Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
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sven23
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#1021 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 5. Nov 2016, 08:05

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:die Theologie ist die einzige, die auf Dogmen und Glaubensentscheide angewiesen ist.
Sie hat andere Setzungen als etwa die HKM - das ist richtig. - Und DAS soll ausmachen, ob etwas Wissenschaft ist oder nicht?
Kennst du eine Wissenschaft, die auf Dogmen und Glaubensentscheide angewiesen ist und deren Anliegen es ist, diese vorrausgesetzen Dogmen in sich ewig wiederholenden und selbst bestätigenden Zirkelschlüssen zu "beweisen"? :shock:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In diesem Fall ist die subjektive Wahrnehmung identisch mit der "Offenbarung".
Das muss man differenzierter sehen:
a) Eine Offenbarung wird wahrnehmungs-mäßig gar nicht wahrgenommen ("Sein wird vom Seienden nicht thematisiert", würde Heidegger sagen)
b) Eine Offenbarung existiert gar nicht, sondern man bildet sie sich ein (auch das gibt es oft genug).
c) Eine Offenbarung wird wahrgenommen und authentisch verstanden.
d) Eine Offenbarung wird wahrgenommen und NICHT authentisch verstanden.
Bleibt eigentlich nur b übrig. Warum sollte sich ein Gott in tausenden verschiedenen Masken zeigen?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kant hat es auch nicht verstanden. Für ihn waren Dogmen Ausdruck von Wahnvorstellungen.
Jetzt diskreditiere Kant nicht - er war schon etwas differenzierter, als er heute gerne pro domo dargestellt wird.
Deshalb hat er ja auch differenziert zwischen "natürlicher-/Vernunftreligion und Offenbarungsreligionen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also hätte Gott den Menschen einen Verstand mitgegeben, der es unmöglich macht, Gott zu verstehen/erkennen.
Gar nicht weit weg: Gott hätte dann dem Menschen einen Verstand mitgegeben, der ihm ermöglicht, aufgeklärt (!) zu verstehen, dass er Gott aus dem Dasein heraus in dessen Wesen nicht erkennen kann.
Was wiederum zur Folge hätte, dass eine "Selbstoffenbarung" Gottes überhaupt keinen Sinn machen würde. Da hat Gott wohl nicht konsequent zu Ende gedacht. (oder war es closs?) :lol:

closs hat geschrieben: Aufklärung sollte die Erkenntnis der Grenzen anthropozentrischen Verstehens beinhalten - insofern ist Hiob aufgeklärter als diejenigen, die sich im heutigen Sinne dieses Wortes aufgeklärt nennen. - Kant übrigens hat es erkannt - in später Zeit, als er erwähnte, dass er die Vernuft an ihr Ende getrieben habe, um Platz für den Glauben zu haben.
Er merkte wohl, dass Glaube und Vernunft Gegensätze sind.

"Theologie" ist der professionalisierte und institutionalisierte Missbrauch der Vernunft im Dienste des Glaubens."
(Hans Albert, dt. Philosoph und Soziologe)

"Ärgert dich dein Auge, so reiss es aus, ärgert dich deine Hand, so hau sie ab, ärgert dich deine Zunge, so schneide sie ab, und ärgert dich deine Vernunft, so werde katholisch."
(Heinrich Heine, dt. Dichter, 1797-1856)


"Wenn die Vernunft ein Geschenk des Himmels ist und wenn man vom Glauben das gleiche sagen kann, so hat uns der Himmel zwei unvereinbare, einander widersprechende Geschenke gemacht."

