Alles Teufelszeug? V

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sven23
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#171 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 23. Dez 2016, 17:56

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gerade in meinem Verständnis, das sich mit der Forschung deckt.
Wie Du siehst, gibt es hier sehr unterschiedliche Auffassungen, die dazu führen, dass der eine den anderen als "unredlich" und der andere den einen als "Antichrist" bezeichet.

Aufgeklärter als der jeweils zu sein, beanspruchen beide für sich. - Ein klassischer Kulturkampf.
Zumindest ist er auf wissenschaftlicher Ebene längst entschieden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Als Freund von Platon solltest du wissen, dass schon er davor warnte, Mythen wörtlich zu nehmen.
Da hatte er vollkommen recht.
Trotzdem hat die Kirche aus Mythen und Legenden historische Geschehnisse gemacht. Das ist das Gegenteil von Platons Warnung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Evangelien sind nicht wörtlich zu nehmen, sagt er; wie soll man stoffliche Körper wieder zusammensetzen, deren sämtliche Bestandteile längst in andere Körper eingegangen sind?
Es geht ja nicht darum, stoffliche Körper wieder zusammenzusetzen - das wäre ein klassisches Beispiel für geistiges Halbzeug. - Die RK spricht deshalb von "Geistleib", also unfleischlichen Leib.
Ein Geistleib ist genau so ein Halbzeug. Kein Mensch weiß, was das sein soll. :roll:
Zudem hast du wieder nur die Hälfe zititiert. Der Kirchenvater Origenes sagt nämlich auch noch:

"Er glaubt nicht an das Weiterleben der Einzelseele oder des Ich, er glaubt nicht, dass das Heil in so etwas wie Fortdauer des Ich besteht - das wäre für ihn sogar die Hölle. Er glaubte nicht einmal an die Auferstehung des Leibes. Die Evangelien sind nicht wörtlich zu nehmen,.."


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die biblischen Mythen wurden zu historischen Geschehnissen erlärt und in Dogmen einbetoniert.
Auch hier: Setzen, 6. - Die Tatsache, dass man Dinge, die man aus eigener Weltanschauung nicht erklären kann, zu Mythen erklärt, sagt doch nichts darüber aus, ob sie stattgefunden haben oder nicht. - Wie war das mit Zirkelschluss? ;)
Z. B. ist die Auferstehung ein Mythos, wie in vielen anderen Religionen und Kulten auch. Nur was dort abgelehnt wird, soll hier eine historische Wahrheit sein. :roll:
Wie ich schon an anderer Stelle schrieb, hält der Anthropologe Carel van Schaik die Kanonisierung der Bibel für den eigentlichen Sündenfall der Kirche, weil von da an die religiösen Texte zu "Heiligen Schriften" mit absolutem Wahrheitsanspruch galten. Von da an nahm das Verhängnis seinen Lauf.


" Er (Paulus) hat nicht an uns und für uns Heutige geschrieben. Er hat in pharisäischer Tradition und jüdisch - apokalyptischem Denken mit der Wiederkunft des Christus und dem Ende dieser Welt noch zu seinen Lebzeiten gerechnet (1.Thess 4, 15 und 17; 1.Kor 15, 51). Er hat also mit Nachfolgegenerationen überhaupt nichts im Sinn gehabt! Sein Messiasglaube ist Zeichen der Denkweise seiner Zeit und Kultur in Korrelation mit einem damals noch sehr begrenzten und ins Mythologische verweisenden Weltbild. Dass er der Chefideologe der Kirchen wurde, dafür kann er nichts. Möge er in Frieden ruhen.
Zum Ideologen gemacht haben ihn die christlichen Kirchen, die sich nun in der einzigartigen Situation befanden, dass sowohl der Namensgeber der neuen Religion, Jesus Christus, als auch der Verbreiter des jüdischen Zweiges jener Religion, welche man dann später "christlich" nannte, nämlich Paulus, einer anderen, der jüdischen Religion angehörten!
Die Frühkirche allerdings funktionierte die Briefe des Paulus zum „Wort Gottes“ um und zementierte sie im Kanon des Neuen Testamentes als ewige Wahrheiten fest, als Grundlage für den neuen christlichen und als Abgrenzung zum jüdischen Glauben. Seither drehen die Kirchen sich in einem Circulus vitiosus ständig um die eigene Achse und kehren nach mannigfaltigen Flucht- und Ausbruchsversuchen immer wieder zum Wortsinn der Schriften zurück."

