Homöopathie IV

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Pluto
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#711 Re: Homöopathie IV

Beitrag von Pluto » Do 2. Nov 2017, 14:17

Anton B. hat geschrieben:Popper hat das alles ausführlichst diskutiert. Aus wissenschaftlicher Sicht ergibt sich, nicht "HP wirkt ..." als "Wahrheit der Wirklichkeit" ist widerlegt, sondern das Modell "HP wirkt ..." wurde zurückgewiesen.
Hatten wir schon, Anton. closs hat das wieder vergessen oder ignoriert es.

Anton B. hat geschrieben:Du immer mit Deinem "wirklich". Das Kriterium für "ist falsifiziert" ist einfach formuliert. In der Durchführung muss man sich allerdings Mühe geben:
  1. Beobachtungsvorhersage aus Modell extrahieren
  2. Beobachtungssituation gemäß Bedingungen inkl. Nebenbedingungen des Modells herstellen
  3. Beobachtung machen
  4. Wenn Beobachtung der Beobachtungsvorhersage entspricht, dann "bewährt"; sonst "falsifiziert"
  5. Erkenntnis dem Fachpublikum zwecks Reproduzierung und kritischer Begutachtung (Punkte 2 und 3) vorlegen
So ist es!
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closs
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#712 Re: Homöopathie IV

Beitrag von closs » Do 2. Nov 2017, 14:21

Anton B. hat geschrieben:Aus wissenschaftlicher Sicht ergibt sich, nicht "HP wirkt ..." als "Wahrheit der Wirklichkeit" ist widerlegt, sondern das Modell "HP wirkt ..." wurde zurückgewiesen.
Das ist schon verstanden - aber ist die Aussage "HP wirkt" bereits ein "Modell"? - Unter "Modell" würde ich verstehen "HP wirkt, weil Globuli Gammastrahlen aussenden" (bitte nicht ernst nehmen). - Denn dann wäre etwas Konkretes da, was man falsifizieren kann.

Die Aussage "HP wirkt" dagegen lässt vollkommen offen, ob dies per Handauflegung, Photonen-Strahlung, Öffnung von Intermittenz-Fenstern (Chaos-Therapie) oder sonstwas wirken soll. - Da müsste man doch alle erdenklichen und nicht-erdenklichen Wirk-Möglichkeiten abgrasen, um zu falsifizieren - wie soll das gehen?

Anton B. hat geschrieben:Aus wissenschaftlicher Sicht ergibt sich, nicht "HP wirkt ..." als "Wahrheit der Wirklichkeit" ist widerlegt, sondern das Modell "HP wirkt ..." wurde zurückgewiesen.
Nochmals: Das habe ich wirklich verstanden. - Aber genau DESHALB unterscheide ich doch zwischen "methodischen Ergebnissen" (alias "Modell-Falsifizierung") und "Wirklichkeit" (alias "das, was ist").

Und genau diese Unterscheidung scheint von vielen Wissenschaftlern NICHT gemacht zu werden: "Wenn etwas falsifiziert ist, ist nicht nur das Modell falsifiziert, sondern auch die dazugehörige Wirklichkeit" - und das stört mich. - Nun glaube ich sehr wohl, dass beides i.d.R. koinzidiert - aber es MUSS halt nicht so sein.

Anton B. hat geschrieben:Das Kriterium für "ist falsifiziert" ist einfach formuliert. In der Durchführung muss man sich allerdings Mühe geben:
Da habe ich nach wie vor Bedenken, ob ein Modell, das von Randomisierbarkeit ausgeht (was bei "High-HD" halt gerade NICHT möglich ist), ein geeignetes Modell ist. - Allerdings kann ich diese Frage selber nicht beantworten.

