Alles Teufelszeug? V

closs
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#1461 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 14. Apr 2017, 09:31

Münek hat geschrieben:Nein - was Jesus WIRKLICH gemeint hat, ist nur den synoptischen Evangelien in historisch-kritischer Analyse und Interpretation seiner als autentisch festgestellten eschatologischen Aussagen zu entnehmen.
Das ist aus historisch-kritischer Sicht methodik-logisch so, muss aber nicht so sein. - Auch heute noch kann eine geistige Schrift (= neue Quelle) auf der richtigen Spur sein bei der Frage, was der historische Jesus wirklich gemeint hat.

Das ist das eine - das andere ist: Die zum Teil katastrophalen Interpretationen dessen, was in den synoptischen Evangelien steht, zeigt, dass die Frage nach der Interpretation noch viel wichtiger ist. Insofern kommt man aus christlicher Sicht auch mit den synoptischen Evangelien hin - gegen interpretative Kubitza-Orgien (stellvertretend gemeint). - Mit anderen Worten: Deine Hypothese ist mindestens wacklig.

Münek hat geschrieben:Nun sei doch mal ehrlich. Eine Institution, die den Anspruch erhebt, im Besitz absoluter Wahrheiten zu sein, hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Da sitzt Du doch im Glashaus. - Das ist das eine - das andere: Die RKK benennt ihre Grundlagen ("Glaubensentscheidung"), auf deren Basis ein Wahrheitsanspruch formuliert ist - will heißen: "Wenn unsere Grundlage richtig ist, dann ..."

Vergleiche das mal mit Deinem Satz "Was Jesus WIRKLICH gemeint hat, ist nur den synoptischen Evangelien in historisch-kritischer Analyse und Interpretation seiner als autentisch festgestellten eschatologischen Aussagen zu entnehmen" - verbunden mit der Preisfrage: "Wer hat mehr Tassen im SChrank?"

Münek hat geschrieben:Nö - der ruhige schlichte Glaube der Oma auf der zweiten Kirchenbank reicht aus
DA sind wir uns überraschenderweise vollkommen einig. - Wenn dieser Oma-Satz nicht Ausdruck eines Ab-Glaubens ist, sondern geistig tief empfunden ist, ist er weiter als irgendwelche intellektuellen Konstrukte.

Münek hat geschrieben:"Göttlichkeit", d.h. die Existenz übermächtiger Geistwesen verstößt nicht gegen die Regeln des Kritischen Rationalismus.
Wenn "Gott" nicht intersubjektiv methodisch nachweisbar ist (und das ist nun mal so), verstößt Göttlichkeit sehr wohl gegen die Regeln des KR.

Münek hat geschrieben:Nur - es sollte schon ein bisschen mehr geliefert werden als nur den bloßen Köhlerglauben an den Gott der Bibel und seinem angeblichen Heilsplan. Die Vernunft sollte man eigentlich nicht in die Reha schicken...
Anspruchsvolle Theologie/Spiritualität ist weit vernünftiger und aufgeklärter als spät-aufklärerische Philosophie, weil theologische/spirituelle Vernunft nicht bei den Grenzen menschlicher Wahrnehmungsmöglichkeit halt macht, sondern darüber hinaus verweist. - Aber dies zu erkennen, sind wir mehrheitlich heute nicht mehr bzw. noch nicht wieder in der Lage.

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sven23
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#1462 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 14. Apr 2017, 10:33

