Markus-Evangelium

Themen des Neuen Testaments
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Thaddäus
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#121 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Thaddäus » Sa 19. Aug 2017, 16:42

Hemul hat geschrieben: Die von Buber oben erwähnte "JUNGE" muss demnach kein "JUNGE" sondern ein unberührtest Mädchen sein-gelle?
Nö, muss sie nicht und war sie nicht. :D

Andreas hat den Übersetzungsfehler in seinem Beitrag bereits richtig gestellt.
Sachlich nicht zu beanstanden ist auch die folgende ausführlichere Erklärung:
In Jes 7,14 steht das hebräische Wort alma. Nach dem Wörterbuch für Hebräisch und Aramäisch von Gesenius ist mit alma ein Mädchen im heiratsfähigen Alter gemeint, egal ob es Jungfrau ist oder verheiratet. Wichtig ist nur das Alter. Bibelübersetzungen wie Luther (1984) oder die Elberfelder Bibel geben alma mit »Jungfrau« wieder. Die Elber­felder Bibel erklärt zu Ex 28 , wo ebenfalls alma steht: »Es bezeichnet das Mädchen im heiratsfähigen Alter« und verweist auf alma in Gen 24,43 und Jes 7,14. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt Jes 7,14 sachgerecht mit: »Sieh doch, eine junge Frau ist schwanger.« Jes 7,14 wird in Mt 1,23 vom Engel Gottes zitiert. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt: »Seht, die junge Frau wird schwanger werden.« Das Matthäusevangelium ist in Griechisch geschrieben. Dort steht parthenos. Es bezeichnet ebenso wie das hebräische alma ein Mäd­chen im heiratsfähigen Alter (zur damaligen Zeit ca. dreizehnjährig). Darauf stützt sich auch das Wörterbuch zum Neuen Testament von Bauer-Aland. Es verweist auf jüdische Grabinschriften, nach denen parthenos »auch einfach ›das Mädchen‹ sein kann«. Erst im 3. bis 4. Jahrhundert n. Chr., als das Dogma von der unbefleckten Emp­fängnis sich durchsetzte, wurde parthenos die Bedeutung »Jungfrau« im Sinne einer Frau, die keinen sexuellen Verkehr gehabt hat, zuge­schrieben.

ZUM WEITERLESEN:
• Schottroff/Sölle, Die Kraft der Legenden

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Thaddäus
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#122 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Thaddäus » Sa 19. Aug 2017, 17:11

Rembremerding hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
Du hast recht, als man insofern nicht von einer "jüdischen Tradition" einer Jungefrauengeburt sprechen kann, wie ich das oben getan habe und was ich aufgrund deines berechtigten Einwandes zurückziehe.
In Wahrheit ist diese Übersetzung und Umdeutung allerdings bereits eine frühchristliche, und historisch korrekt ist an der ganzen Geschichte nicht das Geringste.
Deine Korrektur ist dir hoch anzurechnen. Danke! :Herz:
Aber schon im zweiten Satz machst du wieder eine falsche historische Aussage. Erkennst du deinen Fehler?
Da mir nicht völlig klar ist, welchen weiteren Fehler ich gemacht haben soll, müsstest du mir schon auf die Sprünge helfen.

Falls es meine Kritik an deiner Vermutung ist, weil es keine jüdische Tradition der Jungfrauengeburt des Messias gibt, wäre es verständlicher gewesen, wenn man auf eine Jungfrauengeburt verzichtet hätte, woraus du im Umkehrschluss auf eine wahrscheinliche Historizität der Jungefrauengeburt schließt, wiederhole ich noch einmal meine Gegenargumente:

- Dass die jüdische Tradition keine Jungfrauengeburt kennt bedeutet nicht, dass die jüdischen Autoritäten oder jüdische Gläubige deshalb ein Problem damit gehabt haben müssen, wenn der Messias nach späterem christlichen Verständnis von einer Jungfrau geboren wird. Die Rede von einer jungen Frau in Jes. 7,14 schließt ja nicht aus, dass die junge Frau darüber hinaus nicht auch als Jungfrau verstanden werden kann.

