Alles Teufelszeug? IV

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sven23
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#921 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Sa 5. Nov 2016, 19:55

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Es gibt zum Nationalsozialismus eine Unzahl an wissenschaftlichen Publikationen, die sich sehr sachlich und aus kritischer Distanz mit diesem Thema beschäftigen.
Natürlich gibt es das - aber diejenigen, die an die Öffentlichkeit kommen, sind durch die Bank aus heutiger Entrüstungs-Sicht dargestellt. Scheint zur para-religiösen Liturgie zu gehören.
Kannst du eine wissenschaftliche Abhandlung benennen, die Entrüstung thematisiert? Davon abgesehen hat der Nationalsozialismus derart viele Verbrechen hervorgebracht, dass Entrüstung keine unangemessene Reaktion ist. Das sollte doch wohl konsensfähig sein.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Bultmann hat seinen Gottesglauben doch nie aufgegeben. Er sah Jesus auf Grund der Forschungsergebnisse als einen außergewöhnlichen Menschen an, so wie es die urprünglichen Texte taten.
Du merkst aber schon, dass das ein Widerspruch ist. - Darf ich fragen, WELCHER Religion Bultmann angehörte?
Für den evangelischen Theologen Bultmann war es ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit, den Forschungsergebnissen Rechnung zu tragen. Jesus als Sohn Gottes, wie ihn die Kirche verkauft, war nicht mehr haltbar. Natürlich hast du nicht ganz unrecht: dem Christentum, das die Kirche propagiert, war damit die Grundlage entzogen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Alternative ist der Glaubensentscheid. Den wissenschaftlichen TÜV Stempel gibts dafür aber nicht. Ich hoffe, das ist klar geworden.
Das Manöver, das dahinter steckt, ist klar geworden: Offene Setzung per Glaubensentscheid = unwissenschaftlich --- verdeckte Setzung per Methodik = wissenschaftlich.
Es ist keine verdeckte Setzung. Dein Kurzzeitgedächtnis läßt immer mehr nach. Schon wieder die Ausführungen von Theißen vergessen?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du ignorierst geflissentlich, dass dies die Ergebnisse der theologischen Forschung der Kirche sind.
Deshalb gibt es ja inzwischen so viel Zoff. - Erwartest Du wirklich, dass die Kirche es als IHRE Forschungsergebnisse ansieht, wenn sie nur funktionieren, wenn Jesus nichts als ein Wanderprediger ist?
Von Glaubensdogmatikern erwarte ich überhaupt nichts. Ich kann sie auch nicht ernst nehmen, weil sie wirklich nichts zu bieten haben als Glaubensentscheide. Das ist mir zu wenig. Als jemand, der wissen will, was der Fall ist, ist die historisch-kritische Forschung alternativlos. Punkt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn du das inhaltlich widerlegen kannst, sind wir ganz Ohr.
Ist doch längst passiert - aber es wirkt nur, wenn von der anderen Seite anerkannt wird, dass sie ausschließlich für eine Position steht, dernach Jesus nur Wanderprediger und nicht göttlich sein kann.
Zirkelschlüsse finde ich langweilig und ermüdend.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Welches Zitat genau? Du schießt immer mit der Schrotflinte
9 von 10 Zitaten, die Du von Kubitza bringst - wir können sie ja nochmal durchgehen.
Ach, 9 von 10, jetzt weiss jeder, welches du gemeint hast. :roll:
Du musst schon ein bisschen besser aufpassen, sonst ist das Klassenziel gefährdet. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#922 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 20:19

sven23 hat geschrieben:Davon abgesehen hat der Nationalsozialismus derart viele Verbrechen hervorgebracht, dass Entrüstung keine unangemessene Reaktion ist. Das sollte doch wohl konsensfähig sein.
NAtürlich - aber genau darum geht es eben NICHT, wenn man eine Zeit aus sich selbst verstehen will.

sven23 hat geschrieben:Für den evangelischen Theologen Bultmann war es ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit, den Forschungsergebnissen Rechnung zu tragen.
Mit anderen Worten: Methodische Erkenntnis-Systeme stehen über spiritueller Erkenntnis - kann man machen, ist aber anthropozentrisch. Damit kann man im Christentum nichts verstehen.