(Denis Diderot, franz. Schriftsteller u. Philosoph, 1713-1784)

closs hat geschrieben: Kants Ausfälle gegen Kirche und Religion sind deskriptiver Natur - und da zu Recht (er lebt im 18.Jh.).
Natürlich zu Recht, und zwar mindestens bis zur Aufklärung und Säkularisierung. Es war kein Wandel aus Einsicht, sondern durch Druck von aussen herbei geführt. Der "kirchliche Afterdienst" hat aber bis heute Bestand.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1022 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 09:46

fin hat geschrieben:wie beurteilt ihr eigentlich 1. Mose 18/19 - hinsichtlich besagter "Offenbarungsformen". Für mich gibt dieser Bericht viele Rätsel auf.
Für mich auch - andererseits kann man es auch auflösen. - Dazu gehört erst einmal die Feststellung, dass die Texte immer eine Mischung aus göttlicher Offenbarung und menschlicher Mängel sind. - Wenn man sich mal den Spaß macht, das AT darauf zu untersuchen nach den Kriterien
1) Was ist hier geistig bleibende Aussage?
2) Was hat ein Schreiber irrtümlich geglaubt?
3) Wo wird hier das Denken einer Text-Figur beschrieben, die mit göttlichen Aussagen übereinstimmt oder ihnen widerspricht?
4) Was ging bei den Übersetzungen ins Griechische und dann ins Deutsche an wichtigen Konnotationen verloren?
5) etc.

... wenn man sich also diesen Spaß macht, wird man feststellen, dass es zu gut wie immer eine Mischung aus Verschiedenem ist. - Und da das jeweils geistig Bleibende rauszuholen, ist historisch-kritisch schlicht nicht möglich.

Diese Hürde steht also immer. - Danach könnte man die "beiden Engel" und die "drei Männer" als ganz "normale" Offenbarungen verstehen. - Dass Jahwe hier gleichzeitig an verschiedenen Orten ist (einmal in den Engel-/Männer-Offenbarungen, ein anderes Mal in der Offenbarung durch das Wort "von oben"), halte ich nicht für dramatisch, da das Wort "Gott" aus meiner Sicht nur dann einen Sinn macht, wenn man sich Gott als allpräsent vorstellen können muss.

Möglicherweise handelt es sich hier um eine Gegenüberstellung von "Offenbarungen um Fleisch" ("Männer"/"Engel") und "Offenbarungen im Wort" ("ER"). - Man könnte es interpretieren als Vorspiel zum NT-gängigen "Sohn"-"Vater"-Dualismus.

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#1023 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 09:52

Münek hat geschrieben:Deine Schlaumeierei besteht darin, dass Du höchst anthropozentrisch Aussagen über Gottes Wesen machst.
ALLEs, was der Mensch tut, ist so gesehen anthropozentrisch, weil der Mensch nur von sich aus sprechen kann.

Hier ist etwas anderes damit gemeint (und nur so macht es Sinn):
Macht man SEINE Systeme zum Maßstab (menschlicher Verstand) oder Gott - daraus ergibt sich das Gegenpaar "Anthropozentrismus - Theozentrismus".

Münek hat geschrieben:Es geht allein darum, dass Jahwe Elohim höchstpersönlich in der Geschichte seines auserwählten Volkes agierte und nicht in einer seiner angeblichen trinitarischen Erscheinungen.
Die Trinität im NT-Sinn spielt im AT selbstverständlich keine entscheidende Rolle - wer behauptet sowas? Das Offenbarungs-Inventar des AT ist anders.

Münek hat geschrieben:Da Du aber nicht wissen kannst, in welche Richtung Du peilen musst
Doch - genau das kann man rauskriegen. - Aber sicherlich nicht historisch-kritisch.

Münek hat geschrieben:Vielmehr war Gott in diesem Gebilde verborgen präsent, wie auch in dem Gewittersturm, aus dem Jahwe mit Hiob sprach.
Das ist er im "Engel des Herrn" und in Jesus genauso - da gibt es keinen Unterschied.

Münek hat geschrieben:Im "Alten Testament" wirkte Gott NICHT durch Jesus von Nazareth, auch nicht durch den Heiligen Geist
Zumindest offenbart er sich nicht expressis verbis durch Jesus - korrekt. - Beim HG müsste man überprüfen, was im AT mit "Geistbraus" gemeint ist - denn der kommt ziemlich oft vor.