Quelle: Glauben&Wissen

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich höre, dass er die "monströsen und lächerlichen" Gottesbilder der Bibel kritisiert
Ich lese, dass es "monströs und lächerlich" wäre, wenn man die Bibel so verstehen würde.
Um genau zu sein, hat er Bibel und Kirche kritisiert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gerade sie werden dadurch in Frage gestellt. Man kann sich nicht ständig damit herausreden, alles sei 2000 Jahre lang mißverstanden worden. Die Botschaft selber hat ihre Macken.
Die Botschaft wurde zu jeder Zeit verstanden, hat sich aber nie durchgesetzt - sehr oft auch nicht innerkirchlich durchgesetzt.
Sie konnte sich nie durchsetzen, weil die Ethik nur für kurze Zeit ausgelegt war. (Interimsethik) Besitzlosgkeit und planlos durch die Gegend wandern (Wanderradikalismus) ist eine zeitlang ganz schön, kann aber kein Vorbild für irgendeine Gesellschaft oder Staat sein. Deshalb konnte sie sich nie durchsetzen.

closs hat geschrieben: Wer das Buch "Hiob" nicht versteht, versteht auch die NT-Botschaft nicht. Und DIE Aufklärung, die anthropozentrisch geprägt ist, kann es eh nicht, weil sie selbst-erfüllend ist. - Diesen Konflikt zwischen anthropozentrisch und theozentrisch wird es immer "in der Weltzeit" geben, weil dies genau das Kernmotiv des sog. "Sündenfalls" ist.
Um es pointiert zu sagen: Wer das nicht erkennt, kann trotz aller wissenschaftlicher Finesse die Bibel substantiell nicht verstehen.

Verstanden haben die Bibel schon ganz andere geistige Köpfe. Gerade deshalb sehen sie sie kritisch.
Bultmann fordert sogar eine anthropozentrische Exegese.
"...der Mythos will nicht kosmologisch, sondern anthropologisch – besser: existential interpretiert werden."

"Glaube heißt: das Auge ein für allemal vor sich schließen, um nicht am Aspekt unheilbarer Falschheit zu leiden. Man macht bei sich eine Moral, eine Tugend, eine Heiligkeit aus dieser fehlerhaften Optik zu allen Dingen, man knüpft das gute Gewissen an das falsch Sehen, - man fordert, dass keine andre Art Optik mehr Wert haben dürfe, nachdem man die eigne mit den Namen "Gott", "Erlösung", "Ewigkeit" sakrosankt gemacht hat".
(Friedrich Nietzsche, Philosoph)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#172 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 23. Dez 2016, 18:10

sven23 hat geschrieben:Zumindest ist er auf wissenschaftlicher Ebene längst entschieden.
Auf theologischer Ebene eben auch - da stehen zwei Arten der Aufklärung gegenüber.

sven23 hat geschrieben:"Er glaubt nicht an das Weiterleben der Einzelseele oder des Ich"
Sorry - wen meint da Origines?

sven23 hat geschrieben:Trotzdem hat die Kirche aus Mythen und Legenden historische Geschehnisse gemacht. Das ist das Gegenteil von Platons Warnung.
Da meint Platon den griechischen Götterglauben - er meint, dass Zeus nie historische Person war - zurecht, wie ich meine. - Aber es kann doch auch umgekehrt sein - Jesus ist historische Person. - Hältst Du es nicht für möglich, dass der Säkularismus aus Historie Mythen macht, weil sie mit dieser Art von Historie nicht zurecht kommen?

sven23 hat geschrieben:Z. B. ist die Auferstehung ein Mythos
Wie kommst Du darauf? Es kann doch auch historisch so gewesen sein. - Weltanschaulich mag man das glauben, aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht.

sven23 hat geschrieben:Wie ich schon an anderer Stelle schrieb, hält der Anthropologe Carel van Schaik die Kanonisierung der Bibel für den eigentlichen Sündenfall der Kirche
Schaik ist Naturwissenschaftler - sein System lässt keine andere Lösung zu. - Warum wagt er sich überhaupt in geistige Gefilde?

sven23 hat geschrieben:Sie konnte sich nie durchsetzen, weil die Ethik nur für kurze Zeit ausgelegt war.
Diese Begründung ist extrem falsch.

sven23 hat geschrieben:Bultmann fordert sogar eine anthropozentrische Exegese."...der Mythos will nicht kosmologisch, sondern anthropologisch – besser: existential interpretiert werden."
Damit hat er sich jetzt aber geoutet - mich wundert jetzt nichts mehr. - Aber das bestätigt einmal mehr die Kluft zwischen vor-hiobscher und hiobscher Exegese.

