Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
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fin
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#1011 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Mo 14. Nov 2016, 07:54

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Was meinst Du dazu?
Ich finde es super, wie die Naturwissenschaft die körperlichen Phänomene des Denkens erforscht - und sogar bildgebend.

closs :D

Bild
http://www.appgefahren.de/app/uploads/2 ... leimer.jpg
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#1012 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Mo 14. Nov 2016, 08:08

-- Denkaufgaben --

find hat geschrieben:Man schaut dem Hirn nicht beim Denken zu - sondern man beobachtet Aktivitäten des Gehirns, während der Mensch denkt - so ist es richtig!

JackSparrow hat geschrieben:Man beobachtet Aktivitäten des Gehirns, während der Mensch der Meinung ist, er würde gerade denken. Es besteht eine Korrelation zwischen dem Gefühl, gerade zu denken, und einer bestimmten Hirnaktivität.

Würde nun eine weitere Studie zeigen, dass eine Reizung des gleichen Gehirnareals wieder die gleichen Gefühle hervorruft, wäre zweifelsfrei belegt, dass das Denken vom Gehirn verursacht wird.

Jack? bist du es ...

So ist es richtig:

Die Wissenschaft beobachtet Aktivitäten des Gehirns, während Jack der Meinung ist, er würde gerade denken. Bei Jack besteht also eine Korrelation zwischen dem Gefühl, gerade zu denken, und einer bestimmten Hirnaktivität.

Würde nun eine weitere Studie zeigen, dass eine Reizung des gleichen Gehirnareals wieder die gleichen Gefühle hervorruft, wäre zweifelsfrei (auch für Silver, Halman, ...) belegt, dass das Denken bei Jack vom Gehirn verursacht wird.

:thumbup:

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#1013 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mo 14. Nov 2016, 08:23

fin hat geschrieben:closs :D
Meine ich wirklich - aber eben nur das.

Meines Erachtens wird immer noch Kausalität mit Korrelation verwechselt. Die Bilder, die man sieht, sind die selben.

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#1014 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Mo 14. Nov 2016, 08:57

-- Sendeantennen --

closs hat geschrieben:
fin hat geschrieben:closs :D
Meine ich wirklich - aber eben nur das.

Aber du siehst doch, was dabei herauskommt! Nicht nur Jack Silver, sondern auch Wissenschaftler glauben tatsächlich, sie würden dem Gehirn beim Denken zuschauen. Sprich, sie artikulieren nicht das, was tatsächlich geschieht, sondern ihr Wunschdenken.

Man/n Closs, jemand, der wirklich "Denkt" wird sich nicht an solchen Forschungen beteiligen. Das Verrückte ist doch gerade, daß sie ihren Schwachsinn auch verworten, ohne es selbst zu merken. Die Mehrheit übernimmt dann diese Phrasen, weil sie nicht (mehr) "Denken". Wie ist das möglich?

In anderen Zusammenhängen sprichst du es zutreffend aus: "Formatierungen"

Wir reden hier von reiner Informationsübertragung. Von Sendeanstalten und Informationsempfängern. In der Sache unterscheiden sich lediglich die Informationsträger.

Du durchschaust es - hoffentlich!

:thumbup:

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#1015 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mo 14. Nov 2016, 10:10

closs hat geschrieben:Allerdings geht es bei Descartes nach meinem Verständnis erst mal um etwas anderes, rein Erkenntnis-Theoretisches. Er sagt im Grunde, dass die Wahrnehmung des Ich nicht vom Ich auf seine Validität geprüft werden kann, weil man aus seinem Ich nicht rauskommt, sich also nicht aus der Vogelperspektive beurteilen kann.
Das ist mir völlig unverständlich.
Warum sollte man den Geist, das Bewusstsein und sogar das SELBST deshalb nicht untersuchen können?

closs hat geschrieben:Noch mehr: Man kann streng genommen nicht einmal feststellen, ob nicht ALLES eine "Traum" ist, also eine Vortäuschung von "Echtem".Wie könnte der Mensch dies unterscheiden? Gar nicht, da alles das Gleiche wäre wie "in echt".
Deine Argumentation ähnelt derjenigen des satirischen Last-Thursdayism.
Ich halte deshalb die Hypothese, wir könnten in einem Traum, bzw einer Matrix-Welt leben für einen Griff in den Müllhaufen.