sven23 hat geschrieben:Es ist keine verdeckte Setzung.
Doch - es gibt nach wie vor keine Entkräftung. - Was ich von Theißen verstanden habe, ist, dass er das sehr wohl verstanden hat, wenn er betont, dass historisch-kritische ERgebnisse im historisch-kritischen Kontext zu verstehen sind (so ähnlich meine ich mich zu erinnern, hat er es gesagt).

sven23 hat geschrieben: Als jemand, der wissen will, was der Fall ist, ist die historisch-kritische Forschung alternativlos. Punkt.
Das wiederum wäre dogmatisch. - Du wehrst Dich mit Händen und Füßen, dass die methodische Setzung der HKM thematisiert wird (immunisierst Dich also), setzt somit die HKM als setzungs-freie Disziplin - und schon kann man seine fröhlichen Urständ feiern. - Ich halte das nicht für eine Meisterleistung wissenschaftlicher Selbst-Reflexion.

sven23 hat geschrieben:Zirkelschlüsse finde ich langweilig und ermüdend.
Ich nicht, weil es im großen Bogen nicht anders geht - jedes Ergebnis ist Folge seiner Setzungen und kann trotzdem richtig sein. Das gilt für die Kanoniuk genauso wie für die HKM.

sven23 hat geschrieben:Ach, 9 von 10, jetzt weiss jeder, welches du gemeint hast.
Ich nehme mir sicherlich NICHT die Zeit, xmal Durchgekautes nachzublättern. - Zitiere Kubitza einfach weiter und es wird von alleine wiederkommen.

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sven23
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#923 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Sa 5. Nov 2016, 20:33

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Davon abgesehen hat der Nationalsozialismus derart viele Verbrechen hervorgebracht, dass Entrüstung keine unangemessene Reaktion ist. Das sollte doch wohl konsensfähig sein.
NAtürlich - aber genau darum geht es eben NICHT, wenn man eine Zeit aus sich selbst verstehen will.
Die Verbrechen bleiben bestehen. Nach neuesten Forschungen waren über 500000 Deutsche an Verbrechen direkt beteiligt, also an der Ermordung von Männern, Frauen und Kindern.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Für den evangelischen Theologen Bultmann war es ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit, den Forschungsergebnissen Rechnung zu tragen.
Mit anderen Worten: Methodische Erkenntnis-Systeme stehen über spiritueller Erkenntnis - kann man machen, ist aber anthropozentrisch. Damit kann man im Christentum nichts verstehen.
Was für ein Quark. Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes ist, ist das anthropozentrisch. :roll: Du scheinst echt besessen von diesem Gedanken zu sein.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist keine verdeckte Setzung.
Doch - es gibt nach wie vor keine Entkräftung. - Was ich von Theißen verstanden habe, ist, dass er das sehr wohl verstanden hat, wenn er betont, dass historisch-kritische ERgebnisse im historisch-kritischen Kontext zu verstehen sind (so ähnlich meine ich mich zu erinnern, hat er es gesagt).
Und was meckerst du dann? Theißen hat doch alles offengelegt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Als jemand, der wissen will, was der Fall ist, ist die historisch-kritische Forschung alternativlos. Punkt.
Das wiederum wäre dogmatisch. - Du wehrst Dich mit Händen und Füßen, dass die methodische Setzung der HKM thematisiert wird (immunisierst Dich also), setzt somit die HKM als setzungs-freie Disziplin - und schon kann man seine fröhlichen Urständ feiern. - Ich halte das nicht für eine Meisterleistung wissenschaftlicher Selbst-Reflexion.
Die Forschung legt alles offen. Was du immer von dir gibst, sind Hirngespinste, um vom Thema abzulenken.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zirkelschlüsse finde ich langweilig und ermüdend.
Ich nicht, weil es im großen Bogen nicht anders geht - jedes Ergebnis ist Folge seiner Setzungen und kann trotzdem richtig sein. Das gilt für die Kanoniuk genauso wie für die HKM.
Also hast du schon wieder vergessen oder immer noch nicht verstanden, dass Zirkelschlüsse Beweisfehler sind. Die Forschung basiert mit Sicherheit nicht auf Beweisfehlern. Kanoniker kann ich da allerdings nicht entlasten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ach, 9 von 10, jetzt weiss jeder, welches du gemeint hast.
Ich nehme mir sicherlich NICHT die Zeit, xmal Durchgekautes nachzublättern. - Zitiere Kubitza einfach weiter und es wird von alleine wiederkommen.
Also wie immer nur allgemeines Geschwurbel. :roll:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Münek
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#924 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Münek » Sa 5. Nov 2016, 20:37

