lovetrail hat geschrieben:Es braucht beides. Treue im Kleinen und Treue im Großen.
Stimmt. Die Treue zum Großen vermisse ich. Wobei sich die Frage stellt, was das Große sein soll. Zum ganz Großen, "die Bibel" wird in den mir bekannten Kreisen andauernd gesprungen. Da mault keiner. Die gerade gelesene Stelle wird mit anderen Stellen in Verbindung gebracht: Stichwort Bibel-Bastel-Bogen. Beispielsweise Schlange in Eden > Drache aus der Offenbarung = "eigene" Theologie wird bestätigt.
Es wird nie im Kontext des Buches geblieben - weil ja alles Gottes Wort ist. Aber wenn man auf Zusammenhänge innerhalb des Buches hinweist, kommt das Argument doch bitte bei dem gerade gelesenen Text zu bleiben. So kann man nicht verstehen, was der Text des Buches aussagen will.
Hinter dieser "Methodik" steckt meiner Meinung nach die Angst dass "herauskommt", dass der Text des Buches nicht so ganz der Lehre der Glaubensgemeinschaft entspricht.
Beispiel: Markus, der nicht die Meinung vertritt, dass Jesus der Messias der Juden ist - wohl aber der Christus der Christen! Aber wenn Paulus und andere Jesus als den Messias der Juden
und als Christus der Christen darstellen, ist dieser absolute Anspruch: "Gott" ist der der Autor der Bibel nicht mehr haltbar. Es wird nicht wahrgenommen, das Markus auf den früher schreibenden Paulus antwortet, ihn in diesem Punkt korrigieren möchte - vielleicht sogar "im Auftrag" Gottes - oder weil manches eben erst später verstanden wurde - oder weil es die Situation erforderte, dass die Christen ihr Profil schärfen mussten - um sich von den Juden abzugrenzen, die Jesus nicht als ihren Messias annahmen. Was weiß ich. Es steht halt da. Es wird aber mit der theologischen Konstruktion eines angeblichen "Messiasgeheimnisses" kaschiert und unter den Tisch gekehrt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Weil das den hermeneutischen Vorgaben zuwider läuft, stellt man sich über die Bibel und verweigert das Schriftverständnis, indem man monoton die genehmen Bibelstellen ohne Ende abfeuert. Das heißt: Die Glaubensgemeinschaft hat beim "Bibelstudium" die höhere Priorität als die Schrift. Markus darf nicht für sich stehen, darf nicht als das verstanden werden, was er ist.
lovetrail hat geschrieben:Oder man hat halt sein eigenes Thema am Laufen, zu dem man möglichst schnell hinnavigieren will und schon steht der unmittelbare Text wieder verwaist da.
Das wäre falsch. Da sind wir einer Meinung. Aber gerade das passiert leider auf dem Weg, den ich oben beschrieben habe - und das machen vor allem die Hauskreisleiter, in dem sie ihre "Autorität" ausspielen.
lovetrail hat geschrieben:Ich bin kein Freund der Schwadroniererei
Ich auch nicht, wenn es um Bibelstudium geht. Schwadronieren muss auch mal sein. Alles zu seiner Zeit.
Das Ziel der Hauskreise ist nicht Bibelstudium, sondern Festigung der Gemeinschaft. Das ist mir klar und auch völlig in Ordnung. Was mich ärgert ist, dass es oft als Bibelstudium "verkauft" wird. Wirkliches
gemeinsames Bibelstudium habe ich trotzt intensiver Suche noch nirgends gefunden. Vorträge gibt es viele, aber da ist kein Raum für den Diskurs, weil da wiederum nur die eigene Lehre gepredigt wird. Diese Dialogunfähigkeit der Kirchen finde ich so schlimm - wenn es um die Texte geht.
Man sieht es allerorts an den Angeboten und Veranstaltungen von Gemeinden: Es gibt überall Kindergruppen, Firm- und Jugendgruppen, Seniorengruppen. Da fehlt doch was! Der Erwachsene. Für diese lange Lebensphase des Menschen gibt es so gut wie nichts zum Thema biblischer Bildung. Das fehlt nicht nur auf den Seiten einzelner Gemeinden - das ist ein chronischer Mangel. Ich könnte dir hunderte solcher Beispiele zeigen.
Das spiegelt sich auch in den Gottesdiensten wieder. Hauptsächlich Senioren im normalen Gottesdienst in den alternativen Gottesdiensten vorwiegend Jugendliche. Das "Mittelalter" findet hier wie dort kaum noch statt. In meiner Kindheit und Jugend war das ganz anders. Ich finde das schade, weil mir die Bibel heilig ist. Ich komme mir manchmal vor, wie der Antichrist - obwohl mein Anliegen doch genau das Gegenteil will - mehr Nähe zur Schrift, ein gutes Verständnis.
Ich habe so vieles in der Bibel entdeckt, dass ich aber nie innerhalb von Glaubensgemeinschaften entdecken hätte können. Ihre hermeneutischen Scheuklappen hätten das verhindert. Das ist echt keine gute Situation, für niemanden.