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#1024 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 10:20

sven23 hat geschrieben:Kennst du eine Wissenschaft, die auf Dogmen und Glaubensentscheide angewiesen ist und deren Anliegen es ist, diese vorrausgesetzen Dogmen in sich ewig wiederholenden und selbst bestätigenden Zirkelschlüssen zu "beweisen"?
In dieser Formulierung, nein. - Aber es gibt Wissenschaften, die methodisch (= Funktion "Glaubensentscheid") gezwungen ist, sich auf das zu konzentrieren, was kritisch-rational fassbar ist. - Das ist dasselbe in Grün (und übrigens unvermeidbar - man spricht nicht umsonst von "einer Disziplin").

sven23 hat geschrieben:Bleibt eigentlich nur b übrig. Warum sollte sich ein Gott in tausenden verschiedenen Masken zeigen?
Für DEIN Weltbild bleibt nur b) übrig. - WARUM das Gott tut, wäre eine eigenes Thema - egal, was für UNSEREN Verstand dabei herauskäme: ER würde seine Gründe schon haben.

sven23 hat geschrieben:Deshalb hat er ja auch differenziert zwischen "natürlicher-/Vernunftreligion und Offenbarungsreligionen.
Ich kenne Kant diesbezüglich nicht gut genug - es klingt nach "Prometheus" und "Ganymed" bei Goethe - wenn Du so willst: Ist eine Religion anthropozentrisch oder theozentrisch zu verstehen? - Möglicherweise war Kant hier zu optimistisch.

sven23 hat geschrieben:Was wiederum zur Folge hätte, dass eine "Selbstoffenbarung" Gottes überhaupt keinen Sinn machen würde.
Warum denn nicht? - Wenn dabei begriffen wird, dass eine Gott nicht anthropozentrisch zu verstehen ist, wäre das Lernziel doch erreicht - oder nicht?

sven23 hat geschrieben:Er merkte wohl, dass Glaube und Vernunft Gegensätze sind.
Eben NICHT Gegensätze, sondern das Eine löst das andere ab Punkt x ab.

sven23 hat geschrieben:Hans Albert ...
Albert ist analytischer Philosoph - also programmatisch anthropozentrisch. Was soll da anders kommen? - Unter anthropozentrisch-philosophischen Gesichtspunkten ist Gott nicht verstehbar - man kommt nur näher, wenn man versucht, de-anthropozentrisch nachzuvollziehen.

All das, was Du hier zitierst, ist Beleg dafür, dass die moderne Aufklärung (also ab 19. Jh.) hinter die Erkenntnisse von Hiob zurückgefallen ist - da war die Früh-Aufklärung weiter.

sven23 hat geschrieben: Es war kein Wandel aus Einsicht, sondern durch Druck von aussen herbei geführt.
Da ist was dran - wenn man so will, musste die Kirche von ihren Feinden zu ihrem Glück gezwungen werden.

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#1025 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 5. Nov 2016, 11:55

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kennst du eine Wissenschaft, die auf Dogmen und Glaubensentscheide angewiesen ist und deren Anliegen es ist, diese vorrausgesetzen Dogmen in sich ewig wiederholenden und selbst bestätigenden Zirkelschlüssen zu "beweisen"?
In dieser Formulierung, nein. - Aber es gibt Wissenschaften, die methodisch (= Funktion "Glaubensentscheid") gezwungen ist, sich auf das zu konzentrieren, was kritisch-rational fassbar ist. - Das ist dasselbe in Grün (und übrigens unvermeidbar - man spricht nicht umsonst von "einer Disziplin").
Nein, es ist absolut nicht dasselbe. Wer so etwas behauptet, hat überhaupt nichts verstanden. :shock:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Bleibt eigentlich nur b übrig. Warum sollte sich ein Gott in tausenden verschiedenen Masken zeigen?
Für DEIN Weltbild bleibt nur b) übrig. - WARUM das Gott tut, wäre eine eigenes Thema - egal, was für UNSEREN Verstand dabei herauskäme: ER würde seine Gründe schon haben.
Ich weiß: Gottes Wege sind unergründlich. :roll: Aber das sind doch nur die üblichen Ausflüchte, wenn es für den Verstand wieder allzu schmerzhaft wird.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was wiederum zur Folge hätte, dass eine "Selbstoffenbarung" Gottes überhaupt keinen Sinn machen würde.
Warum denn nicht? - Wenn dabei begriffen wird, dass eine Gott nicht anthropozentrisch zu verstehen ist, wäre das Lernziel doch erreicht - oder nicht?
Nein, überhaupt nicht. Anthropozentristisch ist doch wohl eher der Glaube, Gott habe die Welt für die Krone der Schöpfung auf einem winzigen Staubkorn im Universum erschaffen. Da wäre viel mehr Demut angesagt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hans Albert ...
Albert ist analytischer Philosoph - also programmatisch anthropozentrisch. Was soll da anders kommen? - Unter anthropozentrisch-philosophischen Gesichtspunkten ist Gott nicht verstehbar - man kommt nur näher, wenn man versucht, de-anthropozentrisch nachzuvollziehen.
Mal eine grundsätzliche Frage: warum muss man sich überhaupt imaginäre Götter erschaffen, um dann sein Leben darauf auszurichten, den vermeintlichen Willen dieses imaginären Gottes zu erfüllen? Wobei natürlich verschwiegen wird, dass dieser vemeintliche Wille Gottes natürlich auch menschlichen Gehirnen entsprungen ist.


