Alles Teufelszeug? V

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#291 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 31. Dez 2016, 13:20

Pluto hat geschrieben:Kennst du eine objektivere Methode der Beurteilung?
Nein - da, wo es geht, ist es das Beste.

Das Problem: Auf historisch-kritischer Basis kann man nur Historisch-Kritisches interpretieren. - Und das ist sehr wenig. - Die meisten SChlussfolgerungen, die hier unter dem Vorwand historisch-kritischer Befugnis gezogen werden, sind nicht historisch-kritischer Natur.

Pluto hat geschrieben:Jegliche Setzung ist unwissenschaftlich, weil sie etwas voraussetzt, was in der wissenschaftlichen Methode verboten ist.
Das kann unmöglich ergebnisoffen sein.
Hier liegt ein inzwischen traditioneller Denkfehler vor. - Man verwechselt universale Ergebnisoffenheit mit inner-methodischer Ergebnisoffenheit.

Universale Ergebnisoffenheit gibt es streng genommen überhaupt nicht für Wahrnehmung - am nächsten kommt ihr immerhin die Naturwissenschaft, die Behauptungen im Heute experimentell überprüfen kann. - Diese Möglichkeit fällt für jegliche Geisteswissenschaft weg - also auch bei der HKM.

Natürlich ist die HKM ergebnisoffen innerhalb ihrer methodischen Anlage. Sie fragt, ohne die Antwort zu wissen, und kommt zu Ergebnissen. - Diese Ergebnisse jedoch können nur im Rahmen ihrer methodischen Anlage stattfinden - Ergebnisse außerhalb kann es nicht geben.

Insofern ist die HKM, wie jede Geisteswissenschaft, gebunden an ihre Anlage/Methodik/Setzung (im wesentlichen sind das austauschbare Begriffe). - Und so kann es kommen, dass die HKM wirklich meinen muss, dass Jesus eine Naherwartung hatte oder die Auferstehung/Jungfrauengeburt sehr unwahrscheinlich, also de facto nicht möglich ist.

Als Außenstehender kann man dies nachvoll ziehen ("Ja - Ihr habt die und die Methodik, die fundiert ist auf dem Kritischen Rationalismus, der wiederum auf Materialismus basiert. - Deshalb ist es logisch, wenn Ihr so und so denkt") - aber das, was man nachvollziehen kann, muss deshalb nicht richtig sein. - Denn andere sind anders basiert und kommen zu ganz anderen wahrscheinlichen Realitäten, weil es ihre Anlage/Methodik/Setzung ebenfalls, aber eben anders nahelegt.

Was ist WIssenschaft? - Der eine meint "Nur das, was weltanschaulich materialistisch fundiert ist" - der andere meint "Alles, was nach intersubjektiv nachvollziehbaren, kohärenten Kriterien dargestellt wird". - Wer soll entscheiden, wer recht hat?

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#292 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 31. Dez 2016, 16:41

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Schreiber haben etwas erfunden, um den Vergottungsprozess rechtfertigen zu können.
Möglich - und jetzt wäre die nächste Frage: Waren diese "Erfindungen" authentisch in Bezug auf das, was der Fall ist/war?
Nein, höchstwahrscheinlich nicht. Zumindest ist ihm vieles posthum in den Mund gelegt worden. Er konnte sich ja nicht mehr wehren, insofern war er die Idealbesetzung für ein neues Theaterstück.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb mein Beispiel mit Oppenheimer.
Dein Beispiel war falsch, deshalb habe ich es übergangen. - Aber es hat eines gezeigt: Du scheinst zu meinen, dass historisch-kritische Ergebnisse den Rang von experimentell (!) nachprüfbaren naturwissenschaftlichen Ergebnissen haben - diese Meinung ist unzulässig.
Ein zutreffendes Beispiel könnte sein: Der Finanzbeamte, der im Dienst Verordnungen vertritt, die er privat für unsinnig hält. - "Schizophren"?
Nee, das paßt nicht. Verordnungen sind nicht unbedingt das Ergebnis von wissenschaftlicher Forschung.
Passender wären die Hitlertagebücher. Closs hat herausgefunden, dass die Hitlertagebücher plumpe Fälschungen sind. Nach Feierabend sagt er: ich glaube aber trotzdem, dass alles stimmt, was drin steht. :lol:


