Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
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sven23
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#261 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 17. Sep 2016, 15:34

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Und deshalb können Islam und Judentum auch plausibel und nachvollziehbar innerhalb ihres geistigen Systems begründen, warum Jesus nur ein Endzeitprophet und Wanderprediger war.
Korrekt - je nach weltanschaulicher Ausgangslage. Allerdings geht vieles auch grundsätzlich nicht, aber auf anspruchsvoller Ebene geht viel - u.a. die islamischen und jüdischen Auffassungen.
Das heißt aber auch, in "geistigen" Dingen herrscht Willkür und Beliebigkeit. Beides kann ja nicht gleichzeitig richtig sein. Deshalb sollte man sich auf die hisorische Jesusforschung verlassen, die die Kompetenz dazu hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du könntest genau so gut behaupten, dass der Satz "Hitler war ein Diktator" eine zirkelreferente Aussage sei.
Insofern ja, dass dies eine historische Aussage ist und sich auf historische Grundlagen/Bewertungen bezieht - und bspw. nicht auf psychologische oder psychiatrische Grundlagen.
Und psychologische oder psychiatrische Grundlagen wären ihrerseits wieder zirkelreferent. :roll:
Das ist aber nicht die Definition von Zirkelreferenz, bzw. Zirkelbeweis, die du wieder mal nach eigenem Gutdünken zusammenbastelst.

"Ein Zirkelschluss, Zirkelbeweis, logischer Zirkel, Diallele oder auch Hysteron-Proteron (aus altgriechisch ὕστερον πρότερον [hýsteron próteron], wörtlich etwa „das Spätere [ist] das Frühere“),[1] ist ein Beweisfehler, bei dem die Voraussetzungen das zu Beweisende schon enthalten. Es wird also behauptet, eine Aussage durch Deduktion zu beweisen, indem die Aussage selbst als Voraussetzung verwendet wird. Er wird auch als Circulus vitiosus (aus lateinisch circulus vitiosus, wörtlich fehlerhafter Kreis)[2] oder Teufelskreis [3] bezeichnet und sollte zudem nicht mit dem Pleonasmus, einer Kombination gleichbedeutender Wörter, verwechselt werden.
Beim Zirkelschluss wird eine These in einem Argument durch Schlussfolgerung aus Prämissen abgeleitet, deren Gültigkeit ebenso fragwürdig ist wie die der These, auch wenn sie glaubwürdiger klingen oder den Eindruck erwecken, unabhängig von der Akzeptanz der These gültig zu sein. Dies stellt eine Verletzung des Satzes vom zureichenden Grunde dar. Der Selbstbezug kann auch über mehrere Stufen geschehen, sodass der Zirkelschluss dem unvorsichtigen Betrachter, oder gar dem Urheber selbst, verborgen bleibt."

Quelle: Wikipedia

Es ist also Unsinn, die Aussage, Hitler war ein Diktator, als Zirkelschuss zu bezeichnen. Thaddäus hatte das dir doch schon mehrmals ausführlich erklärt.

closs hat geschrieben: "Zirkelreferent" heisst doch nicht "falsch", sondern "in Bezug auf eine vorher gewählte Perspektive".
Doch, es ist ein Beweisfehler, siehe oben.

closs hat geschrieben: - Insofern ist Hitler historisch-kritisch eine Diktator und aus meiner Sicht auch historisch ein Diktator.
Warum sollte da überhaupt ein Widerspruch bestehen?

closs hat geschrieben: - Jesus hat möglicherweise historisch-kritisch eine Naherwartung und aus meiner Sicht historisch (= "wirklich") KEINE Naherwartung - diese Differenz entsteht dadurch, dass die HKM den Fall Jesus = "Gottes Sohn"/Gott nicht auf dem Schirm haben kann.
Den Widerspruch konstruierst du doch nur aus ideologischen Gründen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:An "Wahrnehmungsvielfalt" herrscht mit Sicherheit kein Mangel. Wieso sollte sonst der Esoterikmarkt so boomen?
Materialistische, esoterische, psychologische, spirituelle Wahrnehmung - alles da, richtig. - Aber was setzt sich durch, wenn man dem Wesen dessen, was man untersucht, gerecht werden will? Und diesbezüglich haben unterschiedliche Zeiten unterschiedliche Vorlieben - die übrigens in 100 Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit anders sein werden als heute.
Eben, es ist ein kommen und gehen bei den Göttern. :lol:



closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das heißt, die Forschung darf das Glaubenskonstrukt gar nicht beschreiben.
Doch - von außen, aber nicht von innen bewertend.
Die Forschung bewertet doch nicht. Sie stellt ganz nüchtern und sachlich fest, dass Jesus auf Grund der Quellenlage eine Naherwartung hatte. Oder hast du irgendwo gelesen, dass ein Theologe sagte: wie konnte der Depp nur? Nein, es ist eine sachliche Feststellung auf Basis der literarischen Quellen. Und da sie praktisch schon bei Abfassung der Evangelien ein Irrtum war, ist sie nur erklärbar, wenn sie die Autorität des historischen Jesus hat beanspruchen können, mit all den sich daraus ergebenden Problemen der Parusieverzögerung und Fälschungen, die den Schreibern notwendig erschienen, um den Irrtum irgendwie noch umzubiegen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:die Forschung beurteilt literarische Quellen und nach diesen hatte der Protagonist eine Naherwartung
Das wiederumg geht: "Nehme ich folgende Rezeptionen aus folgenden Zeiten nach folgenden Bewertungungen zugrunde, dann ...".
Das machen Kanoniker aber nicht. Sie sagen nicht wie closs, das ist ja nur Rezeption, weil dann auch Heilsgeschichte und alles andere "nur" Rezeption sein kann.