- Die Tatsache der Übersetzung von alma/parthenos mit Jungfrau, statt mit junger Frau (oder einfach Mädchen), die Konstruktion einer Abstammungslinie von König David und auch die Legende der drei hl. Weisen/Könige aus dem Morgendland belegen die starke christliche Tendenz, die Königsherrschaft Jesu sowohl über die Juden, als auch über den gesamten Erdkreis besonders zu legitimieren.

Conclusio: Dies sowie die altorientalischen und hellenistischen Parallelen zu Jungfrauengeburten und göttlicher Abstammung von Herrschern zur Legitimation ihrer vermeintlich gottgewollten Herrschaft, belegen eine spätere Hinzufügung und Ausschmückung mit den genannten Motiven. Historisch sind alle diese legendenhaften Hinzufügungen und Ausschmückungen nicht, und bei Markus findet man sie nicht zufällig nicht.

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Thaddäus
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#123 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Thaddäus » Sa 19. Aug 2017, 17:18

Rembremerding hat geschrieben:
Catholic hat geschrieben: Wobei,"Rembre" kann mich notfalls korrigieren,nicht unwesentlich ist ob Jesaja eine unverheiratete Frau meinte oder nicht.
Wichtig ist hier zudem etwas anderes:
Es waren jüdische Gelehrte vor Christi Geburt, welche zuerst die Tora, dann die Prophetenbücher vom Hebräischen ins Griechische übersetzten. Jes 7,14 ist ein klassisches Beispiel über deutliche Unterschiede zwischen dem hebräischen Text und seiner griechischen Übersetzung, der Septuaginta (LXX).
Von "junger Frau" im Hebräischen (‚almā) übersetzten sie "Jungfrau" im Griechischen (parthénos).
Es fand also keine "frühchristliche" (angeblich falsche) Übersetzung und Umdeutung statt.
Hierzu mein Beitrag!
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 19. Aug 2017, 17:30, insgesamt 1-mal geändert.

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Andreas
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#124 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Andreas » Sa 19. Aug 2017, 17:24

Noch ein wenig Futter zu dem Thema:

Ludger Schwienhorst-Schönberger, Die Rückkehr Markions S. 294 hat geschrieben:(2) Im Matthäusevangelium (1,23) wird die Geburt Jesu mit einem Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja gedeutet: «Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: ‹Seht, die Jungfrau (ἡ παρθένος) wird in ihrem Leib empfangen und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Immanuel nennen, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns›» (Jes 7,14 G). Bei dem Zitat handelt es sich um die Übersetzung von Jes 7,14 durch die Septuaginta. Der hebräische Text lautet: «Seht, die junge Frau (almah) wird schwanger werden und einen Sohn gebären […]» Im hebräischen Text besteht das Wunderbare dieser Verheißung in der Zusage der Gottesnähe in dem von einer jungen Frau (wohl aus königlichem Hause) geborenen Kind (ursprünglich wohl ein Sohn des judäischen Königs Ahas; in Jes 37 wohl auf Hiskija gedeutet). Die griechische Übersetzung (Septuaginta) verlagert das Wunder in die Geburt selbst bzw. in die Empfängnis (und übersetzt statt mit νεᾶνις, was die Standardübersetzung für das hebräische almah gewesen wäre, mit ἡ παρθένος), die dann von der christlichen Tradition als Jungfrauengeburt gedeutet wurde. Auch in diesem Fall dürfte das christologische Verständnis nicht mit der ursprünglichen Bedeutung des hebräischen Textes übereinstimmen.
Das war bereits im 2. und 3. Jahrhundert ein Streitpunkt zwischen Juden und Christen. Die Christen verwiesen auf Jes 7,14 um zu zeigen, dass Christus von den Propheten des Alten Testaments angekündigt worden sei (z. B. Irenäus von Lyon, Epideixis 53). Die Juden entgegneten, dass die Übersetzung, auf die sich die Christen mit ihrer Deutung stützten, fehlerhaft sei. Die Christen konterten, dass die Septuaginta eine von Juden angefertigte Übersetzung sei und in ihren Kreisen sogar als inspiriert gelte. Jetzt, da die Prophezeiung eingetreten sei und sie den von den Propheten angekündigten Messias verworfen haben, wollten sie nichts mehr davon wissen und würden den griechischen Text nachträglich ändern, wie es von Aquila, Symmachos und Theodotion, die mit νεᾶνις («junges Mädchen») übersetzen, erfolgt sei.
Internationale Katholische Zeitschrift Communio Vorabveröffentlichung aus Heft 3/2015 communio.de
http://www.communio.de/pdf/vorabveroeff ... rkions.pdf