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Deine festgefahrene falsche Auffassung zeugt von Deiner mangelhaften Kompetenz auf dem Gebiet der historisch-kritischen Bibelexegese.
So einfach geht es nicht - gerade weil ich darin gearbeitet habe, könnte ich wissen, was sie ist und was sie nicht ist.
Das nehme ich Dir nicht ab. Professionelle Bibelexegese setzt excellente Kenntnisse in der Textkritik, Textanalyse, in der Redaktions-, Literar-, Form- und Traditionskritik voraus. Diese Kenntnisse besitzt Du erkennbar nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Für die Auslegung biblischer Texte sind ausschließlich die Exegeten zuständig.
Technisch richtig - ich meinte die geistige Auslegung, die Du selber auch nicht bei der HKM siehst - oder doch wieder?
Eine Diziplin "GEISTIGE Exegese" existiert an den theologischen Fakultäten meines Wissens nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Angesichts des bestehenden breiten Konsenses in der exegetischen Wissenschaft ist das absolut ausgeschlossen.
Das magst Du dogmatisch glauben - halte es für möglich, dass sich diesbezügliche Unfehlbarkeitsansprüche in Luft auflösen könnten.
Es gibt in der Wissenschaft keine Unfehlbarkeitsansprüche.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die nicht - aber ganz offensichtlich Du.
Gar nicht. - Streng genommen fordert die Theologie diesbezüglich GAR nichts, weil sie diese Problematik als tragi-komischen Selbstkampf der agnostischen Bibel-Beschäftigung versteht, der sie nichts angeht.
Wie ich schrieb, fordert die Theologie diesbezüglich nichts, aber offenkundig doch wohl Du.

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#925 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 20:47

sven23 hat geschrieben:Die Verbrechen bleiben bestehen.
Ähm - ja - natürlich. - Darum geht es doch nicht. - Es geht hier um Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens.

sven23 hat geschrieben:Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes ist, ist das anthropozentrisch.
Nein - wenn man selbst-maßstäblich denkt, ist es anthropozentrisch (es gibt auch Rabbis, die NICHT an Jesus glauben und alles andere als anthropozentrisch denken)

sven23 hat geschrieben:Und was meckerst du dann? Theißen hat doch alles offengelegt.
Wird aber so interpretiert, als sei sein Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" universal gemeint - er meint es jedoch (hoffentlich) im Sinne der HKM.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung legt alles offen.
Sicherlich gibt es Vertreter in der Forschung, die die Setzungen der HKM offenlegen - aber es wird "draußen" nicht so verstanden - siehe Forum hier.

sven23 hat geschrieben:Also hast du schon wieder vergessen oder immer noch nicht verstanden, dass Zirkelschlüsse Beweisfehler sind.
Du verwendest das Wort "Zirkelschluss" einmal so und ein andermal anders. - Sind wir jetzt also wieder im Status, dass wir damit Beweisfehler innerhalg eines Systems meinen? Soll mir recht sein.

Dann kann ich anders formulieren:
Sowohl Kanonik als auch HKM präjudizieren ihre Forschungsergebnisse mit ihren Setzungen - dies impliziert, dass dies auch dann der Fall ist, wenn man keine Beweisfehler in Deinem Sinne begeht.

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#926 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 20:54

Münek hat geschrieben: Professionelle Bibelexegese setzt excellente Kenntnisse in der Textkritik, Textanalyse, in der Redaktions-, Literar-, Form- und Traditionskritik voraus.
Richtig - das war in den Literaturwissenschaften nicht anders. - Der Unterschied: Zu meiner Zeit wurden diese Untersuchungen gemacht, um die eigentliche Auslegung ("Was steht hier bei Goethe?") zu flankieren, aber eben nicht zu ersetzen.

Münek hat geschrieben:Eine Diziplin "GEISTIGE Exegese" existiert an den theologischen Fakultäten meines Wissens nicht.
Weil es bei der Bibel doppelt gemobbelt ist, Exegese so zu nennen, weil man die Bibel ungeistig nicht auslegen kann - eigentlich. - Dieser Begriff macht nur Sinn in Abgrenzung zur HKM.

