Alles Teufelszeug? VI

closs
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#411 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 10. Jun 2017, 00:01

Thaddäus hat geschrieben:Dann höre auf deine Tochter. Sie scheint intelligent zu sein ...
Stimmt - und schwanger ist sie auch. ;)

Thaddäus hat geschrieben:Weil es sich die christliche Tradition zurecht- und uminterpretiert hat, so dass es am Ende in die eigenen Vorstellungen passte.
Was spricht dagegen, dass die Erkenntnisse der christlichen Tradition falsch sind? - Stell Dir vor, es gäbe Gott wirklich als Entität: Wie würde da die HKM dastehen?

Thaddäus hat geschrieben:Willst du damit leugnen, dass JHWH Hiob quält und ungerecht behandelt, obwohl er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen?
1) Hiob ist keine historische Person, sondern Chiffre für den Menschen, der leidet.
2) Nicht Jahwe quält Hiob, sondern Satan, der als von Gott gehaltener Protagonist das Widergöttliche repräsentiert.
3) Bei Leid gibt es kein "gerecht" oder "ungerecht" -. schau Dir die Welt an.- Es soll hier gezeigt werden, dass es über dem Unrecht der Welt ein göttliches Recht gibt, das alttestamentarisch mit "Güter" (am Ende des Buchs) chiffriert ist und für das neutestamentarisch die Auferstehung steht (wobei dieses göttliche Recht aus meiner persönlichen Sicht ein Allversöhnungs-Recht ist - aber das ist ein anderes Thema)

Thaddäus hat geschrieben:Umso schlimmer für JHWH, der auch noch der Auftraggeber der ungerechten Schikanierung Hiobs ist und das ganze Kasperletheater erst initiiert!
Du verstehst den universalen geistigen Kontext nicht, für den dieses Buch steht.

Thaddäus hat geschrieben:Die Redakteure des Hiob-Buches können mit dem aufmüpfigen Hiob nichts anfangen, denn er lehnt sich gegen Gott selbst auf.
Nochmals: Ich gehe davon aus, dass Hiob NICHT eine historischer Person ist, sondern die Verfasser dieses Buches genau so gestaltet haben, um einen Entwicklungs-Ablauf des Menschen darzustellen: Von anthropozentrisch zu theozentrisch.

Thaddäus hat geschrieben:Aber Hiob erweist sich nicht als Kadavergehorsamer, denn er klagt seinen Gott explizit und unmissverständlich an. Der Maßstab im Buch Hiob ist das Gerechtigkeitsempfinden aller Menschen, für die Hiob exemplarisch steht.
Richtig - und Hiob ist so gut dabei, dass er seine drei Freunde einen nach dem anderen widerlegt. - Hiob hat also nach menschlichem Maß recht.

Thaddäus hat geschrieben:Deine Umdeutung ist lediglich dogmatischer Kadavergehorsam, der Hiob beugen soll unter die Knute eines Gottes
"Kadavergehorsam" wäre, wenn der Betroffene etwas opportunistisch tun würde und nicht weiß, was er tut - beides ist bei Hiob nicht der Fall. Denn er kapiert WIRKLICH, dass sein Gerechtigkeits-Sinn nicht entscheidend ist. - Und wichtig: Hiob ahnt nicht, dass es am Ende noch einmal mit ihm gut werden soll ("Güter") - DESWEGEN handelt er nicht so, wie er handelt. - Im Gegenteil: Sein Handeln ist von echter Erkenntnis geprägt.

Und nach wie vor: Nicht Jahwe quält Hiob, sondern der Satan, den Jahwe walten lässt. - Vergleiche dies mit
Joh. 14,
28 Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück. ...
29 Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.
30 Ich werde nicht mehr viel zu euch sagen; denn es kommt der Herrscher der Welt.


Jesus/Gott lässt auch hier den Satan ("Herrscher der Welt") walten - und dieser kümmert sich nicht um Deinen oder meinen Gerechtigkeitssinn. Es geht um den Hinweis auf die eigentliche geistige Existenz des Menschen, dem die "irdischen Jammertal" folgt (ein für eine kritisch-rationale Denkweise vollkommen fremder Gedanke).

