Alles Teufelszeug? VI

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Münek
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#671 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Do 29. Jun 2017, 01:34

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Nun nimm einmal an, für meinen Glauben ist es wichtig, dass diese zurzeit der Apostel geschrieben wurden. Nun kommt das Ergebnis: "Diese Quelle stammt aus den Jahren 80 - 120 n.Chr." :cry: Dieses rein technisch-sachliche Ergebnis erschüttert meinen Glauben! Ganz offenkundig entfaltet es auch eine inhaltliche Konsequenz, nämlich die, dass meine christlich-hermeneutische Vorraussetzung demnach als irrig entlarvt wird.
Rein sachlich würde ich etwas anderes daraus schließen:
1) Ganz einfach: Es sind Abschriften/Rezeptionen der Apostel-SChriften - das würde mich nicht beunruhigen.
Es existieren keine "Apostel-Schriften".

closs hat geschrieben:2) Weniger einfach, aber wichtig: Nicht die unmittelbare Autorenschaft ist wichtig, sondern die Authentizität zu dem, was Jesus meinte - dann ist es egal, von wann eine Schrift ist.
Die Authentizität zu dem, was Jesus meinte, wird ja gerade dadurch in Frage gestellt. Die meisten der über diesen langen Zeitraum überlieferten Worte Jesu werden von der neutestamentlichen Forschung als UNECHT angesehen.

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Wenn Paulus gem. der HKM nicht Autor etwa der Hälfte seiner Briefe ist, schmälert dies denn nicht die Glaubwürdigkeit diesser Briefe?
Nein - inhaltliche Glaubwürdigkeit ist unabhängig davon, wessen Name drunter steht.
VORSICHT: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht... Lügen haben kurze Beine.

closs
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#672 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Do 29. Jun 2017, 08:53

Münek hat geschrieben:Wenn der Astrologe setzt, dass die Gestirne das Schicksal des Menschen bestimmen (Prämisse), dann kann er nach Deiner Vorstellung "völlig plausibel" Horoskope erstellen?
Formal richtig. - Und jetzt kommt das Weltbild, das entscheidet, ob die PRämisse dazu akzeptabel ist - in diesem Fall aus meiner Sicht NEIN.

Münek hat geschrieben:Das Dumme ist nur, dass man mit Setzungen keine Realitäten schafft.
Das ist nicht dumm, sondern genau das, was ich seit Jahren predige - denn "Sein" und "Wahrnehmung"/"Anthropozentrismen" sind zwei Paar Stiefel.

Münek hat geschrieben:Du meinst also, Gott hätte persönlich NICHT in die Menschheitsgeschichte eingegriffen
Wieso "also"? - Wenn Offenbarungen Chiffren für ein Eingreifen sind UND man stimmt dem zu, glaubt man, dass Gott persönlich in die Menschheitsgeschichte eingreift.

Münek hat geschrieben:Mehr als die Quellen und dieses Resultat der theologischen Wissenschaft haben wir nicht.
Die theologischen Wissenschaften urteilen hier je nach Prämissen unterschiedlich.

Münek hat geschrieben:Ja - der Glaube an die Existenz von Teufel, Engeln, Dämonen, Himmel und Hölle, Heilsplan, Wiederauferstehung, Himmelfahrt, vom Himmel fallende Sterne, Kommen des Menschensohnes auf den Wolken und Weltgericht ABER AUCH. Dieser Glaube gehört dazu, um "geistig" korrekt "eingenordet" zu sein.
Das ist eine ganz andere Kategorie: Man muss unterscheiden zwischen "Gott" als Wesenheit und Wahrnehmungs-Chiffren. - Und dann muss man noch jede dieser Chiffren einzeln untersuchen.

Münek hat geschrieben:Diesen ganzen mythologischen Hokuspokus sollen geistig gesunde Wissenschaftler mit in ihre Forschungsarbeiten als Realität einbeziehen?
In der Theologie sollten das geistig gesund Wissenschaftler unbedingt, weil es geistig ungesund ist, Gott unter der Prämisse zu untersuchen, dass es ihn nicht gibt.

Münek hat geschrieben:Befinden wir uns noch im Mittelalter?
Weit vorher. - Der geistige Status unserer heutigen materialistischen Mainstreamwelt ist eher mit dem Status von ca. 1.000 v. Chr. zu vergleichen.

