Descartes und die menschliche Seele

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Halman
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#811 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Halman » Do 3. Nov 2016, 15:01

fin hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: ... die Erkenntnis, dass Neuronen und Gliazellen auf Basis biochemischer und biophysikalischer Gesetzmäßigkeiten funktionieren. Bildgebene Verfahren (PET und fMRT) machen aktive Hirnreginen sichtbar, nicht nur, wenn es um die Steuerung von Bewegungsabläufen geht, sondernd auch bei moral-ethischen Entscheidungen, die mit Hirnaktivitäten im Schläfenlappen und Stirnhirn korrelieren (meiner Meinung nach liegt Kausalität vor) und sogar beim religiösen Erlebnissen, in dem viele Hirnregionen beteiligt sind (darunter die Sehrinde, der Nucleus caudatus, sowie Teile des Scheitellappen u. des Stammhirns). Für die Kausalität der Korrelation zwischen Hirnaktivität und Geist (Bewusstsein, Wille usw.) spricht der Einfluss von Drogen, Reizungen und Läsionen von Gehirnbereichen.
Auch dies sind Bestätigungen für Korrelationen.
Meiner Meinung sprechen diese Erkenntnisse für eine kausale Korrelation.

Oben habe ich einen Vortrag von Prof. Wolf Singer verlinkt. Er ist Experte für Wahrnehmung und negiert die Willensfreiheit. Damit es nicht so einseitig wird, habe ich hier einen weiteren Vortrag verlinkt, diesmal von Prof. Lüder Deecke, welcher die Willensfreiheit des Menschen bejaht.


fin hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Auch die Wirkung von Fluoxetin (Prozac), welches die Wideraufname von Serotonin hemmt und so dessen Wirksamkeit verstärkt, belegt, dass es keinen menschlichen Geist hinter dem Gehirn gibt:
Was heißt hier Beleg und wieso sollte sich Geist "hinter" einem Gehirn verbergen?
Eben, warum sollte sich Geist "hinter" dem Gehirn verbergen? Dafür gibt es keinen Grund.

Was Belege angeht, verweise ich auf das Bereitschaftspotential und folgendes Buch-Zitat:
Zitat aus Wille und Gehirn (Seite 54-55):
Orbitalhirnläsionen erzeugen Enthemmungen des Sozialverhaltens, Gewissensverlust, Enthemmung nicht bloß einer Hand (wie mediale Läsion), sondern der Selbstführung der Persönlichkeit, sie beeinträchtigen auch das seelische Verstehen anderer Menschen. Das kann in emiotonaler Labilität, in Witzelsucht, sexuellen Übergriffen, betrügerischen Geschäften, aufdringlichem Aufmerksamkeitsheischen, Aggressivität, Konfabulaton, enthemmten Essen (Gourmand-Syndrom - Regard & Landis 1997) u.a. bestehen.

fin hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Das Gehirn erzeugt den Geist und damit das Bewusstsein und Unterbewusstsein, sowie Willensentscheidungen über hochkomplexe neurologische Erregungsmuster.
Das ist eine lose Behauptung. Tatsächlich gibt es keinen einzigen Nachweis, der belegen würde, daß das Gehirn Geist erzeugen würde.
Damit steht meine positiv begründete naturalistische Argumentation gegen Deine negative Negation. Sie ist insofern negativ, als dass sie unterstellt, dass die Kausalität nicht bewiesen bzw. nachgewiesen sei und solange die Hinweise unzureichend seien, wäre die naturalistische Erklärung des menschichen Geistes zu negieren. So eine Negation, die nicht positiv begründet wird, sondern negativ, weil die Verneinung mit Mangel an Gründen für eine Bejahung begründet wird. So eine negative Negation ist argumenativ schwächer als eine positive.
Wenn Du nun eine negative Negation gegen meine positive Bejahung setzt, deren Argumente sich auf Verweise zu Hirnforschern stützten , so triumphiert meine positive Argumentation. Um diese auszuhelbeln ist eine positive Negation erforderlich, welche meine Argumente und die Aussagen der Hirnforscher widerliegt und positv begründet, warum das Gehirn keine hinreichende Erklärung für das Phänonen des menschlichen Geistes ist. Gelingt Dir dies nicht, so sehe ich mich als Gewinner dieser Debatte.