Münek hat geschrieben:Es gibt in der Wissenschaft keine Unfehlbarkeitsansprüche.
Doch - methodisch offensichtlich schon.

Münek hat geschrieben:Wie ich schrieb, fordert die Theologie diesbezüglich nichts, aber offenkundig doch wohl Du.
Nein, auch nicht. - Das Problem ist rein pädagogische Natur: Die Menschen glauben heute an die Wissenschaft genauso wie die Menschen im Mittelalter an die RKK - beides ist fatal.

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sven23
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#927 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Sa 5. Nov 2016, 21:00

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Verbrechen bleiben bestehen.
Ähm - ja - natürlich. - Darum geht es doch nicht. - Es geht hier um Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens.
Ja, und du hast behauptet, es gäbe Entrüstungsliteratur auf wissenschaflichem Niveau. Beispiele?


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und was meckerst du dann? Theißen hat doch alles offengelegt.
Wird aber so interpretiert, als sei sein Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" universal gemeint - er meint es jedoch (hoffentlich) im Sinne der HKM.
Dann lies ihn doch endlich mal selber und du bist nicht auf die Urteile anderer angewiesen. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung legt alles offen.
Sicherlich gibt es Vertreter in der Forschung, die die Setzungen der HKM offenlegen - aber es wird "draußen" nicht so verstanden - siehe Forum hier.
Der einzige, der es ständig falsch versteht, bist du selbst. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also hast du schon wieder vergessen oder immer noch nicht verstanden, dass Zirkelschlüsse Beweisfehler sind.
Du verwendest das Wort "Zirkelschluss" einmal so und ein andermal anders. - Sind wir jetzt also wieder im Status, dass wir damit Beweisfehler innerhalg eines Systems meinen? Soll mir recht sein.
Die Forschung arbeitet nicht mit solchen Beweisfehlern.
Wenn die Volkszählung, der Kindermord des Herodes, die Synagogen, die Freilassung von Gefangenen am Passahfest als unhistorisch angesehen werden, dann ist das eben so und hat nichts mit Setzungen zu tun.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#928 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 22:19

sven23 hat geschrieben:Ja, und du hast behauptet, es gäbe Entrüstungsliteratur auf wissenschaflichem Niveau.
Ich sage, dass man in der öffentlichen Präsentation nur Arbeiten vorzeigen kann, die Entrüstungs-Liturgien folgen, und dass man sofort in die braune Ecke gestellt wird, wenn man historisches Verständnis (im Sinne von "verstehen"/"kapieren", nicht im Sinne von "gutheißen") präsentiert.

Guck mal "history" oder andere Sendungen, in denen über das 3. Reich gesprochen wird, dann weißt Du, was ich meine.

sven23 hat geschrieben:Dann lies ihn doch endlich mal selber
Ich bin ungesehen sicher, dass er handwerklich absolut sauber im Sinne seiner Methodik arbeitet. Wir reden hier NICHT darüber, ob er methodische Fehler gemacht hat (dann müsste man ihm diese nachweisen), sondern was seine Methode kann und was sie nicht kann.

sven23 hat geschrieben:Der einzige, der es ständig falsch versteht, bist du selbst.
Was soll diese Verdrehung: DU gehörst doch zu denen, die "historisch-kritisch" gleichsetzen mit "Deren Ergebnisse sind Fakten in Bezug auf das, was der Fall war".

sven23 hat geschrieben:Wenn die Volkszählung, der Kindermord des Herodes, die Synagogen, die Freilassung von Gefangenen am Passahfest als unhistorisch angesehen werden, dann ist das eben so und hat nichts mit Setzungen zu tun.
Das nicht - da muss man davon ausgehen, dass die HKM sauber gearbeitet hat, und hoffen, dass sie nichts übersehen hat.

Aber darum geht es (mir) nicht: Mir geht es darum, dass die HKM nicht darüber befinden kann, ob Jesus göttlich oder nur menschlich war, Maria jungfräulich geboren hat und Jesus leiblich auferstanden ist - dass diese drei Dinge (und anderes) historisch genauso historisch sein können wie die Leugung desselben.