Münek hat geschrieben:Es existieren keine "Apostel-Schriften".
Es kann aber uns unbekannte SChriften der Evangelisten geben.

Münek hat geschrieben:Die meisten der über diesen langen Zeitraum überlieferten Worte Jesu werden von der neutestamentlichen Forschung als UNECHT angesehen.
Stilistisch - ich meinte es geistig.

Münek hat geschrieben: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht...
:?: - Der Mensch soll verstehen, was da geistig steht - alles andere ist zweitrangig.

Rembremerding
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#673 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Rembremerding » Do 29. Jun 2017, 10:16

closs hat geschrieben: 1) Ganz einfach: Es sind Abschriften/Rezeptionen der Apostel-SChriften - das würde mich nicht beunruhigen.
2) Weniger einfach, aber wichtig: Nicht die unmittelbare Autorenschaft ist wichtig, sondern die Authentizität zu dem, was Jesus meinte - dann ist es egal, von wann eine Schrift ist.
:thumbup:
Seinen Glauben auf ein Buch zu begründen, ist fatal zu wenig, weil es Gottes Sohn ist, der uns im Glauben bestärkt und jener, an den Christen glauben. In ihm wird ein Christ wiedergeboren, nicht zwischen den Seiten zweier Buchdeckel.

Erst wenn diese Wiedergeburt im Hl. Geist zugelassen wird, dann beginnt der Hl. Geist zu lehren, um die Buch-Offenbarung zu verstehen. So berühren und lehren sowohl die Briefe eines Paulus aus dem Jahre 40, eines Schülers des Johannes aus dem Jahre 100, aber auch die Texte eines Ignatius von Antiochien, Augustinus von Hippo oder Romano Guardini aus späterer Zeit. Es ist der Hl. Geist, der durch alle Zeiten lehrt, besonders die Unterscheidung der Geister. Es ist die Liebe, die sich immer selbst erkennt.
In diesem Sinn ist es auch wichtig zu verstehen, was es bedeutet, dass das Reich Gottes nahe ist: Es geht uns unmittelbar im Jetzt, gerade im Jetzt etwas an. Es ist Bequemlichkeit und Sünde es auf später zu beschränken, es berechnen zu wollen, um es vom Herz fern zu halten und allein dem Verstand nahe zu bringen. Dann wird der Buchstabe tot, weil ihn Jesus und sein Reich im Hl. Geist nicht beleben kann.
Auch @Helmuth versuchte uns dies in einem anderen Thread zu vermitteln.

Die Zeitbestimmung einer Quelle sagt unter heilsgeschichtlichen Gesichtspunkten nichts darüber aus, ob etwas wahr ist oder unwahr - insofern ist es ein Rohrkrepierer, wenn man spätere Veränderungen einer älteren Quelle notwendigerweise als "Fälschung" bezeichnet - das kann zwar sein, muss es aber nicht.
Es ist doch genauso keine Fälschung, wenn ein späterer Forscher die Ausführungen seines Vorgängers konkretisiert oder in einen neuen Kontext stellt, den er entdeckt hat, und der dem Vorgänger noch nicht möglich war zu erkennen.

An alle Buchstabengläubigen sei gesagt: Gott ist kein Lückenfüller des Bereichs, den der Mensch noch nicht erforscht und erkannt hat. Es wäre fatal ängstlich allein auf jenes zu bestehen, was der eigene Verstand oder eine Gruppe von Menschen irgendwann festgelegt hat. Gerade dem vielschichtigen Texten der Hl. Schrift würde man so Gewalt antun. So darf man vertrauensvoll die Früchte des von Gott geschenkten menschlichen Verstands annehmen und sich über neue Erkenntnisse freuen, welche die Fülle der göttlichen Weisheit immer wieder bestätigen. Alles geschieht und wirkt in Gott, womit Gott nicht Teil der Wirklichkeit ist, sondern die Wirklichkeit erschafft und erschaffen hat, also über ihr steht.

So ist beispielsweise die HKM ein Segen Gottes für jene, die ihn in Liebe zum Segnenden annehmen, ein Fluch für jene, die ihn aus Hass und Ablehnung verweigern, denn er wird sie noch weiter von Gott entfernen.