fin hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Meine Meinung nach erscheint es kohärent davon auszugehen, dass der menschliche Geist, und somit auch unser Denken und Fühlen, durch biochemische - und bioelektrische Prozesse erzeugt wird.
Belegen lassen sich bislang nur korrelierende Effekte.
Dies ist eine Frage der Interpretation.

fin hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Wenn jemand nach meiner Erklärung immer noch den kausalen Zusammenhang zwischen Gehirn und Geist negiert wird, also noch immer verneint, dass der Geist vom Gehirn über neurologische Erregungsmuster erzeugt wird, so erwarte ich dafür eine Begründung.
Dein Beitrag weist die These (Das Gehirn sei der Erzeuger von Seele und Geist) weder nach, noch erklärt er sie plausibel.

Zur Erinnerung:

fin hat geschrieben: Hirnläsionen sind KEINE Hinweise in Bezug auf die These, daß Gehirn sei genuiner Erzeuger von Geist und Seele.

Eine Hirnläsion weist weder auf eine zeugende Potenz (Zeugungskraft) des Gehirns hin - noch auf einen zeugenden Akt oder eine Geburt, die Geist und Seele hervorbrächte.

Ganz im Gegenteil weist eine Hirnläsion auf einen Gehirnschaden hin, der sich in Arealen des Hirns verorten und beobachten läßt und zugleich auch Auswirkungen auf das menschliche Befinden/Verhalten (Geistesfelder) und dessen Psyche zeigt. Beeinträchtigungen des Hirns (zb. durch Unfälle oder Manipulationen) zeigen, daß das Wesen des Menschen von der physischen Gestalt abhängt und durch diese bedingt wird.

Grüße
fin
Hirnläsionen korrelieren mit konkreten Funktionsbeinträchtigen. Dies lässt auf eine kausale Beziehung zwischen den Funktionen und den beeindrächtigten Hirnarealen schließen.
Ein Beispiel:

Zitat aus Gehirn - Aufbau und Funktionen:
• Wernicke-Areal - Das Wernicke-Areal ist vor allem für das Verstehen von Sprache entscheidend. Es befindet sich im hinteren, oberen Teil des linken Temporal- oder Schläfenlappens, der an der Seitenfläche der Hirnrinde sitzt. Verletzungen oder Hirnblutungen in dieser Region bewirken, dass der Patient Sprache kaum noch entschlüsseln kann. Er redet wie ein Wasserfall, seine Wörterflut ist aber verworren und unverständlich.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#812 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Halman » Do 3. Nov 2016, 15:12

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Für alle Interessierten verweise ich auf mein Buch "Wille und Gehirn", aus dem ich in meinem Beitrag vom Mo 24. Okt 2016, 01:05 zitiert hatte.
Kornhubers Buch ist hervorragend, kommt aber inzwischen in die Jahre...
Wenn dir Kornhubers Buch gefallen hat, könnten dich auch einige aktuellen Bücher zur Hirnforschung interessieren:
Wie das Gehirn die Seele macht - Gerhard Roth u. Nicole Strüber
Descartes Irrtum - Antonio Damasio
Selbst ist der Mensch - Antonio Damasio
Ich fühle also bin ich: Die Entschlüsselung des Bewusstseins - Antonio Damasio
Denken: Wie das Gehirn Bewusstsein schafft - Stanislas Dehaene
Wie das Denken im Kopf entsteht - Steven Pinker
WOW!!! Danke für die vielen Links. Darauf werde ich sicher mal zurückkommen.

Leider stapeln sich bei mir die Bücher - ich komme gar nicht mit den Lesen hinterher. Zurzeit lese ich Bücher von Gabriele Krone-Schmalz, Peter Scholl-Latour und Helmut Schmidt.

Wille und Gehirn (2007/2009) mag etwas angestaubt sein, aber immerhin kenne ich das Buch.
Als nächstes folgen die Bücher:
- DIE NATUR DES BEWUSSTSEINS - Wie Wahrnehmung und freier Wille im Gehirn entstehen (Reinhard Werth, 2010)
- SELBSTSTEUERUNG - Die Wiederentdeckung des freien Willens (Joachim Bauer, 2015)
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#813 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Do 3. Nov 2016, 15:36

Halman hat geschrieben:WOW!!! Danke für die vielen Links. Darauf werde ich sicher mal zurückkommen.
Gern geschehen!