Und dass es ein Jammertal ist, erfahren wir heute nur zufällig nicht, weil wir gerade in einem westlichen Zeitfenster des Friedens leben - purer Zufall - Schau in die Welt, ob es heute Syrien oder vorher die Gulags oder noch vorher der Holocaust war. - Oder nimm die "Völkerschlacht", bei der mit einem Schlage 100.000 Menschen umkamen - oder nimm Verdun - alles Tote, bei denen die Opfer das Weiße im Auge des Täters sahen - also das Böse sehr persönlich und noch nicht per Drohne, mit der man eine Hochzeitsgesellschaft zu einem Fleisch-und-Blut-Matsch machen kann, ohne dabei den Hamburger vom Mund wegnehmen zu müssen.

Eigentlich müsste man darüber reden, was eigentlich "Leid" ist. - Jedenfalls ist Deine Interpretation von "Hiob" diesbezüglich arg bewahrt-westlich, naiv, distanziert, oberflächlich aufgeklärt - mit Verlaub. ;)

Thaddäus hat geschrieben:Gott erweist sich als genius malignus, als herrschsüchtiger, spielchentreibender Popanz.
Diese Interpretation wird der Ernsthaftigkeit des Geschehens nicht gerecht.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du kannst, dann versuche mal eine andere Interpretation als plausibel erscheinen zu lassen.
Habe ich gerade versucht - allerdings kann ich Deine Interpretation verstehen. - Bzw: Ich kann aus Deiner Interpretation auf Deine weltanschauliche Formatierung schließen, die ja durchaus edel ist, aber auch weit weg von dem, was "das Fürstentum der Welt" ausmacht - und da leben wir nun mal.

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Thaddäus
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#412 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » Sa 10. Jun 2017, 00:39

closs hat geschrieben: 2) Nicht Jahwe quält Hiob, sondern Satan, der als von Gott gehaltener Protagonist das Widergöttliche repräsentiert.
Nein.
Es ist JHWH selbst, der Hiob quält und ungerecht behandelt, denn Satan kann gar nichts tun ohne die Einwilligung des Gottes. Gott gewährt dem Satan, dass er sich an Hiobs Besitz und Leben vergreifen darf, ohne ihn töten zu dürfen ...
6 Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottessöhne, um vor den Herrn hinzutreten; unter ihnen kam auch der Satan.4
7 Der Herr sprach zum Satan: Woher kommst du? Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Die Erde habe ich durchstreift, hin und her.
8 Der Herr sprach zum Satan: Hast du auf meinen Knecht Ijob geachtet? Seinesgleichen gibt es nicht auf der Erde, so untadelig und rechtschaffen, er fürchtet Gott und meidet das Böse.
9 Der Satan antwortete dem Herrn und sagte: Geschieht es ohne Grund, dass Ijob Gott fürchtet?
10 Bist du es nicht, der ihn, sein Haus und all das Seine ringsum beschützt? Das Tun seiner Hände hast du gesegnet; sein Besitz hat sich weit ausgebreitet im Land.
11 Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus und rühr an all das, was sein ist; wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen.5
12 Der Herr sprach zum Satan: Gut, all sein Besitz ist in deiner Hand, nur gegen ihn selbst streck deine Hand nicht aus! Darauf ging der Satan weg vom Angesicht des Herrn.
13 Nun geschah es eines Tages ...

closs hat geschrieben: 3) Bei Leid gibt es kein "gerecht" oder "ungerecht" -. schau Dir die Welt an.- Es soll hier gezeigt werden, dass es über dem Unrecht der Welt ein göttliches Recht gibt,
Und ob es bei Leid die Frage nach gerechtem und ungerechem Leid gibt. Es gibt allerdings kein göttliches Recht und keine göttliche Gerechtigkeit. Genau das lässt JHWH Hiob ja spüren. Dass er als Gerechter doch leiden muss aus göttlicher Willkür, weshalb die Klage des Hiob so dramtisch wie richtig ist ... Gott überlässt Hiob dem Satan als dessen Spielball ...