Servus :wave:
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Thaddäus
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#674 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » Do 29. Jun 2017, 12:42

Münek hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Genau dieser Sachverhalt stellt die endgültige Widerlegung deiner Ansicht dar, je nach persönlichem Glaubensentshceid käme man zu unterschiedlichen Ergenissen und diese hätten alle dieselbe Berechtigung.
Gegen diese eigentlich leicht nachvollziehbare Einsicht wird sich unser lieber Closs mit Händen und Füßen (d. h. schwurbelmäßig) zur Wehr setzen, weil sie nämlich seinem Glaubenskonstrukt das Fundament wegschlägt.

Das kann er aus höchstpersönlichen Glaubensgründen nicht zulassen. Da wäre seine Schmerzgrenze überschritten.
Es ist gottseidank nicht erheblich, ob closs' Schmerzgrenze durch Argumente überschritten wird oder nicht. Sieht man sich seine Antworten oben an, erschöpft sich sein Widerstand im bockigen Verharren darauf, es sei falsch, was ich schreibe. Nun ist es aber für jeden, der alle seine Kerzen auf der Torte hat ersichtlich, dass meine Argumentation soweit in sich schlüssig ist, closs andererseits aber keine substanziellen, korrekten und schlüssigen Gegenargumente vorbringt, insofern er überhaupt welche vorbringt. Ich werde noch darauf zurückkommen ...

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#675 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Do 29. Jun 2017, 15:14

Thaddäus hat geschrieben:es sei falsch, was ich schreibe.
Aus Deinem Weltbild heraus kann es durchaus richtig sein - aber die Dogmatisierung Deiner Weltanschauung ist nicht in Ordnung.

Thaddäus hat geschrieben:Nun ist es aber für jeden, der alle seine Kerzen auf der Torte hat ersichtlich, dass meine Argumentation soweit in sich schlüssig ist, closs andererseits aber keine substanziellen, korrekten und schlüssigen Gegenargumente vorbringt
Das ist aus Deiner dogmatischen Sicht so - Du spielst das Spiel der Kirche im Mittelalter.

Thaddäus hat geschrieben:Ich werde noch darauf zurückkommen ...
Sehr gerne - aber bitte sachlich und nach Möglichkeit nach Überdenken Deiner Prämissen.

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Thaddäus
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#676 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » Fr 30. Jun 2017, 00:59

closs hat geschrieben:im übrigen ist auch die kanonische Exegese in der Art ihrer Ausführung intersubjektiv nachvollziehbar - die Frage ist, ob deren Hermeneutik nachvollziehbar ist. - Das sind zwei ganz unterschiedliche Baustellen.
Falsch.
Hypothese: Kanonische Exegese ist nicht intersubjektiv nach Plausibilitätskriterien nachvollziehbar.

Beweis: Die Anwendung der kanonischen Exegese erfordert die vorausgehende explizite Glaubensentscheidung, dass die biblischen Schriften als einheitlicher Kanon auf Jesus als Christus, also auf Jesus als Erlöser und Gottessohn, zu interpretieren sei. Erfolgt dieser Glaubensentscheid nicht, können die biblischen Schriften nicht adäquat interpretiert werden. Somit kann kein Nicht-Christ die biblischen Schriften adäquat interpretieren. Da Nicht-Christen die biblischen Schriften - grundsätzlich - nicht adäquat interpretieren können, ist keine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der kanonischen Exegese gegeben, denn für alle Nicht-Christen wird methodisch von vornherein ausgeschlossen, dass sie eine sachgerechte Exegese der biblischen Schriften vorlegen können, gleichgültig wie plausibel ihre Analysen und Textuntersuchungen sind. Ihre Ergebnisse können aus dogmatischen Gründen nicht korrekt sein (es sei denn, die textanalytischen Ergebnisse von Nicht-Christen stimmen zufällig mit denen christlich-kanonischer Exegeten überein). Die "richtige" Interpretation eines Textes ist damit von einem expliziten vorausgehenden Glaubensentscheid abhängig und nicht davon, ob diese Interpretation Plausibilitätskriterien genügt.
Beispiel: closs eigene Uminterpretation der nachweislichen jesuanischen Nah- in eine unbesimmte Fernerwartung des kommenden Himmelreichs.