Halman hat geschrieben:Leider stapeln sich bei mir die Bücher - ich komme gar nicht mit den Lesen hinterher. Zurzeit lese ich Bücher von Gabriele Krone-Schmalz, Peter Scholl-Latour und Helmut Schmidt.
Bei mir stapeln sich die Bücher auch. und ich lese ebenfalls 2-3 nebeneinander.
Die deutsche Politik ist nicht so mein Ding. Zurzeit konzentriert sich das deshalb bei mir eher auf meine Steckenpferde, Biologie und Philosophie und verwandte Themen.

Halman hat geschrieben:Als nächstes folgen die Bücher:
- DIE NATUR DES BEWUSSTSEINS - Wie Wahrnehmung und freier Wille im Gehirn entstehen (Reinhard Werth, 2010)
Das Buch von Werth scheint mir interessant zu sein. Wikipedia schreibt über ihn:
Werth zeigte 1982, dass die vagen Begriffe „bewusst“, „unbewusst“ und „Bewusstsein“ mit Hilfe der formalen Logik naturwissenschaftlich fassbar sind und auf welche Weise bewusste und unbewusste visuelle Leistungen bei hirngeschädigten Patienten quantitativ messbar sind.

Ich denke, was er damit ausdrücken will, ist dass hinter den Begriffen Geist und Bewusstsein nichts mystisches steckt. Wie die heftige Debatte in diesem Thread zeigt, ist dies für Viele nicht akzeptabel, weil man historisch eher in Kategorien von Besessenheit oder Schicksal bei hirngeschädigtem Patienten dachte.

Halman hat geschrieben:SELBSTSTEUERUNG - Die Wiederentdeckung des freien Willens (Joachim Bauer, 2015)
Ganz genau!
Ich bin da auch der Meinung, dass wir sehr praktische Arten von freiem Willen besitzen, in dem wir uns dank unserem Bewusstsein entscheiden können. Was wir nicht können ist etwas wollen, was wir noch gar nicht kennen. Ich verstehe Wolf Singer und Gerhard Roth so, dass sie die Meinung vertreten, jeder Mensch handelt und entscheidet nach seinen Veranlagung und Erfahrung. Z.B.: Was kann ein Homosexueller dafür, dass er eine Vorliebe für Gleichgeschlechtliche hat? Oder das ein Triebtäter seinen Trieben (Veranlagungen ) folgt?

Ob Bauer das ebenfalls so sieht, weiß ich nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#814 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Halman » Do 3. Nov 2016, 15:38

fin hat geschrieben:Rationalität spielt in unserer Welt zweifelsohne eine große Rolle, sie wurde zu einem maßgebenden Faktor unserer Zivilisation. Maschinen und Roboter zeigen das in aller Deutlichkeit. Der Mensch ist aber nicht nur ein rationales Wesen, auch wenn er zunehmend durch diesen Blickwinkel vereinnahmt wurde/wird/werden soll - siehe zb. die Entwicklung der Google-Brille.
Ja, da hast Du recht, der Mensch ist nicht nur ein rationales Wesen. Er ist auch ein emotionales Wesen. :)

fin hat geschrieben:Wie bringst du eigentlich deinen christl. Glauben und deine Ansichten über den menschlichen Geist in Übereinstimmung?
Steht nicht geschrieben: "Gott ist Geist und will in Wahrheit angebetet werden?"
Ja, aber hier geht es um Gott als Geistwesen, nicht um den menschlichen Geist.

Das Wort Geist ist ein Polysem.

Die Bibel bietet einen gewissen Interpretationspielraum. Der Mensch ist aus Staub oder Erdboden gemacht, also aus ganz gewöhlichen Stoffen. Das Besondere ist die Struktur.
Der Odem des Lebens kann als supernaturalistischer Geist interpretiert werden, aber zwingend ist die Deutung nicht. Er kann auch etwas ganz Natürliches bezeichnen.
Nimm Feuer als Beispiel. Was ist dies für ein Element? - Moment, ist es nicht ein Prozess?
Auch das viel komplexere Lebensfeuer ist kein Stoff, sondern ein Zusammenspiel, ja eine gewaltige "Symphonie" von biologischen Prozessen. Diese sind es, die einen lebendigen Leib von einem toten Körper unterscheiden - nicht das Stoffliche.
Die Seele ist der mit Lebenskraft (Odem) erfüllte Leib. Diese Definition mag der gewohnten Deutung widersprechen, doch sie entspricht der biblischen Terminologie.

