CETA und die Qualität der Berichterstattung

Politik und Weltgeschehen
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sven23
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#21 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von sven23 » Di 1. Nov 2016, 16:04

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich finde es aber nicht normal, dass man dies als normal empfindet. Fatalismus ist das falsche Rezept.
Wenn man die Wirtschafts- und Lobby-Welt nur etwas kennt, weiß man, dass es rund um die Welt normal ist - egal ob in einer europäischen Demokratie oder in einem Land wie Nigeria.

Man kann dagegen angehen (siehen ATTAC & Co). - Aber es ist realistischer, solche Systeme als moderne Art der Bestechung/Geldabschöpfung/Wegezoll, etc. anzusehen.
Das wäre die Kapitulation der Politik vor den Auswüchsen des Kapitalismus. Wenn man es zuläßt, dass Konzerne Staaten verklagen können, unter Umgehung rechtsstaatlicher Verfahren, ohne Kontrolle und Möglichkeit der Revision, dann darf man sich nicht wundern, wenn daraus von pfiffigen Anwaltskanzleien Geschäftsmodelle kreirt werden. Alles zu Lasten öffentlicher Haushalte, die eh schon notleidend sind.
Der Videobeitrag ist übrigens ein Gegenbeispiel für die sog. Lügenpresse, die nur unkritisch die Mainstream Politik beklatschen würde. Man muss sie halt auch zur Kenntnis nehmen. Zugegeben findet man solche Beiträge vornehmlich eher in öffentlich-rechtlichen Sendern, als in privaten.
Ein wirklich sehenswerter und aufkärender Beitrag. :thumbup:

Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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ThomasM
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#22 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von ThomasM » Di 1. Nov 2016, 17:18

closs hat geschrieben: Moment: WEIL es rationale Gründe gibt ("Utilitarismus"), reagiert man rational darauf mit Forderungen nach Macht-Einschränkungen zulasten der Wirtschaft.
Nein, man reagiert ja nicht so. "CETA verhindern" ist der Slogan, nicht "CETA verbessern"
Es geht allein um Anti-Haltung.
Gespeist meist aus einer kommunistischen, also anti-demokratischen Gesinnung

closs hat geschrieben: Zur Erinnerung: Die internationale Finanzwirtschaft (incl. realer Wirtschaft) ist mächtiger als jeder Einzelstaat - nicht "der Staat" ist Goliath, sondern die internationale Finanzwirtschaft.
Das ist so auch zu vereinfacht ausgedrückt.
Unternehmen haben ein klares Interesse und sind deshalb manchmal flexibler.
Gewisse Bereiche der Finanzwirtschaft bewegt Geldmengen, die größer sind als manche Haushalt Etas, aber das bedeutet nicht Macht. Denn sie müssen ihren Geldgebern Rechenschaft ablegen.
Macht im Sinne von Gesetzgebung, politische Macht etc. liegt immer noch bei den Staaten bzw. bei den Staatengemeinschaften.

Das Reiche dabei oft eine bedeutendere Rolle spielen als Arme, ist nichts ungewöhnliches und war schon immer so.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
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#23 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von closs » Di 1. Nov 2016, 18:22

sven23 hat geschrieben:Wenn man es zuläßt, dass Konzerne Staaten verklagen können, unter Umgehung rechtsstaatlicher Verfahren, ohne Kontrolle und Möglichkeit der Revision, dann darf man sich nicht wundern, wenn daraus von pfiffigen Anwaltskanzleien Geschäftsmodelle kreirt werden. Alles zu Lasten öffentlicher Haushalte
Darin sehe auch ich das größte Loch bei Ceta - das aber angeblich jetzt geschlossen sein soll - durch Nachverhandlungen und durch Karlsruhe.

Mal nebenbei - sieh mal das Positive: CETA ist jetzt eine Blaupause, an der keiner mehr rumkommt - es wird also kein USA-dominiertes TTIP geben, sondern ein "TTIP à la CETA". - Finde ich nicht schlecht.

ThomasM hat geschrieben:Es geht allein um Anti-Haltung.
Gibt es sicherlich auch - aber schau Dir mal die gesellschaftliche Mitte in Gestalt von Gabriel an: Er ist gegen TTIP aus konkreten Gründen, die er bei CETA ausgeräumt sieht - Gabriel war sehr konstruktiv.