Dagegen ist die historisch-kritische Methode intersubjektiv nachvollziehbar bezüglich ihrer Plausibilitätskriterien.
Beispiel: Die textkritische Grundregel der "lectio difficilior potior" (die schwierigere Lesart ist die ursprünglichere). In zahllosen philologischen Analysen antiker (aber auch moderner) Texte wurde die empirische Einsicht gewonnen, dass bei parallel überlieferten Texten und Textstellen die schwierigere, sperrigere Lesart die ursprünglichere ist, da spätere Überlieferungen die Tendenz aufweisen, ürsprüngliche Aussagen an die sich erst später ausbildenden Lehrmeinungen und Lehrgebäude anzupassen - weil die ursprüngliche Lesart plötzlich unpassend erscheint - und also den Text zu glätten und Widersprüche zu harmonisieren.

Beispiel: die markinischen Jesusworte am Kreuz: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen". (Mk 15,34 EU; Mt 27,46). Im Lichte der späteren christlichen Verehrung Jesu als Erlöser und Gottessohn, wird dieses Psalmzitat Jesu am Kreuz, welches Verzweiflung und Gottesverlassenheit ausdrückt, im Laufe der christlichen Glaubensentwicklung an Jesus als den göttlichen Erlöser mit Heilsplan zunehmend als unpassend und anstößig empfunden. So taucht dieses höchstwahrscheinlich authentische Jesuswort im Markus- und dann noch im zeitlich unmittelbar folgenden Matthäusevangelium auf, nicht mehr aber in den später verfassten Lukas- und Johannes-Evangelien, in denen es gänzlich entfällt. Stattdessen findet sich im Lukasev. als letzte Worte Jesu am Kreuz: "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46) und „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34). Im spätesten Johannesev. heißt es schließlich endgültig theologisch harmonisierend: "Es ist vollbracht“ (Joh 19,30), was den Fokus auf die Erfüllung eines christlich-göttlichen Heilsplanes legt, an den erst die späteren Christen glaubten, der aber im Markusev. nicht zu finden ist.
Das markinische Kreuzeswort ist nach der textkritischen Regel "lectio difficilior potior" darum als das ursprüngliche und am ehesten authentische Jesuslogion einzuschätzen, was weiter dadurch gestützt wird, das dieses Jesuswort bei Markus noch in der Sprache Jesu, also in Aramäisch, überliefert wird ("Eloi, Eloi, lema sabachthani?").

Diese Analyse folgt den methodischen Plausibilitätskritereien der Textkritik innerhalb der historisch-kritischen Methodik und bedarf keines Glaubensentscheides. Auch jeder Nicht-Christ kann diese Analyse nachvollziehen. Wer sie kritisieren will, muss das innerhalb der methodischen Plausibilitätskriterien tun oder die Regel der "lectio difficilior potior" mit guten Gründen infrage stellen (in dem er hiervon abweichende Überlieferungen benennt).
Eine Verpflichtung auf den Glauben an Jesus als den Erlöser als Gottessohn oder eine dogmatische Einheit des christlichen Kanons (von AT und NT) oder den Naturalismus oder auf Descartes und den Glauben an die Realität der res extensae oder sonstigem Unfug ist weder erforderlich noch nötig.

Mein lieber closs, ich werde auf die übrigen schwachen Punkte deiner Erwiderung hier noch eingehen ...

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#677 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Fr 30. Jun 2017, 11:34

Thaddäus hat geschrieben:Hypothese: Kanonische Exegese ist nicht intersubjektiv nach Plausibilitätskriterien nachvollziehbar.

Beweis: Die Anwendung der kanonischen Exegese erfordert die vorausgehende explizite Glaubensentscheidung, dass die biblischen Schriften als einheitlicher Kanon auf Jesus als Christus, also auf Jesus als Erlöser und Gottessohn, zu interpretieren sei.
Deine Argumentation ist intelligent und nachvollziehbar - diesbezüglich keine Kritik meinerseits. - Trotzdem ist weder Deine Hypothese richtig noch Deine Begründung ein Beweis.

1) Deine Hypothese beinhaltet zwei Probleme:

1.1) Was ist "intersubjektiv"? - Aus meiner Sicht: Wenn eine Argumentationsführung auf Basis ihrer Vorannahmen von jedem intelligenten Menschen nachvollziehbar ist. - Wenn ich also setze, dass Du 4 Augen hast, ist es intersubjektiv nachvollziehbar, dass Du bei Sehschwäche eine Brille mit 4 Gläsern brauchst.