closs hat geschrieben: Er ist ja eh nicht anders, als in den Quellen beschrieben -
Auch das ist nicht haltbar. Er war sogar in vielen Dingen anders, als in den Quellen beschrieben. Vieles ist legendenhaft und erfunden. Kanoniker und Glaubensogmatiker wollen davon natürlich nichts wissen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also verlangst du doch, dass die Forschung Gott vorrauszusetzen habe.
Wie oft denn eigentlich noch? - ALLE historischen Möglichkeiten sollen beachtet werden - sowohl "Es gibt Gott" als auch "Es gibt Gott NICHT". - FALLS man ergebnisoffen vorgehen möchte.
Hat Strauss doch gemacht. Es brachte aber nicht das von dir gewünschte Ergebnis. Ist aus meiner Sicht auch Unsinn.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Das ist aber das Feld der kanonischen Exegese, das die Forschung den Kanonikern nicht streitig machen will.
Natürlich kann sich die biblische Wissenschaft aufteilen in "Wir-setzen-es-gibt-Gott-Forschung" und "Wir-setzen-es-gibt-NICHT-Gott-Forschung" - dann muss es die HKM aber sagen - die Kanonik tut's ja schon.
Das sind unsinnige Kategorien. Die Forschung untersucht Textquellen, Punkt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Keiner der biblischen Schreiber war dabei, das ist ja das geile.
Möglich - dann hat man eben nur sekundäre Quellen zur Verfügung, die sicherlich viel über ihre Zeit aussagen.
Eben, über ihre Zeit, also die Zeit der Schreiber. Die Texte sind allesamt Rückprojektionen in die Zeit Jesu. Dass da nicht mehr viel historisches dabei sein kann, ist verständlich.

closs hat geschrieben: Das ist doch gerade das "nahe Gottesreich", dass der Mensch noch heute unmittelbar geistes-real bei Gott/Jesus ist (etwa "Liebe Deinen Nächsten") - aber das sind keine HKM-Fragen - davon versteht sie nichts - und das ist wahrlich kein Vorwurf.
Ein Gerd Theißen, der voller Lobeshymnen für die Nächsten- und Feindesliebe ist, soll davon nichts verstehen? :shock:
Gehts noch?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Der unbekannte Schreiber hat seine eigene Theologie dem toten Wanderprediger Jesus untergeschoben. Aber beileibe kein Einzelfall in den Evangelien.
Jegliche kreative Auseinandersetzung ist eine Neuschöpfung - auch hier wieder: Ist sie jesus-authentisch oder nicht? - Wenn ja, entspricht sie der historischen Realität Jesu. - Egal, wann sie geschrieben wird.
Finde dich damit ab, dass du nicht eine historisch Gestalt verehrst, sondern eine weitgehend literarische Kunstfigur, einen Mythos. Manche Gläubige, auch hier im Forum, akzeptieren das sogar.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Bei Kanonikern kann nicht sein, was nicht sein darf. In der Forschung eine indiskutable Position.
Du machst Du was vor. - In der HKM dürfte bspw. der Satz "Jesus ist Gott" nicht sein. - Deine Selbstimmunisierung geht dahin, dass Du meinst, "Forschung" sei etwas setzungs-loses, das universal ergebnisoffen sei - das ist geistig rührend provinziell gedacht.
Provinziell ist wohl eher der Aberglaube an Geister und Dämonen. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich werden sie gebraucht, und zwar als Alibi für den Verbleib an den Unis.
Das gilt dann, wenn man "Wissenschaft" rein materialistisch definiert - dann würden auch Sprachwissenschaften und Kunst-Wissenschaften rausfliegen - Musik auch. - Du hast da einen sehr einseitigen Wissenschafts-Begriff.
Wer sagt denn außer dir, dass die anderen rausfliegen sollen?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Fast 300 Mio € kostet das den Steuerzahler jährlich.
Dann rechne mal die Kosten für atheistische Disziplinen dagegen (Analytische Philosophie, weltanschauungs-orientierte Geschichtswissenschaften, etc.). - Dann sollte man Unis ganz zu machen - uni-versitas = Die Bezeichnung Universität (von lateinisch universitas ‚Gesamtheit‘) charakterisiert begrifflich im Wissenschaftsbereich ganz allgemein eine umfassende Bildungseinrichtung. - An deren Stellen können dann rein utilitaristische Fachzentren entstehen. - Willst Du das?