Dagegen spricht...
1.) Ein solche Simulation in Echtzeit ist derart komplex, dass ein Computer der alle 7 Milliarden Menschen in Echtzeit simuliert, würde größer sein als das sichtbare Universum.
2.) Es beantwortet nicht die Frage, wer der Träumer ist, der den Traum träumt?
3.) Es beantwortet nicht die Frage, wer hat's gemacht und warum?
4.) Es beantwortet die Frage nicht, "cui bono" — wer ist der Nutznießer eines Traum-Szenarios?
5.) Es widerspricht der Vorstellung von Descartes, eines barmherzigen, nicht täuschen wollenden Gottes.
6.) usw...

Ad (1)
Stell dir vor, du liegst auf einem Liegestuhl an einem Sandstrand unter schattigen Palmen. Soweit, so gut.
Nun stell dir vor, aus lauter Langeweile gräbst du deine Finger in den losen Sand. Dabei spürst du jedes einzelne Sandkorn wie es an deinen Fingern vorbei rieselt.

Allein die Simulation jedes dieser Sandkörner (wohlgemerkt in Echtzeit) würde einen größeren Super-Computer erfordern als die besten Maschinen unserer Zeit. Das nennt man in der Fachsprache die Explosion von Komplexität in Simulationen. Und nun stell dir vor, eine solche Simulation in Echtzeit müsste für alle Menschen auf der Erde gelten, nicht nur für dich. Verstehst du warum so was völlig ausgeschlossen ist?

Deshalb können wir schließen, dass wir in einer realen Welt leben. Alles andere ist viel zu unwahrscheinlich.
____________________

Das Bewusstsein wird im Schlaf ausgeschaltet und wenn wir erwachen wieder eingeschaltet. Nun wird Jemand vielleicht sagen, "Was ist dann ein Traum". Der Traum ist tatsächlich eine Art Bewusstsein, aber leicht vom Bewusstsein im Wachzustand zu unterscheiden.
Das Aus/Einschalten des Bewusstseins geschieht nicht wie ein digitaler 0/1 Schalter. Das betätigen eines Dimmers kommt der Wirklichkeit schon näher. Wenn wir müde sind, oder uns den Kopf an einem harten Gegenstand anschlagen, muss sich das Bewusstsein erst mal einige Momente lang erholen. Jeder der schon mal weite Strecken geflogen ist, kennt das Gefühl: Am Zielort angekommen, legt man sich todmüde hin und schläft. Beim Erwachen ist man vielleicht 1-2 Sekunden lang in einem Zustand der Orientierungslosigkeit, bis das Bewusstsein wieder vollständig "hochgefahren" ist.
____________________

closs hat geschrieben:Nun denkt Descartes nicht im Traum daran, dass die Natur nicht "echt" sei - aber er weist nach, dass wir es per Wahrnehmung streng genommen nicht wissen können.
Nein. Er weist nichts dergleichen nach.
Das einzige was er nachweist, ist das er (Descartes) denken kann, und als Mensch existiert.
Das allein ist eine wirklich großartige Leistung des jungen Descartes. Aber mehr ist nicht aus dem "cogito ergo sum" herauszuholen.

closs hat geschrieben:Und jetzt erst kommt der religiöse Aspekt (vorher ist alles säkular erkenntnis-theoretisch - "methodischer Zweifel"): Descartes sagt, dass er glaubt, dass unsere Wahrnehmung "echt" ist, weil uns sonst Gott auf breiter Front verarschen würde - und dies würde ein wohlwollender Gott nicht tun, an den er glaube.
Eben.
Ergo schließt Descartes daraus, dass er sich NICHT in einer Traumwelt befinden kann.

Wieso redest du weiterhin von der Möglichkeit eines Traums?

closs hat geschrieben:Nichtsdestoweniger teilt er die Welt erkenntnis-theoretisch auf in "Res cogitans" (also das bewusste Ich des Zweifelnden, das sogar dann da wäre, wenn Gott einen verarschen wollte) und die "Res extensae", also die draußige Wahrnehmungs-Welt, die bei methodischem Zweifel NICHT sicher ist - um letztere nichtsdestoweniger anzuerkennen, da er ja an den wohlwollenden Gott glaubt.
Du machst einen großen Fehler in dem du beide Hypothesen von Descartes vermischst und dabei die zeitliche Abfolge der Geschichte vollkommen außer Acht lässt.