Pluto
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#713 Re: Homöopathie IV

Beitrag von Pluto » Do 2. Nov 2017, 14:35

closs hat geschrieben:aber ist die Aussage "HP wirkt" bereits ein "Modell"? - Unter "Modell" würde ich verstehen "HP wirkt, weil Globuli Gammastrahlen aussenden" (bitte nicht ernst nehmen). - Denn dann wäre etwas Konkretes da, was man falsifizieren kann. Die Aussage "HP wirkt" dagegen lässt vollkommen offen, ob dies per Handauflegung, Photonen-Strahlung, Öffnung von Intermittenz-Fenstern (Chaos-Therapie) oder sonstwas wirken soll. - Da müsste man doch alle erdenklichen und nicht-erdenklichen Wirk-Möglichkeiten abgrasen, um zu falsifizieren - wie soll das gehen?
Hängt von der Definition von "Modell" ab. Im Falle von HP bleibt es ja nicht bei der Aussage "HP wirkt", sondern die Behauptung lautet: "HP wirkt durch Vergabe von Globuli". Dann kann man es sehr wohl als Modell definieren, denn in der Aussage steckt eine Vorhersage, die man falsifizieren kann.

closs hat geschrieben:Aber genau DESHALB unterscheide ich doch zwischen "methodischen Ergebnissen" (alias "Modell-Falsifizierung") und "Wirklichkeit" (alias "das, was ist").
Das was ist, kann irrelevant sein. Relevant ist nur die Teilmenge davon, nämlich das was eine feststellbare Wirkung hat.

closs hat geschrieben:Da habe ich nach wie vor Bedenken, ob ein Modell, das von Randomisierbarkeit ausgeht (was bei "High-HD" halt gerade NICHT möglich ist), ein geeignetes Modell ist. - Allerdings kann ich diese Frage selber nicht beantworten.
Bevor wir her ein neues Thema anreißen, eine Frage: Was verstehst du unter "Randomisierbarkeit"?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#714 Re: Homöopathie IV

Beitrag von closs » Do 2. Nov 2017, 14:41

Pluto hat geschrieben:Das was ist, kann irrelevant sein. Relevant ist nur die Teilmenge davon, nämlich das was eine feststellbare Wirkung hat.
Auch dann ist "Modell" kategorial nicht gleich "Wirklichkeit" - wir nehmen es zwar an und es wird wohl auch meistens so sein, aber kategorial eben nicht. - Menschen werden nicht von Modellen gesund, sondern von der Wirklichkeit.

Pluto hat geschrieben:Was verstehst du unter "Randomisierbarkeit"?
Dass unter den Versuchspersonen eine Mindestanzahl an Menschen ist, die die gleiche Anamnese/Diagnose haben. - Denke ich da falsch?

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#715 Re: Homöopathie IV

Beitrag von Pluto » Do 2. Nov 2017, 15:15

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das was ist, kann irrelevant sein. Relevant ist nur die Teilmenge davon, nämlich das was eine feststellbare Wirkung hat.
Auch dann ist "Modell" kategorial nicht gleich "Wirklichkeit"
Eins nach dem anderen....Lass uns zuerst definieren wovon wir reden. Bist du einverstanden, dass aus der Gesamtmenge von dem was sein könnte, nur das für uns relevant und wichtig ist, was Wirkung zeigt?

closs hat geschrieben:Menschen werden nicht von Modellen gesund, sondern von der Wirklichkeit.
Hmm... ich dachte immer, Arzneimittel (mit Wirkstoff) machen gesund, in dem sie Krankheiten bekämpfen. Ist das deiner Meinung nach, nicht so?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was verstehst du unter "Randomisierbarkeit"?
Dass unter den Versuchspersonen eine Mindestanzahl an Menschen ist, die die gleiche Anamnese/Diagnose haben. - Denke ich da falsch?
Die Frage ist, was wird untersucht?
Hier ein Beispiel (Misteltherapie bei Brustkrebs), wo es tatsächlich Schwierigkeiten bei der Randomisierung gab: https://www.karger.com/Article/Pdf/79444.

Im Fall von speziell indizierten HP-Therapien stellt man Gruppen aus Menschen mit ganz unterschiedlichen Leiden zusammen. Dabei ist das Kriterium nicht die Krankheit selbst, sondern die Wirksamkeit des verabreichten Mittels. Das gemeinsame Auswahlkriterium ist, dass alle Patienten eine gezielte Anamnese/Diagnose erhalten.

Was ist denn daran falsch?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#716 Re: Homöopathie IV

Beitrag von closs » Do 2. Nov 2017, 16:13

Pluto hat geschrieben:Bist du einverstanden, dass aus der Gesamtmenge von dem was sein könnte, nur das für uns relevant und wichtig ist, was Wirkung zeigt?
Prinzipiell ja - aber jetzt die entscheidende Frage: Meinst Du das in Bezug auf die diesbezügliche Überprüfung des Modells oder meinst Du die "Realität"?