closs hat geschrieben: All das, was Du hier zitierst, ist Beleg dafür, dass die moderne Aufklärung (also ab 19. Jh.) hinter die Erkenntnisse von Hiob zurückgefallen ist - da war die Früh-Aufklärung weiter.
Wenn Hiob ein Beispiel für Aufklärung sein soll, dann könnte sie uns gestohlen bleiben. Hiob ist geradezu das Gegenteil von Aufklärung. Er wird ja gerade nicht darüber aufgeklärt, dass er nur eine Schachfigur in einer göttlichen Scharade ist.
Die Schreiber haben ihn aber "richtig" entscheiden lassen, also pro Glauben, dafür wird er von Gott am Ende belohnt.
Die Hiob Geschichte ist nach wie vor der mißglückte Versuch der Schreiber, das Theodizeeproblem anzugehen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1026 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Sa 5. Nov 2016, 12:14

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Deine Schlaumeierei besteht darin, dass Du höchst anthropozentrisch Aussagen über Gottes Wesen machst.
ALLEs, was der Mensch tut, ist so gesehen anthropozentrisch, weil der Mensch nur von sich aus sprechen kann.
Rede Dich nicht raus. Meine Kritik bezog sich darauf, dass Du Aussagen über Gottes Wesen machst - was aber nicht möglich ist.

Münek hat geschrieben:Da Du aber nicht wissen kannst, in welche Richtung Du peilen musst
Doch - genau das kann man rauskriegen. - Aber sicherlich nicht historisch-kritisch.
Gewiss - nämlich durch "erahnen" (= undeutlich vermuten).

Im Übrigen befasst sich die historisch-kritische Bibelforschung nicht mit "Peilungen". Sie schaut auch nicht in die Kristall-Kugel.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Im "Alten Testament" wirkte Gott NICHT durch Jesus von Nazareth, auch nicht durch den Heiligen Geist
Zumindest offenbart er sich nicht expressis verbis durch Jesus - korrekt. - Beim HG müsste man überprüfen, was im AT mit "Geistbraus" gemeint ist - denn der kommt ziemlich oft vor.
Es war nicht der GEISTBRAUS, der die Kinder Israel aus Ägypten herausführte und ihnen am Berg Sinai die zehn Gebote gab, auch keine andere Offenbarungsform Gottes, sondern Jahwe Elohim persönlich.

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#1027 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 13:54

sven23 hat geschrieben:Nein, es ist absolut nicht dasselbe. Wer so etwas behauptet, hat überhaupt nichts verstanden.
Oder mehr, als es denen recht sein kann, die tatsächlich glauben, dass sie nichts setzen. - Denn darauf läuft es raus: Man setzt, dass man nichts setzt, und glaubt (! :lol: ) dann tatsächlich, dass man nichts setzt - und nennt das dann auch noch Aufklärung. :devil: - Mannomann.