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#173 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Pluto » Fr 23. Dez 2016, 19:58

closs hat geschrieben:Hältst Du es nicht für möglich, dass der Säkularismus aus Historie Mythen macht, weil sie mit dieser Art von Historie nicht zurecht kommen?
Hältst DU es für möglich, dass alles was jenseits der Historie über Jesus erzählt wird, nichts weiter ist als eine Legende?

closs hat geschrieben:Es kann doch auch historisch so gewesen sein.
"Kann" ist das entscheidende Wort; muss aber nicht.

closs hat geschrieben:Schaik ist Naturwissenschaftler - sein System lässt keine andere Lösung zu.
Welche ist denn die RICHTIGE Lösung?

closs hat geschrieben:Warum wagt er sich überhaupt in geistige Gefilde?
Warum sollte er es nicht tun? Wer will ihm das verbieten?

closs hat geschrieben:Damit hat er sich jetzt aber geoutet - mich wundert jetzt nichts mehr.
Ist es nicht ziemich aienhafte Anmaßung, so was über einen der größten Theologen unserer Zeit zu behaupten?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#174 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 23. Dez 2016, 20:16

Pluto hat geschrieben:Hältst DU es für möglich, dass alles was jenseits der Historie über Jesus erzählt wird, nichts weiter ist als eine Legende?
Prinzipiell ist es möglich, da wir weder das eine noch das andere wissen.

Pluto hat geschrieben:"Kann" ist das entscheidende Wort; muss aber nicht.
Korrekt.

Pluto hat geschrieben:Welche ist denn die RICHTIGE Lösung?
Weltanschauungs-Sache. - Aus seiner Sicht erbringt seine Perspektive die richtige Lösung.

Weil das immer so ist, macht es eigentlich keinen Sinn zu streiten - viel wichtiger ist, dass eine angebotene Lösung im Rahmen ihrer Perspektive plausibel ist. - Damit hat ein Wissenschaftler in aller Regel keine Probleme. - Aber ein Theologie/spiritueller Mensch halt ebenfalls nicht.

Wichtig ist unser Bewusstsein, dass wir nicht per (Schein-/System-) Wissen festlegen können, was der Fall ist, sondern dass wir es aufgrund unserer Perspektive lediglich glauben können (das meint Ratzinger mit "Glaubensentscheidung").

Pluto hat geschrieben:Warum sollte er es nicht tun? Wer will ihm das verbieten?
Niemand - meine Frage war, warum er es überhaupt macht. - Und vor alle: Warum erlaubt er sich ein "straffes" Urteil, das er aus seiner Wissenschafts-Disziplin gar nicht fällen kann?

Pluto hat geschrieben:Ist es nicht ziemich aienhafte Anmaßung, so was über einen der größten Theologen unserer Zeit zu behaupten?
Die Laienhaftigkeit besteht allenfalls darin, nicht genau nachprüfen zu können, wann und in welchem Kontext er es gesagt hat. - WENN solche Sätze wirklich für ihn charakteristisch stehen, gibt es in der Tat ein Problem.

Denn egal, ob er einer der größten Theologen unserer Zeit ist (er ist gewiss ein SChutzheiliger der säkularen Theologie - aber "groß"?) oder nicht: Er zieht der Bibel mit seiner Perspektive sämtliche Zähne und reduziert sie auf "ein Buch", das man sicherlich höchst professionell wissenschaftlich untersuchen kann. - Mir ist es jedoch ein Rätsel, wie man die Bibel aus dieser Perspektive von INNEN verstehen kann - eigentlich ist es nicht möglich.

Letztlich ist die Frage: Was ist eigentlich "Theologie"? - Eine geistige "Veranstaltung" zum Sinn und Zweck des Gesagten oder ein religions-wissenschaftliches Objekt ohne inneren Zugang?