Die Idee des "cogito ergo sum" entstand bei Descartes in jungen Jahren, als er noch Unteroffizier in der Armee war. Das dualistische Modell der res cogitans, bzw der res extensa hingegen, entstand erst Jahrzehnte später. Ersteres (das "cogito ergo sum) gilt heute noch als eine tiefschürfende Erkenntnis der Philosophie und der Wissenschaft.
Zweites klang zu Descartes' Zeit so überzeugend logisch, dass es die Hirnforschung (zum Leid vieler Patienten der Psychiatrie) während rund 300 Jahren lahmlegte, bis es schließlich Mitte des 20. Jahrhunderts widerlegt wurde.

Die Widerlegung von Descartes' Körper/Geist Dualismus (res cogitans/res extensa) markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des menschlichen Geistes, der nur mit der von Galilei eingeläuteten Wende im Denken der Menschheit vergleichbar ist.
Seither geht ein Paradigmenwechsel durch die Erforschung des menschliche Geistes. Die Neurologie feiert einen Erfolg nach dem anderen.
in einer der verbleibenden großen Herausforderungen der Menschheit: wie funktioniert unser Geist?

Willkommen in der Aufklärung 2.0!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1016 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mo 14. Nov 2016, 13:12

fin hat geschrieben:Man/n Closs, jemand, der wirklich "Denkt" wird sich nicht an solchen Forschungen beteiligen.
Die Forschungen selber stören mich nicht - im Gegenteil. Denn es ist auch für mich faszinierend, was man alles - auch noch bildgebend - ermitteln kann. - Das Problem ist, dass man kurzsichtig interpretiert, WAS da abgeht.

Und das ist das, was Heidegger meint mit "Die Wissenschaft denkt nicht". - Damit meint er NICHT, dass (Natur-) Wissenschaft doof sei oder intellektuell nicht auf der Reihe sei - er meint damit, dass Wissenschaft - per Selbstdefinition - nicht über ihr eigenes Koordinatensystem hinausdenken kann.

Auch das macht nichts - es sei denn, man tut dann so, als KÖNNE man darüber hinausdenken - diese Vortäuschung, die auch mich nervt, aber vom Betroffenen nicht als Vortäuschung entlarvt wird. - Was zur Folge hat, dass oft die Grenze zwischen Naturwissenschaft (= Wissenschaft) und Naturalismus (= Weltanschaunng) vollkommen verwässert wird.

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#1017 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mo 14. Nov 2016, 13:29

Pluto hat geschrieben:Warum sollte man den Geist, das Bewusstsein und sogar das SELBST deshalb nicht untersuchen können?
Meine Aussage war: Nicht auf Validität prüfen kann - konkret: Die Wahrnehmung kann nicht überprüfen, ob sie eine Entität (= "echte" Natur) oder eine Täuschung (= vorgestellte Natur) untersucht. - Achtung: Mit "Wahrnehmung" ist auch wissenschaftliche Wahrnehmung gemeint.

Pluto hat geschrieben:Ich halte deshalb die Hypothese, wir könnten in einem Traum, bzw einer Matrix-Welt leben für einen Griff in den Müllhaufen.
Davon abgesehen, dass NIEMAND diesen Fall behauptet, geht es ausdrücklich darum, dass wir es erkenntnis-theoretisch grundsätzlich nicht unterscheiden können.

Die Frage dabei, WER der Träumer wäre, wenn es so wäre, beantwortet Descartes mit "ICH" (= Res cogitans), dessen Existenz frei von der Frage ist, ob es Materie gibt oder nicht. - Und natürlich widerspräche es Descartes' "wohlwollendem Gott" - weshalb doch Descartes ausdrücklich sagt "Ich glaube an die Entität der Res Extensae. - Aber ich KANN es aus grundsätzlichen erkenntnis-theoretischen/ontologischen Gründen nicht wissen".