fin hat geschrieben:In deinem Buch steht geschrieben:
Ausstieg aus der Natur ist unmöglich; auch für geistige Tätigkeit, die ja Informationsverarbeitung durch Ordnungsänderung ist ...
Erörtere mir doch bitte mal die unterstrichene Passage - Danke.
Im Gehirn entstehen neue Verbindungen zwischen Neuronen, das neuronale Netz ist also dynamisch. Diesbezüglich verweise ich auf den Artikel Vorratshaltung sorgt für Geschwindigkeit - Dynamische Prozesse bei der Signalübertragung im Gehirn
Dadurch, dass die Verbindungen zwischen den einzelnen Nervenzellen nicht starr sind, sondern sich ständig plastisch verändern, kann sich in den Schaltkreisen unseres Zentralnervensystems Gedächtnis entwickeln und können sich Verbindungen aufgrund von Sinneseindrücken oder während gedanklicher Prozesse umorganisieren.
Auch lesenswert ist der Artikel Nervenzellen im Gespräch.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#815 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Do 3. Nov 2016, 16:02

Halman hat geschrieben:Ja, da hast Du recht, der Mensch ist nicht nur ein rationales Wesen. Er ist auch ein emotionales Wesen. :)
Im Grunde wird der Mensch von seinen inneren Regungen (Emotionen) gesteuert und die Ratio wird oft in unseren Überlegungen völlig beiseite geschoben.

Beispiel:
Brauchen wir Autos mit 400 oder mehr PS? — Antwort: Die Ratio sagt "Nein", aber die Emotion sagt sie sind schön zu haben.

Halman hat geschrieben:
fin hat geschrieben:Wie bringst du eigentlich deinen christl. Glauben und deine Ansichten über den menschlichen Geist in Übereinstimmung?
Steht nicht geschrieben: "Gott ist Geist und will in Wahrheit angebetet werden?"
Ja, aber hier geht es um Gott als Geistwesen, nicht um den menschlichen Geist.

Das Wort Geist ist ein Polysem.
Mit Geist kann man natürlich auch Gespenst oder irgendetwas Metaphysisches meinen. Ja, aber... :D

Hier geht es um die Entstehung des menschlichen Geistes, also reden wir schon über dasselbe Thema. Das Problem ist, wir sind über die Jahrhunderte durch die christlich-abendländische Kultur geprägt im Geist etwas undurchdringliches, mystisches zu sehen.
In den letzten 20-30 Jahren, konnte aber die Hirnforschung mit Hilfe der bildgebenden Technik (PET, f-MRI, EEG) zeigen, wie das Gehirn den Geist erzeugt und ihn als Prozess der Entscheidung nutzt.

Halman hat geschrieben:Nimm Feuer als Beispiel. Was ist dies für ein Element? - Moment, ist es nicht ein Prozess?
Eben! Ein hervorragendes Beispiel.

Halman hat geschrieben:Auch das viel komplexere Lebensfeuer ist kein Stoff, sondern ein Zusammenspiel, ja eine gewaltige "Symphonie" von biologischen Prozessen. Diese sind es, die einen lebendigen Leib von einem toten Körper unterscheiden - nicht das Stoffliche.
Ja. Ich würde sagen, Leben ist angewandte Chemie.

Halman hat geschrieben:Auch lesenswert ist der Artikel Nervenzellen im Gespräch.
Danke für den Link! Ein toller Artikel.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#816 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Halman » Do 3. Nov 2016, 16:09

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Leider verstehe ich Deine Frage nicht.
Ist auch sehr ins Grundsätzliche hineingetaucht. - Ich versuche es einmal in Stichworten:
* Gott = Geist
* Gott = überzeitlich und nicht Teil des Universums
* "Alles in Eínem"/"Mensch in Gott" ist sicherlich kein materieller Stein, der dem Geist Gott im Magen liegt, sondern geistiger Natur

Frage:
Wie ist der menschliche Geist aus Deiner Sicht zu begreifen, wenn er NICHT materiell verbunden ist?
Leider stehe ich gerade auf dem Schlauch. Ich begreife einfach nicht, worauf Du mit Deiner Frage hinaus willst.