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Danach könnte man keine mythologischen Texte untersuchen, ohne den Realitätsgehalt vorsauszusetzen.
Wie mehrfach erläutert, ist Deine Aussage falsch. - Natürlich kann man mythologische Texte so untersuchen, als seien sie NICHT historisch (das meinst Du wahrscheinlich mit "real") - man wird nach hermeneutischen Erwägungen in diesem Fall sogar mit größter Wahrscheinlichkeit so vorgehen.
Eben, und das meiste an den sog. Heiligen Schriften hat die Forschung als unhistorisch entlarvt.
q.e.d.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Duschen, ohne die Dreckschichten (Rezeptionsschichten) zu entfernen, macht keinen Sinn. Genau das tut die Forchung.
Analytisch macht das Sinn - aber um zu bewerten/interpretieren, was jede einzelne Schicht zu bedeuten hat, bedarf man bei der Bibel geistiger Kompetenz - das geht nicht mit säkularen Denkmustern.
Falsch. Um eine Rezeptionsschicht entfernen zu können, muss man sie erst mal als solche identifiziert haben. Genau so geht die Forschung vor.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung ist die HKM alternativlos.
In Sachen Analyse würde ich Dir zustimmen. - Aber wer hat die Kompetenz, dieses Rohmaterial geistig zu verarbeiten? - Eine Disziplin, die aus methodischen Gründen Jesus nur so untersuchen kann, als sei er nur menschlich?
Wenn man nicht ständig "verarbeiten" mit "dran glauben" verwechselt, haben die Theologen der historischen Jesusforschung selbstverständlich die Kompetenz dazu. Es bedarf aber wissenschaftlicher Diszplin und einem Mindestmass an intellektueller Redlichkeit.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nö, auch hier gilt wie anderswo, dass der älteren Quelle der Vorzug zu geben ist.
Nein - diesen Automatismus gibt es eben bei der Bibel NICHT, weil hier das heilsgeschichtliche Moment eine Rolle spielt ("Wann hat wer was kapiert?") UND das Original nicht der Text, sondern Jesus ist.
Das wäre die Erklärung eines Laien. Die Forschung geht anders vor und sie kann es gut begründen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung geht das nur historisch-kritisch.
Nein - was Jesus WIRKLICH gemeint hat, ist über den kritischen Rationalismus nur sehr bedingt ermittelbar.
Vorausetzung ist, dass die Texte eine Mindestmass an historischer Wirklichkeit wiedergeben. Sollten die Schreiber so geschickt gewesen sein, dass sie die gesamte Forschung hinter die Fichte geführt haben, dann wäre eh alles nur literarische Fiktion. Davon geht die Forschung aber nicht aus.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:" Unabdingliche Voraussetzung aber ist die historische Methode in der Befragung der Texte. Exegese ist ja als Interpretation historischer Texte ein Stück Geschichtswissenschaft.“R. Bultmann (Ist voraussetzungslose Exegese möglich?, 1957, S. 410)
Lies genau:

1) "Voraussetzung" - richtig - das ist die HKM
2) "Exegese als Interpretation historischer Texte" - richtig - im Sinne von: "Was schreibt hier ein Verfasser aus Sicht der HKM?". - Absolut legitim. ---- Aber merkst Du was: Vom "Original Jesus" ist hier noch lange nicht die Rede.
Ja und? Der Wanderprediger ist Bestandteil der Texte und nach Befragung derselben kommt Bultmann zu dem Schluss:

„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S. 22)

Theißen setzt noch einen drauf:
„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Diese Botschaft stand in den synoptischen Evangelien im Zentrum seiner Verkündigung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das machte allerdings nur Sinn, solange man einen gemeinsamen Schöpfungsbeginn von Natur (Mensch und Tier) angenommen hat.
O jemine - das ist doch nicht physikalistisch gemeint. - Nach dieser These müssten ja alle Viecher miteinander geknutscht haben, bevor der Mensch kam. - Müssen wir wirklich von ganz vorne anfangen?
Von mir aus, denn es ist nicht meine Erklärung für das Leid in der Tierwelt. Es ist eine religiös verbrämte Erklärung, die du aber immer noch nicht verstanden zu haben scheinst.
Und ja, die Sexualität wurde lange vor dem Erscheinen des Menschen erfunden. Religiöse Erklärungsmuster greifen hier immer wieder ins Leere.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es geht um Ratzingers Glaubensentscheid, ohne wissenschaftlich-historischen Anspruch.
Ratzingers "Glaubensentscheid" bezieht sich nicht auf die analysierenden Techniken der HKM, sondern auf die Hermeneutik, die daraus qualitative/substantielle Auslegung macht. - Ratzinger bezieht sich auf etwas NACH der HKM.
Eben, und weil er "nach der HKM" alles leugnet, was diese ans Licht gebracht hat, ist er von den theologischen Kollegen kräftig abgewatscht worden.

https://www.bibelwerk.de/sixcms/media.p ... stbuch.pdf

Dr. Theobalds Schlussfazit:
Sollte das Buch als Buch des Papstes und nicht als das des Theologen Joseph Ratzinger von bestimmten Kreisen gegen eine angeblich destruktive Exegese instrumentalisiert werden, wäre es besser nicht geschrieben worden. Linientreue Wissenschaft ist keine Wissenschaft mehr.

Kubitza kommt zu einem ähnlichen Schluss:
"Der Wunderglaube ist heute aber selbst unter Theologen anrüchig, und niemand würde heute
ernstlich damit argumentieren. Eine populäre Ausnahme ist Benedikt XVI., der sogar die Details der
Weihnachtsgeschichte (übrigens sowohl bei Lukas wie bei Matthäus) für historisch hält, incl.
Jungfrauengeburt, diversen Engelsverkündigungen, Stern über Bethlehem, Weisen aus dem
Morgenland, Gold, Weihrauch und Myrrhe und den Kindermord des Herodes. 176 Es ist dabei
überhaupt keine Frage, dass Ratzinger ähnliche Geschichten z. B. im Koran sofort als Legenden und
Mythen identifizieren würde. Ratzinger ist in erster Linie Dogmatiker. Und man kann eben nicht erst
in zweiter Linie Wissenschaftler sein."