1.2) Was ist Plausibilität? - Aus meiner Sicht - auch hier: Was ist einleuchtend auf Basis einer Vorannahme? - Bei der Vorannahme eines naturalistischen Wirkungszusammenhangs (also bspw. keine Wunder) ist es plausibel, dass die leibliche Auferstehung ein Mythos, also historisch nicht real ist, während bei der Vorannahme der Existenz Gottes als Entität die leibliche Auferstehung einleuchtend ist.

Thaddäus hat geschrieben:Die "richtige" Interpretation eines Textes ist damit von einem expliziten vorausgehenden Glaubensentscheid abhängig und nicht davon, ob diese Interpretation Plausibilitätskriterien genügt.
Beispiel: closs eigene Uminterpretation der nachweislichen jesuanischen Nah- in eine unbesimmte Fernerwartung des kommenden Himmelreichs.
1) Auch Deine Interpretation ist von einem expliziten Glaubensentscheid abhängig, nämlich: "Ich glaube an ein Weltbild, wonach es einen naturalistischen Wirkungszusammenhang in der Geschichte gibt, also keine Wunder Teil der Geschichte sein können.

2) Die jesuanische (apokalyptische) Naherwartung ist Interpretation im Sinne Deines Glaubensentscheids (was nicht heißen soll, dass die Argumente dafür schlecht sind). - Die jesuanische Fernerwartung bzw. spirituelle Naherwartung ist Interpretation im Sinne meines Glaubensentscheids. - Wobei der Begriff "Entscheid" zu differenzieren ist - denn man muss nicht selber daran glauben, um etwas geistig nachvollziehen zu können und in diesem Sinne zu argumentieren.

Thaddäus hat geschrieben:Beispiel: Die textkritische Grundregel der "lectio difficilior potior" (die schwierigere Lesart ist die ursprünglichere).
Das ist sicher ein empirischer Wert, der zwar kein Gesetz ist (es gibt auch schwarze Schwäne), aber ganz sicher wertvoll ist bei der Untersuchung von Texten. - Ich würde übrigens einen anderen hinzufügen: Eine ältere Handschrift ist empirisch als authentischer zum Original zu verstehen als eine spätere. - Das Problem liegt woanders:

1) Was ist "Original"? - Normalerweise ist das Original der Ausgangspunkt dessen, worum es geht: Da hat einer meinetwegen im Jahr 1000 erstmals einen Text zum Thema x geschrieben, der seitdem mehrfach bearbeitet wird. - Wie auch immer man diese Abschriften/Rezeptionen qualifiziert: Das Original ist diese eine SChrift aus dem Jahr 1000.

Bei der Bibel ist es anders: Der Ausgangspunkt dessen, worum es geht, ist NICHT die erste (uns bekannte oder unbekannte) Evangelien-Quelle, sondern Jesus selbst. - Das heißt: Das, was die HKM als "Original" bezeichnet, ist bereits eine Rezeption.

2) Was ist "Rezeption" (= die geistige Aufnahme und Verarbeitung von etwas)? - Darunter kann man verstehen, was Du als Beispiel genannt hast: Die markinischen Jesusworte passen nicht mehr so sehr in die Landschaft, also interpretiert man sie um - man glättet. - Euphemistisch könnte man auch sagen: Man formuliert so, dass das Volk verstehen kann.

Nur - welche der Rezeptionen über die Zeiten ist geistig am nähesten am Original Jesus? - Ist es Markus, weil er am ältesten ist? Oder ist es Ratzinger, weil er es am besten begriffen haben könnte? - Nicht dass ich das behaupten würde - es geht hier um den Grundgedanken.

Thaddäus hat geschrieben:Diese Analyse folgt den methodischen Plausibilitätskritereien der Textkritik innerhalb der historisch-kritischen Methodik
Richtig - aber was sagt das über Jesus aus? - Über die Originale (in Definition der HKM - also die Rezeptions-Texte) sagt diese Analyse sicherlich viel aus - aber über das, was Jesus historisch gedacht und gemeint hat?

Mit anderen Worten: Du hast als Systematikerin recht - aber was war Jesus WIRKLICH (und somit historisch)? - Denn gleichsetzen kann man "systematisches Erkennen von Quellen über Jesus" und "geistiges Erkennen von Jesus selbst" nicht.