Der menschliche Geist ist aus meiner Sicht als Symphonie astronomischen Maßstabs von neurologischen Prozessen zu begreifen.

Die paulinische Aussage, dass Gott alles in allem ist, verstehe ich auch anders. Er war in der Urgeschichte von Adam und Eva in Eden den Menschen alles in Allen.
Wir brauchen Jesus als Mittler zu Gott. Er ist der Weg zum Vater. Doch wenn seine Aufgabe als Hohepriester vollkommen erfüllt ist, können wir direkt mit Gott kommunizieren. Dann wird er alles in allem sein.
Es ist eine theologische Aussage, keine philosophische oder naturwissenschaftliche.

Wir sprachen schon mal über dieses Thema. Weil ich schon Weilchen vor dem Rechne sitze, verlinke ich einfach drei Beträge:
1) Mo 6. Apr 2015, 00:35
Halman hat geschrieben:Mir ist natürlich bewusst, dass die Majorität der gläubigen Christen Deine Schlussfolgerung für geradezu zwingend hält, da doch an Geister, wie Gott und Engel, gelaubt wird; folglich muss es doch eine geistige Welt geben. Daran glaube ich auch, nur verstehe ich nicht, warum der Mensch deshalb auch dualistisch gedeutet werden müsste. Dies ist zwar eine Möglichkeit und man könnte einwenden, dass die medizinische Suche nach der unsterblichen Seele ebenso sinnlos sei, wie die Suche nach Licht, indem man eine Lampe auseinander nimmt. Doch aus der bloßen Möglichkeit, dass es so kein kann, folgt eben nicht, dass es auch so ist.

Vor etwas über einem Jahr hatte ich mal auf Basis der Bibel das Thema Seele behandelt. Falls Du nicht den ganzen Beitrag lesen willst, zitiere ich hier einfach die mMn besonders relevanten Teile:

Eine Seele (נפש - néphesch) unterscheidet sich von einem leblosen Körper darin, dass er erfüllt ist vom Odem des Lebens, der Lebenskraft (רוח - rûaḥ).
Adam wurde ein lebende Seele und starb. Dies ist im Einklang mit Hes 18:4.
Das erste Mal erscheint der Begriff néphesch in Gen 1:20 und bezieht sich dort auf Meerestiere.

Ähnlich verhält es sich mit dem griechischen Wort psyché (lat. Anima, Seele), welches über 100mal im NT vorkommt. In Mt 2:20 erscheint es das erste Mal. Dort ist davon die Rede, dass Menschen dem Jesuskind nach der psyché (dem Leben) trachteten.

In der Bibel wird auch zwischen Seele (psyché) und Geist (pneuma) unterschieden. So ist in Hebr 4:12 von der "Scheidung von Seele und Geist" die Rede.

Zu dem Begriff Seele kenne ich eine mMn recht gute Definition:
"Seele" ist ein Begriff, der sich sowohl auf die menschliche Person als Ganze als auch auf deren wesentliche Eigenschaften und Befindlichkeiten beziehen kann.

Laut Paulus hat der Mensch einen σωμα ψυχικον (sôma psychikón), einen seelischen Leib, welcher ἐπίγεια
(epígẹia; lat.: terrẹstria), also irdisch ist. Er glaubte an die Auferstehung in einen σωμα πνευματικον (sôma pneumatikón), welcher ἐπουράνια (epouránia; lat.: caelẹstia), also himmlisch ist. Deutet dies nicht darauf hin, dass die "Seele" holistisch und ganz und gar irdisch und sterblich verstanden wurde, welche dem geistigen Leib gegenübergestellt wurde? Ist diese paulinische Lehre nicht verschieden von der traditionellen Vortellung einer unsterblichen und unstofflichen Seele, welche dem Menschen innewohnt?

2) Mi 8. Apr 2015, 17:11 (über das Gehirn und die Auferweckung)

3) Mi 1. Jul 2015, 18:02 (Dies ist eine Antwort an Pluto, welche Dich interessieren könnte.)
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

JackSparrow
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#817 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von JackSparrow » Do 3. Nov 2016, 16:56

closs hat geschrieben:Das hieße in der Konsequenz, dass der Mensch nach seinem (Daseins-) Tod wieder einen biologischen Körper hat - einverstanden?
Materie ist unsterblich. Der Körper kann also niemals verloren gehen.