closs hat geschrieben: Aber eines spitzt hier wieder mal durch: Eine bewusste oder unbewusste geradezu para-religiöse Anbindung an die "Heilige Wissenschaft" (in kritisch-rationalistischer Ausformung). - Aus meiner Sicht ist dies nicht befriedigend.
Ich weiß, die meisten Esoteriker können nichts mit Wissenschaft anfangen. Dafür kann die Wissenschaft nichts.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Vor allem: nach welchen Schlüssel rechnet sie sie "Besessenheit" mit der Krankenkasse ab?
Gruppen-Therapie - schließlich sind jeweils mindestens zwei Patienten betroffen. - Das geht aber bei jeder Persönlichkeits-Spaltung. :geek:
Gruppen Therapie ist keine medizinische Klassifikation. Also wird sie doch sicher das, was sie für Besessenheit hält, unter einem anderen Schlüssel abrechnen. Das nennt man wohl pragmatische Esoterik zugunsten ökonomischer Vorteile. ;)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Vor allem ist Geistliche Wissenschaft ein Oxymoron.
q.e.d. - s.o.: "Eine bewusste oder unbewusste geradezu para-religiöse Anbindung an die "Heilige Wissenschaft" (in kritisch-rationalistischer Ausformung)".
Glaubst du ernsthaft, dass es einen Wissenschafszweig gibt, der auf den Heiligen Geist angewiesen ist? :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Ich behaupte damit nicht, dass das in jedem Fall eine Verschlechterung gewesen sein muss, aber es war eben etwas anderes, als er vertreten hat.
Es war aus Sicht Jesu sicherlich Plan B (selbst wenn er von vorne herein klar war), dass seine Botschaften an seine Juden ausgelagert werden mussten - insofern sind wir uns schon einig.
Da sind wir uns überhaupt nicht einig. Die Ethik Jesu war auf Kurzfristigkeit angelegt. Sie war und ist in keinem Staat der Welt als praktikables Modell vorstellbar. Paulus hat daraus eine gewisse Kompatibilität mit dem Staat gemacht: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.....
Für die Anhänger der reinen Lehre ist das aber schon eine Verfälschung. Über die Heidenmissionierung wäre Jesus sicher entsetzt gewesen. (Ich bin gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel) Wäre es dabei geblieben, wäre das Christentum nie Weltreligion geworden.
Paulus fälschte die Lehre in einem entscheidenen weiteren Punkt. In seiner Theologie reicht der Glaube. Bei Jesus gehörten auch die Werke und Taten dazu. Mit der Lehre des Paulus lebt es sich natürlich bequemer.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Der Jude Jesus sah sich bis zu seinem Tod in der jüdischen Religion verankert. Weder wollte er eine neue Religon gründen, noch hat er zur Heidenmission aufgerufen.
Keine unmittelbare Widerrede. Ihm ging es darum, seine AT-Reformation im Judentum zu installieren.
Man sollte sich auch nichts vormachen. Sooo groß waren die Reformationen nun auch nicht. Es fand alles auf dem Boden der jüdischen Religion statt, wenngleich es an einigen Punkten um Auslegungsdifferenzen ging. (Thoraverschärfung und liberale Auslegung andererseits) Wobei z. B. die Aussage "Wer frei ist von Schuld, der werfe den ersten Stein... , gar nicht von Jesus stammt. Er wurde im 2. Jahrhundert in die Texte hineingeschmuggel, wie so oft. Aber Auslegungsdifferenzen waren im Judentum gang und gäbe. Bei 150 verschiedenen Sekten auch kein Wunder.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es hat vor allem erst mal ein paar Jahrzehne gedauert, bis jemand auf die Idee kam, aus dem gescheiterten Wanderprediger einen Gott zu machen.
Falsche Setzung (bzw. Setzung aus heutiger materialistischer Sicht). - Andere setzen, dass der gekreuzigte Gott in Gestalt eines Wanderpredigers erst nach und nach in seiner Bedeutung erkannt hatte, die Hefe also sozusagen aufgegangen ist.
Da kann man sich nun wirklich glaubensmäßig streiten: "Welche Setzung ist richtig?". - Aber eben "glaubensmäßig". - Insofern unterstelle ich einem materialistischen Setzer keine Unredlichkeit, sondern eine glaubens-mäßige Fehleinstielung. - Das kann man mit allem Respekt und Verständnis tun.
Auch hier ist Ockham gefragt. Immer zuerst das naheliegendste annehmen. Gläubige machen es oft umgekehrt, sie bevorzugen immer die Version, die ihr Konstrukt bestätigt, auch wenn sie dafür enorme Verrenkungen in Kauf nehmen müssen.

" Die Salomelegende, wie sie Markus 6,17–29 überliefert und nach der der Kopf des
Johannes fallen muss, weil des Herodes Tochter Salome ihn als Preis für ihren Tanz
fordert, eignet sich zwar als Opernstoff, bleibt aber eine Legende. Man kann hier
beispielhaft einen weiteren Grundsatz der historisch-kritischen Forschung erläutern: Hat
man wie hier zwei Überlieferungen, so ist in der Regel der unspektakulären Variante der
Vorzug zu geben. Denn leicht lässt sich verstehen, dass sich um den Tod eines berühmten
Menschen Legenden bilden, schwer denkbar wäre es hingegen, dass der Tod, hätte er sich
denn tatsächlich so legendenhaft ereignet, später so nüchtern von Josephus hätte erzählt
werden können. Nicht nur die Geburt, auch den Tod Johannes des Täufers schmücken die
Evangelien also legendenhaft aus."

Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#293 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 31. Dez 2016, 16:42

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung hat nun mal gezeigt, dass der historische Jesus nicht identisch ist mit dem verkündeten Jesus, der posthum aus ihm gemacht wurde.
Moment: Natürlich ist der später hermeneutisch erkannte Jesus nicht derselbe wie der historisch-kritisch belegbare Jesus - so würden es auch wahrscheinlich auch Ratzinger und Berger unterschreiben.
Nein, Ratzinger will die Evangelien historisch verstanden wissen. Das macht ihm doch gerade Zenger zum Vorwurf. :roll:

"Auf katholischer Seite aber behauptet man obligatorisch unverfroren: "Die Wunder Jesu sind geschichtliche Tatsachen, deren übernatürlicher Charakter keinem Zweifel unterliegt. Das größte aller Wunder ist seine eigene Auferstehung.""
Quelle: Glauben&Wissen


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Wenn die Christenheit seit den Tagen der Alten Kirche betet: Dein Reich komme! Dann bittet sie damit auch indirekt um das Vergehen der Kirchen. Am Ende der Religionsgeschichte steht nicht der Sieg des Christentums, schon gar nicht der Katholiken, Protestanten oder Orthodoxen (der Alleinvertreter, Profilbewahrer, oder Fundamentalisten), sondern das Reich Gottes, in das alle Religionen, Kirchen und Konfessionen eingehen werden". (Heinz Zahrnt, dt. Theologe, 1915-2003)
Dieser Satz ist gut, denn er beschreibt die Aufhebung der Dialektik in Gott.
Und es belegt, dass er- wie du behauptest- kein Materialist ist und auch kein Atheist.
Trotzdem sagt er:

„Die Bibel ist von Menschen geschrieben, sie ist ein menschliches Buch, und darum kann sie nicht anders gelesen und verstanden werden und nicht nach anderen Methoden ausgelegt werden als jedes andere Buch.“

Es gibt also kein Recht auf Sonderbehandlung von religiösen Schriften, wie manche das immer noch meinen.

Der Theologieprofessor Werner Stenger nimmt Nietzsches Philippika als Ansporn für die bei ihm Studierenden, indem er warnend den Finger hebt, Nietzsche habe aufgedeckt, dass "Theologen in der Gefahr stehen, für ihre Auslegung der Bibel solche Privilegien zu beanspruchen"(6) und er meint mit Privilegien den Fehler, den mancher Theologe macht, wenn er "als Glaubender den Büchern der Bibel eine größere Autorität über sich einräumt als anderen Büchern" und dann versucht ist, "die biblischen Texte bei der Auslegung methodisch grundsätzlich anders zu behandeln als andere schriftliche Dokumente aus Vergangenheit und Gegenwart.""
Norbert Rodenbach


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es gibt nicht nur unterschiedliche Theologien, es gibt auch Theologen, die nach Feierabend was anderes glauben, als sie es tagsüber tun.
Der Strickfehler: Am Tag GLAUBEN sie nicht, sondern arbeiten nach einer gesetzten Methodik - nach Feierabend setzen sie dieses System in einen größeren Kontext. - So wie der Finanzbeamte am Tag gesetzeskonform Erschaften nicht versteuern darf und nach Feierabend meint: "Da stimmt was nicht". - "Schizophren"?
Nee, paßt nicht. Der Finanzbeamte forscht nicht methodisch, er exekutiert Gesetze. Er kann die Gesetze kritisieren, muss sie aber befolgen. Das ist was völlig anderes, als historisch zu forschen und die Ergebnisse "privat" zu verleugnen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Äh, eigentlich schon, mit einer gewissen Restunsicherheit, wie bei allen historischen Ereignissen mit dünner Quellenlage.
Bei rein sachlichen Ergebnissen stimme ich Dir doch sogar zu (meinetwegen: "Den Ort Bethlehem gab es zur Zeit Christi nicht" - oder so ähnlich) - aber doch nicht bei Schlussfolgerungen (meinetwegen: "Deshalb gibt es auch keine Jungfrauengeburt" - oder was auch immer).
Die Jungfrauengeburt wäre ein übernatürliches Zerreissen geschichtlicher Wirkungszusammenhänge, gem. Bultmann. Auch die Entstehung der Legende läßt vermuten, dass es sich um literarische Fiktion handelt, mehr nicht.


closs hat geschrieben: Es kann wahrscheinlich sein, dass Paulus zeitweise an die Naherwartung Jesu glaubte - das sagt nichts über die Wahrscheinlichkeit aus, dass Jesus selber eine Naherwartung hatte.
Das alleine nicht, aber es gibt ja eine Vielzahl von frühen Aussagen, die erst später von anderen relativiert wurden.
(ihr werden mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen...) ist so eine Aussage.
Die Naherwartung ist nun mal Konsens in der Forschung, wie auch Lindemann bestätigt.

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen


closs hat geschrieben: - Es kann sogar ein Hinweis darauf sein, dass es gerade deshalb UNwahrscheinlich ist, dass Jesus eine Naherwartung hatte, weil er einen ganz anderen Paradigmenwechsel im Sinn hatte.
Nein, er glaubt an das Gottesreich auf Erden (Königsherrschaft). Als Apokalyptiker sah er das Gottesreich als unmittelbar bevorstehend an, das war sein Paradigmenwechsel, deshalb mahnte er zur Umkehr. (ich bin gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel..)

closs hat geschrieben: - Ich fand es jedenfalls weit vor diesen Diskussionen hier vollkommen einleuchtend, dass Jesus etwas anderes sagte, als verstanden wurde - zumal er das selber mehrfach betont hat.
Auch das können persönliche Meinungen der Schreiber sein, um frühere Versionen zu verändern. Das naheliegendste ist doch: wenn ich merke, dass ich falsch verstanden wurde, kann ich dies korrigieren. Ist damit der "Sohn Gottes" schon überfordert? Du merkst, wie dein Argument sich verflüchtigt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Schöner kann man eine Lüge nicht rechtfertigen. Es ist eine rhetorische Frage.
EBEN: Es ist eine rhetorische Frage. - "Sollte man nicht meinen, dass eine Lüge entschuldigt ist, wenn sie einem höheren Zweck dient?"
Deshalb fragt er ja: warum bezichtigt man mich dann der Lüge?