Das Ärgernis ist doch wie so oft bei der Kirche: sie erhält Geld vom Staat, also dem Steuerzahler, hat aber trotzdem das sagen. Eine wirklich freie und unabhängige Forschung ist so gar nicht gewährleistet.
Ich bleibe dabei: Theologie an Universitäten ist ein Anachronismus.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#262 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 17. Sep 2016, 16:19

sven23 hat geschrieben:Das heißt aber auch, in "geistigen" Dingen herrscht Willkür und Beliebigkeit.
Nein - oder wäre es "Willkür und Beliebigkeit", wenn historische und psychologische Wissenschaft bei Hitler zu unterschiedlichen Einschätzungen kämen?

"Wissenschaft" ist nicht, dass zur selben Frage dasselbe rauskommt, sondern dass bei unterschiedlichen Perspektiven systematisch und intersubjektiv nachvollziehbar ("vernünftig") belegt werden kann.

sven23 hat geschrieben:Beides kann ja nicht gleichzeitig richtig sein.
Jetzt sind wir am Punkt. - Das "Sein" entzieht sich auch den Wissenschaften - man kann ihm nah sein oder fern - es ist per Wahrnehmung nie nachweisbar. - Beides kann richtig sein im Sinne der Begründung, was nicht heisst, dass es "wirklich" ("ontologisch") richtig ist - deshalb doch seit Jahrtausenden meine Unterscheidung zwischen "Sein" und "Wahrnehmung".

"Wissen wird in der Erkenntnistheorie traditionell als wahre und gerechtfertigte Meinung (englisch justified true belief) bestimmt. Generell wird Wissen als ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von Fakten, Theorien und Regeln verstanden, die sich durch den größtmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird. Paradoxerweise können daher als Wissen deklarierte Sachverhalts­beschreibungen wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein." (wik)

sven23 hat geschrieben:Und psychologische oder psychiatrische Grundlagen wären ihrerseits wieder zirkelreferent.
So ist es - siehe Definition "Wissen".

sven23 hat geschrieben:Es ist also Unsinn, die Aussage, Hitler war ein Diktator, als Zirkelschuss zu bezeichnen.
Du hast es nicht verstanden. - Unabhängig davon: Auch nach meiner Meinung war Hitler ein Diktator.

sven23 hat geschrieben:Doch, es ist ein Beweisfehler, siehe oben.
Nein - siehe: "Paradoxerweise können daher als Wissen deklarierte Sachverhalts­beschreibungen wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein."

Das ist die grundlegende Aussage, der man nicht entgehen kann. - Natürlich kann man darüber hinaus auch noch selbst-verursachte Stockfehler machen - das ist die Ebene DEINER Ausführungen, die natürlich dort ebenfalls korrekt sind - aber eben nicht ausreichend.

sven23 hat geschrieben:Den Widerspruch konstruierst du doch nur aus ideologischen Gründen.
Nein - aus geistig mindestens naheliegenden Gründen.

sven23 hat geschrieben:Eben, es ist ein kommen und gehen bei den Göttern.
Ich sprach vom Zeitgeist und was er gerade mal als Hype vor sich herschiebt - geh davon aus, dass in 100 Jahren das, was wir heute als "Aufklärung" bezeichnen, als hoffnungslos unaufgeklärt bezeichnet wird.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung bewertet doch nicht. Sie stellt ganz nüchtern und sachlich fest, dass Jesus auf Grund der Quellenlage eine Naherwartung hatte.
Genau das ist Dein Irrtum. - Die HKM KANN gar nicht feststellen, dass Jesus eine Naherwartung hatte, sondern lediglich, ob er aus historisch-kritischer Sicht eine Naherwartung hatte - und da stellt sie in vielen Vertretern "ganz nüchtern und sachlich" fest, dass er unter methodischer Maßstäblichkeit eine Naherwartung hatte. - So wie andere Forschungszweige genauso "nüchtern und sachlich" feststellen, dass er unter deren methodischer Maßstäblichkeit KEINE Naherwartung hatte.

sven23 hat geschrieben:Das machen Kanoniker aber nicht.
Natürlich nicht, weil sie andere Bewertungsgrundlagen für DIESELBEN Quellen haben.

sven23 hat geschrieben:Hat Strauss doch gemacht.
Soweit ich ihn verstanden habe, hat er es unter säkularen Gesichtspunkten simuliert - das geht natürlich nicht. - Wenn man nicht begreift, dass Aussagen anders zu interpretieren sind, ob jemand Mensch oder Gott ist, kommt natürlich dasselbe für beide Fälle raus.

sven23 hat geschrieben:Das sind unsinnige Kategorien.
Das sind sehr wichtige Kategorien, wenn man Ideologie zugunsten von Ergebnisoffenheit aufgeben will. - Wenn man NICHT will, dann nicht. :lol:

sven23 hat geschrieben:Die Forschung untersucht Textquellen, Punkt.
Logisch - deshalb tun es doch HKM und Kanonik. - Aber eben aus unterschiedlichen Bewertungs-Warten.