Dummerweise ist aber nicht jede Art von materieller Struktur dazu geeignet, sich beispielsweise ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Dazu wäre mindestens ein Sehapparat, ein Fortbewegungsorgan und eine minimale Infrastruktur für Energieversorung und Datenübertragung erforderlich.

Andererseits braucht man ohne Rückenmark und Nebenniere auch keinerlei Unannehmlichkeiten zu befürchten, weil dann aus technischen Gründen keine Stressreaktion mehr stattfinden kann. So sprach beispielsweise Epikur, Proklamator des Lustprinzips: "wenn der Tod da ist, bin ich nicht da". Bei ihm bezieht sich das Pronomen "ich" offensichtlich auf einen funktionsfähigen menschlichen Körper.


Halman hat geschrieben:Er glaubte an die Auferstehung in einen σωμα πνευματικον (sôma pneumatikón), welcher ἐπουράνια (epouránia; lat.: caelẹstia), also himmlisch ist.
Weil er die Evangelien nicht gelesen hatte. Jesus ist in einem psychischen Soma auferstanden. Sein Grab war leer, er aß und trank und hatte Wunden an den Händen.

closs
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#818 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Do 3. Nov 2016, 17:35

JackSparrow hat geschrieben:Jesus ist in einem psychischen Soma auferstanden. Sein Grab war leer, er aß und trank und hatte Wunden an den Händen.
Er ging aber auch durch geschlossene Türen - wie geht das in Deiner Version?

Halman hat geschrieben:Der menschliche Geist ist aus meiner Sicht als Symphonie astronomischen Maßstabs von neurologischen Prozessen zu begreifen.
Im Dasein allemal.

Halman hat geschrieben:Die paulinische Aussage, dass Gott alles in allem ist, ... ist eine theologische Aussage, keine philosophische oder naturwissenschaftliche.
Natürlich - ich würde sogar soweit gehen, dass transzendenz-betreffende Aussagen grundsätzlich keine naturwissenschaftliche Aussagen sind.

Wenn ich Dich insgesamt richtig verstehe, verstehst Du "Auferstehung" als Vorgang INNERHALB der Schöpfung. - Denken wir dies weiter, wäre dies eine Auferstehung in ein Feld hinein, in dem man essen und trinken kann, aber auch durch geschlossene Türen gehen kann - siehe Jesus bei seinem Erscheinen bei den Jüngern. - Wäre dies in Deinem Denkmodell erklärbar?

Halman hat geschrieben: Ich begreife einfach nicht, worauf Du mit Deiner Frage hinaus willst.
Ist auch eine sehr grundsätzliche Frage - gehe mal bei folgendem Gedankengang mit:
* Gott ist Geist und NICHT Teil der Schöpfung.
* Der Mensch ist Schöpfung, in der es (spätestens seit dem sog. "Sündenfall") Materie und Zeit gibt.
* Menschliche Erlösung (Eingang ins " Himmelreich") ist Eingang ins göttliche Reich - und das sollte ein materielles Sein, in dem es noch Gehirne gibt?

Wie kann die Differenz zwischen Gott und Mensch aufgehoben werden, wenn das Erlösungs-Reich des Menschen materieller Natur ist? Siehst Du da keine Probleme?

SilverBullet
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#819 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von SilverBullet » Do 3. Nov 2016, 18:40

closs hat geschrieben:Ich sehe Dich, nehme war: "Das ist SilverBullet". - In der Wahrnehmung gibt es keine Existenzen?
Du beschreibst eine reine Körpersituation, die durch den Aufbau von Zusammenhängen (im Sinne eines Systemablaufes) „verstanden“ wird.
Wo und wie sollen da Existenzen in der Wahrnehmung vorkommen?
Denkst du dass „die Welt“ dupliziert wird und eine Denk-Instanz sich das Duplikat „existenziell ansieht“?