Pluto hat geschrieben:Allein die Simulation jedes dieser Sandkörner (wohlgemerkt in Echtzeit) würde einen größeren Super-Computer erfordern als die besten Maschinen unserer Zeit.
Aber diese Simulation würde dann doch im "Traum" stattfinden - und tut es heute bereits. - Wie geschieht es heute? - Ja, im Gehirn. - Aber diese Hirnleistung könnte auf uns unbekannte Weise doch genauso im Geist stattfinden.

Pluto hat geschrieben:Nein. Er weist nichts dergleichen nach.
Doch - logisch/erkenntnis-theoretisch/ontologisch schon. - Natürlich nicht naturwissenschaftlich - aber da kann es ja nicht gehen, weil die Naturwissenschaft über das Naturalistische hinaus nicht agieren kann.

Pluto hat geschrieben:Ergo schließt Descartes daraus, dass er sich NICHT in einer Traumwelt befinden kann.
So ist es. - Ich rede doch nur von "Traum", um klar zu machen, dass es so sein könnte und - das ist der entscheidende Punkt - wir es nicht unterscheiden könnten, weil wir die Rahmenbedingungen, also das A priori, unserer Wahrnehmung nicht qualifizieren können - höchstens geistig/philosophisch.

Pluto hat geschrieben:Die Widerlegung von Descartes' Körper/Geist Dualismus (res cogitans/res extensa) markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des menschlichen Geistes, der nur mit der von Galilei eingeläuteten Wende im Denken der Menschheit vergleichbar ist.
In DIESEM Sinne ist die Unterscheidung zwischen Res cogitans und Res extensae NICHT dualistisch - diese Widerlegung (was das immer für eine inhaltliche gewesen sein soll - ich habe immer noch nicht kapiert, was da widerlegt sein soll - denn der Begriff "Dualismus" ist schnell dahingesagt) betrifft die hier besprochenen Kernaussagen von Descartes NICHT.

Pluto hat geschrieben:Willkommen in der Aufklärung 2.0!
Naturwissenschaftlich ist dies sicherlich ein aufklärerischer Fortschritt - ontologisch ist es nach wie vor ein Rückschritt. - Die logischen/erkenntnis-theoretischen/ontologischen Aussagen von Descartes sind nach wie vor richtig - aus meiner Sicht sogar prinzipiell nicht widerlegbar, da zwingend. - Er scheint immer noch nicht verstanden zu sein (oder nicht mehr).

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#1018 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mo 14. Nov 2016, 14:36

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich halte deshalb die Hypothese, wir könnten in einem Traum, bzw einer Matrix-Welt leben für einen Griff in den Müllhaufen.
Davon abgesehen, dass NIEMAND diesen Fall behauptet
Dann bin ich beruhigt.
Also brauchen wir in Zukunft nicht mehr über jene fiktive Traumwelt reden.

closs hat geschrieben:Die Frage dabei, WER der Träumer wäre, wenn es so wäre, beantwortet Descartes mit "ICH" (= Res cogitans)
Nein. Du zerreißt die Geschichte, denn die Vorstellung der res cogitans war Jahrzehnte später.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Allein die Simulation jedes dieser Sandkörner (wohlgemerkt in Echtzeit) würde einen größeren Super-Computer erfordern als die besten Maschinen unserer Zeit.
Aber diese Simulation würde dann doch im "Traum" stattfinden - und tut es heute bereits.
Das hängt von der Definition ab. Wie definierst du Traum?

closs hat geschrieben:Aber diese Hirnleistung könnte auf uns unbekannte Weise doch genauso im Geist stattfinden.
Im Gehrin.
Der Geist ist ein sehr hilfreicher Prozess des Gehirns.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nein. Er weist nichts dergleichen nach.
Doch - logisch/erkenntnis-theoretisch/ontologisch schon.
Nein. Egal ob epistemisch oder ontologisch; das einzige was er nachweist, ist das er (Descartes) denken kann, und als Mensch existiert.