14 Wie sollte denn ich ihm entgegnen, wie meine Worte gegen ihn wählen?
15 Und wär ich im Recht, ich könnte nichts entgegnen, um Gnade müsste ich bei meinem Richter flehen.
16 Wollte ich rufen, würde er mir Antwort geben? Ich glaube nicht, dass er auf meine Stimme hört.
17 Er, der im Sturm mich niedertritt, ohne Grund meine Wunden mehrt,
18 er lässt mich nicht zu Atem kommen, er sättigt mich mit Bitternis.
19 Geht es um Kraft, er ist der Starke, geht es um Recht, wer lädt mich vor?
20 Wär ich im Recht, mein eigener Mund spräche mich schuldig, wäre ich gerade, er machte mich krumm.
21 Schuldlos bin ich, doch achte ich nicht auf mich, mein Leben werfe ich hin.
22 Einerlei; so sag ich es denn: Schuldlos wie schuldig bringt er um.
23 Wenn die Geißel plötzlich tötet, spottet er über der Schuldlosen Angst.
24 Die Erde ist in Frevlerhand gegeben, das Gesicht ihrer Richter deckt er zu. Ist er es nicht, wer ist es dann?
25 Schneller als ein Läufer eilen meine Tage, sie fliehen dahin und schauen kein Glück.
26 Sie gleiten vorbei wie Kähne aus Schilf, dem Adler gleich, der auf Beute stößt.
27 Sage ich: Ich will meine Klage vergessen, meine Miene ändern und heiter blicken!,
28 so graut mir vor all meinen Schmerzen; ich weiß, du sprichst mich nicht frei.
29 Ich muss nun einmal schuldig sein, wozu müh ich mich umsonst?
30 Wollte ich auch mit Schnee mich waschen, meine Hände mit Lauge reinigen,
31 du würdest mich doch in die Grube tauchen, sodass meinen Kleidern vor mir ekelt.
32 Denn du bist kein Mensch wie ich, dem ich entgegnen könnte: Lasst uns zusammen zum Gericht gehen!
33 Gäbe es doch einen Schiedsmann zwischen uns! Er soll seine Hand auf uns beide legen.
34 Er nehme von mir seine Rute, sein Schrecken soll mich weiter nicht ängstigen;
35 dann will ich reden, ohne ihn zu fürchten. Doch so ist es nicht um mich bestellt.


Das ist in der Tat hohe Literatur, aber nicht so, wie du es dir dogmatisch hinbiegst. Eigentlich ist das auch jedem Interpreten des Hiob-Buches klar, der nicht christlich-dogmatischem Denken unterwirft.

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#413 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 10. Jun 2017, 01:10

Thaddäus hat geschrieben:Es ist JHWH selbst, der Hiob quält und ungerecht behandelt, denn Satan kann gar nichts tun ohne die Einwilligung des Gottes. Gott gewährt dem Satan, dass er sich an Hiobs Besitz und Leben vergreifen darf, ohne ihn töten zu dürfen ...
Natürlich kann man das durchreichen - aber da landen wir letztlich bei der Frage, was "dialektisches Dasein" eigentlich ist. - Warum gibt es eigentlich den "Baum der Erkenntnis von gut und böse"? (Das ist KEIN Themenwechsel)

Thaddäus hat geschrieben:Und ob es bei Leid die Frage nach gerechtem und ungerechem Leid gibt.
Naja - die Frage gibt es. - Aber wer entscheidet, was "gerecht" und "ungerecht" ist? - Damit meine ich NICHT juristisches Recht.

Thaddäus hat geschrieben:Es gibt allerdings kein göttliches Recht und keine göttliche Gerechtigkeit.
Wie kannst Du das behaupten, wenn Du gar nicht weißt, was "göttliche Gerechtigkeit" ist?