sven23 hat geschrieben:Eben, über ihre Zeit, also die Zeit der Schreiber. Die Texte sind allesamt Rückprojektionen in die Zeit Jesu. Dass da nicht mehr viel historisches dabei sein kann, ist verständlich.
Genau so - weshalb die Hoffnungen in die HKM in Bezug auf substantielle Ergebnisse schon vor Jahrzehnten abgeflaut ist. - Die Kanonik hat es da leichter, weil sie die Texte nicht historisch-kritisch, sondern geistig untersucht: "Was steht hier im Geist Jesu und was bedeutet es?" - Egal, ob es 80 n.Chr, 120 n.Chr. oder 250 n.Chr. geschrieben wurde - Heilsgeschichte ist ein fortwährender Prozess ohne qualitative Einbußen mit der Zeit.

sven23 hat geschrieben:Ein Gerd Theißen, der voller Lobeshymnen für die Nächsten- und Feindesliebe ist, soll davon nichts verstehen?
HKM-ler müssen immer den Spagat machen zwischen methodischer Disziplin und eigener geistiger Erkenntnis - das ist nicht immer einfach.

sven23 hat geschrieben:Finde dich damit ab, dass du nicht eine historisch Gestalt verehrst
Zumindest keine historisch-kritische Gestalt. - Mich interessiert ausschließlich die geistige Realität, die in Gott und Mensch wirklich und somit - so weit sie in der Zeit ist - historisch ist. - Aber dies wäre eine Diskussion jenseits historisch-kritischer Denkweise.

sven23 hat geschrieben:Wer sagt denn außer dir, dass die anderen rausfliegen sollen?
Irgend jemand muss Gedanken zu Ende denken - Cherry-Picking geht nicht.

sven23 hat geschrieben: Das Ärgernis ist doch wie so oft bei der Kirche: sie erhält Geld vom Staat, also dem Steuerzahler, hat aber trotzdem das sagen.
Meines Wissens bekommen auch medizinische Fakultäten Geld vom Steuerzahler, um ihren Betrieb aufrechtzuerhalten und haben etwas zu sagen. - Meinst Du etwa, dass Hauptabteilungsleiter in Berlin bestimmen sollten, was in Wissenschaft und Lehre geschieht?

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#263 Re: Theodizee

Beitrag von Pluto » Sa 17. Sep 2016, 17:34

closs hat geschrieben:wäre es "Willkür und Beliebigkeit", wenn historische und psychologische Wissenschaft bei Hitler zu unterschiedlichen Einschätzungen kämen?
Ist ja nicht der Fall.

closs hat geschrieben:"Wissenschaft" ist nicht, dass zur selben Frage dasselbe rauskommt, sondern dass bei unterschiedlichen Perspektiven systematisch und intersubjektiv nachvollziehbar ("vernünftig") belegt werden kann.
Wissenschaft ist Beides!

closs hat geschrieben:Jetzt sind wir am Punkt. - Das "Sein" entzieht sich auch den Wissenschaften - man kann ihm nah sein oder fern - es ist per Wahrnehmung nie nachweisbar.
Zunächst müsste man nachweisen, dass das "Sein" mehr ist als bloße Illusion oder Wunschvorstellung.

closs hat geschrieben:"Wissen wird in der Erkenntnistheorie traditionell als wahre und gerechtfertigte Meinung (englisch justified true belief) bestimmt.
Diese Definition geht auf Platon zurück und gilt heute in der Epistemologie als überholt und falsch, weil sie das Gettier-Problem der Zufälligkeiten ignoriert.

closs hat geschrieben:geh davon aus, dass in 100 Jahren das, was wir heute als "Aufklärung" bezeichnen, als hoffnungslos unaufgeklärt bezeichnet wird.
Wie kannst du da so sicher sein?

closs hat geschrieben:Die HKM KANN gar nicht feststellen, dass Jesus eine Naherwartung hatte, sondern lediglich, ob er aus historisch-kritischer Sicht eine Naherwartung hatte - und da stellt sie in vielen Vertretern "ganz nüchtern und sachlich" fest, dass er unter methodischer Maßstäblichkeit eine Naherwartung hatte.
Verstehe ich nicht. Was ist der Unterschied zwischen "historisch-kritisch" und "sachlich"?

closs hat geschrieben:Soweit ich [Strauss] verstanden habe, hat er es unter säkularen Gesichtspunkten simuliert - das geht natürlich nicht.
Warum geht das nicht?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer sagt denn außer dir, dass die anderen rausfliegen sollen?
Irgend jemand muss Gedanken zu Ende denken - Cherry-Picking geht nicht.
Magst du Svens berechtigte Frage nicht beantworten, anstatt sie als "Cherry-Picking" abzutun?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#264 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 17. Sep 2016, 18:41

Pluto hat geschrieben:Ist ja nicht der Fall.
Warum denn das? - Die Psychologie könnte sehr wohl zum Ergebnis kommen, dass sich H. in seiner Selbstsicht ganz anders sah.

Pluto hat geschrieben:Wissenschaft ist Beides!
Einverstanden - demnach sind HKM und kanonische Exegese beides Wissenschaften.

Pluto hat geschrieben:Zunächst müsste man nachweisen, dass das "Sein" mehr ist als bloße Illusion oder Wunschvorstellung.
Erstens kann man das nicht, weil man immer nur wahrnehmen kann. - Zweitens wäre die einzige Alternative dazu Solipsismus - das schließt bspw. Descartes aus geistigen Gründen aus (ich übrigens auch).