closs hat geschrieben:Natürlich nicht naturwissenschaftlich - aber da kann es ja nicht gehen, weil die Naturwissenschaft über das Naturalistische hinaus nicht agieren kann.
Wie kommst du darauf? Descartes war schließlich ein Mensch mit Körper und er vor allem Wissenschaftler.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ergo schließt Descartes daraus, dass er sich NICHT in einer Traumwelt befinden kann.
So ist es. - Ich rede doch nur von "Traum", um klar zu machen, dass es so sein könnte und - das ist der entscheidende Punkt -
Der entscheidende Punkt ist, dass es NICHT so ist. Das habe ich mit meinen 5 Punkten begründet.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die Widerlegung von Descartes' Körper/Geist Dualismus (res cogitans/res extensa) markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des menschlichen Geistes, der nur mit der von Galilei eingeläuteten Wende im Denken der Menschheit vergleichbar ist.
In DIESEM Sinne ist die Unterscheidung zwischen Res cogitans und Res extensae NICHT dualistisch
DOCH! Da ist nicht nur meine Meinung, sonder auch die der Experten.

closs hat geschrieben:diese Widerlegung (was das immer für eine inhaltliche gewesen sein soll - ich habe immer noch nicht kapiert, was da widerlegt sein soll - denn der Begriff "Dualismus" ist schnell dahingesagt) betrifft die hier besprochenen Kernaussagen von Descartes NICHT.
Doch genau so hat es Descartes gemeint als er seine Hypothese formulierte. Er lieferte zur Erläuterung sogar eine Zeichnung - schon vergessen?

Bild
[Quelle Wikimedia commons]

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Willkommen in der Aufklärung 2.0!
Naturwissenschaftlich ist dies sicherlich ein aufklärerischer Fortschritt - ontologisch ist es nach wie vor ein Rückschritt.
Ich verstehe nicht wie etwas gleichzeitig ein Fortschritt und ein ontologischer Rückschritt sein kann. Offenbar haben wir ganz andere Vorstellungen von Ontologie.

closs hat geschrieben:Die logischen/erkenntnis-theoretischen/ontologischen Aussagen von Descartes sind nach wie vor richtig - aus meiner Sicht sogar prinzipiell nicht widerlegbar, da zwingend.
Im Bezug auf das "cogito ergo sum" widerspreche ich dir nicht.
Descartes' Irrtum lag in seiner Darstellung der Körper/Geist Dualität in der res cogitans/extensa.

closs hat geschrieben:Er scheint immer noch nicht verstanden zu sein (oder nicht mehr).
Richtig. Das scheint tatsächlich der Fall zu sein.
Deutlicher konnte Descartes seine These der res cogitans/extensa gar nicht beschreiben. Er hat es sogar mit einem klaren Bild untermauert, was heute als Widerlegt gilt — darum Aufklärung 2.0.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1019 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mo 14. Nov 2016, 16:45

Pluto hat geschrieben:Also brauchen wir in Zukunft nicht mehr über jene fiktive Traumwelt reden.
Nicht in dem Sinne, dass jemand der Anwesenden daran glauben würde. - Der Hintergrund ist lediglich grundsätzlicher Natur, nämlich dass es sie geben könnte und wir es nicht merken würden, wenn unsere äußeren Wahrnehmungen lediglich die Wahrnehmungen von eigenen Vorstellungen ("Träumen") wären. - Wir müssen also erkenntnis-theoretisch SETZEN (wie es Popper auch tut), dass die Welt so ist, wie sie uns scheint. - Darin sind sich Descartes und Popper erstaunlich einig.

Pluto hat geschrieben:Du zerreißt die Geschichte, denn die Vorstellung der res cogitans war Jahrzehnte später.
Die Geschichte der Res cogitans IST doch gerade die "Cogito, ergo sum"-Geschichte - es ist dasselbe in Grün.

Pluto hat geschrieben:Das hängt von der Definition ab. Wie definierst du Traum?
Als Vorstellungswelt innerhalb des Menschen - platt gesagt: Den Mond, den ich im Traum sehe, ist nicht der "echte" Mond am Himmel.

Pluto hat geschrieben:Der Geist ist ein sehr hilfreicher Prozess des Gehirns.
Der Geist ist ohne Gehirn in unserem Erdenleben nicht möglich - das wäre unser gemeinsamer Nenner.

Pluto hat geschrieben: das einzige was er nachweist, ist das er (Descartes) denken kann, und als Mensch existiert.
Und dass alles andere unsicher ist - sonst müssten Descartes und Popper ja nicht setzen, dass die Welt so "ist", wie sie uns scheint.