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sven23
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#175 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 23. Dez 2016, 20:27

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Er glaubt nicht an das Weiterleben der Einzelseele oder des Ich"
Sorry - wen meint da Origines?
"Er" ist Origenes.
"Ganz unverblümt verhöhnt Origenes alle wörtlich genommenen Mythen. Er spricht mit Verachtung von jenen Christen, die die Versprechungen und Drohungen des Alten Testaments wörtlich nehmen. Er glaubt nicht an das Weiterleben der Einzelseele oder des Ich, er glaubt nicht, dass das Heil in so etwas wie Fortdauer des Ich besteht - das wäre sogar die Hölle. Erlösung liegt für Origenes vielmehr in der Entdeckung, dass Gott alles in allem ist - kurz, er war von ganz und gar neuplatonischer Ausrichtung. Er glaubte nicht einmal an die Auferstehung des Leibes. "Kaum vermag er seine Ungehaltenheit zu zügeln angesichts der grobschlächtigen Anschauungen der Traditionalisten über den Jüngsten Tag und die Auferstehung der Toten: "Die Evangelien sind nicht wörtlich zu nehmen."
Quelle: Glauben und Wissen

Origenes bemühte sich um eine gesicherte Methode der Bibelauslegung (allegorische Auslegung)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Trotzdem hat die Kirche aus Mythen und Legenden historische Geschehnisse gemacht. Das ist das Gegenteil von Platons Warnung.
Da meint Platon den griechischen Götterglauben - er meint, dass Zeus nie historische Person war - zurecht, wie ich meine. - Aber es kann doch auch umgekehrt sein - Jesus ist historische Person. - Hältst Du es nicht für möglich, dass der Säkularismus aus Historie Mythen macht, weil sie mit dieser Art von Historie nicht zurecht kommen?
Wer außer den Gläubigen dieser Religion kommt damit schon zurecht?
Es gibt kein exclusives Sonderrecht für die christlichen Mythologien. Sie sind genau so wahrscheinlich oder unwahrscheinlich wie alle anderen Mythen und Legenden.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Z. B. ist die Auferstehung ein Mythos
Wie kommst Du darauf? Es kann doch auch historisch so gewesen sein. - Weltanschaulich mag man das glauben, aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht.
Die Wahrscheinlichkeit ist praktisch gleich null.
"Die historische Methode schließt die Voraussetzung ein, daß die Geschichte eine Einheit ist im Sinne eines geschlossenen Wirkungs-Zusammenhangs, in dem die einzelnen Ereignisse durch die Folge von Ursache und Wirkung verknüpft sind. … Diese Geschlossenheit bedeutet, daß der Zusammenhang des geschichtlichen Geschehens nicht durch das Eingreifen übernatürlicher, jenseitiger Mächte zerrissen werden kann, dass es also kein 'Wunder' in diesem Sinne gibt. …"
Vorstehendes gilt so lange bis zum Beweis des Gegenteils.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie ich schon an anderer Stelle schrieb, hält der Anthropologe Carel van Schaik die Kanonisierung der Bibel für den eigentlichen Sündenfall der Kirche
Schaik ist Naturwissenschaftler - sein System lässt keine andere Lösung zu. - Warum wagt er sich überhaupt in geistige Gefilde?
Das ist eben der große Irrtum. Es gibt keinen Alleinvertretungsanspruch durch Glaubensdogmatiker. Die Bibel kann aus verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln analysiert werden. Und die Befundlage ist durchaus nachvollziehbar. Mit der Kanonisierung wurde den Schriften quasi göttlicher Charakter zugeschrieben. Von da an begann die Verfogung derer, die den Kanon ablehnten. Die Unheilsgeschichte nahm ihren Lauf.
Schaik sieht die Bibel übrigens durchaus positiv bevor sie kanonisiert wurde. Er bezeichnet sie als "Tagebuch der Menschheit".

