Alles Teufelszeug? V

Rembremerding
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#1341 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Rembremerding » Do 6. Apr 2017, 14:51

closs hat geschrieben:

Und so haben wir den Fall, dass wir eine weltanschauliche Setzung haben, deren Inhalt ist, dass man keine Weltanschauung hat - ein Karussell in einer selbsterzeugten Zirkelreferenz.
Hinzu kommt - und ich spreche ausschließlich von unwissenschaftlicher HKM - dass man die von der Kirche gelehrte und durchaus akzeptierte theologische und kulturelle Rezeptions- und Redaktionsgeschichte der Hl. Schrift ignoriert, sondern einmal radikal fundamental-wortwörtlich forscht, ein anderes mal dann wieder literaturkritisch oder spekulativ verwirft - damit eben Aussagen gelingen, die der eigenen Weltanschauung entsprechen. Was man der "anderen Seite" vorwirft, nämlich weltanschaulich zu interpretieren, tut man selbst, ohne es zu bemerken. Der Unterschied ist, dass die Kirche nie behauptet, ohne eine Glaubensentscheidung die Texte besser verstehen zu können.

Vielleicht erneut ein Beispiel aus den Auferstehungserzählungen:
Die Evangelien sind nicht als historisches Werk nach heutigem Maßstab aufzufassen.
Je nach kulturellen Hintergrund des Verfassers, dem mündlichen Traditionsprozeß und den Adressaten der Evangelien können anscheinende Widersprüche oder Auslassungen entstehen, bei denen kompositorische, apologetische und theologische Tendenzen Geltung erlangen.
Lukas etwa verkürzt die Ereignisse vor der Himmelfahrt des Herrn perspektivisch und lässt sie in Jerusalem geschehen, weil er mit seinem Evangelium zum Abschluss kommen wollte. Darum führt er die Ereignisse in der Apostelgeschichte genauer aus. Hier erkennt man eine kompositorische Tendenz.
Apologetische Tendenzen sind weitaus mehr zu erkennen. Das Gerücht der Juden, die Christen haben den Leichnam entfernt, musste widerlegt werden. Die historisch fassbare jüdische Theorie ein Gärtner hätte Jesu Leichnam entfernt, damit seine Salatpflanzen beim Grab nicht zertrampelt werden, hatte ihre christliche Gegengeschichte bei Maria Magdalena und dem Gärtner. Von hellenistischer Seite wurde den Christen vorgehalten, sie haben nur die Seele des Hingerichteten gesehen, er war also eine Art Gespenst. Auch dies musste nachträglich durch Augen -und Ohrenzeugenberichte der Apostel widerlegt werden, als der Herr sie bat ihn anzufassen und er Fisch zum Essen verlangte. All dies sind textliche Elemente, die durch und in der Kirche die Evangelien vervollständigte.
Als Beispiel der theologischen Tendenz der Verfassergeschichte ist der Weltmissionsauftrag anzusehen. Erst nach und nach ist der jungen Kirche (unter Einfluss des Hl. Geistes) dieses Anliegen des Herrn bewusst geworden. Der Hl. Geist lehrte sie und sie verstanden nachträglich Jesu Worte, aber oftmals unter Schwierigkeiten, zumal das trinitarische Wesen Gottes geistig noch nicht restlos durchdrungen war. Am Ende des 1. Jahrhunderts war dieser Prozess dann weitgehend abgeschlossen.

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Halman
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#1342 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Halman » Do 6. Apr 2017, 15:28

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Theologen, wie Gerd Theißen, legen ihre Grundlagen doch offen. Seine Wissensansprüche (Exegese) begründet er damit, dass er sie auf Grundlage der historisch-kritischen Methode erlangt hat. Die HKM ist hier also die Grundlage.
Nachdem ich Deinen ganzen Beitrag gelesen habe, bevor ich Dir hier antworte, kann ich Dir bereits hier zusammenfassend die Frage stellen: "Was ist HKM?". - Formal ist die Antwort kein Problem, aber inhaltlich.