sven23 hat geschrieben: Aber das sind doch nur die üblichen Ausflüchte, wenn es für den Verstand wieder allzu schmerzhaft wird.
Auch DAS gibt es - das werfe ich übrigens den Kirchen vor: nämlich, dass sie gerne die Jalousie des göttlichen Geheimnisses runterlässt, obewohl es nicht nötig wäre, wenn man nur weiterdenken würde. - Aber die heutige "Aufklärung" ist da auch nicht besser: Man macht eine anthropozentrische Basta-Politik ("Was wir nicht verstehen, ist nicht relevant"), lässt also seine methodischen Jalousien runter.

sven23 hat geschrieben:Anthropozentristisch ist doch wohl eher der Glaube, Gott habe die Welt für die Krone der Schöpfung auf einem winzigen Staubkorn im Universum erschaffen.
Aber - im Gegensatz zu "Deiner" Weltanschauung - dient dieses Bild der De-Anthropozentrierung. Das ist schon ein Unterschied.

sven23 hat geschrieben:Mal eine grundsätzliche Frage: warum muss man sich überhaupt imaginäre Götter erschaffen
Wer das tut, ist geistig auf dem falschen Weg. - Du verwechselst möglicherweise wieder mal "finden" und "er-finden".

sven23 hat geschrieben:Hiob ist geradezu das Gegenteil von Aufklärung.
Ist er NICHT - aber das erkennt man nur, wenn man jenseits seiner methodischen/anthropozentrischen Weltsicht keine ontologischen Fragen stellt.

Aber ich verstehe Dich trotzdem: Wenn man setzt, dass das eigene System NICHTS setzt, es somit der Maßstab ist, braucht's in der Tat Gott nicht und somit auch keiner ontologischen Fragen.

sven23 hat geschrieben:Die Hiob Geschichte ist nach wie vor der mißglückte Versuch der Schreiber, das Theodizeeproblem anzugehen.
Für andere ist es eines der größten Stücke der Weltliteratur - es kommt auf die geistige Formatierung einer Epoche an.

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#1028 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 13:59

Münek hat geschrieben:Rede Dich nicht raus. Meine Kritik bezog sich darauf, dass Du Aussagen über Gottes Wesen machst - was aber nicht möglich ist.
Ich habe erklärt, warum man Gott ex negativo ("Was ist Gott NICHT?") und positiv über Eigenschaften richtungs-mäßig einordnen kann, ihn aber nicht in seinem Wesen, das hinter dem steht, was man sieht, erkennen kann. - Das bleibt.

Münek hat geschrieben:Im Übrigen befasst sich die historisch-kritische Bibelforschung nicht mit "Peilungen".
Stimmt - sie versucht auf säkulare Weise, soziale, biografistische, historische, textkritische, etc. Rahmenbedingungen zu beleuchten.

Münek hat geschrieben:Es war nicht der GEISTBRAUS, der die Kinder Israel aus Ägypten herausführte und ihnen am Berg Sinai die zehn Gebote gab
Nein - das war Jahwe in seiner Offenbarung als Schöpfer der Welt und Chef. - Schon richtig, aber auch nie in Zweifel gesetzt.

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#1029 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 5. Nov 2016, 14:27