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sven23
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#929 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » So 6. Nov 2016, 08:48

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ja, und du hast behauptet, es gäbe Entrüstungsliteratur auf wissenschaflichem Niveau.
Ich sage, dass man in der öffentlichen Präsentation nur Arbeiten vorzeigen kann, die Entrüstungs-Liturgien folgen, und dass man sofort in die braune Ecke gestellt wird, wenn man historisches Verständnis (im Sinne von "verstehen"/"kapieren", nicht im Sinne von "gutheißen") präsentiert.

Guck mal "history" oder andere Sendungen, in denen über das 3. Reich gesprochen wird, dann weißt Du, was ich meine.
Ich sprach ja auch von wissenschaftlichen Publikationen. Meinst du den Pay-TV Sender "history"?
Die ZDF-history Serie ist sicher populärwissenschaftlich aufbereitet, aber als Entrüstungspropaganda kann man sie nicht bezeichnen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann lies ihn doch endlich mal selber
Ich bin ungesehen sicher, dass er handwerklich absolut sauber im Sinne seiner Methodik arbeitet. Wir reden hier NICHT darüber, ob er methodische Fehler gemacht hat (dann müsste man ihm diese nachweisen), sondern was seine Methode kann und was sie nicht kann.
Der Methodik widmet Theißen ein ganzes Kapitel. Die Forschung weiß schon ganz genau, was sie kann und was sie nicht kann. Mach dir da mal keine Sorgen. Glaubensdogmatiker brauchen sich darum keine Gedanken zu machen. Sie sind universalpotent: sie können Tote auferstehen lassen, Menschen übers Wasser laufen und durch die Lüfte schweben lassen oder sie können Frauen jungfräulich gebären lassen. Fantasy has no limits.

"Weil Wissenschaft nicht einfach von der Wirklichkeit „erzählen " kann, sondern über Quellen , Forschungslagen , Methoden und Probleme reflektiert , ist sie ein kompliziertes Geschäft . Wir sehen darin eine Herausforderung für die Wissenschaftsdidaktik. Unser Buch möchte differenziertes Problemwissen so klar wie möglich vermitteln und auch etwas von der Freude, die es macht, innerhalb des Wissenschaftsprozesses an der Suche nach Wahrheit und der Korrektur unserer Irrtümer teilzunehmen. Wir haben als Leserinnen und Leser auch interessierte Laien im Auge,
die sich über Jesus informieren wollen."

Gerd Theißen, Der historische Jesus

Also nimm doch endlich das Angebot, dich über Jesus zu informieren, an. ;)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der einzige, der es ständig falsch versteht, bist du selbst.
Was soll diese Verdrehung: DU gehörst doch zu denen, die "historisch-kritisch" gleichsetzen mit "Deren Ergebnisse sind Fakten in Bezug auf das, was der Fall war".
Nein, ich betone doch immer wieder, dass die Untersuchung der Quellen dies nahelegt. Schließlich haben wir nichts anderes. Du kannst natürlich hoffen, dass der echte, historische Jesus ein ganz anderer war, als in den Quellen beschrieben. Nur hätte das zur Konsequenz, dass die Quellen ganz und gar unzuverlässig wären. Gerade das streiten aber Kanoniker entschieden ab.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn die Volkszählung, der Kindermord des Herodes, die Synagogen, die Freilassung von Gefangenen am Passahfest als unhistorisch angesehen werden, dann ist das eben so und hat nichts mit Setzungen zu tun.
Das nicht - da muss man davon ausgehen, dass die HKM sauber gearbeitet hat, und hoffen, dass sie nichts übersehen hat.
Davon darfst du ruhig ausgehen, dass sie ihren Job gemacht hat. Vieles in den Evangelien beschriebene ist unhistorisch. Das Johannesevangelium gilt als das historisch unzuverlässigste, quasi eine komplette Eigenkomposition des Schreibers. Dafür findet man hier am meisten antijüdische Propaganda, die sich wohl aus der Ablehnung des traditionellen Judentums gegenüber der neuen Sekte ergibt. Der Schreiber hat dabei die aktuellen Verhältnisse in die Zeit Jesu zurückprojiziert, und damit den Mythos begründet, Jesus hätte dem Judentum ablehnend gegenübergestanden.