Begründung: Wir schwimmen hier alle in Bezug auf den Unterschied zwischen Exegese und Hermeneutik. - Das drückt sich - ich greife voraus - dadurch aus, dass Du die Hermeneutik als "VOR der Exegese" verstehst (auch Thaddäus scheint es so zu sehen) - und ich die Hermeneutik NACH der Exegese sehe.
Vielleicht ist es falsch eine Reihenfolge festlegen zu wollen. Wenn ich Deinen Beitrag verstehen will, so durchdringt die Hermeneutik, so wie ich es zurzeit verstehe, den ganzen Rezeptionsprozess. Wie sollte denn die "Kunst des Verstehens" am Anfang abgakt werden? Sie ist meine Art zu Lesen, um zur Interpretation (Exegese) zu gelangen.
Falls dies richtig ist, betreibt der Exeget Exegese durch den Gebrauch der Hermeneutik.

closs hat geschrieben:Deshalb hier nochmals Zitate von A.Schweiger (aus: "Exegese - Hermeneutik"):

"Bevor ich in die Lage komme einen biblischen Text zu verstehen, und dieses Verständnis mein Leben zu bestimmen vermag, muss ich mich ... fragen: Was finde ich in dem Abschnitt überhaupt vor? Mit der Klärung dieser Frage beschäftigt sich die Exegese (griechisch: exegeomai – herausführen, auseinander setzen, beschreiben, darstellen).

A. Schritte in der Exegese
1. Zunächst frage ich: Was steht eigentlich da?
...
2. Die grammatische Analyse
...
3. Die Klärung der Begriffe
...
4. Die Einordnung in den Kontext
Wir haben den geistlichen und den zeitgeschichtlichen Kontext zu berücksichtigen. So wie jedes Wort nur durch seine Stellung in einem bestimmten Satz seine jeweilige Bedeutung erhält, so ist jeder Bibelvers in einem bestimmten Zusammenhang niedergeschrieben. Ich darf ihn nicht daraus lösen, wenn ich Fehlaussagen vermeiden will.
"
Auf welche Art der Exegese bezieht sich A. Schweiger? Die historisch-kritische? Der Beschreibung nach scheint mir dies so.

closs hat geschrieben:So kenne ich Exegese "von früher" auch: Eine eher technische Disziplin, die viel Detail-Arbeit erfordert: Sprache, Begriffsklärung, Kontext - wobei aus meiner Sicht "Kontext" sowohl als "innerhalb der Bibeltexte" als auch "in Bezug auf politische, historische, soziale Umfelder in der Zeit (und übrigens auch des Textverfassers)" zu verstehen ist.
Ja, nun leuchtet es mir ein. Lass uns mal versuchen die Erklärungen aus Wikipedia im "Lichte von A. Schweiger" einzuordnen. Dabei werde ich "Kernaussagen" für unsere Diskussion farblich hervorheben.
1. Exegese
Exegese (altgriechisch ἐξήγησις exÄ“gesis ‚Auslegung‘, ‚Erläuterung‘) ist die Auslegung bzw. Interpretation von Texten. Die zentralen Aussagen, Inhalte und Strukturmerkmale eines Textes sollen für den Leser verdeutlicht und zugänglich gemacht werden. Im Alltagssprachgebrauch wird der Ausdruck meist mit Bezug auf heilige Schriften der Buchreligionen verwendet. Der Ausdruck ist aber auch im Zusammenhang mit der Auslegung juristischer oder anderer Texte anzutreffen.
Strukturmerkmale, wie Wiederholungen ("Und Gott sprach ..." usw.), Parallelismus (Stilmittel hebräischer Poesie) usw. werden erkannt und der Text im zeitgeschichtlichen Kontext eingeordnet.

2. biblische Exegese
Die biblische Exegese ist die Auslegung von Texten des Alten und Neuen Testaments in der christlichen Theologie und für die Glaubenspraxis. Mit ihrer Hilfe sollen fachlich gebildete Leser sowie Laien die Aussagen und Inhalte, die historischen und textlichen Zusammenhänge der biblischen Texte erfassen.
...
Die biblische Exegese ist von der Biblischen Hermeneutik zu unterscheiden. Exegese ist die praktische Auslegung eines (biblischen) Textes, Hermeneutik beleuchtet und klärt die Voraussetzungen und die Ziele einer Auslegung.
Diese Erklärung stimmt mit der von A. Schweiger und Dir überein. Die Hermeneutik scheint mir "tiefer" in dem Sinne zu gehen, dass sie auch andere Rezeptionsebenen ausleuchtet und so den Text in einem "Dialog" mit dem Rezipienten treten lässt.
Der Exeget bleibt im Idealfall hingegen distanziert und analysiert Kriterien, wie Textgattung, Spannungen (Widersprüche) usw.