WibiLex - Immanuel
5.1. Von der „jungen Frau“ zur Jungfrau

Die mit dem Namen Immanuel verbundene Vorstellung der Jungfrauengeburt, die bereits dem neutestamentlichen Loblied in Mt 1,23 zu Grunde liegt, geht auf die LXX-Übersetzung von Jes 7,14 zurück. Im hebräischen Text wird die Mutter Immanuels als עלמה ’almāh bezeichnet, d.h. als junge, unverheiratete Frau. Die → Septuaginta gibt den Begriff treffend mit παρθένος parthenos wieder, einem Wort, das ebenfalls eine junge, noch nicht verheiratete und damit zugleich noch jungfräuliche Frau meint. Die jüdischen LXX-Revisionen des 2. Jh.s n. Chr., d.h. Aqulia, Symmmachus und Theodotion (zu ihnen → Septuaginta), übersetzen jedoch νεᾶνις neanis. Damit wollen sie παρθένος parthenos vermutlich bewusst vermeiden, da Jes 7,14 LXX in Mt 1,23 die Vorstellung von der Jungfräulichkeit Marias belegen soll und die darauf fußende christliche Interpretation παρθένος parthenos im Sinne von „Jungfrau“ verstand.

WibiLex - Maria, Mutter Jesu
Während in diesem Text des EvPhil Maria zugleich Mutter und ständige Begleiterin Jesu (und damit auch seine Jüngerin) ist, wird in einem anderen Text des EvPhil eine irrige Meinung über ihre Schwangerschaft abgewiesen (EvPhil 17; p.55,23-27): „Einige sagen: Maria ist schwanger geworden vom heiligen Geist. Sie irren sich. Sie wissen nicht, was sie sagen. Wann wäre jemals eine Frau von einer Frau schwanger geworden?“ Das Argument kann überzeugen, weil der heilige Geist im semitischen Sprachraum weiblichen Geschlechts ist. Der Geist / die Geistkraft könnte also zwar die Mutter Jesu sein, aber bestimmt nicht sein Vater.

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#125 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Catholic » Sa 19. Aug 2017, 17:33

Andreas hat geschrieben:Noch ein wenig Futter zu dem Thema:

Ludger Schwienhorst-Schönberger, Die Rückkehr Markions S. 294 hat geschrieben: ...
Im hebräischen Text wird die Mutter Immanuels als עלמה ’almāh bezeichnet, d.h. als junge, unverheiratete Frau....

Andreas,ich habe eine wesentliche Stelle mal hervorgehoben,denn nach jüdischer Praxis war es so dass eine Frau,die noch nicht verheirat war - unabhängig vom biologischen Alter - auch Jungfrau war.