Nun brauchen wir nicht darüber zu reden, dass "geistig" gerne als Freibrief für jeglichen Unsinn missbraucht wird - aber das ändert nichts an der prinzipiellen Unterscheidung zwischen historisch-kritischem und geistigen Zugang zu Jesus.

Thaddäus hat geschrieben:Eine Verpflichtung auf den Glauben an Jesus als den Erlöser als Gottessohn oder eine dogmatische Einheit des christlichen Kanons (von AT und NT) oder den Naturalismus oder auf Descartes und den Glauben an die Realität der res extensae oder sonstigem Unfug ist weder erforderlich noch nötig.
Das ist nicht richtig - denn wenn die HKM auf einen naturalistischen Wirkungszusammenhang von Historie besteht, ist dies eine weltanschauliche Vorannahme.

Deshalb meine These:
HKM ist eine Methodik, die unter naturalistischen Vorbedingungen primär die Quellen über Jesus und nicht Jesus selbst untersucht.

In diesem Sinne versteht DIE Theologie, zu der ich über Theologen Zugang habe, die historisch-kritische Exegese als Basis/Rohstoff-Lieferant/Halbzeug-Lieferant für die eigentliche christliche Hermeneutik (H. = "Wie ist ein Text zu VERSTEHEN?" - siehe Apg. 8,30). - In Bezug auf unser Fallbeispiel hört man dann wirklich oft: "Die HKM muss aufgrund ihrer inneren Logik zum Ergebnis der apokalyptischen Naherwartung kommen, was aber unter christlich-hermeneutischen Gesichtspunkten falsch ist". - Und dann kommt ein Argumentarium, das intersubjektiv nachvollziehbar ist, wenn man die Vorannahmen der christlichen Hermeneutik kennt.

Wie stellt sich das aus Deinen viel frischeren Eindrücken aus der Theologie dar?

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#678 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » Fr 30. Jun 2017, 15:10

closs hat geschrieben:Trotzdem ist weder Deine Hypothese richtig noch Deine Begründung ein Beweis.
Ich bin dir für deine Antwort dankbar, denn sie macht deine Unfähigkeit, eine schlüssige Gegenargumentation vorzubringen, mehr als deutlich.

closs hat geschrieben: 1) Deine Hypothese beinhaltet zwei Probleme:

1.1) Was ist "intersubjektiv"? - Aus meiner Sicht: Wenn eine Argumentationsführung auf Basis ihrer Vorannahmen von jedem intelligenten Menschen nachvollziehbar ist. - Wenn ich also setze, dass Du 4 Augen hast, ...

1.2) Was ist Plausibilität? - Aus meiner Sicht - auch hier: Was ist einleuchtend auf Basis einer Vorannahme? - Bei der Vorannahme eines naturalistischen Wirkungszusammenhangs (also bspw. keine Wunder) ist es plausibel ...
Es finden sich keine Probleme.
1. Es ist klar, was "intersubjektivität" meint: die rationale Einsicht in gegebene Begründungszusammenhänge durch grundsätzlich jeden rational denkenden Menschen mit ausreichend kognitiven Fähigkeiten. Der für die kanonische Exegese eingeforderte christliche Glaubensentscheid beruht dagegen nicht auf rationaler und intersubjektiv einleuchtender Einsicht. Deine Setzung, ich könnte 4 Augen haben ist weder individuell plausibel, noch intersubjektiv plausibel und abgesehen davon, an dieser Stelle weder sachgerecht noch irgendwie relevant.

2. Was Plausibilität bedeutet, ist ebenfalls deutlich: die argumentative Überzeugungskraft gegebener Begründungszusammenhänge. Weder mache ich oben die Vorannahme eines naturalistischen Wirkungszusammenhangs, noch fordere ich ihn ein. Du unterstellst das lediglich kontrafaktisch. Wenn du weiter behaupten willst, ich würde diese Annahme machen, musst du anhand meiner obigen Analyse nachweisen, wo genau dort ich diese Vorannahme explizit verwende oder fordere.


closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die "richtige" Interpretation eines Textes ist damit von einem expliziten vorausgehenden Glaubensentscheid abhängig und nicht davon, ob diese Interpretation Plausibilitätskriterien genügt.
Beispiel: closs eigene Uminterpretation der nachweislichen jesuanischen Nah- in eine unbesimmte Fernerwartung des kommenden Himmelreichs.
1) Auch Deine Interpretation ist von einem expliziten Glaubensentscheid abhängig, nämlich: "Ich glaube an ein Weltbild, wonach es einen naturalistischen Wirkungszusammenhang in der Geschichte gibt, also keine Wunder Teil der Geschichte sein können.
Weder mache ich für meine obige Analyse die Vorannahme eines naturalistischen Wirkungszusammenhangs oder der Unmöglichkeit von Wundern, noch fordere ich solches. Meine obige Analyse hat bestand, egal welche Annahmen man diesbezüglich macht. Und selbst wenn ich deine unterstellten Vorannahmen machen würde, handelte es sich nicht um Glaubensentscheide, sondern um selbst wieder Plausibilitätskriterien unterliegenden Basisannahmen, die rational begründet würden, aber keinesfalls auf Glaubensannahmen beruhen würden (wie das bei der kanonischen Exegese nachweislich der Fall ist).

closs hat geschrieben: 2) Die jesuanische (apokalyptische) Naherwartung ist Interpretation im Sinne Deines Glaubensentscheids (was nicht heißen soll, dass die Argumente dafür schlecht sind). - Die jesuanische Fernerwartung bzw. spirituelle Naherwartung ist Interpretation im Sinne meines Glaubensentscheids.
Falsch.
Beweis: Ich treffe nachweislich keinen Glaubenentscheid, der nötig wäre, um meine Argumentation nachzuvollziehen. Noch fordere ich einen solchen.
Du triffst dagegen den Glaubensentscheid, die christlichen Schriften müssten wegen der heilsgeschichtlichen Wirkung von Jesus als Erlöser und Gottessohn als Dogma der katholischen Tration als einheitlicher Kanon interpretiert werden. Du trifft diesen Glaubensentscheid faktisch, da du die kanonische Exegese für deine Interpretation in Anschlag bringst und kanonische Exegese ohne den entsprechenden Glaubensentscheid nicht angewendet werden KANN!

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Beispiel: Die textkritische Grundregel der "lectio difficilior potior" (die schwierigere Lesart ist die ursprünglichere).
Das ist sicher ein empirischer Wert, der zwar kein Gesetz ist (es gibt auch schwarze Schwäne), ...
Diese Regel hat solange Gesetzescharakter, bis du durch die Vorlage mindestens eines Gegenbeispiels diesen Gesetzescharakter infrage stellst. Kannst du ein solches Beispiel vorlegen?

closs hat geschrieben: 1) Was ist "Original"? [...]
Eine in unserem Zusammenhang nachweislich unerhebliche Frage, die lediglich davon ablenken soll, dass du keine schlüssige Gegenargumentation vorlegen kannst. Ein rhetorischer Trick, nichts weiter ...

closs hat geschrieben: 2) Was ist "Rezeption" [...]
Eine in unserem Zusammenhang nachweislich unerhebliche Frage, die lediglich davon ablenken soll, dass du keine schlüssige Gegenargumentation vorlegen kannst. Ein rhetorischer Trick, nichts weiter ...

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Diese Analyse folgt den methodischen Plausibilitätskritereien der Textkritik innerhalb der historisch-kritischen Methodik
Richtig - aber was sagt das über Jesus aus?
Das sagt über Jesus aus, dass er als frommer Jude mit hoher Wahrscheinlichkeit das markinische Kreuzeswort gesprochen hat, nicht aber die übrigen überlieferten Kreuzesworte.

closs hat geschrieben: Mit anderen Worten: Du hast als Systematikerin recht - aber was war Jesus WIRKLICH (und somit historisch)?
Ein frommer Jude, der mit hoher Wahrscheinlichkeit am Kreuz die Worte: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen" in Hebräisch, seiner Muttersprache gerufen hat. Dass er frommer Jude gewesen sein muss, ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass er damit ein Psalmwort zitiert.

closs hat geschrieben: Deshalb meine These:
HKM ist eine Methodik, die unter naturalistischen Vorbedingungen primär die Quellen über Jesus und nicht Jesus selbst untersucht.
Das ist nachweislich falsch, wie oben von mir nachgewiesen wurde.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Fr 30. Jun 2017, 15:27, insgesamt 3-mal geändert.