Da müßte man jetzt weiter ausholen, vielleicht später. Die "Wahrheit" hat bei Paulus eine eigene Definition.

Die Wahrheit bei Paulus entzieht sich den semantischen, philosophischen, und juristischen Wahrheitsbegriffen. Er erfindet seine eigene "Wahrheit".
Quelle: glauben&wissen
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#294 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 31. Dez 2016, 16:55

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Entscheidend ist die Intention. Historische Jesusforschung will sich dem historischen Jesus nähern, der verschieden ist von den Beschreibungen der Evangelien.
Sie will sich dem historischen Jesus nähern mittels historisch-kritischer Forschung - das ist in Ordnung. - Nur: Was bleibt den dabei übrig, wenn man sich auf Sachaussagen beschränkt und NICHT darüber hinaus interpretiert?
Im Idealfall bleibt der historische Jesus übrig, ohne den ganzen Schnickschnack, dem man ihm posthum übergestülpt hat. Die Forschungergebnisse gehen in diese Richtung.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanonik, Fundmentaltheologie und Sytematik haben diesen Anspruch überhaupt nicht. Sie verfolgen andere Ziele. Kannst du dir denken, welche das sind?
Natürlich - sie haben andere Setzungen. - Sie setzen, dass Jesus göttlicher Natur ist, und versuchen, auf wissenschaftliches Weise gesamt-kanonische Zusammenhänge intersubjektiv nachvollziehbar zu machen.
Was ihr natürlich "gelingt", weil sie sich zirkelschlüssig auf die Kanonik beschräkt. Sie kann überhaupt nichts anderes herausfinden als das, was Kanoniker beabsichtigten.

closs hat geschrieben: Eben WEIL beide, HKM und Systematische Theologie/Kanonische Exegese so unterschiedlich sind, können sie sich gegenseitig nicht reinreden - WENN jeder bei seinen Leisten bleibt. - Genau das geschieht nicht - und deshalb gibt es Überschneidungen.
Systematische Theologie wird ja insofern übergriffig, als dass sie fordert/behauptet, der historische Jesus sei identisch mit dem der Evangelien. Dabei sind die Ergebnisse der Jesusforschung genau gegenteilig. Kanoniker können und wollen keine historische Jesusforschung betreiben, beanspruchen aber den Jesus der Evangelien als den historischen. Übergriffiger gehts gar nicht.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#295 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Pluto » Sa 31. Dez 2016, 17:28

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Kennst du eine objektivere Methode der Beurteilung?
Nein - da, wo es geht, ist es das Beste.
Wo willst Grenzen setzen? Wie begründest du diese?

closs hat geschrieben:Das Problem: Auf historisch-kritischer Basis kann man nur Historisch-Kritisches interpretieren. - Und das ist sehr wenig.
Das ist keine Antwort auf die rage, was denn eine Methode der Beurteilung sei.

closs hat geschrieben:Die meisten SChlussfolgerungen, die hier unter dem Vorwand historisch-kritischer Befugnis gezogen werden, sind nicht historisch-kritischer Natur.
Wer bestimmt das?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Jegliche Setzung ist unwissenschaftlich, weil sie etwas voraussetzt, was in der wissenschaftlichen Methode verboten ist.
Das kann unmöglich ergebnisoffen sein.
Hier liegt ein inzwischen traditioneller Denkfehler vor. - Man verwechselt universale Ergebnisoffenheit mit inner-methodischer Ergebnisoffenheit.
Das behauptest du immer wieder, ohne es begründen zu können.

Aber macht nix...
Das ist in diesem Fall ohnehin nicht relevant weil es hier um den Anspruch der Wissenschaftlichkeit seitens der Theologie geht.
Und das geht nur OHNE Setzung.

closs hat geschrieben:Universale Ergebnisoffenheit gibt es streng genommen überhaupt nicht für Wahrnehmung - am nächsten kommt ihr immerhin die Naturwissenschaft, die Behauptungen im Heute experimentell überprüfen kann. - Diese Möglichkeit fällt für jegliche Geisteswissenschaft weg - also auch bei der HKM.
Ganz im Gegenteil. Die meisten Geisteswissenschaften (Geschichte, Literaturforschung, usw.) anerkennen diese Empfehlung Poppers. Nur die Theologie will aus guten Gründen davon nichts wissen. Das Problem ist, sie (die Theologie) erhebt dennoch den Anspruch der Wissenschaftlichkeit.

