Münek hat geschrieben:Welche Exegese wird denn neben der historisch-kritischen Exegese an den theologischen Fakultäten noch praktiziert? Meines Wissens keine.
Ich habe Dir mal aus wiki die Geschichte und Vielfalt der Exegese kommentarlos herauskopiert - der HKM gehört am Ende EIN Satz.
Die jüdische Exegese als Vorbild der christlichen Exegese
Die jüdische Bibelauslegung ist von einem zweiteiligen OffenbarungsÂbegriff geprägt: Der schriftlichen Tora (der jüdischen Bibel) wird eine mündliche Tora gegenübergestellt. ... Wichtig an diesem Konzept ist, dass es einander widersprechende Positionen integrieren kann.[5]
Die jüdische Bibelauslegung, die man in Ansätzen schon in innerbiblischen Bezügen finden kann, liegt in ersten Zeugnissen aus den Jahrhunderten um die Zeitenwende vor. Ein Teil davon (Philo von Alexandrien, Josephus und in gewisser Weise auch das Neue Testament) gehört in den Kontext hellenistischer Kultur. Hier ist die Auslegung biblischer Texte sehr stark von Allegorisierungen geprägt, die die starke Menschenähnlichkeit Gottes in den Bibeltexten als uneigentliche Rede zu deuten versuchen.
Die klassische (d. h. im Judentum tradierte) Bibelauslegung ist zwar hebräisch bzw. aramäisch überliefert, aber auch hellenistisch geprägt. Sie zeigt bereits Vorläufer in den Schriften von Qumran. Die an den wöchentlichen Tora-Lesungen ausgerichtete Kommentar- bzw. Predigtliteratur heißt Midrasch. ...
Methodisch ist diese rabbinische Exegese durch den Gegensatz zweier Grundauffassungen geprägt, die mit zwei Gelehrten verbunden werden: Während Rabbi Jischmael darauf besteht, dass „die Tora in der Sprache der Menschen rede“, sieht Rabbi Akiba die Notwendigkeit, einen darüber hinausgehenden Sinn an bestimmten sprachlichen Elementen des Bibeltextes festzumachen, der als göttlicher Text mit jeder kleinen Einzelheit eine bestimmte Aussage verbinden müsste. So schien es als ein wichtiges dogmatisches Erfordernis nachzuweisen, dass in der Tora von der Auferstehung der Toten gesprochen werde, was eine Lektüre auf der Ebene des einfachen Textes nicht wirklich hergibt.
Seit dem 10. Jahrhundert n.Chr. kam eine neue Form rabbinischer Kommentare auf, die einen stark rational und philologisch orientierten Ansatz hatten, die phantasievollen Midraschim allerdings auch rezipierten und zusammenfassten. Diese Kommentare (u.a. Raschi, Kimchi, Ibn Esra) wurden zusammen mit den Targumim (s.o.) in großen Tora- oder Bibelausgaben (Miqra'ot Gedolot, bzw. „Rabbinerbibeln“) parallel zum Bibeltext abgedruckt und sind in der Neuzeit z.T. auch sehr stark von christlichen Auslegern rezipiert worden.[6]
Urchristentum bis Mittelalter – der vierfache Schriftsinn
Entsprechend der Kommentierungsmethode der klassischen philologischen Schule in Alexandria stellte Origenes (ca. 185–254) für die Bibel die Theorie vom „mehrfachen Schriftsinn“ auf. Demzufolge reichte nicht die rein literarisch-philologische Analyse des Textes. Dem einfachen Gläubigen genügte dieser geschichtliche Sinn, jedoch sollte die Exegese für Geübtere auch den seelischen Sinn erheben und für Vollkommene der geistig-geistliche Sinn festgestellt werden.
Dieser Dreischritt somatische – psychische – pneumatische Exegese wurde dann durch Johannes Cassianus im 5. Jahrhundert zur Theorie vom vierfachen Schriftsinn ausgebaut, die für das gesamte Mittelalter prägend war. Ähnlich wie in der jüdischen Tradition der Bibelauslegung (siehe PaRDeS) tritt zur historisch-literalen Exegese nun ein Dreischritt, der sich am Schema Glaube-Liebe-Hoffnung orientiert.
Literalsinn (wörtliche, geschichtliche Auslegung)
Allegorischer Sinn (Interpretation „im Glauben“) = dogmatisch
Tropologischer Sinn (Interpretation „in Liebe“) = moralisch
Anagogischer Sinn (Interpretation „in Hoffnung“) = endzeitlich
Damit stand die Frage einer mehrdeutigen Schrift im Raum. Da aber nach eindeutigen Auslegungen gefragt wurde, setzten hier Reformbemühungen ein.
Der Skeireins ist eine gotische Auslegung zum Johannesevangelium der Wulfilabibel. Eine weitere Auslegung ist der „Skarapsus“ aus dem 8. Jahrhundert, ein Text, der dem hl. Pirminius zugeschrieben wird. Der Heliand ist ein frühmittelalterliches altsächsisches Großepos und wichtiges Glied im historischen Kontext der Entstehung der deutschen Sprache und Literatur.Dort wird in stabreimenden Langzeilen das Leben Jesu Christi in der Form einer Evangelienharmonie nacherzählt.