Thaddäus hat geschrieben:Dass er als Gerechter doch leiden muss aus göttlicher Willkür, weshalb die Klage des Hiob so dramtisch wie richtig ist
Da argumentierst Du aber auf der Ebene "Freunde Hiobs", die Hiob gerade überwinden will, indem er erkennt. - Übrigens meine alte Rede: Unser heutiges, sich selbst als "aufgeklärt" bezeichnendes, geistiges Verständnis fällt hinter das zurück, was Hiob bereits vor 2.500 Jahren verstanden hat.

Thaddäus hat geschrieben:Eigentlich ist das auch jedem Interpreten des Hiob-Buches klar, der nicht christlich-dogmatischem Denken unterwirft.
Kleines Geheimnis:
* Ich bin erst zur Bibel gestoßen, NACHDEM ich für mich die Frage dialektisch gelöst hatte, was eigentlich Gott ist, und dann festgestellt habe, dass es im Wesentlichen dem entspricht, was in der Bibel steht.
* Ich lese immer erst die Primärliteratur, bevor ich sekundär einsteige, um gerade NICHT von religiösen oder materialistischen Dogmen beeinflusst zu werden.
* In diesem Sinn habe ich NACH meiner Hiob-Lektüre bei manchen Theologen meine Interpretation wiedergefunden (allerdings gibt es auch innerhalb der Theologie gelegentlich unangemessen abgekürzte Interpretationen - aber das wäre ein anderes Thema.

Mit anderen Worten: Es gibt ein universal funktionierendes geistiges Denken, das sich keiner christlichen Dogmatik unterwirft, sondern selber drauf kommt. - Du hingegen meinst mit "jedem Interpreten" wieder mal den heutigen Durchschnitts-Nachdenker auf streng materialistischer Basis (auch Qualia sind auf materialistischer Basis) - genau auf dieser Basis kann man aber die Bibel nicht auf Basis von Apg. 8,30 "Verstehst Du auch, was Du liest" verstehen.

Das mag arrogant klingen, ist aber eher hilflos gemeint. - Denn es scheint wirklich so zu sein, dass man Augen hat und nicht sieht - ich bin immer wieder baff, wie stark dominierende philosophische Vorstellungen einer Zeit den einzelnen Menschen in ihren Bann ziehen können. - Bei Dir sehe ich zweierlei:
1) Diesen Bann
2) Alle Voraussetzungen, selber zu können.

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#414 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 10. Jun 2017, 07:24

closs hat geschrieben:Passt: "Schuld" ist nicht Folge einer Intention, sondern geschieht mit einem.
Nee, passt nicht, zumindest ist es keine allgemeingültige Aussage.
Das würde z. B. die Verbrechen des Nationalsozialismus oder des Kommunismus relativieren, ja sogar entschuldigen. Man wundert sich, dass ein religiöser Eiferer, der die Bibel vergötzt, zu solchen Aussagen kommt.
Es wäre mir auch neu, dass das NT den Einzelnen aus der persönlichen Verantwortung entläßt. Das "Strafgericht Gottes", an das auch Jesus glaubte, wäre dann nur eine leere Drohung.
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#415 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 10. Jun 2017, 07:32

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Hiob gehört nicht deshalb zur echten Weltliteratur (anders als z.B. alle prophetischen Bücher oder der unerträgliche Leviticus oder die sterbenslangweiligen Chroniken etc.), weil sich am Ende für Hiob alles zum Guten wendet und Gott ihn belohnt (das ist eher seichtes Happyend).
Richtig - damit rechnet Hiob selber nicht.
Aber die Botschaft der Schreiber an die Adressaten ist doch klar. Wer trotz aller Widrigkeiten, die ihm im Leben widerfahren, an seinem Gottesglauben festhält, der wird am Ende belohnt werden.
Im übrigen ist hier Thaddäus zuzustimmen. Nicht der Anthropozentrismus ist hier das Thema, sondern die Anklage gegen Gott, die Auflehnung der Kreatur gegen ihren Schöpfer.
Und wer trotz allem am Glauben festhält, wird am Ende belohnt werden.
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#416 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 10. Jun 2017, 07:33