Pluto hat geschrieben: Descartes war schließlich ein Mensch mit Körper und er vor allem Wissenschaftler.
Er ist AUCH Wissenschaftler - was nur deshalb Sinn macht, weil er glaubt/setzt, dass die Welt so "ist", wie sie uns scheint.

Pluto hat geschrieben:Der entscheidende Punkt ist, dass es NICHT so ist.
Aber doch nur in unserer pragmatischen Vereinbarung - und mit großer Wahrscheinlichkeit auch "in echt" - aber wir können es ohne die Setzung nicht nachweisen bzw. erst NACH dieser Setzung nachweisen.

Pluto hat geschrieben:DOCH! Da ist nicht nur meine Meinung, sonder auch die der Experten
Nichts dagegen - aber diese Vereinbarung hat einen Preis: Denn wenn Materie als Ableitung von Geist ein Dualismus ist, gilt dies auch für den Fall, dass Geist eine Ableitung von Materie ist. - Also wäre auch der Naturalismus eine dualistische Weltanschauung - was empört zurückgewiesen werden würde.

Pluto hat geschrieben:Doch genau so hat es Descartes gemeint als er seine Hypothese formulierte. Er lieferte zur Erläuterung sogar eine Zeichnung - schon vergessen?
Nein - darübe waren wir uns ja einig: Wenn "Dualismus" bedeutet, dass eine "fremde Kraft" den Körper unter Kontrolle hat, gleichsam von außen steuert, gebe ich Dir recht. - Aber das hat überhaupt nichts mit der Res cogitans/Res extensa-Problematik zu tun.

Pluto hat geschrieben:Ich verstehe nicht wie etwas gleichzeitig ein Fortschritt und ein ontologischer Rückschritt sein kann. Offenbar haben wir ganz andere Vorstellungen von Ontologie.
Die wik-Definition gefällt mir recht gut:
"Die Ontologie (altgriechisch ὄν ón ‚seiend‘, Partizip Präsens zu εἶναι eÄ©nai ‚sein‘, und -logie (aus λόγος lógos „Lehre“, „Wissenschaft“)) ist eine Disziplin der theoretischen Philosophie .... Dieser Gegenstandsbereich ist weitgehend deckungsgleich mit dem, was nach traditioneller Terminologie „allgemeine Metaphysik“ genannt wird". - Also eine METAPHYSISCHE Disziplin.

Natürlich kann etwas nach materialistischem Weltbild ein Fortschritt sein und nach metaphysischen Kriterien ein Rückschritt.

Pluto hat geschrieben:Descartes' Irrtum lag in seiner Darstellung der Körper/Geist Dualität in der res cogitans/extensa.
Ich sehe die (fehlerhafte) Dualität bei ihm eigentlich in seinen naturwissenschaftlichen Künsten ("Steuerung der Zirbeldrüse durch Geist" oder so ähnlich) - da sind wir uns einig.

Die Res cogitans/extensa-Problematik sehe ich auf rein erkenntnis-theoretischer Ebene: Was kann der Mensch zweifelsfrei erkennen und was nicht? - Das Ich ("Cogito") kann er zweifelsfrei erkennen, alles andere nicht - also auch die Res extensae nicht. - Da geht es nicht um Dualismus.

Pluto hat geschrieben:Er hat es sogar mit einem klaren Bild untermauert, was heute als Widerlegt gilt — darum Aufklärung 2.0.
Diese Widerlegung bezeiht sich (zu Recht!!!!) auf seinen naturwissenschaftlichen Fehler - und sonst nichts. - Die Grundaussagen zu Res cogitans/extensa sind davon nicht berührt - also das erkenntnis-theoretische Moment.

SilverBullet
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#1020 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von SilverBullet » Mo 14. Nov 2016, 16:57

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Wie soll „Sein/Realität“ zum Massstab genommen werden, wenn es um das konsequente Anzweifeln aller Existenzzusammenhänge gehen soll?
Es wird doch nicht angezweifelt, dass etwas "ist" - es geht beim Anzweifeln um WAHRNEHMUNG!!!!!!
Es soll doch angezweifelt werden, ob die Existenzzusammenhänge korrekt auf ein „Etwas“ deuten.