  • Die Theologie hat die Wahl, ob sie den Weggen oder den Groschen will, aber Beides gibt es nicht.
Entweder sie hält sich an den Konsens dessen was Wissenschaft auszeichnet, oder nicht.
Falls nicht, so sollte sie den Anspruch nicht erheben, wissenschaftlich zu arbeiten. Dann kann sie machen was sie will, ist aber unwissenschaftlich.

closs hat geschrieben:Diese Ergebnisse jedoch können nur im Rahmen ihrer methodischen Anlage stattfinden - Ergebnisse außerhalb kann es nicht geben.
Bei wissenschaftlichen Ergebnissen stimme ich dir zu. Warum erhebt dann die kanonische Theologie den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit?
Wie gesagt, ein unlösbares Paradoxon.

closs hat geschrieben:Was ist WIssenschaft? - Der eine meint "Nur das, was weltanschaulich materialistisch fundiert ist" - der andere meint "Alles, was nach intersubjektiv nachvollziehbaren, kohärenten Kriterien dargestellt wird". - Wer soll entscheiden, wer recht hat?
Schaumermal was Wikipedia dazu meint:
  • Die Wissenschaft ist der Inbegriff der Gesamtheit menschlichen Wissens der Erkenntnisse und Erfahrungen einer Zeitepoche, welches systematisch gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und tradiert wird.
    Die Wissenschaft ist ein System der Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird.
    Die Wissenschaft ist auch die Gesamtheit von Erkenntnissen und Erfahrungen, die sich auf einen Gegenstandsbereich beziehen und in einem Begründungszusammenhang stehen.

Oder bereitest du dich wieder mal darauf vor, den Begriff als Polysem zu bezeichnen? :roll:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#296 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 31. Dez 2016, 17:34

sven23 hat geschrieben:Nein, höchstwahrscheinlich nicht.
"Wahrscheinlich" gemessen woran?

sven23 hat geschrieben: Closs hat herausgefunden, dass die Hitlertagebücher plumpe Fälschungen sind. Nach Feierabend sagt er: ich glaube aber trotzdem, dass alles stimmt, was drin steht.
Das wäre zu plump. - Nein - das Beispiel "Finanzamt" ist aus meiner Sicht näher: System-interne Wahrheit contra anders gelagerte eigene Auffassung.

sven23 hat geschrieben:Ich weiß, die meisten Esoteriker können nichts mit Wissenschaft anfangen. Dafür kann die Wissenschaft nichts.
Das ist dann die übliche Ausflucht. - Übersehen wird, dass es hier NICHT um das Anzweifeln objektiver Sachaussagen geht, sondern deren Reichweite für eine folgende Interpretation. - System-überschreitendes Nachdenken (= Aufklärung) mit "Esoterik" gleichzusetzen, ist unglücklich, vielleicht sogar verräterisch.

sven23 hat geschrieben:Gruppen Therapie ist keine medizinische Klassifikation.
Echt nicht? - Ein Arzt in den USA hat es mal gemacht: Einen multipersonalen Patienten unter "Gruppentherapie" abgerechnet - weil es dafür mehr Geld gab. - Flog aber auf.

sven23 hat geschrieben:Glaubst du ernsthaft, dass es einen Wissenschafszweig gibt, der auf den Heiligen Geist angewiesen ist?
Methodisch nicht. - Deshalb: Wissenschaftliche Ergebnisse gelten in den selbst-gewählten Grenzen.

sven23 hat geschrieben: Die Ethik Jesu war auf Kurzfristigkeit angelegt.
Das ist eine Behauptung, die unter einem besonderen Blickwinkel begründbar ist. - Unter anderem BLickwinkel ist sie falsch.

sven23 hat geschrieben: Sie war und ist in keinem Staat der Welt als praktikables Modell vorstellbar.
Stimmt - "mein Reich ist nicht von dieser Welt". - Mal nebenbei: Ist das Reich "Deiner" Wiederkunft von dieser Welt oder nicht?

sven23 hat geschrieben:Wäre es dabei geblieben, wäre das Christentum nie Weltreligion geworden.
Laut AT schon - siehe Gen. 18,18.

sven23 hat geschrieben:Paulus fälschte die Lehre in einem entscheidenen weiteren Punkt. In seiner Theologie reicht der Glaube. Bei Jesus gehörten auch die Werke und Taten dazu.
Kann man das so platt vereinfachen?

sven23 hat geschrieben:Man sollte sich auch nichts vormachen. Sooo groß waren die Reformationen nun auch nicht.
Vielleicht äußerlich nicht, aber innerlich. - Aber genau da scheint die HKM nicht ran zu kommen.

sven23 hat geschrieben:hier ist Ockham gefragt. Immer zuerst das naheliegendste annehmen.
Je nach weltanschaulicher Position ist Unterschiedliches naheliegend - dem MAterialisten sind andere Dinge näher als dem geistig-spirituell Denkenden - so kommen wir nicht weiter. - Davon abgesehen: "Ockham = platt" ist nicht befriedigend.

sven23 hat geschrieben:Glauben&Wissen
"Glauben & Wissen" scheint getragen zu sein von einer "Bright-Theologie", die versucht, in spät-aufklärerischen Mustern die Bibel zu verstehen. - Das kann ab und an gewinnen, muss aber nicht maßstäblich sein. - In anderen Worten: Wo steht hier ein überzeugender Hinweis, WARUM Wunder/Auferstehung NICHT historisch sind? - Etwas allein deshalb verwerfen, weil es ins heutige Mainstream-Denken nicht reinpasst, ist zu wenig.

sven23 hat geschrieben:Es gibt also kein Recht auf Sonderbehandlung von religiösen Schriften, wie manche das immer noch meinen.
Auf reiner Sachebene ist dies auch nicht nötig. - Wohl hat es Ratzinger gewollt, um die HKM interpretations-fähig zu machen, sie also aufzuwerten, aber es ist dann wirklich eine eierlegende Wollmilchsau. - Das muss nicht sein.