Pluto hat geschrieben:Diese Definition geht auf Platon zurück und gilt heute in der Epistemologie als überholt und falsch, weil sie das Gettier-Problem der Zufälligkeiten ignoriert.
Einverstanden - aber nach Gettier wäre es ja noch mehr in meinem Sinne (wik):
"Gettier setzt jedoch nur zwei Annahmen über Rechtfertigung voraus, die vergleichsweise unkontrovers sind (vgl. Gettier 1963: 121):

1. Fallibilismus: Eine gerechtfertigte Meinung kann falsch sein.
2. Deduktive Geschlossenheit: Wenn man aus einer gerechtfertigten Meinung eine andere Meinung logisch korrekt ableitet, dann ist auch die zweite Meinung gerechtfertigt."

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#265 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 17. Sep 2016, 18:48

Pluto hat geschrieben:Wie kannst du da so sicher sein?
Aus geistigen Gründen ohnehin - und aus QM-Gründen.

Pluto hat geschrieben:Verstehe ich nicht. Was ist der Unterschied zwischen "historisch-kritisch" und "sachlich"?
Lies nochmal - meine Aussage ist, dass ein HKM-ler im Sinne seiner Methodik selbstverständlich "sachlich" feststellen kann.

Pluto hat geschrieben:Warum geht das nicht?
Deshalb:
closs hat geschrieben:Wenn man nicht begreift, dass Aussagen anders zu interpretieren sind, ob jemand Mensch oder Gott ist, kommt natürlich dasselbe für beide Fälle raus.

Pluto hat geschrieben:Magst du Svens berechtigte Frage nicht beantworten, anstatt sie als "Cherry-Picking" abzutun?
War das keine Antwort? - Also - zur Erläuterung:

Wenn Wissenschaft sich nur um "Nachweisbares" kümmert, muss sie eigene Weltanschauungen und geistige Wahrnehmungen vollkommen ausschalten - tut sie dies aber, muss sie Musik, Literatur und Kunst (etc.) ohne das behandeln - was nur oberflächlich geht. - Wir hätten dann also denselben Fall wie mit der HKM: "Wissenschaft" wäre eine periphäre Disziplin zur eigentlichen Sache, die "nicht-wissenschaftlich" angegangen werden müsste, um sie profund zu untersuchen. - Soll es DAS sein?

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#266 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 17. Sep 2016, 20:32

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das heißt aber auch, in "geistigen" Dingen herrscht Willkür und Beliebigkeit.
Nein - oder wäre es "Willkür und Beliebigkeit", wenn historische und psychologische Wissenschaft bei Hitler zu unterschiedlichen Einschätzungen kämen?
Das hinkt mal wieder. Ob Hitler eine Diktator war, ist keine "geistige" Frage in deinem Sinne. Meinetwegen können sich auch andere Disziplinen neben Historikern zu Wort melden. Nur müssen sie dann begründen können, dass Hitler kein Diktator war, wenn sie dieser Meinung sind. Ich vermute mal, dass dies keiner hinbekommt.
Ein eingefleischter Nazi mag anderer Meinung sein, aber sachlich und wissenschaftlich begründen kann er es nicht.

closs hat geschrieben: "Wissenschaft" ist nicht, dass zur selben Frage dasselbe rauskommt, sondern dass bei unterschiedlichen Perspektiven systematisch und intersubjektiv nachvollziehbar ("vernünftig") belegt werden kann.
Was du meinst, ist die Beurteilung eines Sachverhaltes. Am Sachverhalt selber ändert sich nichts.
Am Sachverhalt der Naherwartung ändert sich nichts durch die Perspektive. Erst in der Beurteilung kommt die Perpektive zum tragen.
Ein Agnostiker zuckt mit den Schultern und sagt: Ok, dann hat Jesus sich halt geeirt. Er wäre nicht der erste und nicht der letzte.
Ein Glaubendsogmatiker dagegen sagt: um Himmels willen, der Sohn Gottes darf sich nicht irren, also hatte er gar keine Naherwartung, und fertig ist die Glaubenslaube.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und psychologische oder psychiatrische Grundlagen wären ihrerseits wieder zirkelreferent.
So ist es - siehe Definition "Wissen".
Nein, Zirkelschlüsse sind Beweisfehler. Nach deiner Definition würde jeder Fachbereich nur mit Beweisfehlern arbeiten. Das ist schlichtweg Unsinn.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Doch, es ist ein Beweisfehler, siehe oben.
Nein - siehe: "Paradoxerweise können daher als Wissen deklarierte Sachverhalts­beschreibungen wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein."
Langsam, langsam. Das geblaute ist der entscheidende Hinweis. Deklariertes Wissen muss noch lange kein echtes Wissen im Sinne der Definition sein.
Wenn closs behauptet, er wisse, dass 1 + 2 = 7 ist, dann hat er ein deklariertes Wissen, das aber der Realität nicht standhält und übrigens deiner Definition auch nicht.
Du hast eh die Tendenz, alles in einem Einheitsbrei bis zur Unkenntlichkeit zu verrühren.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung bewertet doch nicht. Sie stellt ganz nüchtern und sachlich fest, dass Jesus auf Grund der Quellenlage eine Naherwartung hatte.
Genau das ist Dein Irrtum. - Die HKM KANN gar nicht feststellen, dass Jesus eine Naherwartung hatte, sondern lediglich, ob er aus historisch-kritischer Sicht eine Naherwartung hatte - und da stellt sie in vielen Vertretern "ganz nüchtern und sachlich" fest, dass er unter methodischer Maßstäblichkeit eine Naherwartung hatte. -
Nein, Jesus hatte keine methodische Naherwartung, sondern eine echte.

