Das bedeutet, dass Jesus nicht losgelöst von der jüdischen Glaubenswelt gesehen werden darf. Nach jüdischem Glauben soll Gott dereinst ein Gottesreich auf Erden errichten (Königsherrschaft). Jesus und andere Endzeitpropheten sahen dieses Ereignis als unmittelbar bevorstehend an.Novalis hat geschrieben:sven23 hat geschrieben:Aber zum Verständnis der jesuanischen Glaubenswelt gehört Jesus unzweifelhaft in den Kontext der jüdischen Glaubenswelt. Danach erwarten die Juden (irgendwann) die Königsherrschaft auf Erden
und was bedeutet das?
"In seinem Glauben an das nahe Reich Gottes erweist sich Jesus eben nicht als
göttliches Wesen, sondern viel mehr als Kind seiner Zeit. Die Vorstellung von einer
endzeitlichen Königsherrschaft Jahwes war im Judentum präsent und gehörte zum
allgemeinen Glaubensgut in vielen jüdischen Schriften um die Zeitenwende, aber auch
schon im Buch Daniel, welches Eingang in den alttestamentlichen Kanon gefunden hat.
Die Bitte um das Reich Gottes findet sich nicht nur im jüdischen 18-Bitten-Gebet,
sondern auch („Dein Reich komme“) im Vater-Unser-Gebet Jesu. Zudem hat ja bereits
Johannes der Täufer eine endzeitliche Wende und das Kommen Gottes (nicht das
Kommen Jesu!) erwartet. Vielleicht hat Jesus vom Täufer, seinem vermutlichen Lehrer,
die entscheidenden Inhalte seiner Verkündigung erhalten. Es wäre dann festzustellen,
dass er die schroffe Gerichtspredigt des Täufers mit Zorngericht und Feuertaufe
abgemildert und stärker den Segen der künftigen Gottesherrschaft betont hat, besonders
in seinen Gleichnissen. Doch hat sich offenbar ja auch bereits der Täufer mit seiner
Ankündigung des nahen Kommens Gottes geirrt. Für ihn wie für Jesus stand das
Weltende unmittelbar bevor. Doch wie Jesus wurde er hingerichtet, ohne dass die
Ankündigungen eingetroffen wären. Und der Neutestamentler Theißen erwägt, ob so
bereits Jesus eine erste enttäuschte Naherwartung zu verarbeiten gehabt hat: „Die
Nächst-Erwartung des Täufers war nicht in Erfüllung gegangen, der Prophet war
inhaftiert und getötet worden.“ (Theißen/Merz, Der historische Jesus, S. 195)"
Kubitza, Der Jesuswahn