Verstehe ich dies so richtig, oder bin ich auf dem Holzweg?

Oftmals kann man Begriffe besser verstehen, wenn man die Antonyme betrachtet, jedenfalls geht es mir so. Die "Blick auf das Antonym" ist sozuagen eine einfache hermeneutische Methode von mir. ;)
Zur Eisegese erklärt Wikipedia:
„Eisegese“ ist eine Neubildung zum Begriff Exegese (Textauslegung). Das Wort setzt sich aus der griechischen Vorsilbe εἰς (eis, ‚hinein‘), dem Verb ἡγεῖσθαι (hegeisthai, ‚führen, leiten‘) und der Endung -σἰς für das Verbalsubstantiv (nomen actionis) zusammen. Man kann es als dessen Verballhornung begreifen, indem die Vorsilbe „ex-“ (heraus-) durch die Vorsilbe „eis-“ (hinein-) ersetzt ist.
Auch dies stimmt mit der von Dir zitierten Erklärung von A. Schweiger und Deinen Aussagen überein: Exegese nimmt aus dem Text Aussagen heraus, die innertextlich objektivierbar enthalten sind (werkimmanent), analysiert die Gramatik und verwendete Begriffe im Grundtext (althebriäsch, aramäisch, altgriechisch).

Ein Beispiel: Im Johannesevengelium ist von einem anonymen Lieblingsjünger die Rede. Dabei wird meistens die Wendung gebraucht: „der Jünger, den Jesus liebte“ (μαθητὴν, ὃν ἠγάπα ὁ Ἰησοῦς).
Traditionell gilt Johannes als dieser Jünger, doch innertextlich geht dies so streng genommen nicht aus dem Evangelium hervor.

Quelle:: Einleitung in das Neue Testament - Google Books

Objektivierbar ist, dass damit nicht Petrus gemeint sein kann, wie zweifelsfrei aus Joh 21:20 hervorgeht.
20 Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte, der sich auch bei dem Abendessen an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: Herr, wer ist es, der dich überliefert?
Ob nun Johannes der Lieblingsjünger ist oder nicht, ist umstritten. Unstrittig ist, dass Petrus nicht der besagte Jünger ist. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Deutunspielraum des Rezeptenten nicht nicht völlig beliebig ist.

Schauen wir in die bibelwissnschaftliche Erklärung zur Bibelauslegung, historisch-kritische (AT) hinein.
Exegese ist das analytische Bemühen, durch Anwendung philologischer und historischer Methoden die kanonischen Schriften des Alten und Neuen Testaments zu verstehen. Als Leitmethode wissenschaftlicher Bibelauslegung bemüht sich die historisch-kritische Exegese zu ermitteln, welchen Sinn ein biblischer Text zur Zeit seiner Abfassung hatte. Sie berücksichtigt dabei, dass sich dieser Sinn durch Erweiterungen und Veränderungen gewandelt haben kann.
Die HKM ist also
1. analytisch (achtet z.B. auf Spannungen, Brüche usw.)
2. philologisch (also sprachwissenschaftlich und anaylsiert Begriffe, Grammatik usw.) und
3. historisch (zeitgeschichtlicher Kontext, Textgeschichte/Redaktionskritik).
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Halman
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#1343 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Halman » Do 6. Apr 2017, 15:32

closs hat geschrieben:Was wäre dann Hermeneutik? Hier schreibt Schweiger:

"Die Lehre vom Verstehen (von griech. hermeneuo - auslegen, erklären, deuten, Aufschluss geben, verdolmetschen). Sie wird in der gesamten Geisteswissenschaft angewandt. Auf die Bibel bezogen geht es darum, einen Text aus sich heraus und in seinem Zusammenhang zu verstehen und seinem Sinn nach zu erschließen.
Um einen Text aus sicher heraus zu verstehen muss man doch EX-egese anwenden. Mir scheint die Hermeneutik grundlegender zu sein, sozusagen das Werkzeug des Exegeten und jedes qualifizierten Rezipienten.