ThomasM hat geschrieben:Macht im Sinne von Gesetzgebung, politische Macht etc. liegt immer noch bei den Staaten bzw. bei den Staatengemeinschaften.
Das erscheint mir etwas blauäugig. Der weltweite Lobbyismus zugunsten der Wirtschaft (= Konzerne und Geldwirtschaft) geht soweit, dass damit die Parlamente durchdrungen werden und bei der Formulierung von Gesetzestexten herangezogen werden - vielleicht sogar herangezogen werden MÜSSEN, weil es zu wenige Spezialisten gibt, die mit einer Beamtenbesoldung zufrieden sind.

Aber unterm Strich hast Du (hoffentlich) recht - jemand hat mal gesagt: "Der Staat ist hintergehbar und langsam, sitzt aber am Ende am längeren Hebel". - Und was man ebenfalls nicht vergessen darf: Es gibt auch noch den Souverän, der sich hin und wieder meldet.

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#24 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von Pluto » Di 1. Nov 2016, 19:32

closs hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Macht im Sinne von Gesetzgebung, politische Macht etc. liegt immer noch bei den Staaten bzw. bei den Staatengemeinschaften.
Das erscheint mir etwas blauäugig. Der weltweite Lobbyismus zugunsten der Wirtschaft (= Konzerne und Geldwirtschaft) geht soweit, dass damit die Parlamente durchdrungen werden und bei der Formulierung von Gesetzestexten herangezogen werden - vielleicht sogar herangezogen werden MÜSSEN, weil es zu wenige Spezialisten gibt, die mit einer Beamtenbesoldung zufrieden sind.
Blauäugig ist schon richtig. Die Schuldigen sitzen aber in der Politik. Die Niveaulosigkeit der heutigen Politiker, die, so habe ich mir sagen lassen müssen, mehrheitlich Quereinsteiger aus der Lehrerschaft sind ist zum Haare raufen.
Man müsste halt in der Politik mal richtige Macher anlocken, aber wie?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#25 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von closs » Di 1. Nov 2016, 19:50

Pluto hat geschrieben: Die Niveaulosigkeit der heutigen Politiker, die, so habe ich mir sagen lassen müssen, mehrheitlich Quereinsteiger aus der Lehrerschaft sind ist zum Haare raufen.
Nee - die Allermeisten sind Juristen (143) - danach folgen als nächstgrößter Posten tatsächlich Lehrer (34).

Pluto hat geschrieben:Man müsste halt in der Politik mal richtige Macher anlocken, aber wie?
Es ist schwer, Macher zu kriegen, welche:
a) Staatsbewusstsein über Wirtschaftsbewusstsein setzen
b) und gleichzeitig ein grundlegendes Verständnis für die Wirtschaft haben
c) mit einem Bruchteil von dem zufrieden sind, was man in der Wirtschaft bekommt (unsere Bundeskanzlerin müsste nach wirtschaftlichen Kriterien locker 20 Mio Euro pro Jahr erhalten - geht natürlich nicht - und sie will es auch nicht - aber so gefestigt muss man erst mal sein)

Wie schon mal erwähnt: Als ich von meinem gelernten Philologen-Beruf in die Wirtschaft gewechselt bin, habe ich echt 2 Jahre gebraucht zu begreifen, wie man dort überhaupt denkt - weil es WIRKLICH ganz anders ist. - Der Philologe fragt, was wahr ist - der Wirtschaftler fragt, woraus man Geld machen kann. - Das sind Welten, die es auch heute noch gibt (es sei denn, man prostituiert die Philologie).

Objektiv schwierig.

Und noch was:
Man kann Macher sein wie man will: Man muss in unseren gesellschaftlichen Breitengraden demokratische Regeln beachten - das kann sehr schwer sein für jemanden, der vorher CEO war. - Im Grunde sind Putin und Erdogan Beispiele dafür, wie weit es "Macher" in einem undemokratischen Umfeld bringen können - bei uns geht das nicht. - Vergiss die Medien nicht, die eine echte vierte Gewalt geworden sind und dem besten Macher in kürzester Zeit das Handwerk legen können, auch wenn es gut ist.