closs hat geschrieben: Aber darum geht es (mir) nicht: Mir geht es darum, dass die HKM nicht darüber befinden kann, ob Jesus göttlich oder nur menschlich war, Maria jungfräulich geboren hat und Jesus leiblich auferstanden ist - dass diese drei Dinge (und anderes) historisch genauso historisch sein können wie die Leugung desselben.
Erstens macht die Forschung keine Aussagen dazu und zweitens darf der Leser ja auch selbst ein bißchen mitdenken und 1 un 1 zusammenzählen. Sooo schwer ist das gar nicht. :lol:
Zur Jungfrauengeburt gehört unbedingt der Übersetzungsfehler bei Matthäus, und dass den Schreibern, die vermutlich einen hellenistischen HIntergrund hatten, die Jungfrauengeburt aus anderen Kulten nicht unbekannt war.
Doch das eine ist so unwahrscheinlich wie das andere.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#930 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » So 6. Nov 2016, 09:27

Jesus als tragische Figur, die gescheitert ist.

"Jesus von Nazareth war zweifellos eine tragische Gestalt der vorderorientalischen
Religionsgeschichte des ersten Jahrhunderts. Als Rabbi und Wanderprediger verkündete er ein Reich
Gottes, das nie gekommen ist, zugunsten eines Volkes, das nicht erlöst wurde, sondern seinen
eigentlichen Leidensweg erst noch vor sich hatte. Schließlich wurde Jesus ein Opfer seiner eigenen
religiösen Überspanntheit und starb einen schändlichen Tod am Kreuz. Ein warnendes Beispiel dafür,
was Religion aus Menschen machen kann. Sein hohes Selbstbewusstsein, das Theologen gerne
rühmen, war in Wirklichkeit Ausdruck einer Bewusstlosigkeit und einer Wirklichkeitsverzerrung, wie
sie vielen frommen Menschen eigen ist. Völlig beherrscht von seiner Wahnidee des unmittelbar
bevorstehenden Gottesreiches, hat er sich selbst vermutlich jedoch keine andere Rolle als die des
Mahners zur Umkehr eingeräumt, sich also nicht selbst als Messias oder Gottessohn oder
Menschensohn verstanden und bezeichnet. Hätte er es getan, hätte er sich selbst als jemand
verstanden, der den Gang der Geschichte (vielleicht durch sein Leiden) beschleunigen, quasi den
neuen Äon herbeizwingen kann, hätte er sich selbst eine Rolle zugedacht bei der Aufrichtung der
Gottesherrschaft – der Grad seines Gotteswahns müsste noch höher veranschlagt werden. Die
neutestamentliche Forschung hat die Profanität und auch die Provinzialität dieses bald zum Gott
Erklärten eigentlich schlüssig aufgezeigt, auch wenn sie diese Erkenntnisse als Gelehrte, die ihre
Stellung auch dem guten Einvernehmen mit der Kirche verdanken, nicht an die große Glocke hängen.
Doch überklar ist: Dieser Jesus des ersten Jahrhunderts hat mit dem Christus der Kirche nicht das
Geringste zu tun. Frühere Jahrhunderte haben dies nicht wissen können und sind damit teilweise
entschuldigt. Aber heute ist Theologie als Ganzes und besonders die Dogmatik nur möglich in
Absehung oder Nichtbeachtung oder Bagatellisierung der historisch-kritischen Forschung zu Jesus
und dem frühen Christentum.
...
In Wirklichkeit fängt es für die Dogmatiker jedoch hier erst an. Als der irdische Jesus starb, erblickte
der dogmatische Christus das Licht der Welt. Und dessen Geschichte währte nicht wie beim Irdischen
nur ein oder drei Jahre, sondern hat inzwischen fast 2000 Jahre hinter sich. Am dogmatischen
Christus sind auch sich heute als modern gebende Dogmatiker interessiert, aber nicht an dem
befremdlichen galiläischen Apokalyptiker. Und es waren die Dogmatiker, die Jesus zu seiner
Himmelfahrt verholfen haben. Ohne ihre wortreiche Hilfe hätte er selbst das nie geschafft und als
frommer Jude vermutlich auch gar kein Interesse daran gehabt."


Interssanterweise meinte Bultmann, dass Jesus in die Predigt der Kirche auferstanden ist. Ganz Unrecht hat
er damit ja nicht.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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