Kubitza, Der Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#1463 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 14. Apr 2017, 11:14

sven23 hat geschrieben:Eben, und das meiste an den sog. Heiligen Schriften hat die Forschung als unhistorisch entlarvt.q.e.d.
Deine "q.e.ds" sind meistens Selbstberuhigungs-Pillen, die in der Sache nicht weiterbringen. Konkret: Wie willst Du Aussagen als "unhistorisch" nachweisen, die in ihrem geistigen Gehalt interpretiert werden müssen - udn selbstverständlich anders zu interpretieren sind, FALLS Jesus göttlich ist ---???---

sven23 hat geschrieben:Um eine Rezeptionsschicht entfernen zu können, muss man sie erst mal als solche identifiziert haben. Genau so geht die Forschung vor.
Naja - das ist eine Binse. Das ist reine wissenschaftliche Fleißarbeit. - Natürlich ist es interessant, welche Aussage in welcher Rezeptionsschicht gefallen ist. - Aber was sagt das INHALTLICH?

sven23 hat geschrieben:Wenn man nicht ständig "verarbeiten" mit "dran glauben" verwechselt, haben die Theologen der historischen Jesusforschung selbstverständlich die Kompetenz dazu.
Das gilt dann NICHT, wenn es sich um geistige Aussagen handelt, die kritisch-rational gar nicht greifbar sind. - Konkret:

* "Bethlehem war im Jahr 30 n.Chr. der Sitz des Pilatus" ist eine historische Aussage, die historisch-kritisch greifbar und somit widerlegbar ist.
* "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine geistige Aussage aufgrund historischer Grundlagen, die historisch-kritisch nicht verbindlich interpretiert werden kann, weil sie geistig auch ganz anders interpretierbar ist.

sven23 hat geschrieben: Es bedarf aber wissenschaftlicher Diszplin und einem Mindestmass an intellektueller Redlichkeit.
Ist Dir eigentlich klar, wie arg Du mit diesem Satz im Glashaus sitzt.

sven23 hat geschrieben:Das wäre die Erklärung eines Laien. Die Forschung geht anders vor und sie kann es gut begründen.
Somit wäre die Theologie eine Laienspielgruppe. - Dass die historisch-kritische Forschung es anders begründen kann, ist wiederum korrekt - es entspricht ihrer Methodik. - Aber damit ist nicht geklärt, ob es der Wirklichkeit entspricht.

sven23 hat geschrieben:Vorausetzung ist, dass die Texte eine Mindestmass an historischer Wirklichkeit wiedergeben.
Das tun sie auch - aber auch dann ist die HKM in DEINEM Verständnis nicht in der Lage, historisch geschehene Aussagen geistig zu interpretieren.

sven23 hat geschrieben:Diese Botschaft stand in den synoptischen Evangelien im Zentrum seiner Verkündigung.
Hast Du schon mal dran gedacht, dass sich Bultmann und/oder Theißen in ihrer Interpretation täuschen könnten? - Dass sie möglicherweise die synoptischen Texte als "Original" verstehen und nicht das "Original-Original" Jesus - und eigentlich nur meinen: "Nach den synoptischen Texten meinen deren Verfasser, dass Jesus eine Naherwartung im physikalisch-apokalyptischen Sinne hatte" ---???---

sven23 hat geschrieben:Es ist eine religiös verbrämte Erklärung, die du aber immer noch nicht verstanden zu haben scheinst.
Und ja, die Sexualität wurde lange vor dem Erscheinen des Menschen erfunden. Religiöse Erklärungsmuster greifen hier immer wieder ins Leere.
Das drückt doch nur Deine extreme geistige Hilflosigkeit aus. - ICH habe diese Erklärung verstanden - und ja: natürlich gab es schon Sex bei Dinosauriern. - Und gerade weil dieser Ansatz so unendlich falsch ist, greifen hier religiöse Erklärungsmuster.

Solange Du Geistiges im Rahmen der biologischen Evolution begründest - also als Produkt davon - bist Du so himmelweit weg von der Möglichkeit, die Bibel zu verstehen, dass es geradezu kabarettistisch ist - und das gilt für wissenschaftliche "Kollegen" mit dem selben Ansatz genauso. - Da nützt alles Verstecken hinter Methodiktreue nichts, aber auch gar nichts.

sven23 hat geschrieben:Eben, und weil er "nach der HKM" alles leugnet, was diese ans Licht gebracht hat, ist er von den theologischen Kollegen kräftig abgewatscht worden.
Wie kann man Ratzinger, nach dessen Meinung die HKM unverzichtbar ist, vorwerfen, er würde "alles" von der HKM ans Licht Gebrachte leugnen?