Insofern kann/muss die HKM die Bibel so untersuchen, als wäre sie "De Bello Gallico" oder sonstwas. - Aber eben nicht über den HKM-Rahmen hinaus mit Verbindlichkeits-Anspruch interpretieren - was offensichtlich ständig passiert. - Natürlich kann man sagen: "Wir schauen jetzt mal, was rauskommt, wenn wir die HKM-Muster in Interpretationen hinein hochrechnen" - aber man darf nicht glauben oder glauben machen, dies sei "die" Bibel-Exegese.

Denn das ist sie DESHALB nicht, weil "Auslegung" nun nicht nur historisch-kritische Auslegung, sondern auch substantielle Auslegung eines geistigen Textes ist. - Und letzteres geht ja nach Definition der säkular-interpretierenden HKM gar nicht. - Also was jetzt?

sven23 hat geschrieben:Das ist was völlig anderes, als historisch zu forschen und die Ergebnisse "privat" zu verleugnen.
Eigentlich nicht - ersetze "GEsetze" (= Setzung) durch "Methodik" (= Setzung").

Dazu kommt: Die reinen Sachergebnisse werden doch nicht geleugnet. Zwar weist man darauf hin, dass Wissenschaft immer nur Status Quo ist und sich jederzeit ändern kann, aber man zweifelt nicht an der Seriosität zustande gekommener historisch-kritischer Sachergebnissen.

Geleugnet werden INTERPRETATIONEN daraus "Wir schlussfolgern daraus, dass ...". - Natürlich wird der Satz "Das Reich Gottes ist nahe" nicht leugnen, zumal er auch Grundlage der christlichen Theologie ist. - Aber man wird ihn nicht im Automatismus säkular-denkender HKM-ler interpretieren, sondern heilsgeschichtlich - also ganz anders. - Diese Trennung auf Interpretationsebene hat nichts mit Verleugnung wissenschaftlicher SACH-ERgebnisse zu tun.

sven23 hat geschrieben:Die Jungfrauengeburt wäre ein übernatürliches Zerreissen geschichtlicher Wirkungszusammenhänge
Ja und? - Kann die Wirklichkeit etwas dafür, dass die HKM nur natürliche Wirkungszusammenhänge untersuchen kann?

sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ist nun mal Konsens in der Forschung
Sie ist (möglicherweise) Konsens in einer HKM, die ihre Sachergebnisse auf gleichem methodischem Strang in die Interpretationsebene fortführt. - Dort weht aber möglicherweise ein anderer Wind, der seitens der HKM nicht messbar ist. - Das ist ein methodisches Problem und kein Wirklichkeits-Problem.

sven23 hat geschrieben:Als Apokalyptiker sah er das Gottesreich als unmittelbar bevorstehend an, das war sein Paradigmenwechsel
Ein reiner Glaubenssatz, der gesamt-kanonisch (und übrigens auch beim unmittelbaren geistigen Lesen) nicht nachvollziehbar ist.

sven23 hat geschrieben:Nein, er glaubt an das Gottesreich auf Erden (Königsherrschaft).
Warum sagt er dann: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt"? - Schon wieder eine Fälschung?

sven23 hat geschrieben:Das naheliegendste ist doch: wenn ich merke, dass ich falsch verstanden wurde, kann ich dies korrigieren.
Das ist NICHT naheliegend. - Wenn Du Dreijährigen ein Buch in die Hand gibst, werden sie erst mal drin rum-malen - erst wenn sie lesen können, verstehen sie, was drin steht.

sven23 hat geschrieben:Deshalb fragt er ja: warum bezichtigt man mich dann der Lüge?
Ja - "Dächte ich so - warum könnte man mich dann der Lüge bezichtigen? Ich hätte doch mit meiner Lüge etwas Gutes getan". - Und dann kommt die Antwort: "Nee - so geht es nicht. - Wahrheit ist absolut. - Und wer uns erwischt, wenn wir solche Konstrukte wie 'Vögeln für Jungfräulichkeit' anbieten, verdammt uns zu recht.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#297 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 31. Dez 2016, 19:03

sven23 hat geschrieben:Im Idealfall bleibt der historische Jesus übrig
Du meinst wahrscheinlich den historisch-kritischen Jesus. - Denn der historische Jesus ist der, den es vor 2000 Jahren wirklich gab. - Der historisch-kritische Jesus ist der Jesus, den es methodisch vor 2000 Jahren gegeben haben könnte.