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie konnte sich nie durchsetzen, weil die Ethik nur für kurze Zeit ausgelegt war.
Diese Begründung ist extrem falsch.
Die Interimsethik ist seit Albert Schweizter Konsens, basierend auf der Naherwartung, die wiederum seit Strauss Konsens in der Forschung ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Bultmann fordert sogar eine anthropozentrische Exegese."...der Mythos will nicht kosmologisch, sondern anthropologisch – besser: existential interpretiert werden."
Damit hat er sich jetzt aber geoutet - mich wundert jetzt nichts mehr. - Aber das bestätigt einmal mehr die Kluft zwischen vor-hiobscher und hiobscher Exegese.
Es gibt keine vor-hiobsche Exegese. Es gibt Texte, die von Menschen für Menschen geschrieben wurden und die von Menschen interpretiert werden. "Heilige Schriften", von Gott angeblich inspiriert, führen zu all den Problemen, die man historisch mit Religonen mit absolutem Wahrheitsanspruch hatte und immer noch hat.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#176 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Pluto » Fr 23. Dez 2016, 20:34

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Welche ist denn die RICHTIGE Lösung?
Weltanschauungs-Sache. - Aus seiner Sicht erbringt seine Perspektive die richtige Lösung.
Nein. Die Realität ist NICHT eine Frage der Anschauung. Es kann nur eine richtige Antworte geben.

closs hat geschrieben:Weil das immer so ist, macht es eigentlich keinen Sinn zu streiten - viel wichtiger ist, dass eine angebotene Lösung im Rahmen ihrer Perspektive plausibel ist.
Ja. Aber die angebotene spirituelle Lösung ist eben nicht plausibel.

closs hat geschrieben:Wichtig ist unser Bewusstsein, dass wir nicht per (Schein-/System-) Wissen festlegen können, was der Fall ist, sondern dass wir es aufgrund unserer Perspektive lediglich glauben können (das meint Ratzinger mit "Glaubensentscheidung").
Steht Glaube über Erkenntnis?
Kann es sein, dass spirituelles Systemwissen nur Vermutung ist?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Warum sollte er es nicht tun? Wer will ihm das verbieten?
Niemand
Na also...
closs hat geschrieben:meine Frage war, warum er es überhaupt macht.
Aber impliziert wurde, er darf das nicht.

closs hat geschrieben:Und vor allem: Warum erlaubt er sich ein "straffes" Urteil, das er aus seiner Wissenschafts-Disziplin gar nicht fällen kann?
Schon wieder so eine Suggestivfrage!
Wieso kann er kein Urteil fällen? Du fällst ja ebenfalls andauernd Urteile.

closs hat geschrieben:Denn egal, ob er einer der größten Theologen unserer Zeit ist (er ist gewiss ein SChutzheiliger der säkularen Theologie - aber "groß"?) oder nicht: Er zieht der Bibel mit seiner Perspektive sämtliche Zähne und reduziert sie auf "ein Buch", das man sicherlich höchst professionell wissenschaftlich untersuchen kann.
Bultmann hat seine Meinung begründet. Was war denn an seiner Argumentation so falsch?

closs hat geschrieben:Mir ist es jedoch ein Rätsel, wie man die Bibel aus dieser Perspektive von INNEN verstehen kann - eigentlich ist es nicht möglich.
Mir ist es ein Rätsel, wie man die Legenden eines einfachen Hirtenvolkes des östlichen Mittelmeers als Wahrheit in unserer modernen Welt hinstellen kann.

closs hat geschrieben:Letztlich ist die Frage: Was ist eigentlich "Theologie"? - Eine geistige "Veranstaltung" zum Sinn und Zweck des Gesagten oder ein religions-wissenschaftliches Objekt ohne inneren Zugang?
Wenn du so fragst, ist Theologie ganz klar eine geistige Veranstaltung.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#177 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » Fr 23. Dez 2016, 21:33

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der säkulare Sandkasten ist der wissenschaftliche und damit genau der richtige.
Du hast nach wie vor nicht kapiert, dass ich Dir da zustimme
Ist Dein Kurzzeitgedächtnis aus den Fugen? Auf meine Feststellung, keinen Exegeten dränge es in den dogmatischen Glaubenssandkasten, kam Dein Einwand: "ABER in den säkularen." Das war doch keine Zustimmung. Und weiterhin sagtest Du, der "säkulare Glaube" habe in der historisch-kritischen Exegese nichts zu suchen. Alles schon vergessen?