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#679 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 30. Jun 2017, 15:13

closs hat geschrieben: Deshalb meine These:
HKM ist eine Methodik, die unter naturalistischen Vorbedingungen primär die Quellen über Jesus und nicht Jesus selbst untersucht.
Diese These ist durch die Forschung längst widerlegt.
Man muss differenzieren:
- wir wissen so gut wie nichts über den biografischen Jesus, ausser dass er als Jude geboren wurde, vermutlich als Bauhandwerker gearbeitet hat, von seinen Gegnern als Fresser und Weinsäufer bezeichnet wurde, der sich von Frauen aushalten ließ. Die biblischen Jugendgeschichten gelten als nachträgliche Erfindungen der Schreiber. Seine Exekution durch die römische Besatzungsmacht gilt ebenfalls als historisch.

- wir wissen aber einiges über die Verkündigung Jesu, und da steht die Erwartung des nahen Gottesreiches sogar im Zentrum seiner Verkündigung. Darüber besteht in der historischen Jesusforschung kein Zweifel.

- Davon zu unterscheiden ist das, was Schreiber, Kirche und Christentum daraus gemacht haben. Es ist also zu unterscheiden zwischen dem historischen Jesus und dem kerygmatischen Christus.
Kurzum: Das, was das Christentum aus dem galiläischen Wanderprediger gemacht hat, war er nie gewesen und hätte er aller Wahrscheinlichkeit auch nicht sein wollen.

Jung erklärt den Unteschied ganz gut.

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#680 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 30. Jun 2017, 16:49

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Trotzdem hätte ich gern ein klare Antwort auf meine klare Frage. Ich weiß, dass es jetzt schwierig für Dich wird.
Die einzige Schwierigkeit besteht darin, Dir etwas begreiflich zu machen.

Aber gerne nochmal, weil Deine Frage aufrichtig klingt:
"Wissenschaft" ist eine "Tätigkeit, bei der ein Sachverhalt mit objektiven und nachvollziehbaren Methoden systematisch beschrieben und untersucht wird" (wik). - Das heisst: Es ist eine Art und Weise, wie man etwas bearbeitet.
Darin hat es nie einen Dissens gegeben. Nur sollte man die Bearbeitung eines Objekts nicht mit dessen Wahrheitsgehalt und Realitätsbezug verwechseln. Darin scheint es aber einen gewaltigen Dissens zu geben.
Aus diesem Grund haben Glaubensdogmatiker nichts in den historischen Wissenschaften verloren.

closs hat geschrieben: DIeser "Tätigkeit" liegt immer eine Hermeneutik zugrunde.
* Bei der theologischen Wissenschaft liegt zugrunde, dass Jesus göttlich ist und Wunder möglich sind.
Wenn sich die Theologie auf die systematische Beschreibung seiner Vergottung begrenzen würde, könnte sie sich noch als Wissenschaft bezeichnen. (wie es bei der Forschung der Fall ist). Kommen aber Glaubensbekenntnisse, Wunderglaube, Geister und Dämonen ins Spiel, muss der Wissenschaftstüvstempel entzogen werden. Dann wirds nur noch peinlich. Deshalb bleibt nur der Glaubensentscheid.

closs hat geschrieben: Insofern ist die bei Euch übliche Gegenüberstellung von "Wissenschaft oder Glaubensdogmatik" echt daneben, weil sie gleichbedeutend ist mit "Untersuchungs-Tätigkeit oder Untersuchungs-Gegenstand" - das macht keinen Sinn.
Darum gehts nicht: wer in der historischen Forschung arbeiten will, muss sich von Glaubensdogmatik und Glaubensbekenntnissen verabschieden. Beides zusammen geht nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das Deine Auffassung laienhaftem Wunschdenken entspringt, zeigt sich daran, dass es in der Praxis völlig anders abgeht.
In der Praxis geht es deshalb völlig anders, weil es eingerissen ist, trotz Ausschluss geistiger Momente nichtsdestoweniger in geistige Fragestellungen einzugreifen. - Das ist doch exakt der Punkt, warum Ratzinger vom "Antichrist in der Theologie" spricht.
Die Glaubenswelt des Wanderpredigers ist Bestandteil der Textquellen. Es nützt nichts, diese aus ideologischen Gründen für unantastbar zu erklären, nur weil er sich geirrt hat.
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