Es geht hier um einen Kulturkampf und nebenbei auch um Macht der Deutungshoheit - also sowohl um geistige als auch sehr weltliche Belange. - Die Grundfrage lautet hier aus meiner Sicht:
Kann man die Bibel substantiell über eine kritisch-rationale Methodik verstehen, die nur das beachten kann, was intersubjektiv nachweisbar ist? - Ratzinger sagt NEIN (sage ich auch) - andere sagen JA. - Und Ratzinger wird sich vom Grundsatz her durchsetzen, weil - zu Ende gedacht - "Gott" auf Dauer keine anthropozentrische Verfügungsmasse ist.

Was uns wieder zu "Hiob" führen würde (wenn man das Buch richtig versteht). - Unser heutiger intellektueller Mainstream (und dazu gehören vor allem diejenigen, die Methodik nicht als Hilfsmittel, sondern als "Chef" verstehen) ist geistig unaufgeklärt - das ist das Urteil derer, die geistig aufgeklärt sind. - Und wie gesagt: Das haben einige schon vor 2500 Jahren gewusst.

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#1464 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 14. Apr 2017, 11:19

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Zudem kann er sehr wohl Aussagen darüber machen, wie ein Maler das Bild ursprünglich angelegt hat.
Natürlich - übertragen auf die Bibel: Wenn ich etwas über Textverfasser und die Umstände der Texterstellung wissen wollte, würde ich den HKM-ler fragen. - Dafür ist er da. - Aber nicht, wenn es darum geht, was geistig in einem Text drinsteckt.
Und da sind wir wieder genau beim Thema. Was "geistig drinsteckt", bilden sich Hermeneutiker ein, besser zu verstehen, als die ursprünglichen Textverfasser.
Hier im Beispiel waren die Hermeutiker die "Kunstexperten", die Generationen lang über die mystische, dunkle Malweise Rembrandts philosophierten, dozierten und promovierten.
Nachdem nun das Original freigelegt worden war, war das alles Makulatur. Und du sagst ja mit Recht, dass man die Kunstexperten für bescheuert halten würde, wenn sie weiterhin auf ihrer Sichtweise bestehen würden.
Aber genau diese Situation haben wir in der historischen Jesusforschung. Nachdem der historische Jesus nun weitgehend von allen "Firnisschichten" befreit worden ist, weigern sich die Kanoniker, Dogmatiker und biblischen Hermeneutiker, den historischen Jesus zu akzeptieren. Sie bestehen weiterhin auf dem "rezptionsverseuchten", myhologisierten und verklärten Jesus, den spätere Generationen posthum aus ihm gemacht haben.
Und du hast ja selbst das passende Adjektiv für solche Leute benannt.
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#1465 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 14. Apr 2017, 11:28

sven23 hat geschrieben: Was "geistig drinsteckt", bilden sich Hermeneutiker ein, besser zu verstehen, als die ursprünglichen Textverfasser.
Zunächst mal schauen sie, was der Textverfasser gemeint hat. - Meistens ist das sehr bereichernd, wenn man "richtig" (also geistig) reingeht - erst dann kann es Fälle geben, in denen man sagt: "Da hat ein Verfasser Jesus falsch verstanden".

Dein Ansatz ist diesbezüglich viel übergriffiger: Denn da geht es darum, wie man sich Jesus vorzustellen hat, wenn man eigene Dogmatik (materialistische Weltschau) und kritischen Rationalismus eine Verbindung eingehen lässt.

sven23 hat geschrieben:Nachdem der historische Jesus nun weitgehend von allen "Firnisschichten" befreit worden ist, weigern sich die Kanoniker, Dogmatiker und biblischen Hermeneutiker, den historischen Jesus zu akzeptieren.
Der Ansatz ist doch falsch - eine spätere Firnisschicht kann authentischer zu Jesus sein als eine ältere. - Und genau das kann die HKM NICHT, weil es methodisch nicht vorgesehen ist.

Insofern treibst Du wieder einen Keil zwischen den "historischen" und den "wirklichen" Jesus. - Richtig wäre, würde man unterscheiden zwischen:
1) Wer ist Jesus historisch/wirklich unter HKM-Gesichtspunkten?
2) Wer ist Jesus historisch/wirklich unter theologisch-hermeneutischen Gesichtspunkten?

1) und 2) können methodisch bedingt differieren - und wer dann WIRKLICH recht hat, kann weder 1) noch 2) entscheiden.