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, es ist absolut nicht dasselbe. Wer so etwas behauptet, hat überhaupt nichts verstanden.
Oder mehr, als es denen recht sein kann, die tatsächlich glauben, dass sie nichts setzen. - Denn darauf läuft es raus: Man setzt, dass man nichts setzt, und glaubt (! :lol: ) dann tatsächlich, dass man nichts setzt - und nennt das dann auch noch Aufklärung. :devil: - Mannomann.
Wenn du unbedingt darauf bestehst, dann setzt man eben, dass man nach wissenschaftlicher Methodik arbeitet. Das ist aber kein Nachteil, sondern gerade der durch nichts zu ersetzende Vorteil.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Aber das sind doch nur die üblichen Ausflüchte, wenn es für den Verstand wieder allzu schmerzhaft wird.
Auch DAS gibt es - das werfe ich übrigens den Kirchen vor: nämlich, dass sie gerne die Jalousie des göttlichen Geheimnisses runterlässt, obewohl es nicht nötig wäre, wenn man nur weiterdenken würde. - Aber die heutige "Aufklärung" ist da auch nicht besser: Man macht eine anthropozentrische Basta-Politik ("Was wir nicht verstehen, ist nicht relevant"), lässt also seine methodischen Jalousien runter.
Das hat überhaupt nichts mit verstehen zu tun. Es wird auch heute durchaus verstanden, dass die Azteken ihren Göttern Menschenopfer darbrachten, um sie zu besänftigen. Das sagt aber nichts darüber, ob es diese Götter überhaupt gab. Laut closs muss die Forschung nun setzen, dass es die Götter gab, um diesen aztekischen Glauben untersuchen zu können.
Merkst du den Unsinn deiner ständigen Setzungsforderung?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Anthropozentristisch ist doch wohl eher der Glaube, Gott habe die Welt für die Krone der Schöpfung auf einem winzigen Staubkorn im Universum erschaffen.
Aber - im Gegensatz zu "Deiner" Weltanschauung - dient dieses Bild der De-Anthropozentrierung. Das ist schon ein Unterschied.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mal eine grundsätzliche Frage: warum muss man sich überhaupt imaginäre Götter erschaffen
Wer das tut, ist geistig auf dem falschen Weg. - Du verwechselst möglicherweise wieder mal "finden" und "er-finden".
Bei Göttern kommt das auf dasselbe raus. Es sind menschliche Erfindungen. Daran ändern auch Wortspielereien nichts.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hiob ist geradezu das Gegenteil von Aufklärung.
Ist er NICHT - aber das erkennt man nur, wenn man jenseits seiner methodischen/anthropozentrischen Weltsicht keine ontologischen Fragen stellt.
Was hat das mit Methodik zu tun? Innerhalb der literarischen Erzählung treffen wir doch auf einen ethisch höchst fragwürdigen Gott, der keine Probleme damit hat, eines seiner Geschöpfe für den Gewinn einer Wette unnötig leiden zu lassen. Gut, das Opfer wird am Ende dafür entschädigt, aber welche moralisch-ethischen Abgründe tun sich hier auf?


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Hiob Geschichte ist nach wie vor der mißglückte Versuch der Schreiber, das Theodizeeproblem anzugehen.
Für andere ist es eines der größten Stücke der Weltliteratur - es kommt auf die geistige Formatierung einer Epoche an.
Na ja, da gibts zum Glück noch besseres. Wer hat noch mal gesagt, die Bibel gehöre zum meist überschätzen Werk der Weltliteratur?
Ich neige dazu, ihm zuzustimmen.
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#1030 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 5. Nov 2016, 14:51

sven23 hat geschrieben: Laut closs muss die Forschung nun setzen, dass es die Götter gab, um diesen aztekischen Glauben untersuchen zu können.
So nicht. - Sie muss sich im klaren sein, dass BEIDES möglich ist und beide Fälle untersuchen, WENN (aber wirklich nur WENN) sie ergebnisoffen sein will.

Alternativ kann sie natürlich sagen: Wir untersuchen rein säkular, als gäbe es Gott nicht. No problem. - Aber dann muss man dazu stehen, dass man bei JEDER Bewertung sagt: "Diese Bewertung gilt nur für unsere Setzung, dass es Gott NICHT gibt". - Und schon ist alles in Butter.

Um solchem Zirkus zu entgehen, plädiere ich doch für reine Sacharbeit OHNE Bewertungen - dann ist es wirklich wurscht. - Denn ein Quelle, die im Jahr 80 n.Chr. entstanden ist, ist es unabhängig davon, ob Jesus nur Mensch oder auch Gott ist.

sven23 hat geschrieben:Bei Göttern kommt das auf dasselbe raus. Es sind menschliche Erfindungen.
Wenn Du setzt, dass der monotheistische Gott als Erfindung des Menschen zu sehen ist, ist das eine klare weltanschauliche Positionierung und somit kein Problem.

sven23 hat geschrieben: aber welche moralisch-ethischen Abgründe tun sich hier auf?
Ich kann in etwa nachvollziehen, welche weltanschauliche Positionierung zu einem solchen Schluss führen kann - geh davon aus, dass diese Positionierung nicht geeignet ist, das Buch "Hiob" zu verstehen.

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