Novalis hat geschrieben:
Ja, Jesus Christus (Joh 14,6) ist im Zeitalter des Relativismus sehr anstößig. Mich würde interessieren, wie Du die beiden Aussagen, die bei Markus „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer, Gott.“ (Markus 10,17f), die sehr demütig und bescheiden ist, und die majestätisch-deklarative des Johannes-Evangeliums unter einen Hut bringst? „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ ist da schon eine ganz andere Aussage.
Bei Johannes spricht die göttliche Natur des Herrn und man erkennt, dass Jesus keine filigranartig gebaute Systematik hinterlassen hat. Kein Jude der Antike wäre konsequent im Sinne eines Systems gewesen. Johannes schrieb sein Evangelium auch gegen jene, die griechisch-philosophisches Denken und die Gnosis ins Evangelium tragen wollten. Denkt man nur abstrakt-konsistent, dann ist Jesus nicht eindeutig zu fassen. Was ihm aber an Systematik fehlt, ersetzt Jesus durch die Eindeutigkeit seiner Person. Er war als Mensch vollständig durchsichtig für die klare Wirklichkeit Gottes, weil er diese natürlich auch in sich trug.
Wahrheit in der Hl. Schrift ist nicht wahr oder falsch, das wäre neuzeitliches Denken - sondern sich zeigende Kraft.
In Joh 8:33 ist Wahrheit keine kausale Erweisbarkeit, sondern die rettende Wirkung. Hier ist kein kurzfristiger Nachweis oder Beweis tauglich. So kann man sich die Wahrheit aneignen, wenn man Jesus nachfolgt. Wahrheit ist also keine Sache, sondern eine Person, Gott selbst. Wahrheit ist in der Bibel keine Erkenntnistheorie, keine Moral, sondern Macht, Dynamik, Potenz. Wenn also Jesus hier von der Wahrheit spricht, meldet er den Anspruch auf die Macht Gottes an.
In Joh 3:21 sagt uns Jesus auch, dass wir die Wahrheit tun sollen, es geht also nicht nur um gedankliche Richtigkeit. Wer die Wahrheit tut, baut auf die Verlässlichkeit Gottes auf und will selbst verlässlich handeln. In der Bibel meint Wahrheit immer die Wahrheit Gottes im Sinne seiner über den Tod erhabenen Macht. Wäre Jesus auslöschbar oder jemals geschaffen worden, dann wäre auch die Wahrheit ohne ihn nicht präsent. Für Jesus gibt es keine vorausgehenden Maßstäbe, in ihm gibt es keine "Entwicklung", er hat ein inneres Leben, in dem er Menschensohn und Sohn Gottes zugleich ist. So wird uns einzig Christus zum Maßstab.
Joh 8:58 und Joh 17:5 zeigt uns ein Bild Christi von Weltgröße. Hier ist er nicht nur Lehrer der Wahrheit, Führer eines Weges oder Verkünder einer Ordnung. Sie zeigen erst die ganze Tragweite von Joh 14:6. Jesus kann alles in sich ziehen, die ganze Welt hat Raum in Christus. Aber nicht Raum im größten Geist, sondern als wirkliche Welt in der alles umspannenden Überwirklichkeit Gottes, denn alles weltliche west schließlich in ihm.
In Mk 10:17 kam einer aufgeregt daher, der zuvor die Güte des Herrn sah, wir er die Kinder aufgenommen hat. Das ist ihm übers Herz gegangen. An dieser Reinheit und Gottesnähe will er teilhaben. Jesus antwortet auf das "guter Meister" mit einer Zurückweisung. Er leugnet hier nicht aus "Demut" ab, denn wer und was er tatsächlich ist, sagt er uns klar in Joh 8:46. Was er bei dem Fragesteller hörte, war wohl eine gewisse Sentimentalität, oder ein sich-heften ans sichtbar-menschliche. Deshalb weist ihn der Herr hinauf zum unsichtbaren, heiligen Gott, dorthin soll er seinen Sinn wenden. So wird auch der Aufruf in Mt 19:17 verständlich: "Halte die Gebote!".
Jesus sieht, dass der Jüngling sich wirklich Mühe gegeben hat, die Weisungen Gottes zu halten, nach Höherem drängt, eine Sehnsucht in dem Bereich über dem Gebot besitzt. Dieses Verlangen sieht der Blick, mit dem Jesus ihn ermutigend "ansieht". Das ist die Antwort seiner Liebe, seinem göttlichen Wesen, die wiederum Antwort auf die bereits auf den Jüngling einwirkende göttliche Gnade ist.
Niemand ist gut, außer Gott, so spricht zum Jüngling der Menschensohn, der auf den Vater hinweist, lässt den Jüngliing aber nicht frustriert zurück. Denn gleichzeitig zieht Gottes Sohn den Jüngling in sich, in die Wahrheit, damit er ihm nachfolge. Jene Wahrheit, die Johannes als handelnd und wirkende Macht Gottes beschreibt. Der Jüngling hätte also dieses Gut erkennen müssen, um ein Leben in Wahrheit führen zu können und nicht nur das äußerlich-menschlich Gute.
Servus