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sven23
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#26 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von sven23 » Sa 12. Nov 2016, 08:11

closs hat geschrieben: Und noch was:
Man kann Macher sein wie man will: Man muss in unseren gesellschaftlichen Breitengraden demokratische Regeln beachten - das kann sehr schwer sein für jemanden, der vorher CEO war. - Im Grunde sind Putin und Erdogan Beispiele dafür, wie weit es "Macher" in einem undemokratischen Umfeld bringen können - bei uns geht das nicht. - Vergiss die Medien nicht, die eine echte vierte Gewalt geworden sind und dem besten Macher in kürzester Zeit das Handwerk legen können, auch wenn es gut ist.
Und genau das spricht ja gegen die oft gescholtene "Lügenpresse/Systempresse" in Deutschland. Die Putins und Erdogans wissen sehr genau, warum sie kritischen Journalismus mundtot machen.
Orban versucht, durch die Hintertür Kontrolle über die Medien und damit über die (ver-) öffentliche Meinung zu bekommen. Dazu benutzt er Strohmänner und Oligarchen, um den demokratischen Schein zu wahren.
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#27 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von closs » Sa 12. Nov 2016, 09:28

sven23 hat geschrieben:Und genau das spricht ja gegen die oft gescholtene "Lügenpresse/Systempresse" in Deutschland. Die Putins und Erdogans wissen sehr genau, warum sie kritischen Journalismus mundtot machen.
Schon klar - die "4.Gewalt" ist schon wichtig.

Aber sie verliert an Bedeutung, weil sie zu oft und zu routiniert ihren verfasssungsmäßigen Auftrag verletzt und von vielen schlicht nicht mehr ernst genommen wird. - An der "Lügenpresse/Systempresse" ist leider viel dran.

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#28 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von sven23 » Sa 12. Nov 2016, 09:48

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und genau das spricht ja gegen die oft gescholtene "Lügenpresse/Systempresse" in Deutschland. Die Putins und Erdogans wissen sehr genau, warum sie kritischen Journalismus mundtot machen.
Schon klar - die "4.Gewalt" ist schon wichtig.

Aber sie verliert an Bedeutung, weil sie zu oft und zu routiniert ihren verfasssungsmäßigen Auftrag verletzt und von vielen schlicht nicht mehr ernst genommen wird. - An der "Lügenpresse/Systempresse" ist leider viel dran.
Das kannst du sicher auch mit Beispielen belegen. Sonst ist es ein verallgemeinernder Vorwurf, der nur der AFD in die Hände spielt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#29 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von closs » Sa 12. Nov 2016, 10:03

sven23 hat geschrieben:Das kannst du sicher auch mit Beispielen belegen.
Natürlich - wir können ja mal zusammen BILD, Tagesschau oder Stern/SPIEGEL durchgehen.

sven23 hat geschrieben: Sonst ist es ein verallgemeinernder Vorwurf, der nur der AFD in die Hände spielt.
Die AfD-Sympathisanten werden da nicht auf uns hören. Mir hat neulich mal ein an sich gar nicht rechter und durchaus aufgeweckter Ossi (Alter so um die 50) gesagt: "Weißt Du - wir haben 40 Jahre Honecker-System hinter uns: Wir riechen, wenn was stinkt".

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#30 Re: CETA und die Qualität der Berichterstattung

Beitrag von sven23 » Sa 12. Nov 2016, 11:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das kannst du sicher auch mit Beispielen belegen.
Natürlich - wir können ja mal zusammen BILD, Tagesschau oder Stern/SPIEGEL durchgehen.
Man wird immer Beispiele finden, die das belegen könnten. Es ist aber Unsinn, im Ganzen von einer unkritischen Medienlandschaft zu sprechen. Man muss halt die Augen auf machen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Sonst ist es ein verallgemeinernder Vorwurf, der nur der AFD in die Hände spielt.
Die AfD-Sympathisanten werden da nicht auf uns hören. Mir hat neulich mal ein an sich gar nicht rechter und durchaus aufgeweckter Ossi (Alter so um die 50) gesagt: "Weißt Du - wir haben 40 Jahre Honecker-System hinter uns: Wir riechen, wenn was stinkt".
Der Grundfehler der Politik ist es, wenn sie leugnet, dass das System auch Verlierer produziert. Die Betroffenen wissen ja aus eigener Erfahrung, dass es anders ist. Aber auch das wird in den Medien nachweislich aufgegriffen. Wenn man die Medienlandschaft auf die Bildzeitung reduziert, entsteht natürlich ein schräges Bild.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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