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#1466 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 14. Apr 2017, 12:08

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Um eine Rezeptionsschicht entfernen zu können, muss man sie erst mal als solche identifiziert haben. Genau so geht die Forschung vor.
Naja - das ist eine Binse. Das ist reine wissenschaftliche Fleißarbeit. - Natürlich ist es interessant, welche Aussage in welcher Rezeptionsschicht gefallen ist. - Aber was sagt das INHALTLICH?
Egal, ob es eine Binse ist, man muss sie erst mal begriffen haben. Denn selbstverständlich hat es Konsequenzen, wenn mit zeitlicher Entfernung die Geschichten immer phantastischer und legendenhafter werden. Der Vergottungsprozess hatte Fahrt aufgenommen.

"Während also der Evangelist Markus Jesus noch als einen charismatisch begabten Menschen gesehen hat, lässt der
Evangelist Johannes seinen Jesus fast schon wie einen Gott über die Erde wandeln. Und während der
Jesus des Markus noch das Reich Gottes verkündigt hat, spielt dieser Gedanke bei Johannes keinerlei
Rolle mehr. Bei ihm verkündigt Jesus sich selbst. Der ungläubige Thomas kann Jesus, gar nicht so
ungläubig, anreden mit „Mein Herr und mein Gott“, während der Jesus des Markusevangeliums den
Dämonen und anderen noch verboten hatte, ihn anzureden. Bei Markus ließ sich Jesus noch die
Anrede als Rabbi oder Meister gefallen, was für Johannes fast schon eine Blasphemie darstellt. Die
Bescheidenheit, die Jesus bei Markus noch an den Tag legt („Was nennst Du mich gut? Niemand ist
gut als Gott allein“, Mk 10,18) verwandelt sich bei Johannes in Prahlerei („Wer unter euch kann mich
einer Sünde zeihen?“, Joh 8,46). Es besteht kein Zweifel: Der christologische Zug stand unter Dampf
und hatte schon kräftig an Fahrt aufgenommen. Er war auf dem Weg in die äußersten Enden des
römischen Reiches. Aber den historischen Jesus hatte man an einem Bahnhof irgendwo in der
galiläischen Provinz zurückgelassen. Lange war dies niemand aufgefallen. Erst mit dem Anheben der
Aufklärung wurde seine Abwesenheit überhaupt bemerkt."

Kubitza, Der Dogmenwahn

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn man nicht ständig "verarbeiten" mit "dran glauben" verwechselt, haben die Theologen der historischen Jesusforschung selbstverständlich die Kompetenz dazu.
Das gilt dann NICHT, wenn es sich um geistige Aussagen handelt, die kritisch-rational gar nicht greifbar sind. - Konkret:

* "Bethlehem war im Jahr 30 n.Chr. der Sitz des Pilatus" ist eine historische Aussage, die historisch-kritisch greifbar und somit widerlegbar ist.
* "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine geistige Aussage aufgrund historischer Grundlagen, die historisch-kritisch nicht verbindlich interpretiert werden kann, weil sie geistig auch ganz anders interpretierbar ist.
Nur wenn man die spätere Rezeption vergötzt. Deshalb können Bultman und Theißen ja auch guten Gewissens sagen:

„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S. 22)


