seeadler hat geschrieben:Agent Scullie hat geschrieben:Sprich: genau das, was du [NIS] in die Worte "umso schneller man sich durch den Raum bewegt, umso langsamer vergeht die Zeit" gekleidet hast.
Das ist allerdings ein Resultat der Minkowski-Metrik der Raumzeit und hat erstmal nichts mit einer relationalen Vorstellung von der Zeit zu tun. Man könnte sich die Minkowski-Raumzeit der SRT auch ganz ohne materielle Objekte oder Teilchen vorstellen, die Minkowski-Metrik würde (nach Minkowskis Raumzeit-Konzept) trotzdem gelten. Die Zeit wird da als primordiale Eigenschaft der Natur betrachtet, sie ist nicht erst als Abfolge von Zuständen materielle Systeme definiert wie in der Vorstellung einer relationalen Zeit.
Nun ja, damit gibst du, gebt ihr der Raumzeit einen materiellen Charakter
Das machen nicht wir, das machte Newton. Die Vorstellung, dass Raum und Zeit unabhängig von in ihnen existierenden materiellen Objekten sind, sprich: primordiale Eigenschaften der Natur darstellen, wurde maßgeblich von Newton formuliert. In der SRT wurde diese Vorstellung dann zunächst noch übernommen (Raum und Zeit wurden da zwar zur Raumzeit zusammengefasst, am primordialen Charakter änderte sich dadurch allerdings nichts). Die ART waren dann eher ein Schritt davon weg hin zu einem relationalen Verständnis von Raum und Zeit, worauf ich gleich noch zu sprechen komme.
Newtons Zeitgenosse Leibniz hatte übrigens schon die Idee eines relationalen Verständnisses zumindest vom Raum, was dann später von Mach übernommen wurde.
seeadler hat geschrieben:wodurch die Materie an sich irgendwie überflüssig werden würde
Nach der Newtonschen Vorstellung von Raum und Zeit sind materielle Objekte für die bloße Existenz von Raum und Zeit überflüssig, ja. Raum und Zeit sind demnach gewissermaßen der Behälter für Vorgänge, an denen materielle Objekte beteiligt sind. Und dieser Behälter könnte eben auch "leer" sein.
Berücksichtigt man allerdings, dass materielle Objekte existieren, dann ist Materie auch bei Newton natürlich nicht mehr überflüssig.
seeadler hat geschrieben:und letztendlich dann auch nur noch als Raumzeitkoordinaten verstanden werden muss.
Dass materielle Objekte als Raum- oder Zeitkoordinaten verstanden werden müssten, ist generell keine sinnvolle Vorstellung, und folgt auch überhaupt nicht aus dem Newtonschen Raum-Zeit-Konzept. Es gibt Überlegungen, u.a. die Konzepte der Twistoren von Penrose oder der Geonen von Wheeler, wonach materielle Objekte Ausformungen der Raumzeit seien, es Materie im traditionellen Sinne also nicht gebe, diese Überlegungen gründen sich aber zugleich auf die Erkenntnis, dass Raum und Zeit eben nicht unahhängig von materiellen Objekten sind, also auf ein relationales Verständnis von Raum und Zeit.
seeadler hat geschrieben:Das entspricht dann aber auch dem, was ich früher schon einige Male festgestellt habe, dass man Materie auch als Synonym für Trägheit benutzt
Materie benutzt man nicht als Synonym für Trägheit. Masse benutzt man als Synonym für Trägheit.
seeadler hat geschrieben:und Trägheit ist nun mal ein Zeitbegriff.
Dass Trägheit mit Beschleunigung zu tun hat und Beschleunigung mit Zeit, passt hervorragend mit der Newtonschen Vorstellung zusammen, dass Raum und Zeit der Behälter für das physikalische Geschehen sind (z.B. für Vorgänge, bei denen materielle Objekte beschleunigt werden), und dieser Behälter dabei unabhängig davon existiert, ob er befüllt ist.
seeadler hat geschrieben:Dann wundert es auch nicht, wenn ihr behauptet, die Krümmung der Raumzeit wäre die Gravitation
Dass deine Überlegung, aus der Newtonschen Vorstellung von Raum und Zeit ließe sich mehr oder minder direkt die Vorstellung der Gravitation als Krümmung der Raumzeit ableiten, falsch ist, kann man u.a. an zwei Sachverhalten erkennen:
- Newton selbst kam nie auf die Idee, die Gravitation als Krümmung der Raumzeit zu betrachten. Erstmals überlegte Mitte des 19. Jahrhunderts Riemann, ob die Gravitation als Krümmung des Raumes verstanden werden könne - das war 150 Jahre nach Newton.
- die ART, als Beispiel für eine Theorie, die die Gravitation als Krümmung der Raumzeit beschreibt, bricht mit dem Newtonschen Raum-Zeit-Konzept und geht durch Einsteins Loch-Argument zumindest ein Stück weit in die Richtung eines relationalen Raum-Zeit-Verständnisses. Aus Einsteins Loch-Argument folgt, dass ohne Zuhilfenahme materiereller Objekte, die sich auf Weltlinien bewegen, nicht wohldefiniert ist, was ein Raumzeit-Punkt ist. Anders als bei Newton und noch in der SRT kann man sich deswegen in der ART keine leere Raumzeit ganz ohne Materie mehr vorstellen (außer halt im Sinne eines Grenzfalls, bei dem man die mittlere Materiedichte im Universum gegen null gehen lässt). Das ist auch mit der Grund warum man in der Loop-Quantengravitation zu einem relationalen Verständnis von Raum und Zeit gelangt: es ist durch die ART bereits vorprogrammiert.
seeadler hat geschrieben:Im scheinbaren Gegensatz zur Behauptung Newtons, dass die Gravitation von der Masse ausginge.
Da besteht kein Widerspruch. Dass ein Körper, der eine gewisse Masse besitzt, die Krümmung der Raumzeit beeinflusst, und sich diese als Gravitation äußert, steht hervorragend damit in Übereinstimmung damit, dass dieser Körper Quelle des Gravitationsfeldes in seiner Umgebung ist, also Gravitation von ihm ausgeht.
seeadler hat geschrieben:Denn so gesehen ist Masse ein anderer Begriff für Raumzeit.
Nein, ist er nicht. Dass ein Stein, der ins Wasser geworfen wird, so auf das Wasser einwirkt, dass sich auf der Wasseroberfläche Wellen ausbilden, bedeutet in keinster Weise, dass Stein ein anderer Begriff für Wasser wäre.