Nun, hier wurde behauptet, dass Paulus in Römer 3:7 die Lüge für ein legitimes Mittel hält, wenn es der Verkündung des Evangeliums dient. Sven und Zeus behaupteten dies. Sven verwies mehrfach auf Dr. Kubitza, um dies zu belegen.Münek hat geschrieben:Ich habe keine Ahnung, ob und wie Theißen Römer 3:7 auslegt. Ich denke, als ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Exegese würde er die Textstelle schon sachgerecht (also nicht eisegetisch) interpretieren.Halman hat geschrieben:Wirklich? Auch bezüglich der Exegese von Theißen zu Römer 3:7? Kubitza und Schmidt-Salomon vertreten nicht die historisch-kritische Forschung, jedenfalls nicht vollumfänglich.Münek hat geschrieben:Ich entscheide mich für die Ergebnisse der historisch-kritischen Exegese.
Beansprucht die skeptische Kritiker-Community hier etwa nicht, die historisch-kritische Forschung zu vertreten?
Nun, ich präsentierte euch die Exegese zu Römer 3:1-8, welche Eurer Behauptung widerspricht.
Da Du ja Theißen als Exegeten und Neutestamentler zurecht schätzt (darin würde Dir übrigens mein "alter Freund" Logan5 zustimmen), verlinke ich hier erneut das Buch Perspektiven auf Römer 7, welches Theißens Exegese zu Römer 3:7 erklärt.
Paulus bediente sich also in zwei Briefen der Prosopopoiia, der „übertragenen“ Rede. Eine von diesen Stellen ist Römer 3:7. Theißens Exegese bezieht die historische Dimension der HKM mit ein, welche ihre literarkritische Hermeneutik ergänzt, indem der historische Kontext einbezogen wird und in diesem Fall die rhetorische Reflektion in der Antike berücksichtigt.Andere Texte, die Theißen als fiktiv bezeichnet, kommen ohne rhetorische Markierung aus, so z.B. Röm 3,7 und auch 1Kor 10,29bf. In beiden Texten werden in der ersten Person singular Propositionen zitiert, die in der Auslegung Theißens von Paulus selbst abgeleht würden: in 1Kor 10,29bf das, was der Starke in der korinthischen Gemeinde als Frage denken konnte, in Röm 3,7 die fiktiven Fragen derer, die Paulus missverstehen wollen. ...
[.,..]
Es lohnt sich aber ein Blick auf die rhetorische Reflektion in der Antike. Die „übertragene“ Rede in der ersten Person Singular ist dort ein gängiges rethorisches Stilmittel, das als Prosopopoiia bezeichnet wird. Bei der Prosopopoiia bezeichnet das „Ich“ nicht den Schreiber oder Redner, sondern eine andere Person oder Sache.
Da dies auch so in der Bibelwissenschaft erklärt wird, gehe ich davon aus, dass ich in diesem Punkt den Konsens der historisch-kritischen Forschung vertrete, welche die skeptische Kritiker-Community hier zumindest zum Teil widerspricht. Darin wird übereinstimmend mit meinem obigen Link zur Exegese von Römer 3:1-8 und Theißen erklärt:
Meine Interpretation ist bei diesem Vers näher an der historisch-kritischen Exgese als Kubitza.In 3,1-8 nennt Paulus mögliche Einwände gegen seine Schlussfolgerungen und wehrt sie kurz ab.
Wenn Paulus sagt: "Ich rede nach Menschenweise", so bezieht sich dies auf die zuvor aufgeworfene Frage. Damit wollte er seine christlichen "Geschwister" in Rom zum nachdenken anregen. Sie sollten nicht meinen, "lasst uns das Böse tun, damit das Gute komme um so Gottes Ruhm zu mehren". Denn über die stellt Paulus fest: "Deren Gericht ist gerecht." Paulus rechtfertigte also nicht die Lüge, sondern warnte davor, das Lügen auf die leichte Schulter zu nehmen. Darauf verallgemeinert er und warnte vor diesem falschen Gedanken.
Kubitza vertritt in erster Linie die Interpretation der gbs. Er widerspricht hier der historischen-kritischen Exegese, wie meine Quellen belegen.Münek hat geschrieben:Ob Schmidt-Salomon die historisch-kritische Forschung vertritt oder nicht, ist mir egal. Kubitza stellt dankenswerter Weise auf verständliche Art einem breiterem Publikum im Großen und Ganzen den Stand der neutestamentlichen Exegese vor.
sven23 zitierte Dr. Kubitza:
Damit widerspricht Dr. Kubitza bezüglich seiner Interpretation von Römer 3:7 nachweislich dem Konsens der historisch-kritischen Exegese und Du und Sven ebenso. Ich bin es, der sie bezüglich der Deutung dieses Verses vertritt.... Schon beim Apostel Paulus ist das Verhältnis zur Wahrheit für
moderne Ohren fragwürdig, wenn er in Rö 3,7 schreibt: „Wenn aber Gottes
Wahrhaftigkeit infolge meines Lügens umso stärker zu seiner Verherrlichung hervor
getreten ist, warum werde ich dann noch als Sünder gerichtet?“ Was spielt es schon für
eine Rolle, so kann man Paulus verstehen, wenn man lügt oder die Wahrheit spricht,
wenn letztlich das Ziel der Verherrlichung Gottes erreicht wird? Kann denn Lüge Sünde
sein? Für Paulus ist sie es nicht, jedenfalls nicht, wenn es um die Verkündigung des
Christus geht. Da sind dann offenbar alle Mittel recht. ...
Was der Philosoph beschreibt, nennt man Eisegese. So viel zur Begriffsanalyse und Aussagenlogik.Zitat von Michael Schmidt-Salomon:
Was ist Exegese? Das ist der Versuch, genau das Gegenteil aus dem Text zum Teil herauszulesen können, damit man sich irgendwie noch als Christ bezeichnen kann.