle spielen - INNERHALB dessen, was man "WIssenschaft" nennt.

Es ist genauso willkürlich, wissenschaftlich oder unwissenschaftlich, ob man auf hermeneutischer Interpretationsebene Geschichte als ununterbrochen naturalistischen Wirkungszusammenhang versteht (wie es einige tun) oder Gott als Entität versteht. - Hermeneutiken sind immer insofern "willkürlich", dass sie EINEN Ansatz der Betrachtungsweise bezeichnen: "Wir interpretieren die Sachergebnisse mal so, als WÄRE Geschichte als ununterbrochen naturalistischer Wirkungszusammenhang zu verstehen, oder als WÄRE Gott Entität.

Hermeneutische Interpretations-Perspektiven sind funktionale Glaubensentscheide: "Wir glauben jetzt mal, dass Geschichte als ununterbrochen naturalistischer Wirkungszusammenhang zu verstehen wäre oder dass Gott Entität wäre, und interpretieren die Sachergebnisse dementsprechend".

Münek hat geschrieben:Ich habe Dir mehr als einmal erklärt, dass Ratzinger im Vorwort seines Jesusbuches die historisch-kritische Exegese lobt und 50 Seiten weiter in einem affektiven Wutanfall über sie herfällt und in die Nähe des Antichrist rückt.
Und unterstellst ihm, dass er nach 50 SEiten vergessen hat, was er vorher gesagt hat, nicht wahr? - Statt nachzudenken, warum es zusammenpasst.

Münek hat geschrieben:Man kann biblische Texte nicht verstehen und sachgemäß interpretieren, wenn man diese nicht im Vorfeld historisch eingeordnet hat
Richtig - deshalb "unverzichtbar für das Textverständnis".

Münek hat geschrieben:sie ist apriori-frei und legt die Bibeltexte aus wie andere antike Texte auch.
Davon abgesehen, dass "das Auslegen wie andere antike Texte auch" auf anderer Ebene bereits eine Setzung ist (!!!), reden wir hier von der hermeneutischen Interpretationsebene, die eben NICHT apriorifrei ist.

Münek hat geschrieben:Wenn die reinen "Sachergebnisse" voll o.k. sind, dann verstehe ich erst recht NICHT die Ausraster von Berger und Ratzinger.
Aber vielleicht verstehst Du jetzt: Sachebene ist NICHT dasselbe wie hermeneutische Interpretationsebene. - Überleg Dir mal, warum Ratzinger schreibt "HKM ist unverzichtbar FÜR das Verständnis der Texte" - er sagt NICHT "HKM IST das Verständnis der Texte".

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