closs hat geschrieben: So wie andere Forschungszweige genauso "nüchtern und sachlich" feststellen, dass er unter deren methodischer Maßstäblichkeit KEINE Naherwartung hatte.
Welche anderen "Forschungszweige" sollen das sein". Nun komm mir nicht mit Kapazitäten wie Ratzinger, der das alttestamentarische "heilig, heilig, heilig" als Beleg für die Trinität vergewaltigt. :lol: Auf diesem Niveau ist keine seriöse Forschung möglich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das sind unsinnige Kategorien.
Das sind sehr wichtige Kategorien, wenn man Ideologie zugunsten von Ergebnisoffenheit aufgeben will. - Wenn man NICHT will, dann nicht. :lol:
Kanonische Exegese und Ergebnisoffenheit verhalten sich wie die Schalen einer Waage. In dem Maße, wie die eine steigt, sinkt die andere und umgekehrt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung untersucht Textquellen, Punkt.
Logisch - deshalb tun es doch HKM und Kanonik. - Aber eben aus unterschiedlichen Bewertungs-Warten.
Eben, die eine aus wissenschftlicher Perspektive, die andere aus glaubensdogmatischer.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, über ihre Zeit, also die Zeit der Schreiber. Die Texte sind allesamt Rückprojektionen in die Zeit Jesu. Dass da nicht mehr viel historisches dabei sein kann, ist verständlich.
Genau so - weshalb die Hoffnungen in die HKM in Bezug auf substantielle Ergebnisse schon vor Jahrzehnten abgeflaut ist. -
Die Hoffnung auf eine vollständige Biografie wurde begraben, aber nicht die Unterscheidung zwischen historischem/authentischem und unhistorischem, bezogen auf die Quellen. Was kann Jesus zugeschrieben werden, was sind Eigenkompositionen der Schreiber? Das sind nach wie vor die Hauptanliegen der Forschung.


closs hat geschrieben: Die Kanonik hat es da leichter, weil sie die Texte nicht historisch-kritisch, sondern geistig untersucht: "Was steht hier im Geist Jesu und was bedeutet es?" -
Natürlich hat sie es leichter, weil sie es sich einfach macht. Sie will ja auch gar nicht die Unterscheidung, weil sie dann zugeben müßte, dass auch nicht authentisches Material in den Evangelien steht und das gefährdet die Inspiration des Heiligen Geistes. Im Grund hat sie sich in eine Sackgasse manovriert, aus der es nur einen Ausweg gibt: der Glaubensentscheid.

closs hat geschrieben: Egal, ob es 80 n.Chr, 120 n.Chr. oder 250 n.Chr. geschrieben wurde - Heilsgeschichte ist ein fortwährender Prozess ohne qualitative Einbußen mit der Zeit.
Es ist ziemlich naiv anzunehmen, ein Schreiber könne nach 100 Jahren noch authentisches Material nachliefern. Da lügt man sich in die eigene Tasche.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ein Gerd Theißen, der voller Lobeshymnen für die Nächsten- und Feindesliebe ist, soll davon nichts verstehen?
HKM-ler müssen immer den Spagat machen zwischen methodischer Disziplin und eigener geistiger Erkenntnis - das ist nicht immer einfach.
Womit deine Behauptung, ein HKM-ler würd nichts von der Nächstenliebe verstehen, widerlegt ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Finde dich damit ab, dass du nicht eine historisch Gestalt verehrst
Zumindest keine historisch-kritische Gestalt. - Mich interessiert ausschließlich die geistige Realität, die in Gott und Mensch wirklich und somit - so weit sie in der Zeit ist - historisch ist. - Aber dies wäre eine Diskussion jenseits historisch-kritischer Denkweise.
Macht es denn Sinn, einen literarischen Mythos anzubeten?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer sagt denn außer dir, dass die anderen rausfliegen sollen?
Irgend jemand muss Gedanken zu Ende denken - Cherry-Picking geht nicht.
Cherry-Picking ist was anderes. Hier sollte eher ein faules Ei aussortiert werden. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Das Ärgernis ist doch wie so oft bei der Kirche: sie erhält Geld vom Staat, also dem Steuerzahler, hat aber trotzdem das sagen.
Meines Wissens bekommen auch medizinische Fakultäten Geld vom Steuerzahler, um ihren Betrieb aufrechtzuerhalten und haben etwas zu sagen. - Meinst Du etwa, dass Hauptabteilungsleiter in Berlin bestimmen sollten, was in Wissenschaft und Lehre geschieht?
Nein, Forschung und Lehre sollen frei sein. Die Abhängigkeit von den Kirchen gewährleistet dies nicht. Ich darf an Kubitzas Ausführungen dazu erinnern.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#267 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Sa 17. Sep 2016, 21:19