„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Es bedarf aber wissenschaftlicher Diszplin und einem Mindestmass an intellektueller Redlichkeit.
Ist Dir eigentlich klar, wie arg Du mit diesem Satz im Glashaus sitzt.
Nein, hier würde ich Metzinger absolut zustimmen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das wäre die Erklärung eines Laien. Die Forschung geht anders vor und sie kann es gut begründen.
Somit wäre die Theologie eine Laienspielgruppe. - Dass die historisch-kritische Forschung es anders begründen kann, ist wiederum korrekt - es entspricht ihrer Methodik. - Aber damit ist nicht geklärt, ob es der Wirklichkeit entspricht.
Die Forschung ist mit Sicherheit näher an der historischen Wahrheit als Kanoniker oder Glaubensdogmatiker, die die kontaminierte Rezeption vergötzen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Vorausetzung ist, dass die Texte eine Mindestmass an historischer Wirklichkeit wiedergeben.
Das tun sie auch - aber auch dann ist die HKM in DEINEM Verständnis nicht in der Lage, historisch geschehene Aussagen geistig zu interpretieren.
Sie kann aber den "geistigen Gehalt" als spätere Kontamination entlarven.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Diese Botschaft stand in den synoptischen Evangelien im Zentrum seiner Verkündigung.
Hast Du schon mal dran gedacht, dass sich Bultmann und/oder Theißen in ihrer Interpretation täuschen könnten? - Dass sie möglicherweise die synoptischen Texte als "Original" verstehen und nicht das "Original-Original" Jesus - und eigentlich nur meinen: "Nach den synoptischen Texten meinen deren Verfasser, dass Jesus eine Naherwartung im physikalisch-apokalyptischen Sinne hatte" ---???---
Nein, so plump mag das ein Laie sehen, der nach der orwellschen Doktrin verfährt: Unwissenheit ist Stärke.
Selbst ein gottläubiger Theologe Lindemann hat eingesehen, dass man die Naherwartung nicht weginterpretieren kann. An diesem Punkt zumindest muss man ihm intellektuelle Redlichkeit attestieren. :thumbup:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist eine religiös verbrämte Erklärung, die du aber immer noch nicht verstanden zu haben scheinst.
Und ja, die Sexualität wurde lange vor dem Erscheinen des Menschen erfunden. Religiöse Erklärungsmuster greifen hier immer wieder ins Leere.
Das drückt doch nur Deine extreme geistige Hilflosigkeit aus. - ICH habe diese Erklärung verstanden - und ja: natürlich gab es schon Sex bei Dinosauriern. - Und gerade weil dieser Ansatz so unendlich falsch ist, greifen hier religiöse Erklärungsmuster.
Solange Du Geistiges im Rahmen der biologischen Evolution begründest - also als Produkt davon - bist Du so himmelweit weg von der Möglichkeit, die Bibel zu verstehen, dass es geradezu kabarettistisch ist - und das gilt für wissenschaftliche "Kollegen" mit dem selben Ansatz genauso. - Da nützt alles Verstecken hinter Methodiktreue nichts, aber auch gar nichts.
Das wird doch nicht von Wissenschaftlern vertreten, sondern von Bibelvergötzern. :roll:
Wie wäre denn dein Erklärungsmodell für das Leid der Tiere?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, und weil er "nach der HKM" alles leugnet, was diese ans Licht gebracht hat, ist er von den theologischen Kollegen kräftig abgewatscht worden.
Wie kann man Ratzinger, nach dessen Meinung die HKM unverzichtbar ist, vorwerfen, er würde "alles" von der HKM ans Licht Gebrachte leugnen?
Zumindest alles, was sein Glaubenskonstrukt gefährden könnte. Man kann nicht vordergründig die HKM loben und alles, was einem nicht paßt, wegleugnen. Das ist intellektuell unredlich. Vielleicht ist er auch zu sehr Glaubensdogmatiker und hat den Wissenschaftler längst in Pension geschickt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1467 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 14. Apr 2017, 12:19

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Was "geistig drinsteckt", bilden sich Hermeneutiker ein, besser zu verstehen, als die ursprünglichen Textverfasser.
Zunächst mal schauen sie, was der Textverfasser gemeint hat.
So macht es die Forschung.
Kanoniker dagegen haben kein Interesse an der ursprünglichen Bedeutung eines Textes.

Die Kanonische Exegese fragt nicht nach dem ursprünglichen Sinn der Bibeltexte, sondern nach deren Rezeption (Empfang) in der Glaubensgemeinschaft....

Da ein späterer Zusammenhang im Vordergrund steht, will die kanonische Exegese im Allgemeinen keine historische Forschung etwa zu Jesus von Nazaret betreiben.

Quelle: Wikipedia


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nachdem der historische Jesus nun weitgehend von allen "Firnisschichten" befreit worden ist, weigern sich die Kanoniker, Dogmatiker und biblischen Hermeneutiker, den historischen Jesus zu akzeptieren.
Der Ansatz ist doch falsch - eine spätere Firnisschicht kann authentischer zu Jesus sein als eine ältere.
Nein, jede zusätzliche Firnisschicht verkleistert und verdunkelt den Blick aufs Original. Im Falle Rembrandts geschah das unbeabsichtigt, im Falle Jesus war es pure Absicht der Schreiber und der späteren Kirche.
Das hat die Forschung ganz klar aufgezeigt.
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#1468 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 14. Apr 2017, 12:32

sven23 hat geschrieben:Denn selbstverständlich hat es Konsequenzen, wenn mit zeitlicher Entfernung die Geschichten immer phantastischer und legendenhafter werden.
Umgekehrt hat es ebenfalls Konsequenzen, wenn mit zeitlicher Entfernung immer mehr verstanden hat. - Wie willst Du das methodisch unterscheiden?

sven23 hat geschrieben:Nur wenn man die spätere Rezeption vergötzt.
Nur dann - richtig. - Aber man kann spätere Rezeption auch prüfen und nicht nur vergötzen.

sven23 hat geschrieben:Nein, hier würde ich Metzinger absolut zustimmen.
Pro Domo. - Logisch - oder hast Du schon mal jemanden getroffen, der sagt: "Ich sitze in einem Glashaus und andere nicht?" :D

sven23 hat geschrieben:Die Forschung ist mit Sicherheit näher an der historischen Wahrheit als Kanoniker oder Glaubensdogmatiker, die die kontaminierte Rezeption vergötzen.
So, wie Du formulierst, hast Du recht. - Anders kann es aussehen, wenn Theologen die späteres Rezeption nicht vergötzen, sondern prüfen.