closs hat geschrieben:Dann hast DU in Bezug auf "Reihenfolge von Exegese und Hermeneutik" recht, da dies exakt das bezeichnet, was Du mit "hermeneutischen Zugang zur Exegese" (oder so ähnlich) bezeichnet hast. - Wir haben BEIDE recht, wenn wir Exegese als etwas verstehen, was erst stattfinden kann, NACHDEM bereits ein hermeneutisches Grundverständnis da ist.
Ja, von irgendwelchen Prämissen muss der Exeget immer ausgehen, z.B. von der Prämisse, dass der Text selbst eine Geschichte hat und möglicherweise durch Redaktion verändert wurde.
Ein Beispiel dafür wäre ein Abschnitt des Testimoniums Flavianums in den „Jüdischen Altertümern“ von Flavius Josephus. Ein anderes Beispiel wäre eine berühmte Stelle in einem Werk von Bertolt Brecht, die nicht von ihm stammt: Stell Dir vor es ist Krieg ...

closs hat geschrieben:Genau das wird aber negiert, wenn - wie ständig passiert - die HKM-Exegese als glaubens-mäßig unbesetzt dargestellt wird - "wir sind Wissenschaft" (als wären das "die anderen" nicht genauso).
Es ist durchaus möglich, dass die Kritiker hier recht haben. Nicht alle hermeneutischen "Werkzeuge" sind wissenschaftlicher Art. Sie können auch religiöser Natur sein.

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Die Interpretation, dass Jesus eine Naherwartung hatte, ist doch eine Auslegung, die der Leser, sagen wir ein Exeget, dem Text entnimmt uns somit Exegese.
Da haben wir den Salat - wie Du oben siehst, wird Exegese übersetzt mit "griechisch: exegeomai – herausführen, auseinander setzen, beschreiben, darstellen" und Hermeneutik mit "griech. hermeneuo - auslegen, erklären, deuten, Aufschluss geben, verdolmetschen".

Was nun? - Oder anders gefragt: Wozu brauchen wir Hermeneutik, wenn "Jesus hatte eine Naherwartung" Exegese ist? Was wäre dann Hermeneutik MEHR als Exegese?
Ich würde eher sagen grundlegender. Die Bibelwissenschaft erklärt u. a.:
In bewusster Ausweitung zu 2. hat Gadamer (Gadamer, 1990) im Anschluss an Heidegger die Hermeneutik als Meta-Disziplin zur Deutung von Sein und Welt elaboriert, weshalb man dann auch von „Lebenswelt-Hermeneutik“ beziehungsweise „Existenz-Hermeneutik“ sprechen kann.
Die Hermeneutik verstehe ich als Metaebene, ähnlich wie die Erkenntnistheorie für die Physik (Popper). Sie ist die geisteswissenschaftliche Basis für die anaytische Exegese.

Schauen wir mal, was Wikipedia zur Hermeneutik erklärt.
Die Hermeneutik (altgriechisch ἑρμηνεύειν hermÄ“neúein ‚erklären‘, ‚auslegen‘, ‚übersetzen‘) ist eine Theorie der Interpretation von Texten und des Verstehens. Beim Verstehen verwendet der Mensch Symbole. Er ist in eine Welt von Zeichen und in eine Gemeinschaft eingebunden, die eine gemeinsame Sprache verwendet. Nicht nur in Texte, sondern in alle menschlichen Schöpfungen ist Sinn eingegangen, den herauszulesen eine hermeneutische Aufgabe ist.
Dies ist die Beschreibung einer geisteswissenschaftlichen Metaebene, welche die exegetische Rezeption durchdringt.

Zur Abgrenzung von Hermeneutik und Exegese erklärt Wikipedia im Artikel über die Biblische Hermeneutik:
Hermeneutik und Exegese sind voneinander zu unterscheiden. Biblische Exegese bezeichnet die konkrete Auslegung eines bestimmten biblischen Textes, Hermeneutik dagegen beleuchtet die Voraussetzungen und Ziele der Auslegung. Die beiden verhalten sich ähnlich wie Sprache und Grammatik.

Wenn Philippus im obigen Beispiel dem Kämmerer den Text erklärt, betreibt er Exegese; dabei hat seine Erklärung eine bestimmte Hermeneutik zur Grundlage: Ein alttestamentliches Prophetenwort ist für ihn von Christus her zu verstehen. Ein rabbinischer Jude sähe das anders und würde daher den Text anders auslegen.
Die Hermeneutik ist also die geisteswissenschaftliche Grundlage (Metaebene), mit welcher der Text rezipiert wird. Sie durchdringt die Exegese wie die Arbeitstechnik eines Handwerkers seine konkrete Tätigkeit.


closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Von Dir hätte ich gerne dazu eine Stellungsname: Wer hat in Bezug auf Römer 3:7 gem. dieser Quelle recht: Sven oder ich?
Du. - Ich habe es selbst nie anders gelesen - bin sogar nie auf die Idee gekommen, dass man es anders verstehen KANN.