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Thaddäus
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#126 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Thaddäus » Sa 19. Aug 2017, 18:27

Catholic hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben: Im hebräischen Text wird die Mutter Immanuels als עלמה ’almāh bezeichnet, d.h. als junge, unverheiratete Frau....
Andreas,ich habe eine wesentliche Stelle mal hervorgehoben,denn nach jüdischer Praxis war es so dass eine Frau,die noch nicht verheirat war - unabhängig vom biologischen Alter - auch Jungfrau war.
Aber es ist nicht die Wesenseigenschaft eine Jungfrau zu sein, die die Ausdrücke עלמה (’almāh) und parthenos ursprünglich definieren, sondern es ist die Wesenseigenschaft, das heiratsfähige Alter erreicht zu haben (also ein etwa 13 Jahre altes Mädchen zu sein).
Ein Mädchen von etwa 13 Jahren bleibt auch dann almāh bzw. parthenos, falls sie in diesem Alter keine Jungfrau mehr ist. Und das ist entscheidend!
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Mädchen von etwa 13 Jahren für gewöhnlich noch unverheiratet und in der Regel auch noch jungfräulich waren.
Die christliche Tradtion macht auf jeden Fall aus heiratsfähigen Mädchen wesensmäßig Jungfrauen. Das bedeutet, es findet eine Bedeutungsverlagerung statt.

Die ganze semantische Diskussion um למה (’almāh) und parthenos tut freilich insofern ohnehin nichts zur Sache, als Jungfrauen keine Kinder gebären können. :lol:
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 19. Aug 2017, 21:24, insgesamt 1-mal geändert.

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#127 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Rembremerding » Sa 19. Aug 2017, 19:40

Eine ursprüngliche falsche Aussage war, dass die griechische Septuaginta eine frühchristliche Übersetzung und Umdeutung ist. Dem musste widersprochen werden, das Thema ist für mich erledigt, bedingte Kompetenzen sind erkannt.

Die rabbinische Literatur hatte noch nie Schwierigkeiten damit, dass mit "alma" auch eine Jungfrau gemeint sein kann. Ihre Kritik setzt an einer ganz anderen Stelle bei 7:14 an.
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#128 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Thaddäus » Sa 19. Aug 2017, 21:23

Rembremerding hat geschrieben:Eine ursprüngliche falsche Aussage war, dass die griechische Septuaginta eine frühchristliche Übersetzung und Umdeutung ist. Dem musste widersprochen werden, das Thema ist für mich erledigt, bedingte Kompetenzen sind erkannt.
Von der Septuaginta hatte ich zwar gar nicht gesprochen - vor allem, weil sie mir zu Jes. 7,14 auch gar nicht sofort eingefallen ist -, aber im Grunde ist das auch egal. Mädchen im heiratsfähigen Alter sind nicht notwendigerweise identisch mit Jungfrauen. Darauf werden wir uns sicher einigen können.

Rembremerding hat geschrieben: Die rabbinische Literatur hatte noch nie Schwierigkeiten damit, dass mit "alma" auch eine Jungfrau gemeint sein kann. Ihre Kritik setzt an einer ganz anderen Stelle bei 7:14 an.
Dann lass hören bzw. lesen ...

closs
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#129 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von closs » Sa 19. Aug 2017, 22:56

Thaddäus hat geschrieben:Die ganze semantische Diskussion um למה (’almāh) und parthenos tut freilich insofern ohnehin nichts zur Sache, als Jungfrauen keine Kinder gebären können.
Es sei denn, man versteht göttliches Geschehen als unabhängig von dem, was der Mensch naturalistisch "normal" findet.

Ich behaupte nicht, dass es Jungfrauen-Geburten gibt, aber sehr wohl, dass es welche geben kann, wenn es Gott gibt. - Man sollte die anthropozentrische Norm nicht wie selbstverständlich über Gott stülpen - als habe er sich gefälligst danach zu richten.

Catholic
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#130 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Catholic » Sa 19. Aug 2017, 23:03

Thaddäus hat geschrieben:...
Mädchen im heiratsfähigen Alter sind nicht notwendigerweise identisch mit Jungfrauen.

in der heutigen säkularen Gesellschaft in der BRD.
Da würde ich Dir Recht geben.
Damals,in Palästina zur Zeit der alttestamentlichen Propheten wie auch zur Zeit Jesu war in der jüdischen Kultur ein Mädchen im heiratsfähigen Alter noch Jungfrau,wenn sie unverheiratet war,sofern sie nicht unverheiratet bleiben wollte.

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