Pluto hat geschrieben:Hmm... ich dachte immer, Arzneimittel (mit Wirkstoff) machen gesund, in dem sie Krankheiten bekämpfen. Ist das deiner Meinung nach, nicht so?
Doch - und zwar Arzneimittel Teil der Wirklichkeit sind. - Aber sie werden im Modell geprüft.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch ich gehe davon aus, dass Modell-Überprüfung und dazugehörige Wirklichkeit i.d.R. übereinstimmen - aber nicht automatisch.

Pluto hat geschrieben:Das gemeinsame Auswahlkriterium ist, dass alle Patienten eine gezielte Anamnese/Diagnose erhalten.

Was ist denn daran falsch?
Weiß ich nicht - deshalb: Meinst Du mit "gezielte Anamnese/Diagnose", dass man Leute braucht, die exakt DIESELBE Anamnese/Diagnose haben? (So verstehe ich es bisher).

Pluto
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#717 Re: Homöopathie IV

Beitrag von Pluto » Do 2. Nov 2017, 16:21

closs hat geschrieben:Meinst Du das in Bezug auf die diesbezügliche Überprüfung des Modells oder meinst Du die "Realität"?
Ich verstehe die Frage nicht. Das Modell ist ein Modell der Realität.

closs hat geschrieben:Doch - und zwar Arzneimittel Teil der Wirklichkeit sind. - Aber sie werden im Modell geprüft.
Genau. Da das Modell die Wirklichkeit widerspiegelt, ist alles in Butter.

closs hat geschrieben:Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch ich gehe davon aus, dass Modell-Überprüfung und dazugehörige Wirklichkeit i.d.R. übereinstimmen - aber nicht automatisch.
Wenn du auch davon ausgehst dann ist doch das "automatisch"? Oder nicht?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das gemeinsame Auswahlkriterium ist, dass alle Patienten eine gezielte Anamnese/Diagnose erhalten.
Was ist denn daran falsch?
Weiß ich nicht - deshalb: Meinst Du mit "gezielte Anamnese/Diagnose", dass man Leute braucht, die exakt DIESELBE Anamnese/Diagnose haben? (So verstehe ich es bisher).
Wichtig ist doch ob das verschriebene Mittel aus der Anamnese/Diagnose wirkt. — und das wird geprüft, oder?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#718 Re: Homöopathie IV

Beitrag von closs » Do 2. Nov 2017, 16:32

Pluto hat geschrieben:Das Modell ist ein Modell der Realität.
Klar - aber es ist nicht die Realität selbst.

Pluto hat geschrieben:Da das Modell die Wirklichkeit widerspiegelt, ist alles in Butter.
Da ist eben die Frage, ob es das immer tut. - Konkret:

HP kennt zwei Besonderheiten:

1) Anamnese und Patienten-Typus können nur als Einheit verstanden haben - das heißt:
* Pluto hat Nierenschmerzen und ist Typ p12 - er bekommt das Mittel "Sulphur D25" (bitte nicht nachprüfen - reine Erfindung von mir zur Veranschaulichung)
* Closs hat Nierenschmerzen und ist Typ c4 - er bekommt das Mittel "Aurum D30"
* Conclusio: Die Anamnese sagt erst mal wenig über das Mittel, das fällig wird

Das kann sogar so weit gehen, dass Closs Kopfschmerzen hat und mit seinem Typ c4 "Sulphur D25" bekommt, obwohl das genau die Indikation bei Pluto für Nierenschmerzen war. - Können gängige Modelle so etwas berücksichtigen?

2) Teil der HP-Therapie ist die sog. "Erstverschlechterung" - das heißt:
* Pluto bekommt als Typ p12 "Sulphur D25" - das Ziel ist, dass es ihm erst mal SCHLECHTER geht.
* Sven bekommt ein Pharmazeutikum - das Ziel ist, dass es ihm so schnell wie möglich BESSER geht.
Können gängige Modelle so etwas berücksichtigen?