Dass irgend „Etwas“ die Wahrnehmungsvorgänge (Umgang mit Zusammenhängen) durchführt, kann als Wissensfundament angesehen werden (wenn nicht einmal das stimmt, dann ist Wahrnehmung komplett aus dem Rennen).
Ob und wie es in der Wahrnehmung Zusammenhänge zu diesem durchführenden „Etwas“ gibt, steht allerdings in Frage.

Descartes gibt hierzu keine Antwort, sondern setzt seine Behauptung an den Anfang.
Er startet in der Luft.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es ist der Wunsch, dass ein ganz bestimmter Existenzzusammenhang von allen anderen Existenzzusammenhängen loslösbar sein soll
Es ist der Wunsch, Sein/Realität unabhängig von Wahrnehmung zu begreifen: "Was ist Sein?"/"Was ist Seiendes?".
Dieser Wunsch geht nicht in Erfüllung, denn „Begreifen“ ist Teil der Wahrnehmung.

Mit deinem Wunsch ziehst du dich an den eigenen Haaren in eine Luftnummer hinein. Mehr ist noch nie passiert und es ist noch nie mehr dabei herausgekommen.

closs hat geschrieben:Das sind zwei hyper-unterschiedlichen Baustellen.
Nein, dein Wunsch darf noch nicht in dieser Liga mitspielen :-)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Genau das mache ich nicht. Ich spreche ausdrücklich von „aktuell bester Kandidat“.
Ok, verstanden. - Aber ich kann Dir versichern, dass Du keinen anderen Kandidaten finden KANNST, wenn Du so vorgehst, wie Du vorgehst.
Wie gehe ich denn vor?
Konsequentes Zweifeln.
Richtige Fragen.
Verwendung der Zusammenhänge aus der Wahrnehmung und Suche nach Korrektheit.

Was ist daran falsch und warum sollte dabei „etwas“ nicht gefunden werden können?
Zu wenig Wunsch-Theater?
Zu wenig antike Schrift-Erfüllung?

closs hat geschrieben:Die Frage dabei, WER der Träumer wäre, wenn es so wäre, beantwortet Descartes mit "ICH" (= Res cogitans), dessen Existenz frei von der Frage ist, ob es Materie gibt oder nicht.
Das ist eine eindeutige Bestätigung dessen, was ich als „Verstoss gegen die Regeln“ kritisiere:
Hier wird eine Existenzbehauptung einfach als „nicht anzuzweifeln“ deklariert.

Das Theater von Descartes dreht sich also darum, dass alle Existenzbehauptungen unter dem Gesichtspunkt anzuzweifeln sind, dass eine bestimmte Existenzbehauptung nicht angezweifelt werden darf.

Da Descartes (und nach ihm kein Philosoph) nie sagen konnte, aus was die „subjektive Perspektive“ besteht, aus was „das Denken“ besteht, wie Wahrnehmung funktioniert und was diese behauptete „Ich-Existenz“ sein soll, handelt es sich um ein reines Wunschtheater, das er nicht herleitet.

Woher kommt also dieser Wunsch?
=> ganz einfach aus der Religion:
ein Mensch soll etwas sein, das ganz anderes ist, als diese vergängliche Welt. Die Welt (samt dem Körper) soll für das „unsichtbare Ding“ erschaffen sein (entweder als Traum oder als „Realität“).

Diesen Wunsch nennst du „Ontologie“ (davon gibt es wohl mehr, als es Philosophen gibt) und willst ihm dadurch eine Art „Qualität“ zuschieben.
Wenn du sagst „es sei ontologisch gedacht“, dann bedeutet dies, dass es lediglich vom Wunsch aus gedacht ist.

Wie ich schon mehrmals geschrieben habe:
Wenn man dieses Vorgehen wählt, dann ist das Anzweifeln letztlich ein sinnloses Schauspiel, denn man zweifelt nicht konsequent (das ist dann reine Zeitverschwendung).

Das „Ergebnis“ ist vergleichbar mit einem „Gottesbeweis“ – derjenige, der sowieso schon in diese „Ontologie“-Richtung glaubt, fühlt sich bestätigt, während ein anderer nur mit den Achsel zuckt und sich fragt, woher plötzlich „die Ontologie“ auftauchen können soll.

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