Pluto hat geschrieben:Die Methode ist der Prozess mit der man nicht nur der Wahrheit näher kommt, sondern auch wissen kann, dass man sich der Wahrheit genähert hat.
Aber doch nur im Rahmen ihrer Perspektive - konkret:
Die HKM nähert sich tatsächlich der Wahrheit in Fragen wie:
* Wann wurde dieser Text geschrieben? - Antwort: Nicht vor 80 n.Chr., weil ...
* Wie war die zeitliche Folge der uns zugrunde liegenden Quellen?
* Was bedeutet das griechische Wort "logos"? (Wenn ein HKM-ler besonders gut ist, weiß er, dass Paulus zwar griechisch geschrieben, aber hebräisch/aramäisch gedacht hat - also wird er auch fragen: Was bedeutet das hebräische Wort "memra", aus dem "logos" übersetzt wird? - Und er wird wissen, dass "memra" weit mehr bedeutet als "logos")
* Wie waren die historischen Abläufe in Israel rund um Jesus?
* Welche mythischen Vorläufer hatte das Motiv der "Auferstehung"?
* etc.
In all diesen Dingen kommt der HKM-ler in der Tat der Wahrheit näher - im Rahmen seiner HKM-Fragestellung!!! - Insofern kein Widerspruch zu Deinen Ausführungen. - Und: Er kann belegen, WARUM er zu seinem ERgebnis kommt.
Das ist das Eine und ist in etwa zu vergleichen mit einem Musikwissenschaftler, der Werk und Vita eines Komponisten in ein Umfeld wissenschaftlich einbetten kann. - WAS aber in dem Musikstück passiert und WAS in der Bibel passiert, kann weder ein Musik-Wissenschaftler noch ein HKM-ler ermessen - außer privat, also außerhalb seiner Wissenschaft.
Das heisst: Ein HKM-ler kann Atheist/Materialist sein und ein Musikwissenschaftler kann buchstäblich taub sein - trotzdem könnten beide gute musikwissenschaftliche und historisch-kritische Arbeiten verfassen. - Sie können sich also nur insofern dem Werk nähern, wie es ihre Disziplin vorsieht - egal ob man Materialist oder taub ist - dies nenne ich "Perspektive".
Ein Musikwissenschaftler kann dagegen "im Dienst" NICHT ermessen, was das Stück x von Schubert so einzigartig macht. - Ein künstlerisch/geistig aktivierter Mensch merkt das sofort - aber er kann es nicht intersubjektiv vermitteln, weil das ja nur ginge, wenn ALLE künstlerlisch/geistig aktiviert wären. - Und objektiv geht es nicht, weil man die Frage, ob ein Werk geistig einzigartig ist, nicht über Satzstellungen, Tonarten oder Neuronen beantworten kann.
Pluto hat geschrieben:Alle anderen Methoden, sei es die Hermeneutik, oder was weiß ich was es sonst noch gibt, erinnern mich im Vergleich zur Wissenschaft, ein Bisschen an Robert Lemkes Ratespiel.
Für Außenstehende kann das so0 sein - nur: Es gibt nichts anderes, wenn man ein Werk nicht nur von außen beschreiben, sondern von innen verstehen/erkennen will.
Erschwerend kommt hinzu, dass das Geistige selber sehr heterogen besetzt sein kann, was dazu führt, dass der Außenstehende kein homogenes Bild erhält - was natürlich zu Recht misstrauisch macht.
"WIssenschaftlich" in "Deinem" Sinne des Wortes müsste mal deshalb äußerste Zurückhaltung üben und sich auf reine SACH-Aussagen beschränken. - Das hieße ganz konkret: Keine Spekulationen von der "äußeren" Welt der Wissenschaft in die innere Bedeutung der Bibel hinein. - Dann würde man sagen:
* Nach methodischer Technik der HKM hatte Jesus eine Naherwartung - aber das ist unsere Außen-Sicht.
* Nach methodischer Technik der HKM ist die Jungfrauengeburt unwahrscheinlich (sogar: Wahrscheinlichkeit so gut wie 0) - aber das ist unsere Außensicht.
Es wäre weiterhin undiszipliniert, wenn die HKM ihre äußere Sicht mit Verweis auf weltanschaulich (hier: materialistisch) geprägte Definitionen von "Aufklärung" und "Realität" verabsolutieren wollte: "Unsere Ergebnisse sind alternativlos real" - oder was auch immer. - Auch damit würde sie ihre WIssenschaftlichkeit verlassen, da sie nicht in philosophischen Fragen rumzupfuschen hat. - Nein - ganz diszipliniert: "Wir beobachten dies und können es folgendermaßen .... beschreiben und belegen". -------- Und PUNKT!!!!
Pluto hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Die Theologie beruht auf einer anderen Art der Exegese, als Du darstellst.
Auf welcher denn konkret?
In der theologischen Praxis werden die "äußeren" Sachergebnisse der HKM hoch-interessiert zur Kenntnis genommen, weil sie bei Einzelfragen ganz wichtige Hinweise geben können. - Aber geistig-inhaltlich AUSGELEGT ("Was bedeutet das?") wird es theologisch - also jenseits der äußeren Beobachtungen der HKM.
Man hat da auch meines Wissens keine eigene "Exegese", sondern interpretiert die (HKM-)Exegese in anderen Disziplinen. - Konkret: Wenn ein Theologie die Frage der Naherwartung diskutiert, tut er dies in der theologischen Teil-Disziplin x (wahrscheinlich "Hermeneutik").
Und vielleicht noch was eventuell Wichtiges:
Mir hat neulich mal eine Theologe gesagt, dass man im Studium die Exegese unterteilt in die sog. "Einleitungswissenschaft" und die "Hermeneutik". - Die HKM wird dabei gesehen als fester Bestandteil der "Einleitungswissenschaft", nicht aber der "Hermeneutik" - etwas plakativ gesagt: Die "Einleitungswissenschaft" ist die Rumedum-Wissenschaft, bevor die echte, inhaltliche Auslegung (Hermeneutik) losgeht. - Das passt übrigens sehr genau mit dem zusammen, was bei uns HKM in den Literatur-Wissenschaften war.
Mit anderen Worten:
Es scheint so, als hätten die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte dazu geführt, die Einleitungswissenschaften zur eigentlichen Auslegungs-Wissenschaft zu erhöhen. - Und da wäre mein flappsiger Kommentar: Unterhemden kann man nicht zu Oberhemden befördern.