Pluto hat geschrieben:Wichtig ist doch ob das verschriebene Mittel aus der Anamnese/Diagnose wirkt.
Pluto hat Nierenschmerzen, Closs hat Kopfschmerzen: Braucht man zur Randomisierung Leute, die dieselbe Anamnese haben, oder nicht?

Anton B.
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#719 Re: Homöopathie IV

Beitrag von Anton B. » Do 2. Nov 2017, 17:32

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das Modell ist ein Modell der Realität.
Klar - aber es ist nicht die Realität selbst
Genau. Und das ist auch ernst zu nehmen. Wissenschaft so zu beschreiben und nicht auf "Wirklichkeit", "Realität" und "was der Fall ist" zu beziehen, sondern auf Modelle, ist ja nicht so gemacht worden, um einfach mal etwas komplizierter darzustellen. Sondern weil es so präziser ist und genauer wiedergibt, was unser "Wissen" darstellt.

Und es gibt ja gute Gründe, dieses "Wissen", selbst wenn es nicht mit "Wirklichkeit", "Realitä"t und "was der Fall ist" korrelierbar ist, ernst zu nehmen. Immerhin hält es ja die beste derzeit vorstellbare "Tuchfühlung" zu dem, was wir so beobachten.

Ja, die "Tuchfühlung" ist so eng, dass mancher die Ergebnisse der Wissenschaft als "Wirklichkeit", "Realität" und "was der Fall ist" interpretiert.

closs hat geschrieben:Das kann sogar so weit gehen, dass Closs Kopfschmerzen hat und mit seinem Typ c4 "Sulphur D25" bekommt, obwohl das genau die Indikation bei Pluto für Nierenschmerzen war. - Können gängige Modelle so etwas berücksichtigen?
Was heißt "gängige Modelle"? Hier geht es doch um ein HP-Modell! Und was heißt "können"? Wenn der HP-Arzt sich die Analyse der Krankheit und seine Medikamentation nicht aus den Rippen schneidet und auf mystische Elemente verweist, dann hat er doch auch einen Diagnose- und Therapieleitfaden. Letztlich also ein Diagnose- und Therapiemodell. Das hatte doch selbst schon der alte Hahnemann.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Pluto
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#720 Re: Homöopathie IV

Beitrag von Pluto » Do 2. Nov 2017, 18:41

closs hat geschrieben:Das kann sogar so weit gehen, dass Closs Kopfschmerzen hat und mit seinem Typ c4 "Sulphur D25" bekommt, obwohl das genau die Indikation bei Pluto für Nierenschmerzen war. - Können gängige Modelle so etwas berücksichtigen?
Warum scheinst du zwischen den Posts das Gesagte zu vergessen, oder list du nicht die Antworten richtig?

Nochmals...
Wie du sagst, du bekommst ein Mittel verschrieben, ich ein ganz anderes. Was genau das Mittel ist nicht Sache der Studie es herauszufinden. In den Die Studien prüft man lediglich, ob das verschriebene Mittel hilft. Eine Hälfte aller Patienten die eine persönliche Anamnese/Diagnose erhielten, erhalten genau das verschriebene Mittel. Die andere Hälfte bekommt ein Placebo. So ist sichergestellt, dass alle individuell verschriebenen Mittel mit einem Placebo verglichen werden. Das ist fair. Was hast du dagegen auszusetzen?

closs hat geschrieben:2) Teil der HP-Therapie ist die sog. "Erstverschlechterung" - das heißt:
* Pluto bekommt als Typ p12 "Sulphur D25" - das Ziel ist, dass es ihm erst mal SCHLECHTER geht.
* Sven bekommt ein Pharmazeutikum - das Ziel ist, dass es ihm so schnell wie möglich BESSER geht.
Können gängige Modelle so etwas berücksichtigen?
Man prüft, ob es am Ende besser geht, als mit einem Placebo. Ist es nicht das, worauf es ankommt?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wichtig ist doch ob das verschriebene Mittel aus der Anamnese/Diagnose wirkt.
Pluto hat Nierenschmerzen, Closs hat Kopfschmerzen: Braucht man zur Randomisierung Leute, die dieselbe Anamnese haben, oder nicht?
Ich verstehe die Frage nicht.
Warum genügt es nicht, die Heilung durch das verschriebene Mittel zu prüfen?
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