Reformation und Konzil von Trient
Die Reformatoren lehnen im Einklang mit dem in der Renaissance neu entdeckten historischen Bewusstsein den vierfachen Schriftsinn ab. Sie wollen historisch (und auch theologisch) „zu den Quellen“ (ad fontes). Sie fragen allein nach dem Wort- oder Literalsinn (sola scriptura). Vielfach kam es im protestantischen Raum zur Vorstellung einer „Verbalinspiration“, d. h. die Bibel sei Wort für Wort vom Heiligen Geist inspiriert und somit im wortwörtlichen Sinne unfehlbar. Damit stellte sich dann aber die Frage, ob das ausreicht. Die reformatorische Hermeneutik beantwortete das mit der theologischen These vom „Wort Gottes“, das alleinige Autorität hat und für sich spricht. Damit spitzte sich die Frage nach dem Verstehen zu und die neuzeitliche Hermeneutik entwickelte sich – zunächst als typisch protestantische Ergänzung der Exegese.
Eine entsprechende Verdeutlichung der katholischen Position erfolgte auf dem Konzil von Trient (1545–1563), als die mehrdeutige Schrift unter die Autorität des kirchlichen Lehramts gestellt wurde: Ohne das (bischöfliche bzw. päpstliche) Lehramt bleibt die Bibel zweideutig. Durch die enge Anlehnung der Bibel an die kirchliche Tradition bildete sich zunächst keine spezifisch katholische Hermeneutik heraus.
Aufklärung vs. Repristinationstheologie
Die Exegese seit der Aufklärung reagierte insbesondere auf die altprotestantische (lutherische) Orthodoxie des 16. und 17. Jahrhunderts, die den Literalsinn mit „Gottes Wort“ gleichsetzte und somit den Bibeltext erneut mit einem bis ins Äußerste verfeinerten Regelwerk umgab. Die sich als wissenschaftlich verstehende Exegese der Aufklärung propagierte dagegen die Trennung von Literalsinn der Bibel und „Wort Gottes“ in der Bibel. Damit konnte der Bibeltext mit nun sich schnell entwickelnden philologischen und historischen Methoden untersucht werden, wogegen die Dogmatik (insbesondere die Schriftlehre) und die Biblische Hermeneutik sich um das Verstehen der analysierten Texte kümmern sollte.
Der konservative Protest gegen die Bibelauslegung der Aufklärung firmierte im 19. Jahrhundert unter dem Stichwort Repristinationstheologie: Es war der Versuch, den früheren, voraufklärerischen Umgang mit der Bibel wiederherzustellen. Die Repristinationstheologie konnte sich allerdings nicht durchsetzen.
Wenn auch eine absolut objektive Exegese nicht möglich ist, so sind doch ihre Ergebnisse heute zwischen katholischen und evangelischen (und mit Einschränkung auch orthodoxen) Theologen im akademischen Bereich weithin ähnlich. Die Verwertung der Ergebnisse einer exegetischen Standardanalyse jedoch kann sehr unterschiedlich sein.
Entwicklung der historisch-kritischen Methode
Die historisch-kritische Methode wurde ab dem 18. Jahrhundert als wissenschaftlicher Methodenapparat zur Untersuchung biblischer Texte entwickelt, vor allem von evangelischen Theologen.
Korrekt in Deinem Sinne ist, dass die HKM-Exegese zur Zeit dominiert, jedoch sehr wohl auch von nicht-säkular orientierten Theologen betrieben wird. - Folge davon sind Interpretationen, die hier mehrfach gepostet, aber ignoriert wurden. - Die Tendenz in der RKK ist momentan folgende:
"Wenn Papst Benedikt XVI. recht hat, dann besteht der hoffnungsvolle Weg für die moderne Exegese darin, an der Geschichte und an einer authentischen historischen Forschung festzuhalten, bei gleichzeitiger Wahrnehmung der theologischen Tragweite ebendieser durch die Vorsehung Gottes offenbarten Geschichte. Oder anders ausgedrückt: Katholische Exegeten und Theologen müssen sowohl dem genauen wörtlichen Sinn nachgehen als auch die drei spirituellen Sinne der heiligen Schrift <= Allegorischer Sinn, Tropologischer Sinn, Anagogischer Sinn> endzeitlich erkunden" ("Portal zur katholischen Geisteswelt"). - Ziel der exegetischen Zukunft sei die Auflösung der heutigen "exegetischen Engführung".
Wir sehen hier also insgesamt:
1) Die vielen Exegese-Systeme (wiki).
2) Die Feststellung, dass die HKM seit einigen Generationen dominiert.
3) Die Zukunft der Exegese aus katholischer Sicht, in der "authentische historischen Forschung" und Erkennen "der theologischen Tragweite ebendieser" verbunden werden, und somit die heutige exegetische Engführung aufgelöst wird.
Das wird sicherlich hart diskutiert werden. - Wie auch immer: Die Systematische Theologie" hat in den letzten Generationen nie etwas anderes gemacht: Sie hat immer die "authentische historischen Forschung" und das Erkennen "der theologischen Tragweite ebendieser" verbunden. - Das drückt in etwa das aus, was ich ständig mit "Trennung von Sachergebnissen und Interpretationen" meine.
Das läuft heute und solange ich damit befasst bin genau so.
Münek hat geschrieben: Man nimmt Glaubenszeugnisse und -bekenntnisse zur Kenntnis, prüft sie im Lichte der Vernunft auf Plausibilität und Evidenz - und verwirft sie oder nicht.
Genau das ist weltanschaulich verengt, weil man "plausibel" und "evident" an seinem eigenen exegese-verengenden Weltbild misst.
Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Forschung ist eine WISSENSCHAFTLICHE Diziplin
Sie Systematische Theologie ebenfalls - beide haben ihre unterschiedlich gearteten "Glaubensentscheide" - übrigens: Es geht gar nicht anders.