Thaddäus hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Hallo?!! Bist du noch ganz dicht ... mit Verlaub?
Ohne das "mit Verlaub" hat mich das meine Tochter auch schon gefragt. :lol:
Dann höre auf deine Tochter. Sie scheint intelligent zu sein ... ;)
Ja, sie kommt wohl eher nach der Mutter. :lol:
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#417 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 10. Jun 2017, 07:48

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nun vergiß mal deinen ewigen Anthropozentrismus. Echten Anthropozentrismus findest du in einer Ideologie, die behauptet, ein Schöpfer habe 100 Milliarden Galaxien geschaffen, um die "Krone der Schöpfung" auf irgendeinem unbedeutenden Fliegenschiss zu platzieren.
Mit dieser irreführenden Ablenkung kannst Du Dir Claquere sichern, aber nicht in der Sache weiterkommen. - Laut Genesis soll der Mensch die Erde untertan machen (nicht Alpha Centauri oder andere Sonnensysteme) - mehr ist da nicht gemeint.
Natürlich nicht, weil die Schreiber der Genesis nur ein sehr begrenztes Weltbild hatten. Nach heutigem Kenntnisstand wäre es geradezu ein pathologischer Anthropozentrismus, zu glauben, das Universum sei für ein paar Trockennasenaffen geschaffen worden.

closs hat geschrieben: Der echte Anthropozentrismus ist bei einer "Aufklärung" daheim, die das eigene Urteilsvermögen zum Maßstab von Allem macht - und das ist bei unserer materalistischen Aufklärung der Fall.
Welches andere Urteilsvermögen als das eigene soll der Mensch denn benutzen? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Richtig, er hat in jüdischen Kategorien gedacht, nicht in christlich-paulinischen.
Er hat in SEINEN Kategorien gedacht, die aus dem Jüdischen ("die Pharisäer und Schriftgelehrten") herauswachsen und von Paulus auf seine Weise interpretiert werden.
Und "seine" Kategorien waren nun mal jüdische. Was Paulus (oder sein Ghostwriter) auf "seine Weise" interpretiert hat, hat in weiten Teilen nur noch sehr wenig mit Jesus zu tun.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Naherwartung ist nicht zu leugnen.
Du wirst das noch behaupten, wenn alle Theologen aus Wittenberg und Rom zu Dir kommen und das Gegenteil sagen.
Wenn sie in der historischen Jesusforschung arbeiten, werden sie nicht das Gegenteil sagen, denn hier ist die Naherwartung breiter Konsens. Du verwechselst das immer mit der glaubensdogmatischen Abteilung, das wird natürlich geleugnet, was das Zeug hält.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wieso innerhalb der HKM???Ich rede von wissenschaftlicher historischer Forschung vs. glaubensdogmatische Abteilung.
Damit lenkst Du (Dich) ab - das eigentliche Problem wäre erst einmal innerhalb der HKM zu lösen. - Wer voraussetzt, dass Bibel-Exegese nur dann redlich ist, wenn man Wirkungszusammenhänge der Geschichte naturalistisch versteht (also Wunder und Auferstehung ausschließt), hat ein knüppeldickes glaubens-dogmatisches Problem innerhalb der HKM.
Nee, dann verstehst du die Forschung nicht. Innerhalb der HKM haben glaubensdogmatische Bekenntnisse nichts verloren. Wenn du darauf Wert legst, musst du in die andere Abteilung wechseln.
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#418 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Sa 10. Jun 2017, 09:30

sven23 hat geschrieben:Nee, dann verstehst du die Forschung nicht. Innerhalb der HKM haben glaubensdogmatische Bekenntnisse nichts verloren. Wenn du darauf Wert legst, musst du in die andere Abteilung wechseln.
Das habe ich unseren lieben Kurt schon mehr als einmal geraten. Er schlägt sich trotz fehlender Kompetenz fanatisch an bestimmten Ergebnissen der neutestamentlichen Forschung die Knöchel blutig, anstatt sich in das kuschelig-warme Bett der katholischen Dogma-
tik zu legen. Aber er geht darauf nicht ein.