Und dies ist ein geeigneter Anlass, zwischen Exegese und Hermeneutik einerseits und "Stockfehler" andererseits zu unterscheiden: Es handelt sich hier nicht um eine exegetische oder hermeneutische Sache, sondern um die Kompetenz, einen Text im Kontext zu lesen.
Also geht es schlicht um Lesekompetenz.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1344 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Do 6. Apr 2017, 15:44

Rembremerding hat geschrieben:Hinzu kommt - und ich spreche ausschließlich von unwissenschaftlicher HKM - dass man die von der Kirche gelehrte und durchaus akzeptierte theologische und kulturelle Rezeptions- und Redaktionsgeschichte der Hl. Schrift ignoriert, sondern einmal radikal fundamental-wortwörtlich forscht, ein anderes mal dann wieder literaturkritisch oder spekulativ verwirft - damit eben Aussagen gelingen, die der eigenen Weltanschauung entsprechen.
Da würde ich teilweise widersprechen - ich glaube schon, dass bspw Theißen sehr wissenschaftlich arbeitet.

Ich sehe hier eher das Problem, dass "Wissenschaftlichheit" hier bedeutet "Im Sinne der historisch-kritischen Methodik", die einige der Parameter, die Du genannt ist setzungs-bedingt nicht erfassen KANN. - Damit kann ich leben, weil man jedes Setzungs-Modell verstehen kann als "Was wäre, wenn dieses Modell das ideale WÄRE?" - Insofern ist auch Theißen für mich wichtig - allerdings eben NUR unter dem Vorbehalt seiner methodischen Setzung und deren Ergebnis-Möglichkeiten.

Nun scheint mir, dass Theißen das selbst sehr wohl erkennt - zumindest lese ich sein Vorwort so. - Aber er wird anscheinend nicht so verstanden. - Er wird vielmehr als Vertreter einer Disziplin verstanden, die aus Sicht einiger Vertreter meint:
a) Nur die HKM ist geeignet, sich der historischen Realität Jesu wissenschaftlich anzunähern - das ist schlicht falsch.
b) Die HKM könne ALLES untersuchen, was historisch der Fall gewesen sein könne - das ist ebenso falsch.

Denn: Wie will sie historische Realität mit Parametern erschließen, die sie methodisch nicht vorsieht, die aber entscheidend sein können? - Sobald jedoch die HKM von ihrem Alleinvertretungs-Anspruch auf historische Realitäts-ERforschung absieht, ist sie aus meiner Sicht absolut wichtig. - Sie wäre NOCH wichtiger, wenn sie Ratzinger folgen würde, der ihr eine Öffnung zum Geistigen anmahnt - dann könnte sie auch die von Dir genannten Parameter berücksichtigen. - Aber dann - das ist die andere Seite - würde sie mit dem Kritischen Rationalismus kollidieren. - Es ist also wirklich verzwickt.

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#1345 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Pluto » Do 6. Apr 2017, 18:02

Halman hat geschrieben:Diese Frage wirst Du wohl mit "nein" beantworten. Ich stimme allerdings in diesem Punkt Pinchas Lapide und dem Historiker Dr. J. Spieß zu beantworte diese Frage mit "ja". :engel:
Woher wissen sie das bloß? Ist doch wohl eher eine Vermutung, oder?
Was auch immer die beiden Herren behauptet haben, es fehlen die Evidenzen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1346 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Halman » Do 6. Apr 2017, 18:04

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Diese Frage wirst Du wohl mit "nein" beantworten. Ich stimme allerdings in diesem Punkt Pinchas Lapide und dem Historiker Dr. J. Spieß zu beantworte diese Frage mit "ja". :engel:
Woher wissen sie das bloß? Ist doch wohl eher eine Vermutung, oder?
Was auch immer diese Herren behaupten, es fehlen die Evidenzen.
Ihre Argumentation ist in meinen verlinkten Beitrag enthalten bzw. dort verlinkt. Damit meine ich insbesondere den Vortrag von Dr. Spieß. Es geht um historische Rekonstruktion und Glaubhaftigkeit und da können verschiedene Historiker durchaus zu verschiedenen Ansichten darüber gelangen, was denn historisch ist.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1347 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Pluto » Do 6. Apr 2017, 18:05

Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was auch immer diese Herren behaupten, es fehlen die Evidenzen.
Ihre Argumentation ist in meinen verlinkten Beitrag enthalten bzw. dort verlinkt. Damit meine ich insbesondere den Vortrag von Dr. Spieß. Es geht um historische Rekonstruktion und Glaubhaftigkeit und da können verschiedene Historiker durchaus zu verschiedenen Ansichten darüber gelangen, was denn historisch ist.
Ansichten sind eine Sache; Evidenzen eine ganz andere.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1348 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » Do 6. Apr 2017, 18:06

Halman hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Warum bekennt sich nicht jeder zu SEINEN Grundlagen/Setzungen/"Glaubensentscheide", der die Bibel interpretiert?
Theologen, wie Gerd Theißen, legen ihre Grundlagen doch offen. Seine Wissensansprüche (Exegese) begründet er damit, dass er sie auf Grundlage der historisch-kritischen Methode erlangt hat. Die HKM ist hier also die Grundlage.
Genau so ist es. Ich bin mir allerdings sicher, unser lieber closs wird diese Tatsache bald wieder vergessen haben und seine unbegründete Kritik erneut vorbringen.

Halman hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Allein der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine hermeneutische Interpretation (und damit auf Basis einer hermeneutischen "Glaubensentscheidung" voll ok), aber eben keine Exegese.
Da bin ich anderer Meinung. Die Interpretation, dass Jesus eine Naherwartung hatte, ist doch eine Auslegung, die der Leser, sagen wir ein Exeget, dem Text entnimmt uns somit Exegese.
Genauso ist es. Für jemanden, der aus Glaubensgründen prinzipiell der EISEGESE den Vorzug einzuräumen scheint, ist das schwer zu akzeptieren. Closs bemüht sich schon seit Langem erfolglos, aus einer historischen Frage eine geistige Frage zu machen, für deren Beantwortung er dann die Exegeten für unzuständig erklärt.

Es liegt auf der Hand, dass ein solches laienhaftes, von keiner Sachkenntnis getrübtes Vorgehen von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.
Zuletzt geändert von Münek am Do 6. Apr 2017, 18:19, insgesamt 2-mal geändert.

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#1349 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Pluto » Do 6. Apr 2017, 18:11

Halman hat geschrieben:Diese Erklärung stimmt mit der von A. Schweiger und Dir überein. Die Hermeneutik scheint mir "tiefer" in dem Sinne zu gehen, dass sie auch andere Rezeptionsebenen ausleuchtet und so den Text in einem "Dialog" mit dem Rezipienten treten lässt.
Der Exeget bleibt im Idealfall hingegen distanziert und analysiert Kriterien, wie Textgattung, Spannungen (Widersprüche) usw.

Verstehe ich dies so richtig, oder bin ich auf dem Holzweg?
Ich vermute, du bis auf dem Holzweg.
Warum? — Exegese wird als biblische Hermeneutik definiert.


Halman hat geschrieben:Oftmals kann man Begriffe besser verstehen, wenn man die Antonyme betrachtet, jedenfalls geht es mir so. Die "Blick auf das Antonym" ist sozuagen eine einfache hermeneutische Methode von mir. ;)
Zur Eisegese erklärt Wikipedia:
Ist denn Eisegese ein Antonym? Mich dünkt, es ist eher Exegese ad absurdum geführt, weil mit eigenen, privaten Auslegungen geschmückt, die in einer seriösen Exegese nichts verloren haben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1350 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Pluto » Do 6. Apr 2017, 18:14

closs hat geschrieben:Ich sehe hier eher das Problem, dass "Wissenschaftlichheit" hier bedeutet "Im Sinne der historisch-kritischen Methodik", die einige der Parameter, die Du genannt ist setzungs-bedingt nicht erfassen KANN.
Warum willst du überall Setzungen sehen?
Die HKM ist der einzige wissenschaftliche Zugang zur Schrift, weil sie NICHTS setzt. Alles andere ist kanonische Schönfärberei!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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