closs hat geschrieben:a) Entweder man definiert Wissenschaft so wie Du: Dann muss man seine Interpretationen auf reine Sachaussagen beschränken.
Die Wissenschaft definiert sich selbst - die braucht mich nicht. Dass ich nicht an die Existenz transzendenter personaler allmächtiger Wesenheiten glaube, hat doch mit Wissenschaft überhaupt nichts zu tun, sondern mit Vernunft und gesundem Menschenverstand.

closs hat geschrieben:b) Oder man definiert Wissenschaft wie ich: Dann kann man die Bibel auch ins Geistige hinein interpretieren.
Deine persönliche Definition des Begriffs Wissenschaft kannst Du getrost in Deiner subjektiven Pfeife rauchen. Und Deine "geistig-eisegetischen Interpretationen" von Bibeltexten sind eher ein abschreckendes Beispiel dafür, wie man seriöse Textauslegung gera-
de NICHT betreiben sollte.


closs hat geschrieben:Das Problem: Du stehst für diejenigen, die a) beanspruchen, aber b) tun.
Blödsinn. Du hast Dich voll verrannt. Deine Probleme sind hausgemacht. Andere und ich haben diese Pseudo-Probleme nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du hast diese Selbstverständlichkeit doch oben mittlerweile selbst eingeräumt. Jetzt ruderst Du wieder zurück.
Du hast nicht verstanden, dass es um (s.o.) a) und b) geht.
Ich habe sehr gut verstanden. Entweder hat Dein Kurzzeitgedächtnis wieder ausgesetzt oder Du willst Dich einfach mal wieder rausreden.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Bei der Interpretation biblischer Texte hat ein Gläubiger einem bibelkundigen Atheisten nichts voraus.
Doch: Denn ein Wissenschaftler unter der Flagge "Es gibt Gott" kann die Bibel nicht nur sachlich-technisch, sondern auch spirituell interpretieren.
Ich rede nicht von einem Wissenschaftler, sondern von einem bibelkundigen Atheisten. Ich behauptete, dass dieser ohne verzerrende Glaubensbrille die biblischen Texte wesentlich schärfer und klarer sieht als ein voreingenommener Gläubiger, der sich überdies nicht scheut, biblische Texte um des Glaubens willen eisegetisch zu interpretieren (Selbstbetrug, Unredlichkeit).

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:ersuch, mit einer Frage von Deiner lügnerischen Unterstellung abzulenken
Diese Frage dient dem Zweck zu zeigen, dass man meine Aussage korrekt ist.
Korrekt? Du nervst - wieso stehst Du nicht zu Deinem groben Fehltritt?

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#178 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 23. Dez 2016, 21:56

sven23 hat geschrieben:Origenes bemühte sich um eine gesicherte Methode der Bibelauslegung
"Gesichert" ist wohl nicht das richtige Wort - aber interessant ist sein Ansatz schon. - Denn bei ihm scheint die göttliche Wahrheit unabhängig von der Darreichungs-Form im Mittelpunkt zu stehen. - Ob die Realität ihm recht gibt, wissen wir nicht.

sven23 hat geschrieben:Sie sind genau so wahrscheinlich oder unwahrscheinlich wie alle anderen Mythen und Legenden.
Erst muss klar sein, was Mythos ist und was sich wirklich historisch zugetragen hat - da kann die HKM vieles dazu beitragen, aber bei Nicht-Falsifizierbarem muss auch sie passen.

sven23 hat geschrieben:Vorstehendes gilt so lange bis zum Beweis des Gegenteils.
Eine nicht-falsifizierbare Setzung gilt also bis zum Beweis des Gegenteils - so weit würde nicht mal Ratzinger gehen.

sven23 hat geschrieben:Die Bibel kann aus verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln analysiert werden.
Ja, natürlich. - Deshalb sprach ich nicht von "Bibel-Gefilden", sondern von "geistigen Gefilden".

Wir sind uns einig, dass man die Bibel auch aus anthropologischer Sicht analysieren kann - genauso wie man es aus feministischer Sicht tun kann. - Geht alles.

sven23 hat geschrieben:Die Interimsethik ist seit Albert Schweizter Konsens, basierend auf der Naherwartung, die wiederum seit Strauss Konsens in der Forschung ist.
Und so jagt der eine Irrtum den nächsten. - Wie auch immer: Du musst Dein aufrechtes Häuflein schon klein halten, um die Konsens-Hypothese zu erhalten. - In der allgemeinen kirchlichen Theologie ist dieser Konsens nicht bekannt.