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Den Widerspruch konstruierst du doch nur aus ideologischen Gründen.
Nein - aus geistig mindestens naheliegenden Gründen.
Du meinst aus für DICH "geistig" naheliegenden Gründen. Objektiv ist da überhaupt nichts naheliegend. Begründe mal, warum es naheliegend (plausibel, evident) sein soll, dass es ein allmächtiges Gottwesen geben soll, der einen Sohn hat, welcher Mensch wird
und sich aus heilsgeschichtlichen Gründen für die Sünden der Menschen blutig opfert.


Das ist primitive Mythologie, das ist finsterster Aberglaube.

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#268 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Sa 17. Sep 2016, 22:36

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Historische Geschehnisse sind nichts "Mechanistisches", sondern die schlichte Realität dessen, was sich in Vorzeiten tatsächlich ereignet hat.
Exakt richtig. - Aber merkst Du: Du wechselst schon wieder auf die Seins-Ebene - meine Aussage war die Wahrnehmungs-Ebene. Und hier steht historisch-kritische (NICHT "historische") Wahrnehmung methodisch auf anderer Ebene als geistige Wahrnehmung (wiewohl man beides verbinden kann).
"Geistige Wahrnehmung" ist ausschließlich eine Sache des persönlichen Glaubens. Ich rede vom historischen Jesus aus Nazareth, der Gegenstand historisch-wissenschaftlicher Untersuchungen ist. Du redest von einer Kunstfigur, vom geglaubten, vergöttlichten Christus, wie sie in den neutestamentlichen Schriften mit viel Poesie und Glauben geschaffen wurde.



closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die angebliche Übergriffigkeit der Exegeten ist Dein ständiger unhaltbarer Vorwurf.
Die Übergriffigkeit weltanschaulich geprägter historisch-kritischer Exegeten (nicht "der" Exegeten) ist breit belegbar.
So kann man nur denken, wenn man fälschlicherweise glaubt, die Naherwartungsfrage sei eine Frage des Glaubens, mit der sich Exegeten nicht befassen dürfen. Leider sind da die Exegeten anderer Meinung. Für sie ist die Naherwartungsfrage eine historische Frage, die mit Glauben nichts zu tun hat.

So einfach ist das. ;)

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#269 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 17. Sep 2016, 23:36

sven23 hat geschrieben:Meinetwegen können sich auch andere Disziplinen neben Historikern zu Wort melden. Nur müssen sie dann begründen können, dass Hitler kein Diktator war, wenn sie dieser Meinung sind. Ich vermute mal, dass dies keiner hinbekommt.
Es wird keine Psychologe zum Ergebnis kommen, dass Hitler historisch kein Diktator war - er wird untersuchen, ob er sich als solcher verstanden hat und ob er es von seinem Wesen war. - Das sind ganz andere Fragestellungen.

sven23 hat geschrieben:Ein eingefleischter Nazi mag anderer Meinung sein, aber sachlich und wissenschaftlich begründen kann er es nicht.
Historisch richtig - aber Deine Argumentation zeigt mir, dass Du die eigentliche Fragestellung gar nicht begriffen hast.

sven23 hat geschrieben:Was du meinst, ist die Beurteilung eines Sachverhaltes. Am Sachverhalt selber ändert sich nichts.
Korrekt - und "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eben eine Beurteilung und kein Sachverhalt.

sven23 hat geschrieben:Nach deiner Definition würde jeder Fachbereich nur mit Beweisfehlern arbeiten.
Nein - weil Beweise gerade auf Zirkelreferenz angelegt sind. - Ohne Zirkelereferenz kein Beweis - oder anders:

In der Mathematik heisst es nicht umsonst "Voraussetzung - Behauptung - Beweis". - Das heisst: Ohne Voraus-Setzung bzw nur mit Bezug auf diese Setzung ist ein Beweis möglich. - Du reduzierst "Zirkelreferenz" auf handwerklich Fehler - ich argumentiere auf einer ganz anderen Ebene.

sven23 hat geschrieben: Deklariertes Wissen muss noch lange kein echtes Wissen im Sinne der Definition sein.
So ist aber die wiki-Definition zu verstehen. - Oder vereinfacht: Wenn eine (nicht-falsifizierbare !) Voraus-Setzung falsch ist, handelt es sich trotzdem um echtes Wissen im Sinne der Definition.

sven23 hat geschrieben:Du hast eh die Tendenz, alles in einem Einheitsbrei bis zur Unkenntlichkeit zu verrühren.
Was Du "Unkenntlichkeit" nennst, ist "Dingen-auf-den-Grund-Gehen".

sven23 hat geschrieben:Jesus hatte keine methodische Naherwartung, sondern eine echte.
Das wäre deklariertes Wissen im Sinne der wiki-Definition.

sven23 hat geschrieben:Welche anderen "Forschungszweige" sollen das sein". Nun komm mir nicht mit Kapazitäten wie Ratzinger
Doch - auch er.