sven23 hat geschrieben:Sie kann aber den "geistigen Gehalt" als spätere Kontamination entlarven.
Genau das kann sie NICHT - denn dazu müsste sie geistige Kompetenz haben, die sie sich - wohlgemerkt! - methodisch selber abspricht.

sven23 hat geschrieben:Nein, so plump mag das ein Laie sehen
Das ist immer (nicht nur) Deine Marotte, wenn es eng für Dich wird. - Also nochmals: Katholische Theologen sind keine Laien.

sven23 hat geschrieben:Selbst ein gottläubiger Theologe Lindemann hat eingesehen, dass man die Naherwartung nicht weginterpretieren kann.
Historisch-kritisch könnte er recht haben.

sven23 hat geschrieben:An diesem Punkt zumindest muss man ihm intellektuelle Redlichkeit attestieren.
WER vergibt hier eigentlich Noten? - Die Glashaus-Dogmatiker?

sven23 hat geschrieben:Wie wäre denn dein Erklärungsmodell für das Leid der Tiere?
In christlichem Sprech ist die gesamte Schöpfung vom ersten Molekül an im dialektischen Raum von Kraft und Gegenkraft - egal ob man dies physikalisch oder geistig interpretiert. Dieses Spannungsfeld ist charakterisiert durch Werden und Vergehen, Geburt und Tod - und: In diesem Feld ist Leid - egal ob man dies spirituell sieht ("Es-ist-Leid") oder ob man es biologisch begründet.

Wenn Du also verkünden würdest, dass es biologisch seit ca. 150 Mio Jahren Leid gibt, würde die Theologie freundlich nicken: "Aha - soweit geht das also auf Eurem Weg zurück". - Für die Theologie gilt es seit dem, was durch den sog. "Sündenfall" bildhaft ausgedrückt ist.

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#1469 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 14. Apr 2017, 15:00

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Denn selbstverständlich hat es Konsequenzen, wenn mit zeitlicher Entfernung die Geschichten immer phantastischer und legendenhafter werden.
Umgekehrt hat es ebenfalls Konsequenzen, wenn mit zeitlicher Entfernung immer mehr verstanden hat. - Wie willst Du das methodisch unterscheiden?
Woher soll diese "Erkenntnis" 100 Jahre später gekommen sein? Vom heiligen Geist? :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nur wenn man die spätere Rezeption vergötzt.
Nur dann - richtig. - Aber man kann spätere Rezeption auch prüfen und nicht nur vergötzen.
Das tut aber nur die Forschung, nicht die Kanonik.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung ist mit Sicherheit näher an der historischen Wahrheit als Kanoniker oder Glaubensdogmatiker, die die kontaminierte Rezeption vergötzen.
So, wie Du formulierst, hast Du recht. - Anders kann es aussehen, wenn Theologen die späteres Rezeption nicht vergötzen, sondern prüfen.
Kannst du ein Beispiel nennen, in dem dies der Fall ist?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie kann aber den "geistigen Gehalt" als spätere Kontamination entlarven.
Genau das kann sie NICHT - denn dazu müsste sie geistige Kompetenz haben, die sie sich - wohlgemerkt! - methodisch selber abspricht.
Das ist ja nur eine Behauptung von dir. Faktisch sieht es völlig anders aus.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, so plump mag das ein Laie sehen
Das ist immer (nicht nur) Deine Marotte, wenn es eng für Dich wird. - Also nochmals: Katholische Theologen sind keine Laien.
Eigentlich warst du damit gemeint. Man kann den Begriff aber auf diejenigen ausweiten, die gar keinen Anspruch erheben, historische Forschung betreiben zu wollen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Selbst ein gottläubiger Theologe Lindemann hat eingesehen, dass man die Naherwartung nicht weginterpretieren kann.
Historisch-kritisch könnte er recht haben.
Natürlich hat er Recht. Die Naherwartung hätte schwerlich später erfunden werden können.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:An diesem Punkt zumindest muss man ihm intellektuelle Redlichkeit attestieren.
WER vergibt hier eigentlich Noten? - Die Glashaus-Dogmatiker?
Nee, die Mehrheit der Theologen, die in der historischen Jesusforschung arbeiten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie wäre denn dein Erklärungsmodell für das Leid der Tiere?
In christlichem Sprech ist die gesamte Schöpfung vom ersten Molekül an im dialektischen Raum von Kraft und Gegenkraft - egal ob man dies physikalisch oder geistig interpretiert. Dieses Spannungsfeld ist charakterisiert durch Werden und Vergehen, Geburt und Tod - und: In diesem Feld ist Leid - egal ob man dies spirituell sieht ("Es-ist-Leid") oder ob man es biologisch begründet.
Nach deinem Modell setzt Heilsgeschichte doch Erkenntnisfähigkeit von Gut und Böse voraus. Diese haben Tiere aber noch nie gehabt. Warum also sollte ihr Leid an den Sündenfall des Menschen gekoppelt sein und zwar schon Millionen von Jahren, bevor der Mensch überhaupt erst existierte? Das ist doch die entscheidende Frage.