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#179 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 23. Dez 2016, 22:05

Pluto hat geschrieben:Nein. Die Realität ist NICHT eine Frage der Anschauung.
Das ist insofern punktgenau richtig, dass sie sich nicht um unsere Wahrnehmung kümmert. - Aber bei Dir blitzt ein naturwissenschaftliches Denken durch, das in geisteswissenschaftlichen Disziplinen nicht funktioniert. - Recht hast Du bei rein technischen Sachaussagen (ein erfundenes Beispiel: "Die Geburtskirche Jesu wurde laut physikalischer Methoden erst im 7. Jh. gebaut, kann also nicht der Ort sein, an dem Jesus geboren wurde"). - Aber bei geistigen Fragen (bspw. "Auferstehung") nützt Deine bevorzugte Methode nichts.

Pluto hat geschrieben:Aber die angebotene spirituelle Lösung ist eben nicht plausibel.
Aus weltanschaulicher Sicht, aber doch nicht absolut gesehen.

Pluto hat geschrieben:Steht Glaube über Erkenntnis?
Glaube fängt da an, wo es intersubjektiv nachweisbare Erkenntnis aufhört.

Pluto hat geschrieben:Wieso kann er kein Urteil fällen? Du fällst ja ebenfalls andauernd Urteile.
Er darf es privat genauso.

Pluto hat geschrieben:Bultmann hat seine Meinung begründet. Was war denn an seiner Argumentation so falsch?
Dass er ein materialistisches/naturalistisches Weltbild voraussetzt. - Experimentell kann man das tun ("Was wäre, wenn ..."), aber weltanschaulich geht es innerhalb der Theologie nicht. - Das ist ein Oxymoron. - Vermutlich sprach er in einer Zeit, in der man euphorische Erwartungen an diesen neuen Weg hatte.

Pluto hat geschrieben:Mir ist es ein Rätsel, wie man die Legenden eines einfachen Hirtenvolkes des östlichen Mittelmeers als Wahrheit in unserer modernen Welt hinstellen kann.
So formuliert stimme ich Dir zu.

Pluto hat geschrieben:Wenn du so fragst, ist Theologie ganz klar eine geistige Veranstaltung.
Darüber würde sich Ratzinger freuen.

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#180 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 23. Dez 2016, 22:13

Münek hat geschrieben:Das war doch keine Zustimmung.
Es war eine Zustimmung zu Deinem Satzes "Der säkulare Sandkasten ist der wissenschaftliche", weil ich weiss, wie Du "wissenschaftlich" definierst - in Deinem Sinn hast Du damit recht.

Münek hat geschrieben:Dass ich nicht an die Existenz transzendenter personaler allmächtiger Wesenheiten glaube, hat doch mit Wissenschaft überhaupt nichts zu tun, sondern mit Vernunft und gesundem Menschenverstand.
Falsch - aus meiner Sicht ist alles "vernünftig", was der Fall ist bzw. was als der Falöl seiend gut begründet werden kann. - Du schiebst schon wieder Weltanschauliches vor.

Münek hat geschrieben:Deine persönliche Definition des Begriffs Wissenschaft kannst Du getrost in Deiner subjektiven Pfeife rauchen.
Wenn das alle tun sollen, werden zukünftig die theologischen Institute verqualmen. - Im Ernst: Meinst Du wirklich, dass sich der von Dir vertretene Wissenschafts-Begriff durchsetzen wird? - Er ist laut Hoyingen-Hüne längst überholt (ca. seit 30 Jahren).

Münek hat geschrieben:Ich behauptete, dass dieser ohne verzerrende Glaubensbrille die biblischen Texte wesentlich schärfer und klarer sieht als ein voreingenommener Gläubiger
Das kann durchaus auch passieren - aber ihm fehlt die spirituelle Tiefe. - Konkret: Wie will ein Materialist/anthropozentrischer Aufklärer das Buch "Hiob" in seiner Substanz verstehen?

Münek hat geschrieben: wieso stehst Du nicht zu Deinem groben Fehltritt?
Weil meine Aussage korrekt war. - Ratzinger sieht es anders, also Du ihm unterstellst

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