sven23 hat geschrieben:Eben, die eine aus wissenschftlicher Perspektive, die andere aus glaubensdogmatischer.
Nein - beide sind wissenschaftlich, weil sie beide auf ihren Voraus-Setzungen methodisch und intersubjektiv nachvollziehbar/systematisch argumentieren.

sven23 hat geschrieben:Was kann Jesus zugeschrieben werden, was sind Eigenkompositionen der Schreiber? Das sind nach wie vor die Hauptanliegen der Forschung.
Dafür wird die HKM auch in der Theologie gebraucht - auf Sachebene, aber nicht auf geistiger Beurteilungs-Ebene.

sven23 hat geschrieben: Sie will ja auch gar nicht die Unterscheidung, weil sie dann zugeben müßte, dass auch nicht authentisches Material in den Evangelien steht und das gefährdet die Inspiration des Heiligen Geistes.
Nein - "Inspiration durch den HG" hat nichts mit "historisch-kritischer Authentizität" zu tun. - Entweder etwas ist HG-inspiriert oder nicht.

sven23 hat geschrieben:Es ist ziemlich naiv anzunehmen, ein Schreiber könne nach 100 Jahren noch authentisches Material nachliefern.
Du sprichst von historisch-kritisch-authentisch, ich reden von geistig-authentisch.

sven23 hat geschrieben:Womit deine Behauptung, ein HKM-ler würd nichts von der Nächstenliebe verstehen, widerlegt ist.
Wenn eine solch unsinnige Behauptung die meinige wäre, wäre sie damit widerlegt. :) - Wie kommst Du auf einen solchen Stuss?

sven23 hat geschrieben:Macht es denn Sinn, einen literarischen Mythos anzubeten?
Nein - das tut auch keiner. - Deklariertes Wissen auf historisch-kritischer Basis ist doch kein Maßstab für das, was Gott "ist".

sven23 hat geschrieben:Nein, Forschung und Lehre sollen frei sein. Die Abhängigkeit von den Kirchen gewährleistet dies nicht.
Das ist ein Oxymoron. - Oder meinst Du, Theologie wird erst dann frei, wenn es Gott nicht mehr gibt? :lol:

Münek hat geschrieben:Begründe mal, warum es naheliegend (plausibel, evident) sein soll, dass es ein allmächtiges Gottwesen geben soll, der einen Sohn hat, welcher Mensch wird und sich aus heilsgeschichtlichen Gründen für die Sünden der Menschen blutig opfert.
Wurde hier auf dem Forum mehrfachst erfolglos getan - es gehören Grundlagen dazu, dies zu verstehen. - Es macht deshalb keinen Sinn, nochmals auszuholen.

Münek hat geschrieben: Du redest von einer Kunstfigur
Nein - ich rede vom tatsächlichen Jesus - unter der Voraussetzung, dass in ihm Gott gehandelt hat. - Du sprichst vom historisch-kritischen Jesus - unter der Voraussetzung, dass er nichts als ein Wanderprediger war. - Unserer beider diesbezügliche Glaube ist nicht falsifizierbar.

Münek hat geschrieben:So kann man nur denken, wenn man fälschlicherweise glaubt, die Naherwartungsfrage sei eine Frage des Glaubens
So ist es.

Münek hat geschrieben: mit der sich Exegeten nicht befassen dürfen.
Ein nicht-gläubiger Exeget kann sich damit rezeptions-/quellen-mäßig befassen, aber die Sache selbst (also Jesus betreffend) NICHT beurteilen.

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#270 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » So 18. Sep 2016, 05:24

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Begründe mal, warum es naheliegend (plausibel, evident) sein soll, dass es ein allmächtiges Gottwesen geben soll, der einen Sohn hat, welcher Mensch wird und sich aus heilsgeschichtlichen Gründen für die Sünden der Menschen blutig opfert.
Wurde hier auf dem Forum mehrfachst erfolglos getan - es gehören Grundlagen dazu, dies zu verstehen. - Es macht deshalb keinen Sinn, nochmals auszuholen.
Grundlagen (Setzungen) sollten plausibel, evident, einleuchtend, hinterfragbar sein.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Du redest von einer Kunstfigur
Nein - ich rede vom tatsächlichen Jesus - unter der Voraussetzung, dass in ihm Gott gehandelt hat.
Unter der Voraussetzung, dass ein Elefant fliegen kann, kann ein Elefant fliegen. :)

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: mit der sich Exegeten nicht befassen dürfen.
Ein nicht-gläubiger Exeget kann sich damit rezeptions-/quellen-mäßig befassen, aber die Sache selbst (also Jesus betreffend) NICHT beurteilen.
Die als authentisch angesehenen Aussprüche Jesu zur nahen Gottesherrschaft werden selbstverständlich von den Exegeten beurteilt. Das ist deren Aufgabe (Textinterpretation). In der wissenschaftlichen Forschung hat andererseits der persönliche Gottesglaube nichts zu suchen. Dieser gehört in den Bereich der kirchlichen Dogmatik.

Das solltest Du säuberlich auseinanderhalten.

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