closs hat geschrieben:…aber was sagt das aus über den Ursprung von Geist?
Ursprung von was?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Solltest du auf die Zeit vor oder nach der Körperexistenz abzielen, dann ist davon auszugehen, dass „dort“ keine Wahrnehmung, also kein Aufbau von Zusammenhängen stattfindet.
Wie kommst Du darauf? Vollkommen willkürliche Vermutung.
Nö, Situationen, zu denen kein Zugang besteht, lassen sich hervorragend durch die Antworten auf „wie funktioniert es“ einschätzen - das war aber schon immer so.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn mir keine Zusammenhänge vorgelegt werden und ich keine finden kann, dann liegen keine vor – soviel ist schon mal sicher.
Das ist wieder mal klassisch anthropozentrisch: "Was ich nicht weiss, gibt's nicht". - Mit anderen Worten: Deine Aussage ist nicht nur nicht sicher, sondern nicht einmal plausibel.
Wenn mir keine Zusammenhänge vorliegen, dann ist die Aussage „es liegen keine vor“ vollständig korrekt.
Dass ich offen dafür bin, dass mir Zusammenhänge genannt werden, zeigt sich ja durch meine Fragen – wo soll da ein Problem sein?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Das Problem ist, dass kein Zusammenhangspfad zu „geistig“ vorliegt
In Deinem System ist das so. - Wenn man alles materialistisch begründet, KANN es keinen Zusammenhangspfad geben.
Falsch, wir sind im Stadium des Zweifels an Existenzzusammenhängen und nun geht es um den Aufbau von Sicherheit. Das einzige Werkzeug sind möglichst viele übereinstimmende Zusammenhänge der Wahrnehmung.
Es wäre doch vollständig gegen das „Zweifelspiel“ gerichtet, wenn leichtfertig das Vorhandensein von Zusammenhängen erfunden werden würde – so etwas tut man nicht.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Dass Descartes den „Ich“-Zusammenhang als einzelnen Zusammenhang einfach als sicher tituliert, sollte dich stutzig machen
Was ist gegen den Satz einzuwenden: "Ich kann alles anzweifeln, sogar das Ich - aber wenn ich das Ich anzweifle, bleibt immer noch der Zweifelnde übrig - und das bin halt ICH - also gibt es (m)ich". ----???----
Das Problem bei diesem Satz liegt darin, dass ohne Kenntnis des Zustandekommens von Zusammenhängen, exakt unter Verwendung des anzuzweifelnden Zusammenhanges ein „Argument aufgebaut“ wird.
Die „subjektive Perspektive“ bedeutet ja gerade „Ich handle“. Wenn nun aber die „subjektive Perspektive“ als Existenzzusammenhang angezweifelt werden soll, dann darf sie natürlich nicht als Funktionsgrundlage für den Schluss auf Korrektheit verwendet werden.
Schau dich mal um, die Spielchentricks von Descartes haben ganz offiziell mit dieser Kritik zu kämpfen.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du musst somit meinen Ansatz erst einmal überwinden können.
Ontologische Fragen löst man nicht über gegenseitigen Methodik-Abgleich, sondern nur über die Res cogitans.
Ja klar, mit Bestätigungen wollen sich Religion und Philosophie nicht so gerne beschäftigen –Stichwort: „Heizdecke“.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Aber nicht „aus sich selbst“ heraus, sondern indem es „für Etwas steht“
Das gilt übrigens nicht nur fürs Ich, sondern auch für Materie!!! - Wofür steht der Körper, der - nach Deinen Worten - nicht „aus sich selbst heraus, sondern für Etwas steht“. - Wofür?
„Der Körper“ ist ein abstrakter Überblick, über eine gigantische Menge an Zusammenhängen, die fortwährend die Modellentwürfe der Forschung, hin zu einer tatsächlichen Funktionalität korrigiert.
Die Details des Körpers erstrecken sich dabei über mehrere Auflösungen und stehen im Einklang mit allen Naturwissenschaften.