Deine Aussage ist somit alternativlos richtig.

sven23 hat geschrieben:Was ihr natürlich "gelingt", weil sie sich zirkelschlüssig auf die Kanonik beschräkt.
Dasselbe "gelingt" der HKM, wenn sie säkular-weltanschaulich alles ausschließt, was einen natürlichen historischen Kontext angeht. - Suum cuique.

sven23 hat geschrieben:Sie kann überhaupt nichts anderes herausfinden als das, was Kanoniker beabsichtigten.
Das stimmt nicht - innerhalb ihres Systems arbeiten sie wissenschaftlich.

sven23 hat geschrieben:Systematische Theologie wird ja insofern übergriffig, als dass sie fordert/behauptet, der historische Jesus sei identisch mit dem der Evangelien.
Ich weiß nicht mal, ob sie das wirklich tut. - Nach meinem Kenntnisstand behauptet sie, dass Jesu Auferstehung historischer Natur ist, etc. - Also Historizität in Punkten, die sowohl für das Christentum wichtig als auch nicht-falsifizierbar sind.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#298 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 31. Dez 2016, 19:30

Pluto hat geschrieben:Wo willst Grenzen setzen?
Wieso "ich"? - Die Grenzen werden gesetzt durch die Methodik selbst bzw. durch die Wissenschafts-Theorien.

Pluto hat geschrieben:Das ist keine Antwort auf die rage, was denn eine Methode der Beurteilung sei.
Die jeweilige Methodik selbst - zumindest sollte es so sein. - Das kann die historisch-kritische Methodik sein, die INNERHALB ihrer Methodik interpretiert - das kann die kanonische/hermeneutische Methodik sein, die dasselbe tut.

Pluto hat geschrieben:Wer bestimmt das?
Die MEthodik selbst und die Wissenschafts-Theorien.

Pluto hat geschrieben:Das behauptest du immer wieder, ohne es begründen zu können.
Schon x-mal nachgewiesen: Wissenschaft hat eine Methodik, die je nach Genre unterschiedlich sein kann, und ist innerhalb dieser Methodik ergebnisoffen - sollte es zumindest sein.

Pluto hat geschrieben:Das ist in diesem Fall ohnehin nicht relevant weil es hier um den Anspruch der Wissenschaftlichkeit seitens der Theologie geht.
Und das geht nur OHNE Setzung.
Das ist nachweislich falsch. - Der Kritische Rationalismus setzt, dass zur Beurteilung nur das herangezogen werden kann, was intersubjektiv nachweisbar ist. - Die HKM arbeitet nach den Regeln des Kritischen Rationalismus. - Also kann sie in der Theologie nur das berücksichtigen, was ihr intersubjektiv nachweisbar ist.

Im Umkehrschluss heisst dies, dass sie NICHT berücksichtigen kann, was NICHT intersubjektiv nachweisbar ist - wie bspw. Jungfrauengeburt, Auferstehung, Heilsgeschichte, etc. - Somit muss sie die Bibel ohne all diese Dinge auslegen - ohne Rücksicht darauf, ob die nicht-falsifizierbaren Parameter die entscheidenden sein könnten. - Man macht also "sein Ding" - was ausdrücklich ok ist - aber es ist nicht universal ergebnisoffen.

Pluto hat geschrieben:Die meisten Geisteswissenschaften (Geschichte, Literaturforschung, usw.) anerkennen diese Empfehlung Poppers.
Das stimmt so nicht. - Natürlich gibt es auch in den Geisteswissenschaften Bereiche, für die Popper hilfreich ist - übrigens AUCH in der Theologie. - So wird ein Doktorand zum Thema "Goethes Verhältnis zu Frauen, anhand seiner Briefe" oder zum Thema "Rezeption von Augustinus im Spanien des 15. Jh." streng nach popperschen Regeln gehen - denn das Ergebnis solcher wissenschaftlicher Arbeiten ist vollkommen offen. - Goethe könnte sich als Macho erweisen oder als Trantüte - Augustinus könnte eine große Rolle im Spanien des 15. Jh. spielen oder eine kleine.

Bei Fragestellungen dieser Art geht es also - es geht aber definitiv NICHT, wenn es um die Frage geht: "Was steht eigentlich geistig im 'Faust' oder in den Evangelien". - Genauso wenig wie ein Musikwissenschaftler die Frage beanworten kann, was die geistige Wucht eine wagnerischen 'Ring' oder einer Matthäuspassion ausmacht. Da kann man außenrum-untersuchen und auch was finden: Aber die Wucht einer geistigen Wirkung, egal ob bei Bibel, Shakespeare, Goethe, Bach oder Wagner, kann er als Wissenschaftler methodisch nicht greifen. - Genauso ist es auch bei der HKM.

Pluto hat geschrieben: Die Theologie hat die Wahl, ob sie den Weggen oder den Groschen will, aber Beides gibt es nicht. Entweder sie hält sich an den Konsens dessen was Wissenschaft auszeichnet, oder nicht.
Da ist wirklich was dran. - Insofern hätte ich nichts dagegen, wenn man "Deinen" Wissenschaftsbegriff übernähme und sagte: "Wissenschaft gibt es nur als Naturwissenschaft oder unter strengen Bedingungen in den Geisteswissenschaften".