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#419 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » Sa 10. Jun 2017, 10:09

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Und ob es bei Leid die Frage nach gerechtem und ungerechem Leid gibt.
Naja - die Frage gibt es. - Aber wer entscheidet, was "gerecht" und "ungerecht" ist? - Damit meine ich NICHT juristisches Recht.
Recht und Unrecht sind menschgemachte Worte (Symbole), die es so in der Natur nicht gibt.

closs hat geschrieben:Wie kannst Du das behaupten, wenn Du gar nicht weißt, was "göttliche Gerechtigkeit" ist?
Offenbar mischt sich Gott nicht ein. Solange wie er sich nicht einmischt ist in seinen Augen wahrscheinlich alles gerecht.

closs hat geschrieben:Unser heutiges, sich selbst als "aufgeklärt" bezeichnendes, geistiges Verständnis fällt hinter das zurück, was Hiob bereits vor 2.500 Jahren verstanden hat.
Das glaube ich nicht, denn Hiob erhielt rein materielle Entschädigung für das was ihm widerfuhr. Allein die Tatsche, dass wir dies erkennen können, beweist das Gegenteil.

closs hat geschrieben:Ich lese immer erst die Primärliteratur, bevor ich sekundär einsteige, um gerade NICHT von religiösen oder materialistischen Dogmen beeinflusst zu werden.
Welche materialistische Dogmen meinst du? — Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Liebe sind u.a. meine Dogmen.

closs hat geschrieben:Es gibt ein universal funktionierendes geistiges Denken, das sich keiner christlichen Dogmatik unterwirft, sondern selber drauf kommt.
Ja, dem kann ich zustimmen. Doch die Frage ist, was ist die Quelle dieser ethischen Grundsätze? Ist es Gott oder die Natur? Wie können wir entscheiden?

closs hat geschrieben:Du hingegen meinst mit "jedem Interpreten" wieder mal den heutigen Durchschnitts-Nachdenker auf streng materialistischer Basis (auch Qualia sind auf materialistischer Basis) - genau auf dieser Basis kann man aber die Bibel nicht auf Basis von Apg. 8,30 "Verstehst Du auch, was Du liest" verstehen.
in dem du dich gemäß Apg. 8,30 über andere erhebst, errichtest du einen Strohmann, besser gesagt, ein nicht-existentes moralisches Podest, auf das du dich dann stellst, um dann fragen zu können, "versteht ihr, was ihr da liest?"
Das ist der Anthropozentrismus der Gläubigen... wenn sich ein Mensch über andere und die Welt erhebt, und anderen vorwirft, "das könnt ihr nicht verstehen".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#420 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 10. Jun 2017, 10:39

sven23 hat geschrieben:Das würde z. B. die Verbrechen des Nationalsozialismus oder des Kommunismus relativieren, ja sogar entschuldigen.
Da wird gar nichts relativiert: Entscheidend ist die Größe des Leids der Opfer. - Das verstehen viele nicht: Dass eine Schuld groß sein kann, die man trägt, obwohl man eventuell gar nichts dazu kann. - Oder dass ein Leid groß sein kann, das man trägt, obwohl man eventuell gar nichts dazu kann.

sven23 hat geschrieben:Es wäre mir auch neu, dass das NT den Einzelnen aus der persönlichen Verantwortung entläßt. Das "Strafgericht Gottes", an das auch Jesus glaubte, wäre dann nur eine leere Drohung.
Auch das ist nicht der Fall. - Das "Gericht" (bei Buber: "die Bewahrheitung") kommt in jedem Fall - Stelle es Dir so vor, als würdest Du nachträglich mit allem konfrontiert werden, was durch Dich jemals angerichtet wurde, ob es Dir zum Zeitpunkt geschehens bewusst war oder nicht. Denn Dein Mit-Leiden an dem, was Du angerichtet hast, richtet sich nicht danach, ob es Deinerseits Absicht war oder nicht.

Das ist doch der Unterschied zwischen Hiob und seinen Freunden: Die Freunde versuchen anthropozentrisch wie unsere Zeit Hiobs Leid über ihn zu erklären ("Du musst was angestellt haben"), während Hiob erkennt, dass dies irrelevant ist, und damit zu einem echten theozentrischen Verständnis geführt wird. - Also gehe davon aus, dass alle Nationalisten oder Kommunisten oder Welt-Vermögens-Spekulanten mit den Folgen ihres Tuns konfrontiert werden - wobei sicherlich einige sagen werden: "Das habe ich nicht gewusst" - zählt aber nicht.