Also auch hier macht die ET der Religion einen Strich durch die Rechnung.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#1470 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 14. Apr 2017, 17:33

sven23 hat geschrieben:Woher soll diese "Erkenntnis" 100 Jahre später gekommen sein?
Ist es Dir noch nie passiert, dass Du erst im Alter etwas kapiert hast, was Du vorher NICHT kapiert hast?

sven23 hat geschrieben:Das tut aber nur die Forschung, nicht die Kanonik.
Das ist falsch. - Du verwechselst "prüfen" mit "prüfen nach Deiner Methodik".

sven23 hat geschrieben:Kannst du ein Beispiel nennen, in dem dies der Fall ist?
Bspw. "Trinität". - Die frühen Textverfasser haben ganz sicher nicht theologisch über den trinitarischen Charakter Gottes nachgedacht - später kamen Verfasser, die ihr biblisches Verständnis von Jesus theologisch in diesen Begriff gegossen haben.

Nun behaupte ich nicht, dass dieses Verständnis dem entsprechen MUSS, was Jesus historisch war (nämlich "göttlich") - aber es kann dem sehr wohl entsprechen, was Jesus historisch war, weil es im Überblick plausibel ist. - Allerdings kann bei anderer Hermeneutik (z.B. "Deiner") diese Aussage NICHT plausibel sein. - Am Ende hat derjenige recht, für den sich herausstellt, dass er auf der richtigen Spur war.

sven23 hat geschrieben:Das ist ja nur eine Behauptung von dir.
So stellt sich der Kritische Rationalismus dar.

sven23 hat geschrieben:Eigentlich warst du damit gemeint. Man kann den Begriff aber auf diejenigen ausweiten, die gar keinen Anspruch erheben, historische Forschung betreiben zu wollen.
Man kann alles von seiner einen Warte aus beurteilen. - So gesehen sind HKM-ler geistige Leerläufer. - Aber was sollen diese gegenseitigen Ad homines? - Die Gründe für die Unterschiede sind doch hermeneutisch, also geisteswissenschaftlich, fassbar.

sven23 hat geschrieben:Natürlich hat er Recht. Die Naherwartung hätte schwerlich später erfunden werden können.
Natürlich nicht - sie war doch unter den Menschen damals präsent. - Die Frage bezieht sich doch auf Jesus.

sven23 hat geschrieben:die Mehrheit der Theologen, die in der historischen Jesusforschung arbeiten.
Hermeneutisch nachvollziehbar - unter geistig-spirituellen Gesichtspunkten sieht es anders aus. - Wobei man dort i.d.R. von Noten Abstand nimmt, weil man das Dilemma versteht - man wird erst unruhig, wenn zu Benotende sich selber zu Schulräten machen wollen - dann fällt schon mal das Wort "Antichrist".

sven23 hat geschrieben:Nach deinem Modell setzt Heilsgeschichte doch Erkenntnisfähigkeit von Gut und Böse voraus. Diese haben Tiere aber noch nie gehabt. Warum also sollte ihr Leid an den Sündenfall des Menschen gekoppelt sein und zwar schon Millionen von Jahren, bevor der Mensch überhaupt erst existierte? Das ist doch die entscheidende Frage.
Das POTENTIAL der Erkenntnisfähigkeit von Gut und Böse wird beim Menschen vorausgesetzt - wichtiger Unterschied!!!

Das ist das eine - das andere ist: "Leid" (und übrigens auch "Schuld") steht nicht für eine großspurige "Selbstverantwortung", sondern ist ein Attribut des dialektischen Raums an sich - mit anderen Worten: Sobald sich die rein geistige Existenz dialektisch materialisiert (= Zeit, Entwicklung, GEburt, Tod, etc), gibt es Leid. - Der sog. "Sündenfall" steht für den Übergang vom rein Geistigen ins Dialektische - "Wiederauferstehung" ist die Rückkehr ins rein Geistige ("Baum des Lebens"). - Bibel darf man nicht wörtlich lesen, sondern mit Hinblick auf das, wofür sie steht.

sven23 hat geschrieben:Also auch hier macht die ET der Religion einen Strich durch die Rechnung.
Weder hier noch woanders - das liegt nur daran, dass Du die Bibel genauso liest wie Kurzzeit-Kreationisten - also bedingt aufgeklärt. :angel:

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