Echt nix dagegen. - Dies heisst aber AUCH, dass Wissenschaft dann in allen Geisteswissenschaften lediglich eine Hilfsfunktion haben kann für die Hauptsache, die den eigentlichen Gehalt betrifft. - Dann ist HKM endgültig nichts anderes als ein Sachinformationen-Lieferant für die eigentliche Auslegung dessen, was da eigentlich in der Bibel steht.

Und jetzt lautet die Frage an die HKM: "Wollt Ihr den Weggen oder den Groschen? Beides geht nicht".

Pluto hat geschrieben:Warum erhebt dann die kanonische Theologie den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit?
Weil sie Untersuchungen INNERHALB ihres Systems wissenschaftlich betreibt. - Und auch insofern ergebnisoffen, dass sie bei Fragen wie "Welche Rolle spielt das Motiv x im Gesamt-Kanon?" die Antwort selber nicht kennt.

Pluto hat geschrieben:Oder bereitest du dich wieder mal darauf vor, den Begriff als Polysem zu bezeichnen?
Da braucht es mich nicht. - Du kennst sicherlich auch den wik-Satz dazu:
"Als Wissen wird üblicherweise ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von Fakten, Theorien und Regeln verstanden, die sich durch den größtmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird. Paradoxerweise können daher als Wissen deklarierte Sachverhalts­beschreibungen wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein".

Ist das die Wissens-Definition Poppers? - Oder würde Popper von einem Polysem sprechen? ;) - Spaß beiseite: "Polysem" ist kein Kampfbegriff, sondern Alltag.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#299 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » So 1. Jan 2017, 05:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, höchstwahrscheinlich nicht.
"Wahrscheinlich" gemessen woran?
Ganz einfach - an der Realität.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ein allmächtiges personales Geistwesen das unendliche Universum mit seinen Milliarden auseinanderstrebender Galaxien erschaffen hat. Noch unwahrscheinlicher ist es, dass diese Wesenheit einen "einziggezeug-
ten Sohn" hat. Und noch viel viel unwahrscheinlicher ist es, dass dieser "Sohn" einen qualvollen blutigen Tod sterben musste,
um die pöhse pöhse sündige Menschheit mit dem Schöpfer "zu versöhnen".


Dass ich als Atheist über solche mythologisch-märchenhaften Vorstellungen nur schmunzeln kann, sollte mir auch der ärgste Gläubige nicht verdenken.

="closs"
sven23 hat geschrieben:Ich weiß, die meisten Esoteriker können nichts mit Wissenschaft anfangen. Dafür kann die Wissenschaft nichts.
Das ist dann die übliche Ausflucht.
Das ist selbstverständlich keine Ausflucht, sondern eine simple Tatsache.

Übersehen wird, dass es hier NICHT um das Anzweifeln objektiver Sachaussagen geht, sondern deren Reichweite für eine folgende Interpretation. - System-überschreitendes Nachdenken (= Aufklärung) mit "Esoterik" gleichzusetzen, ist unglücklich, vielleicht sogar verräterisch.
Warum wechselst Du eigentlich immer flugs in den Schwurbel- und Labermodus, wenn Dir die Argumente fehlen? Verstehst Du eigentlich selbst, was Du da schreibst?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Glaubst du ernsthaft, dass es einen Wissenschafszweig gibt, der auf den Heiligen Geist angewiesen ist?
Methodisch nicht.
Auch nicht außer- und übermethodisch. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Ethik Jesu war auf Kurzfristigkeit angelegt.
Das ist eine Behauptung, die unter einem besonderen Blickwinkel begründbar ist. - Unter anderem BLickwinkel ist sie falsch.
Nach dem Motto: Ich wechsle die Perspektive solange, bis ich einen Blickwinkel gefunden habe, der meinen Vorstellungen entspricht. Sehr schwach und unsauber - aber so geht es natürlich auch... widdewiddewitt..

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#300 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » So 1. Jan 2017, 07:22

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Jungfrauengeburt wäre ein übernatürliches Zerreissen geschichtlicher Wirkungszusammenhänge
Ja und? - Kann die Wirklichkeit etwas dafür, dass die HKM nur natürliche Wirkungszusammenhänge untersuchen kann?
Die Historie ist die Wirklichkeit. Und die "freut" sich, dass die historisch-kritische Forschung ihr so nahe wie möglich zu kommen versucht. Von frommen, dogmatisch verkleisterten Wunschvorstellungen wendet sich dagegen die Wirklichkeit mit Grausen ab. Nimm mal deine Glaubensbrille ab und sieh es mal so. Nur so kommst Du weiter. :)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ist nun mal Konsens in der Forschung
Sie ist (möglicherweise) Konsens in einer HKM, die ihre Sachergebnisse auf gleichem methodischem Strang in die Interpretationsebene fortführt.
Dass dieser Konsens besteht, besagt eigentlich alles. Ein Konsens innerhalb der exegetischen Zunft ist nämlich alles andere als selbstverständlich. Und was machst Du als Laie? Du rennst in einer Tour um den Baum, guckst zornig nach oben und kläffst trot-
zig-kindisch den Mond an und ärgerst Dich maßlos, dass er auf Dein Gekläffe nicht reagiert, sondern unbeirrt weiterzieht.

Gesperrt