Der Körper ist (auch aus der Wahrnehmung heraus) der einzige Kandidat für die Wirklichkeit, aus der heraus sich Wahrnehmung gebildet hat.
Wahrnehmung ist demzufolge ein Werkzeug des Körpers und wie jede andere Organfunktion, „dient“ sie dem Körper bzw. ist Teil des Körpers.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Descartes hatte keine Vorstellung, wie man „Denken“ herstellt. Er hatte keine Vorstellung, wie man „Zweifel“ herstellt.
Das sind klassische WIE-Fragen - und somit wissenschaftlich. - Descartes geht es aber um WAS-Fragen. - Er fragt nicht wissenschaftlich, sondern ontologisch.
Antworten auf die „Wie“-Fragen haben die Eigenschaft, dass sie die religiös/philosophischen „Was“-Fragen reihenweise, ohne Anstrengung vor sich hertreiben und letztlich entsorgen.
Antworten auf „Wie“-Fragen und die daraus entstehenden Möglichkeiten, haben die höchste Überzeugungskraft.
Jedes mal wenn du als Bedingung für deine „Behauptungen“, die Aufgabe von Korrektheit anführst, erkennt man, wie sich die religiös/philosophische „Überzeugungskraft“ ins Nichts verflüchtigt.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Deshalb ein paar einfache Fragen:
Deine Fragen sind ausschließlich auf WIE-Antworten getrimmt - als wäre menschliches Verstehen ("ich weiss, wie es funktioniert") eine Antwort auf "Was das ist". - Dein System ist rein materialistisch und wie-orientiert. - Nicht zielführend.
Es ist maximal lächerlich, dass du die einfachsten Fragen nicht beantworten kannst, dann aber mit dieser Ahnungslosigkeit sogar angeben möchtest.
Warum baut Religion/Philosophie derart auf Angeberei auf?

closs hat geschrieben:Natürlich ist es hoch-interessant, wenn ein geistiger Mensch belehrt wird, WIE die Zusammenhänge des Geistes mit dem Körper sind - echt spannend. - Aber ein geistiger Mensch würde dadurch nie eine Antwort bekommen auf die Frage "WAS ist Geist?". Diese Antworten gehen nur geistig.
Was soll „Geist“ sein?

Du willst mit „geistiger Mensch“ einen regelrechten Erhabenheitsanspruch ausdrücken und streckst das Näschen in die Luft (wie es wohl häufig die Angewohnheit von Philosophen zu sein schein), wobei du aber weder Antworten auf einfache Fragen liefern, noch sagen kannst, was „Geist“ sein soll.

Diese Haltung ist lächerlich und zeigt die „Qualität“ der religiös/philosophischen Behauptungen: Null Überzeugungskraft.

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#820 Adieu

Beitrag von fin » Do 3. Nov 2016, 19:09

-- ich haben fertig! --

Halman hat geschrieben: ... ja eine gewaltige "Symphonie" von biologischen Prozessen.
Diese sind es, die einen lebendigen Leib von einem toten Körper unterscheiden - nicht das Stoffliche.
Und ... hast du schon mal darüber nachgedacht,
wer besagte Prozesse organisiert, dirigiert und strukturiert?

Halman hat geschrieben:Im Gehirn entstehen neue Verbindungen zwischen Neuronen, das neuronale Netz ist also dynamisch.

Diesbezüglich verweise ich auf den Artikel Vorratshaltung sorgt für Geschwindigkeit - Dynamische Prozesse bei der Signalübertragung im Gehirn

Dadurch, dass die Verbindungen zwischen den einzelnen Nervenzellen nicht starr sind, sondern sich ständig plastisch verändern, kann sich in den Schaltkreisen unseres Zentralnervensystems Gedächtnis entwickeln ...

Halman, nimmst du den Sprung in der Schallplatte wahr? Man spricht von Nervenzellen, Schaltkreisen und Komplexität ... und dann ist auf einmal Gedächtnis (Bewußtsein, etc.) vorhanden. Ich frage gerne nocheinmal: nimmst du den Sprung in der Schallplatte wahr?

Oder bleibst du - wie Pluto - bei geistlosen, bzw. Sparhirn Aussagen (*), wie ...
Pluto hat geschrieben:Geist ist ein Prozess des Gehirns, ...
(*) Jack nennt es Verstehanimationen

Eine letzte Trompete, bevor wir das Forum schließen. Das Medium, mit dessen Hilfe ihr/wir miteinander kommunizieren, nennen wir gemeinhin Sprache. Sie ist keine beliebige Erscheinung, sondern Anlage und Ausdruck einer geistigen Ordnung. Ihre Freiräume entsprechen dem Wesen einer übergeordneten Größe, dessen Ursprung wir nicht kennen. Hinweise sind keine Indizien, etwas können heißt nicht es dürfen, Gesetze ersetzen nicht das Recht, ...

und jeder Prozess obliegt (ist immer Ausdruck) einer geistigen Größe. Siehe Prozessakte Hirn

Unsere Welt läßt sich vergewaltigen, unsere Geschichte zeugt davon, während geistlose Menschen unsere Sprache für ihre Zwecke mißbrauchen! Der Zeitgeist spricht Bände, auch dieses Forum. Was soll ich sagen?


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