Allerdings ist einzuräumen, dass die Kirche den anthropozentrischen Weg gerne vorgezogen hat, um auf diese Weise Macht über die Menschen zu haben.

sven23 hat geschrieben:Im übrigen ist hier Thaddäus zuzustimmen. Nicht der Anthropozentrismus ist hier das Thema, sondern die Anklage gegen Gott, die Auflehnung der Kreatur gegen ihren Schöpfer.
Beides ist richtig: Hiob klagt in seinem anthropozentrischen Verständnis Gott an - und hat allen Grund dafür.

sven23 hat geschrieben:Aber die Botschaft der Schreiber an die Adressaten ist doch klar. Wer trotz aller Widrigkeiten, die ihm im Leben widerfahren, an seinem Gottesglauben festhält, der wird am Ende belohnt werden.
Wenn man berücksichtigt, dass das NICHT das Motik Hiobs ist und er überhaupt nicht damit rechnet, am Ende belohnt zu werden, kann man das mit Ach und Krach stehen lassen. - Besser wäre: Wer sein Ich überwindet zugunsten einer Erkenntnis in Gott, muss sich am Ende nicht umstellen.

sven23 hat geschrieben:Ja, sie kommt wohl eher nach der Mutter.
Stimmt - meine Frau ist schlau. ;)

sven23 hat geschrieben: Nach heutigem Kenntnisstand wäre es geradezu ein pathologischer Anthropozentrismus, zu glauben, das Universum sei für ein paar Trockennasenaffen geschaffen worden.
Würde heute die Bibel neu geschrieben werden, wären die Chiffren ganz anders.

sven23 hat geschrieben:Welches andere Urteilsvermögen als das eigene soll der Mensch denn benutzen?
Keines :D - er hat nur das eine. - Darum geht es nicht - es geht um Maßstäblichkeit: Inwieweit darf ich MEIN Vermögen zum Maßstab machen? (Wir reden hier nicht vom Alltag, wenn es drum geht, ob man Wurst oder Fisch kaufen möchte und sich entscheiden muss).

Wer eigenes Vermögen NICHT zum Maßstab in geistigen Dingen macht, sondern weiß, dass er nur "con-scientia" (Bewusstsein/Teilhabe) haben kann, geht weniger ego-zentriert mit wichtigen geistigen Fragen um - dann besteht er bspw, nicht darauf, dass er nach eigenem Verständnis "schuldig" sein müsse, um bestraft werden zu können.

sven23 hat geschrieben:Wenn sie in der historischen Jesusforschung arbeiten, werden sie nicht das Gegenteil sagen, denn hier ist die Naherwartung breiter Konsens. Du verwechselst das immer mit der glaubensdogmatischen Abteilung, das wird natürlich geleugnet, was das Zeug hält.
Die Theologie ist nicht so aufgeteilt, wie Du es gerne siehst. - Die Naherwartungs-Version der HKM ist innerhalb der Theologie verstanden als notwendiges Ergebnis deren methodischer PRämissen ("methodisches Ergebnis"), das man aus eigenen, anderen Prämissen und entsprechender Begründung nicht annimmt.

Das hat nichts mit "hier objektiv" und dort "glaubens-dogmatisch" zu tun, sondern dass in beiden Fällen wissenschaftlich "objektiv" wegen unterschiedlicher Prämissen andere Ergebnisse rauskommen. -Wenn man Prämissen als "glaubens-dogmatisch" bezeichnen will, sind beide glaubens-dogmatisch - also was soll das?

sven23 hat geschrieben:Nee, dann verstehst du die Forschung nicht. Innerhalb der HKM haben glaubensdogmatische Bekenntnisse nichts verloren.
Siehe oben - Du irrst Dich, weil Du Kraut und Rüben durcheinander schmeißt.

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